BGH Urteil v. - VI ZR 5/20

Betrug und vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Käufers eines vom sog. Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens: Tatbestandsmerkmal der "Stoffgleichheit"; Ermittlung des schädigenden Verhaltens als sittenwidrig in einer Gesamtschau

Leitsatz

1. Zur "Stoffgleichheit" im Zusammenhang mit der Absicht, einem Dritten bei einem Gebrauchtwagenverkauf einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen (§ 263 Abs. 1 StGB).

2. Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat.

Gesetze: § 31 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 826 BGB, § 263 Abs 1 StGB, § 6 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV, Art 5 Abs 2 S 1 EGV 715/2007, § 286 ZPO

Instanzenzug: Az: 12 U 804/19vorgehend LG Trier Az: 5 O 686/18

Tatbestand

1Der Kläger erwarb im August 2016 von der Autohaus S. GmbH einen gebrauchten VW Touran Match mit einem Kilometerstand von rund 80.000 km zu einem Kaufpreis von 13.600 €. Das Fahrzeug ist mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens.

2Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in einen Stickoxid-optimierten Abgasrückführungsmodus 1. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Grenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Modus 1 eingehalten.

3Vor Abschluss des Kaufvertrages, am , gab die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG sowie eine gleichlautende Presseerklärung heraus, die auszugsweise wie folgt lauten:

4"Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran … Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt."

5Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wertete die Steuerung als unzulässige Abschalteinrichtung und gab im Oktober 2015 der Beklagten durch nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung auf, die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu gewährleisten. Die Beklagte entwickelte in der Folge unter anderem bei Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 mit 2,0-Liter-Hubraum ein Software-Update. Das KBA gab die Nachrüstung für den hier betroffenen Fahrzeugtyp frei. Auch für das Fahrzeug des Klägers wurde nach dem Erwerb ein Software-Update aufgespielt.

6Mit seiner Klage verlangt der Kläger Schadensersatz in Höhe des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, ferner Ersatz von Aufwendungen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.

7Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Gründe

I.

8Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (12 U 804/19, veröffentlicht in BeckRS 2019, 36722) darauf gestützt, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustehe. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV scheitere daran, dass die genannten Vorschriften der EG-FGV ebenso wie Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG nicht dem Vermögensschutz eines Kraftfahrzeugerwerbers dienten. Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB fehle es bereits an einer Täuschungshandlung, weil der Kläger eine solche nicht substantiiert dargelegt habe. Zwar habe er bestritten, Kenntnis von der Abgasproblematik gehabt zu haben. Der Erwiderung der Beklagten, dass es angesichts der breiten Medienberichterstattung nach der Ad-hoc-Mitteilung vom unmöglich gewesen sei, an dieser Berichterstattung vorbeizukommen, so dass davon auszugehen sei, dass der Kläger sich in Kenntnis der Software für den Erwerb des Fahrzeugs entschieden habe, sei der Kläger nicht mehr substantiiert entgegengetreten. Selbst wenn der Kläger aber einem Irrtum über die Verwendung der Umschaltlogik bei dem betroffenen Fahrzeug unterlegen sein sollte, fehle es jedenfalls an einer vorsätzlichen Täuschungshandlung der Beklagten, die kausal für den vom Kläger behaupteten Schaden habe sein können. Schließlich ergebe sich ein Anspruch auch nicht aus § 826 BGB. Es fehle bereits an der besonderen Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt des mit Abschluss des Kaufvertrags erfolgten Schadenseintritts. Zwar habe die Beklagte, als sie das Fahrzeug in den Verkehr gebracht habe, in sittenwidriger Weise den Neuwagenkäufer geschädigt, durch fortwährendes Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung an ihrem sittenwidrigen Verhalten festgehalten und anschließend auch nachteilig auf die Vermögenslage ahnungsloser Zweit- und Dritterwerber des sachmangelbehafteten Fahrzeugs eingewirkt. Nachdem die Beklagte aber mit Herausgabe der Ad-hoc-Mitteilung objektiv den Fehler bei der Abgasführung eingeräumt sowie dessen Beseitigung in Abstimmung mit dem KBA angekündigt und weitere Maßnahmen ergriffen habe, könne ihr jedenfalls in Bezug auf potenzielle Gebrauchtwagenkäufer ab Herbst 2015 kein verwerfliches Verhalten (mehr) angelastet werden. Die Gründe, die ihr Verhalten bis Herbst 2015 sittenwidrig erscheinen ließen, seien damit weggefallen. Darüber hinaus fehle es an der Kausalität des Verhaltens der Organe der Beklagten für den vom Kläger geltend gemachten Schaden. Der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt, weshalb ihm, trotz der Aufklärungsmaßnahmen der Beklagten und des über Monate andauernden Echos hierauf, verborgen geblieben sein wolle, dass das Fahrzeug mit der unzulässigen Umschaltlogik ausgestattet gewesen sei.

