Fristbeginn an einem Sonnabend; keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei fehlender Überprüfung des Zustellungsdatums durch den Prozessbevollmächtigten
Gesetze: FGO § 53 Abs. 2, FGO § 54 Abs. 2, FGO § 56 Abs. 1, FGO § 116 Abs. 3, ZPO § 180, ZPO § 222, BGB § 187
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Das Finanzgericht entschied mit Zwischenurteil vom , dass die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gewerbliche Einkünfte erziele und ließ die Revision nicht zu. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am , einem Samstag, mit Postzustellungsurkunde durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt.
2 Die Klägerin begründete die Nichtzulassungsbeschwerde durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Telefax vom . Mit Schreiben vom teilte der Vorsitzende des IV. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) ihr unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit, dass die Zweimonatsfrist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde am abgelaufen und die Beschwerde daher verspätet begründet worden sei.
3 Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beruft sich der Prozessbevollmächtigte auf ein Büroversehen. Das Urteil sei am (Samstag) in den Briefkasten seines Büros eingeworfen worden. Der Briefkasten sei erst am darauffolgenden Montag geleert worden. Seine Sekretärin habe daher den Eingangsstempel vom (Montag) auch auf dem gelben Umschlag angebracht und ihm diesen zusammen mit dem Urteil vorgelegt. Da als Zugang der nächste Werktag gelte, sei er bei der Fristberechnung von diesem Datum ausgegangen.
4 Die Klägerin beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zulassung der Revision.
5 II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und war daher zu verwerfen.
6 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht rechtzeitig begründet worden. Die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des vollständigen Urteils (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO). Ob der Fristbeginn auf einen Sonntag, allgemeinen Feiertag oder Sonnabend fällt, ist unerheblich, denn das Gesetz sieht in § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) diesen Umstand lediglich für das Ende der Frist als bedeutsam an (BFH-Beschlüsse vom I B 48, 49/09, BFH/NV 2010, 439; vom II R 56/09, BFH/NV 2010, 1833).
7 Für die Klägerin begann gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Begründungsfrist durch Einlegen des Urteils in den Briefkasten (§ 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 180 Satz 2 ZPO) mit Ablauf des (Samstag) und endete nach zwei Monaten mit Ablauf des (Donnerstag). Die am eingegangene Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde war daher verspätet.
8 2. Der Klägerin ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 56 Abs. 1 FGO kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Jedes Verschulden —also auch einfache Fahrlässigkeit— schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (, BFH/NV 2009, 1271). Dabei muss sich der Beteiligte nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines Bevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (, BFH/NV 2008, 1860).
9 Das Versäumen der Begründungsfrist durch den Prozessbevollmächtigten ist im Streitfall nicht entschuldbar, da er fehlerhaft die Frist anhand des Eingangsstempels der Kanzlei berechnet hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom II R 40/86, BFH/NV 1988, 444; vom II R 9/08, BFH/NV 2009, 1817). Es gehörte zu seinen Aufgaben, bei der Bearbeitung der Sache eigenständig den Ablauf der Frist zu prüfen. Dabei hätte er sich nicht auf den Eingangsstempel seiner Kanzlei verlassen dürfen, sondern hätte prüfen müssen, ob das Datum des Eingangsstempels mit dem von dem Postbediensteten auf dem —ihm vorgelegten— gelben Umschlag eingetragenen Zustellungsdatum übereinstimmt (, BFH/NV 2009, 951). Dass der Briefumschlag als Zustellungsdatum den (Samstag) nennt, ergibt sich aus dem eigenen Vortrag des Prozessbevollmächtigten, nach dem das Urteil an diesem Tag in den Briefkasten seines Büros eingeworfen worden sei.
10 Da bereits der eigene Fehler des Prozessbevollmächtigten ursächlich für das Versäumen der Begründungsfrist geworden ist, kommt es auf ein etwaiges Büroversehen nicht mehr an (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 181/01, BFH/NV 2004, 526; vom VIII B 207/02, BFH/NV 2005, 1574).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 613 Nr. 4
YAAAD-61285