II.

9Die Revision des Klägers ist unbegründet, da ihm keine - hier allein in Betracht kommenden - deliktsrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte zustehen.

101. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger könne den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auf Erstattung des Kaufpreises (und weiterer für den Erwerb des Fahrzeugs getätigter Aufwendungen) nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG herleiten, ist frei von Rechtsfehlern.

11a) Der Kläger stützt seinen Schadensersatzanspruch darauf, dass er von der Beklagten zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst worden sei. Wie der Senat in seinem Urteil vom (VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 76) ausgeführt hat, liegt das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich des § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV. Es sind auch im vorliegenden Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen. Anderes ergibt sich nicht aus dem von der Revision angeführten Gesichtspunkt, dass die Übereinstimmungsbescheinigung gemäß Erwägungsgrund 0 des Anhangs IX der Richtlinie 2007/46/EG in der Fassung der VO 385/2009/EG eine Erklärung des Fahrzeugherstellers darstellt, in der dem Fahrzeugkäufer versichert wird, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmt (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 75). Auch wenn der genannte Erwägungsgrund, ebenso wie Erwägungsgrund 3 VO 385/2009/EG, wonach die Angaben auf der Übereinstimmungsbescheinigung für die beteiligten Verbraucher verständlich sein sollen, in persönlicher Hinsicht auch den Fahrzeugkäufer im Blick hat, erfasst sie in sachlicher Hinsicht das hier geltend gemachte Interesse nicht. Eine Einbeziehung dieses Interesses ergibt sich schließlich entgegen der Ansicht der Revision nicht daraus, dass die in Art. 46 RL 2007/46/EG vorgesehenen Sanktionen auch gewährleisten sollen, dass der Käufer eines Fahrzeugs im Besitz einer Übereinstimmungsbescheinigung ist, die es ihm erlaubt, das Fahrzeug gemäß Anhang IX dieser Richtlinie in jedem Mitgliedstaat zuzulassen, ohne zusätzliche technische Unterlagen vorlegen zu müssen (, BeckRS 2018, 23568 Tz. 87).

12b) Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt offensichtlich auch nicht im Aufgabenbereich des Art. 5 VO 715/2007/EG.

13aa) Gemäß Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007/EG hat der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig; Satz 2 regelt Ausnahmefälle. Die Verordnung 715/2007/EG dient, wie sich aus ihren Erwägungsgründen ergibt, der Vollendung des Binnenmarktes durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung der Emissionen von Kraftfahrzeugen (Erwägungsgründe 1, 27) sowie dem Umweltschutz, insbesondere der Verbesserung der Luftqualität (Erwägungsgründe 1, 4 bis 7). Erwähnt sind ferner die Senkung der Gesundheitskosten und der Gewinn zusätzlicher Lebensjahre (Erwägungsgrund 7). Auch hier fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass die Verordnung, insbesondere ihr Art. 5, dem Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen Fahrzeugerwerbers dienen könnte.

14bb) Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nicht aus dem Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts (effet utile) und den hierzu angeführten Urteilen des (DVBl 2002, 1620) und vom - C-237/07 (NVwZ 2008, 984). Danach kann die volle Wirksamkeit der Regelung von gemeinschaftsrechtlichen Qualitätsnormen, die unter anderem dem lauteren Handel und der Markttransparenz dienen, voraussetzen, dass deren Beachtung im Wege eines Zivilprozesses durchgesetzt werden kann, den ein Wirtschaftsteilnehmer gegen einen Konkurrenten anstrengt (, DVBl 2002, 1620 Tz. 30 ff.). Weiter kann es mit dem zwingenden Charakter einer Richtlinie, die den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt, unvereinbar sein, grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit der Richtlinie auferlegte Verpflichtung von einer betroffenen Person geltend gemacht werden kann. Deshalb müssen Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung von Grenzwerten betroffen sind, bei den zuständigen Behörden, ggf. unter Anrufung des zuständigen Gerichts, die in der Richtlinie für diesen Fall zwingend vorgesehene Erstellung eines Aktionsplans erwirken können (, NVwZ 2008, 984 Tz. 35 ff.). In beiden Fällen ging es um die Durchsetzung der Beachtung von gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, die mit dem Wettbewerbsschutz bzw. dem Gesundheitsschutz zumindest auch die Interessen der jeweiligen Kläger (Konkurrent; von Grenzwertüberschreitungen unmittelbar Betroffener) im Blick hatten. Nach der Rechtsprechung des EuGH können einem Einzelnen wegen der Verletzung von Gemeinschaftsrecht auch Schadensersatzansprüche gegen eine andere Privatperson zustehen. Voraussetzung ist aber (ähnlich wie für Entschädigungsansprüche gegen den Staat, vgl. nur , NVwZ 2009, 771 Tz. 20), dass das verletzte Gemeinschaftsrecht dem Einzelnen Rechte verleiht (vgl. , GRUR 2002, 367 Tz. 23, 25 zu Art. 85, 86 EG-Vertrag). Aus dem Grundsatz des effet utile ergibt sich dagegen nicht das Gebot, dem Einzelnen Schadensersatzansprüche gegen eine Privatperson für die Verletzung objektiven Gemeinschaftsrechts zu gewähren und damit individuelle Interessen durchzusetzen, die die jeweilige gemeinschaftsrechtliche Bestimmung nicht schützt. Es ist daher weder notwendig noch gerechtfertigt, im Anwendungsbereich des § 823 Abs. 2 BGB bei der Verletzung von Unionsrecht contra legem auf den individualschützenden Charakter der verletzten Norm zu verzichten und unabhängig davon Schadensersatz zu gewähren (entgegen Wagner in MünchKommBGB, 7. Aufl., § 823 Rn. 481).

15cc) Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger aus einer Verletzung des Art. 5 VO 715/2007/EG eine Haftung der Beklagten auf Schadensersatz in Form der Rückabwicklung eines ungewollt abgeschlossenen Kaufvertrages auch unter Berücksichtigung des effet utile nicht herleiten. Er würde damit sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht durchsetzen, das durch die Verordnung nicht geschützt ist.

16c) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH (Art. 267 Abs. 3 AEUV) wegen der Auslegung der genannten Vorschriften ist entgegen der Ansicht der Revision nicht veranlasst. Ein Vorabentscheidungsersuchen ist erforderlich, wenn sich eine entscheidungserhebliche und der einheitlichen Auslegung bedürfende Frage des Unionsrechts stellt. Das ist hier nicht der Fall. Die Rechtslage ist sowohl im Hinblick auf § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 77) als auch im Hinblick auf Art. 5 VO 715/2007/EG wie dargestellt von vornherein eindeutig ("acte claire", vgl. 283/81, NJW 1983, 1257, 1258; BVerfG, NVwZ 2015, 52 Rn. 35). Anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Landgerichte Stuttgart (BeckRS 2020, 3558), Gera (7 O 1188/18, juris) und Erfurt (8 O 1045/18, juris) Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung der genannten Vorschriften gerichtet haben (vgl. , C-197/14, juris Tz. 56-63).

172. Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB zu.

18Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB setzt haftungsbegründend voraus, dass sämtliche objektiven und subjektiven Merkmale des Betrugstatbestands im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB (als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB) erfüllt sind. Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls durch welches Verhalten im Zusammenhang mit der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung (vgl. dazu Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 17) in strafrechtlich relevanter Weise getäuscht worden ist und ob die Täuschung, wie die Revision meint, fortgewirkt und auch noch im August 2016 beim Kläger einen strafrechtlich relevanten Irrtum erregt hat (vgl. allgemein zu Täuschung und Irrtum im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal: Brand, wistra 2019, 169, 171 ff.; Brand/Hotz, NZG 2017, 976, 977 f.; Eggert in Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 1895 b f.; Hefendehl in MünchKommStGB, 3. Aufl., § 263 Rn. 124, 252; Isfen, JA 2016, 1, 2 f.). Denn jedenfalls fehlt es an der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden.

19a) Der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt die Absicht voraus, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dabei müssen der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte Vermögensschaden einander "spiegelbildlich" entsprechen (, juris Rn. 10), das eine muss also "gleichsam die Kehrseite des anderen" sein (Stoffgleichheit; , BGHSt 6, 115, 116, juris Rn. 11; vom - 2 StR 332/02, wistra 2003, 180, juris Rn. 6). Dazu müssen erstrebter Vermögensvorteil und eingetretener Vermögensnachteil durch dieselbe Vermögensverfügung vermittelt sein (, BGHSt 6, 115, 116, juris Rn. 12; vom - 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 391, juris Rn. 49). Der Vorteil muss dem Täter oder dem Dritten direkt aus dem geschädigten Vermögen zufließen (, wistra 2003, 180, juris Rn. 6). Für die Absicht, einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, genügt es, dass es dem Täter auf den Vermögensvorteil als sichere und erwünschte Folge seines Handelns ankommt, mag auch der Vorteil von ihm nur als Mittel zu einem anderweitigen Zweck erstrebt werden (, BGHSt 16, 1, 6, juris Rn. 15; Beschluss vom - 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506 Rn. 21), etwa weil es sich bei ihm um ein notwendiges Zwischenziel zur Erreichung eines Endziels handelt (Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 263 StGB Rn. 118, 121; Brand/Hotz, NZG 2017, 976, 979).

20b) Um eine tragfähige Aussage zur Stoffgleichheit zwischen dem vom Opfer erlittenen Vermögensschaden und dem vom Täter erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteil zu treffen, bedarf es der Feststellung des Vermögensschadens (vgl. , DAR 2013, 159 Rn. 7).

21aa) Ein Vermögensschaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; st. Rspr., vgl. nur , BGHSt 60, 1 Rn. 31 mwN). Die Bewertung des Vermögensschadens im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB erfolgt nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten. § 263 StGB schützt weder das bloße Affektionsinteresse noch die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit noch die Wahrheit im Geschäftsverkehr, sondern allein das Vermögen (, BGHSt 60, 1 Rn. 32; vom - 1 StR 20/16, NJW 2016, 3543 Rn. 35; Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 263 StGB Rn. 88, 101). Entgegen der Ansicht der Revision liegt daher allein im Abschluss eines Vertrages, den der Betroffene ohne die Täuschung nicht geschlossen hätte, noch kein Vermögensschaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB (Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 263 StGB Rn. 101 mwN; zu den engen Voraussetzungen des Vermögensschadens unter dem Gesichtspunkt des persönlichen Schadenseinschlags vgl. z.B. , NStZ 2014, 517 Rn. 12; Urteil vom - 3 StR 171/17, NStZ-RR 2018, 283). Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot (vgl. BVerfGE 126, 170, 226 ff. zu § 266 StGB; BVerfGE 130, 1, 47 zu § 263 StGB) sind die Anforderungen an die Feststellung eines Vermögensschadens im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB andere als an die Feststellung eines Schadens im Sinne von § 826 BGB (vgl. zu letzterem Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 44 ff.).

22bb) Bei einem - wie hier - durch behauptetes betrügerisches Verhalten bewirkten Vertragsabschluss ergibt ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsabschluss, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Dabei sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen zu vergleichen (Eingehungsschaden). Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Geschädigten (Erfüllungsschaden) und bemisst sich nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird (, BGHSt 60, 1 Rn. 31; vom - 1 StR 20/16, NJW 2016, 3543 Rn. 34; Beschluss vom - 3 StR 434/10, juris Rn. 10; vgl. auch Senatsurteil vom - VI ZR 367/09, NJW-RR 2011, 1661 Rn. 16). Ergibt sich danach ein Wertgefälle zum Nachteil des durch die Täuschung Betroffenen, weil er etwa gegen Bezahlung des vollen Kaufpreises eine minderwertige Ware erhält, so liegt ein Vermögensschaden vor (, BGHSt 60, 1 Rn. 33 mwN).

23cc) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger vorliegend dann einen Vermögensschaden erlitten, wenn das von ihm erworbene Fahrzeug im Hinblick auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und etwaige damit verbundene Risiken den vereinbarten und gezahlten Kaufpreis nicht wert war. Die Vermögenseinbuße ist dann auf die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Wert des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs zu beziffern (vgl. hierzu Brand, wistra 2019, 169, 174; Brand/Hotz, NZG 2017, 976, 978 f.; Hefendehl in MünchKommStGB, 3. Aufl., § 263 Rn. 593 f.; Isfen, JA 2016, 1, 4; Riehm, DAR 2016, 12, 13).

24c) Es besteht keine Stoffgleichheit dieser etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte (im Ergebnis ebenso OLG Bamberg, BeckRS 2019, 21335 Rn. 25 f.; , juris Rn. 39; BeckRS 2020, 7196 Rn. 32; , juris Rn. 31 f.).

25aa) Eine Absicht der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten, sich bzw. die Beklagte an dem Gebrauchtwagenverkauf unmittelbar zu bereichern, ist aus Rechtsgründen schon deshalb ausgeschlossen, weil sie bzw. die Beklagte aus dem Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Autohaus S. GmbH über den streitgegenständlichen Gebrauchtwagen keinen unmittelbaren Vorteil ziehen konnten (vgl. Brand/Hotz, NZG 2017, 976, 979). Ein etwaiger dem Kläger entstandener Schaden kann stoffgleich allenfalls mit dem Vorteil sein, der der Autohaus S. GmbH aus dem Fahrzeugverkauf zugeflossen ist.

26bb) Aber auch eine Absicht der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten, der Autohaus S. GmbH einen mit dem Schaden des Klägers stoffgleichen Vermögensvorteil zu verschaffen, kann - weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten - ausgeschlossen werden. Insbesondere kann die Bereicherung der Autohaus S. GmbH um den Anteil des Kaufpreises, der über den Wert des Fahrzeugs hinausging, nicht als notwendiges und beabsichtigtes Zwischenziel zur Erreichung der eigenen Ziele der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten angesehen werden. Wie der Senat in seinem Urteil vom - VI ZR 252/19 (ZIP 2020, 1179 Rn. 22, 25) zu einer Haftung der Beklagten aus § 826 BGB ausgeführt hat, bestand - wovon das Berufungsgericht auch im vorliegenden Fall ausgegangen ist - das Ziel der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit unzulässiger Abschalteinrichtung darin, diese Fahrzeuge kostengünstiger als ihr sonst möglich zu produzieren, möglichst viele von ihnen abzusetzen und damit ihren Gewinn zu erhöhen. Dieses Ziel ließ sich mit dem Verkauf der Neuwagen erreichen. Die Erreichung des Ziels setzte dagegen nicht notwendig voraus, dass bei etwaigen späteren Zweit- oder Drittverkäufen derselben Fahrzeuge als Gebrauchtwagen zugunsten des jeweiligen Gebrauchtwagenverkäufers ein etwaiger über dem Wert des jeweiligen Fahrzeugs liegender Kaufpreis erneut realisiert würde. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte das Unwerturteil, sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB gehandelt zu haben, vor Aufdeckung des sogenannten Dieselskandals auch im Hinblick auf unwissende Gebrauchtwagenkäufer traf (Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 16, 25) und sie von einem Wiederverkauf der Fahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt ausgehen musste. Auch mag sie ein allgemeines Interesse an einem Gebrauchtwagenhandel mit von ihr hergestellten Fahrzeugen zu „guten“ Preisen gehabt haben. Mit diesem Interesse geht aber nicht - insbesondere nicht im Sinne eines notwendigen Zwischenziels - die Absicht einher, mit jedem erneuten Verkauf desselben Fahrzeugs den jeweiligen Gebrauchtwagenverkäufer um einen etwaigen den eigentlichen Wert des Fahrzeugs übersteigenden Anteil am Kaufpreis zu bereichern. Erst recht kann den verfassungsmäßigen Vertretern der Beklagten eine solche Absicht nicht schon im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs und einer damit möglicherweise einhergehenden betrügerischen Tathandlung unterstellt werden.

273. Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zu. Das Berufungsgericht hat das Verhalten der Beklagten auf der Grundlage der von ihm rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen mit Recht nicht als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB angesehen.

28a) Die Qualifizierung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (st. Rspr., vgl. nur , WM 2016, 1975 Rn. 15 mwN; vom - VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8).

29Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur , WM 2016, 1975 Rn. 16 mwN; vom - VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8 mwN). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (Senatsurteil vom - VI ZR 536/15, WM 2016, 1975 Rn. 16 mwN). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (, NJW 2019, 2164 Rn. 8; vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 15).

30Da für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als (nicht) sittenwidrig in einer Gesamtschau (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 16) dessen Gesamtcharakter zu ermitteln ist, ist ihr das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat. Zu kurz greift es daher, in solchen Fällen entweder nur auf den Zeitpunkt der "Tathandlung" bzw. der "Tat" (so etwa , juris Rn. 51; OLG Oldenburg, Urteil vom - 14 U 105/19, juris Rn. 35; , juris Rn. 41; vom - 7 U 85/19, BeckRS 2019, 40971 Rn. 31; teilweise unter Berufung auf Wagner in MünchKommBGB, 7. Aufl., § 826 Rn. 9; Staudinger/Oechsler, BGB, Neubearb. 2018, § 826 Rn. 59) oder, wie es hier das Berufungsgericht getan hat, nur auf den des Schadenseintritts (so unter anderem auch OLG Celle, ZIP 2019, 2012 Rn. 20; , juris Rn. 44, 46; teilweise unter Berufung auf das Senatsurteil vom - VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1448 Rn. 13) abzustellen.

31Eine solche Sichtweise lässt sich insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs herleiten. Danach verbietet es sich lediglich, im Rahmen des § 826 BGB ein Verhalten aus der ex post-Perspektive zu bewerten, es also - unter Zugrundelegung heutiger Anschauungen und Verhältnisse - rückwirkend als sittenwidrig einzustufen (Senatsurteil vom - VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1448 Rn. 13; ebenso schon RGZ 155, 257, 282). Geht es um die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts gemäß § 138 Abs. 1 BGB, so sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Verhältnisse im Zeitpunkt seiner Vornahme bzw. des Vertragsschlusses maßgeblich, während es auf die spätere Entwicklung für die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts nicht ankommt (, BGHZ 72, 308, 314; vom - IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92, 96 f.; vom - V ZR 1/06, NJW 2007, 2841 Rn. 13; vom - XI ZR 305/14, BGHZ 210, 30 Rn. 46). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein vertragliches Schuldverhältnis in aller Regel bereits mit dem Vertragsschluss, so er denn wirksam ist, begründet wird. Im Falle der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB wird das gesetzliche Schuldverhältnis erst mit Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten (der unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls in einem Vertragsabschluss liegen kann, vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 44 ff.) begründet, weil der haftungsbegründende Tatbestand des § 826 BGB die Zufügung eines Schadens zwingend voraussetzt. Deshalb kann im Rahmen des § 826 BGB ein Verhalten, das sich gegenüber zunächst betroffenen (anderen) Geschädigten als sittenwidrig darstellte, aufgrund einer Verhaltensänderung des Schädigers vor Eintritt des Schadens bei dem konkreten Geschädigten diesem gegenüber nicht mehr als sittenwidrig zu werten sein. Eine solche Verhaltensänderung kann somit bereits der Bewertung seines Gesamtverhaltens als sittenwidrig - gerade in Bezug auf den geltend gemachten, erst später eingetretenen Schaden und gerade im Verhältnis zu dem erst später Geschädigten - entgegenstehen und ist nicht erst im Rahmen der Kausalität abhängig von den Vorstellungen des jeweiligen Geschädigten zu berücksichtigen (entgegen Petzold, NJW 2020, 1326, 1327, 1329).

32b) Bei der demnach gebotenen Gesamtbetrachtung ist auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen das Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger, wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, nicht als sittenwidrig zu beurteilen.

33aa) Der Senat hat im Urteil vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 16 ff. auf der Grundlage der im dortigen Verfahren getroffenen Feststellungen ausgeführt, dass und warum das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen der mit der Manipulationssoftware versehenen Motoren auch gegenüber Gebrauchtwagenkäufern als mittelbar Geschädigten, die das Fahrzeug vor der Verhaltensänderung der Beklagten im Herbst 2015 erwarben, objektiv sittenwidrig war. Dabei hat der Senat darauf abgestellt, dass die Beklagte aufgrund einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in großem Umfang Fahrzeuge mit Motoren mit unzulässiger Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht habe, womit eine erhöhte Belastung der Umwelt sowie die Gefahr einhergegangen seien, dass bei einer Aufdeckung des Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte (Rn. 16). Die Beklagte habe sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig gezeigt (Rn. 23). Arglose Käufer der bemakelten Fahrzeuge hätten auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben vertrauen und sich darauf auch verlassen dürfen (Rn. 24). Sie hätten die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben arglos als selbstverständlich vorausgesetzt. Die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer - auch der Gebrauchtwagenkäufer - habe sich die Beklagte gezielt zunutze gemacht, was einer bewussten arglistigen Täuschung derjenigen, die ein solches Fahrzeug erwerben, gleichstehe. Die Beklagte treffe das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch im Hinblick auf die Schädigung aller unwissenden Käufer der bemakelten Fahrzeuge. Diese Schädigung stelle die zwangsläufige Folge des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge dar und liege unmittelbar in der Zielrichtung des sittenwidrigen Verhaltens (Rn. 25).

34bb) Vorliegend kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass sich auch im hiesigen Verfahren dieselben Feststellungen zur Gesinnung und zum Verhalten der Beklagten gegenüber Käufern, die ihr Fahrzeug vor dem erwarben, treffen ließen. Selbst dann wurden aber durch die vom Berufungsgericht festgestellte Verhaltensänderung der Beklagten wesentliche Elemente, die das Unwerturteil ihres bisherigen Verhaltens gegenüber bisherigen Käufern begründeten, derart relativiert, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten gerade gegenüber dem Kläger und gerade im Hinblick auf den Schaden, der bei ihm durch den Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags im August 2016 entstanden sein könnte, nicht mehr gerechtfertigt ist.

35(1) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kam es vor Abschluss des Kaufvertrags im August 2016 zu folgenden Ereignissen: Die Beklagte gab am eine Ad-hoc-Mitteilung und eine gleichlautende Pressemitteilung heraus, in der sie "Unregelmäßigkeiten" in Bezug auf die verwendete Software bei Dieselmotoren vom Typ EA189 einräumte, die in weltweit mehr als elf Millionen Fahrzeugen verbaut seien. Sie sprach in der Mitteilung von einer "auffälligen Abweichung" zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb sowie davon, an der Beseitigung dieser Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu arbeiten und hierzu im Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem KBA zu stehen. Sie arbeitete mit dem KBA, das ihr die Entfernung der Software und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit auferlegte, zusammen. Sie schaltete auf ihrer Website einen Link zu einer Suchmaschine frei, mit deren Hilfe durch Eingabe der Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN) festgestellt werden konnte, ob ein konkretes Fahrzeug mit der beanstandeten Motorsteuerungssoftware ausgestattet war. Sie informierte ihre Servicepartner und Vertragshändler über die Verwendung der Umschaltlogik. Sie stellte ein Software-Update bereit, um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Vor und nach August 2016 wurden die Halter der betroffenen Fahrzeuge aufgefordert, diese zum Aufspielen des Software-Updates in die Werkstätten zu bringen.

36Über die Verwendung der Abschalteinrichtung ist ab September 2015 in Presse, Funk und Fernsehen umfangreich und wiederholt berichtet und in der breiten Öffentlichkeit diskutiert worden. Sie war unter Bezeichnungen wie "Diesel-Gate", "Dieselskandal", "VW-Abgasskandal" monatelang ein die Nachrichten beherrschendes Thema. Auch über die Einrichtung des Links zur Suchmaschine auf der Website der Beklagten, die Maßnahmen des KBA und die Bereitstellung des Software-Updates wurde in den Medien breit berichtet.

37(2) Ausgehend von diesen Feststellungen war bereits die Mitteilung der Beklagten vom objektiv geeignet, das Vertrauen potenzieller Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören, diesbezügliche Arglosigkeit also zu beseitigen. Aufgrund der Verlautbarung und ihrer als sicher vorherzusehenden medialen Verbreitung war typischerweise nicht mehr damit zu rechnen, dass Käufer von gebrauchten VW-Fahrzeugen mit Dieselmotoren die Erfüllung der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben noch als selbstverständlich voraussetzen würden. Für die Ausnutzung einer diesbezüglichen Arglosigkeit war damit kein Raum mehr; hierauf konnte das geänderte Verhalten der Beklagten nicht mehr gerichtet sein. Aus der Mitteilung vom ging weiter hervor, dass "die zuständigen Behörden" und das KBA bereits involviert waren. Die anschließende Berichterstattung über die Anordnungen des KBA gegenüber der Beklagten ließ erwarten, dass ein Misslingen der behördlicherseits geforderten Herstellung eines vorschriftsmäßigen Zustandes - auch für die Fahrzeughalter - nicht folgenlos bleiben würde. Die Beklagte hat ihre strategische unternehmerische Entscheidung, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse das KBA und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, ersetzt durch die Strategie, an die Öffentlichkeit zu treten, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustandes zu erarbeiten, um die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung (s. hierzu Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 20 f.) zu bannen. Tatsächlich ist ihr dies durch die Entwicklung und Bereitstellung eines Software-Updates für den hier betroffenen Fahrzeugtyp und andere Typen gelungen, mag das Software-Update in dem streitgegenständlichen Fahrzeug auch erst nach dem Erwerb durch den Kläger aufgespielt worden sein. Indem die Beklagte ihre Vertragshändler über die Verwendung der Abschalteinrichtung informiert hat, hat sie sie zudem in die Lage versetzt, etwaige Kaufinteressenten über die Abgasproblematik der betroffenen Fahrzeuge aufzuklären. Ferner räumte die Beklagte jedem, der Kenntnis von der Fahrzeugidentifizierungsnummer des jeweiligen Fahrzeugs hatte, die Möglichkeit ein, sich selbst im Internet Klarheit zu verschaffen, ob das Fahrzeug der Nachrüstung bedurfte. Ihre bislang gleichgültige Gesinnung im Hinblick auf etwaige Folgen und Schäden für Käufer ihrer Fahrzeuge hat sie damit aufgegeben. Ihr nunmehriges Bemühen um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zeugt zudem von der Aufgabe ihrer gleichgültigen und rücksichtslosen Gesinnung im Hinblick auf die die Umwelt und Gesundheit der Bevölkerung schützenden Rechtsvorschriften.

38Der Senat verkennt nicht, dass sich die Beklagte im Herbst 2015 in einer Lage befand, in der die Abgasmanipulation aufgedeckt und sie zu einer Reaktion gezwungen war. Auch ist ihr die umfassende mediale Berichterstattung, mit der die Problematik der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und dort über Monate und Jahre in Erinnerung gehalten wurde, nicht als eigene Aufklärungsarbeit zuzurechnen. Die mediale Verbreitung ist aber bei der Beurteilung, welche Anstrengungen von der Beklagten zu unternehmen waren, um ihr Verhalten im Rahmen der notwendigen Gesamtbetrachtung als nicht sittenwidrig erscheinen zu lassen, zu berücksichtigen (so zutreffend OLG Stuttgart, NZV 2020, 196 Rn. 44). Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung kann das Verhalten der Beklagten bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages im August 2016 einer Täuschung nicht mehr gleichgesetzt werden. Wesentliche Umstände, aufgrund derer ihr Verhalten gegenüber früheren Käufern als verwerflich zu werten war, sind bereits im Herbst 2015 entfallen. Dass die Beklagte die Abschalteinrichtung nicht selbst als illegal gebrandmarkt hat, sondern im Gegenteil dieser (zutreffenden) Bewertung in der Folgezeit entgegengetreten ist, dass sie eine bewusste Manipulation geleugnet hat und dass sie möglicherweise weitere Schritte zur umfassenden Aufklärung hätte unternehmen können, reicht für die Begründung des gravierenden Vorwurfs der sittenwidrigen Schädigung gegenüber dem Kläger nicht aus. Insbesondere war ein aus moralischer Sicht tadelloses Verhalten der Beklagten oder eine Aufklärung, die tatsächlich jeden potenziellen Käufer erreicht und einen Fahrzeugerwerb in Unkenntnis der Abschalteinrichtung sicher verhindert, zum Ausschluss objektiver Sittenwidrigkeit nicht erforderlich. Käufern, die sich, wie der Kläger, erst für einen Kauf entschieden haben, nachdem diese ihr Verhalten, wie beschrieben, geändert hatte, wurde - unabhängig von ihren Kenntnissen vom "Dieselskandal" im Allgemeinen und ihren Vorstellungen von der Betroffenheit des Fahrzeugs im Besonderen - nicht sittenwidrig ein Schaden zugefügt (im Ergebnis - wenn auch teilweise unter Zurechnungsgesichtspunkten - ebenso z.B.: OLG Bamberg, BeckRS 2020, 8090 Rn. 16; OLG Celle, ZIP 2019, 2012 Rn. 20 ff.; OLG Frankfurt, NJW-RR 2020, 83 Rn. 33 ff.; , juris Rn. 55 ff.; , juris Rn. 28 ff.; , juris Rn. 39 ff.; vom - 24 U 5/19, juris Rn. 44 ff.; , juris Rn. 23; vom - 21 U 1896/19, juris Rn. 25 f.; OLG Stuttgart, NZV 2020, 196 Rn. 34 ff., 44 ff. mit zust. Anmerkung Lempp; Urteile vom - 13 U 244/18, juris Rn. 73 ff.; vom - 9 U 9/19, juris Rn. 42 ff.; , juris Rn. 30 ff.; a.A.: OLG Hamm, NJW-RR 2019, 1428 Rn. 65 f.; , juris Rn. 54 ff.; OLG Oldenburg, Urteil vom - 14 U 105/19, juris Rn. 34 ff.; Schleswig-Holsteinisches OLG, NJW-RR 2020, 483 Rn. 38 f.; , BeckRS 2019, 40971 Rn. 30 ff.; vom - 2 U 249/19, juris Rn. 20 ff.; differenzierend Heese NJW 2019, 257, 262 f.).

39c) Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob das (ursprüngliche) Verhalten der Beklagten kausal für den Abschluss des Kaufvertrages durch den Kläger war und ob die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts frei von Rechtsfehlern sind.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:300720UVIZR5.20.0

Fundstelle(n):
BB 2020 S. 1793 Nr. 34
NJW 2020 S. 2798 Nr. 38
ZIP 2020 S. 1715 Nr. 35
ZIP 2020 S. 61 Nr. 32
LAAAH-55733