EuGH Urteil v. - C-430/09

Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie: Befreiung der Lieferung von Gegenständen, die innerhalb der Union versandt oder befördert werden - Aufeinanderfolgende Lieferungen derselben Gegenstände, die zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung führen

Leitsatz

Werden in Bezug auf eine Ware zwischen verschiedenen als solchen handelnden Steuerpflichtigen aufeinanderfolgend zwei Lieferungen, aber nur eine einzige innergemeinschaftliche Beförderung durchgeführt - so dass dieser Umsatz unter den Begriff der innergemeinschaftlichen Beförderung im Sinne von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 96/95/EG des Rates vom geänderten Fassung in Verbindung mit den Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b, 28a Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 1 und 28b Teil A Abs. 1 dieser Richtlinie fällt -, so hat die Bestimmung, welchem Umsatz diese Beförderung zuzurechnen ist, ob also der ersten oder der zweiten Lieferung, in Ansehung einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen, um festzustellen, welche der beiden Lieferungen alle Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt.

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wenn also der Ersterwerber, der das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erlangt hat, seine Absicht bekundet, diesen Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern, und mit seiner von dem letztgenannten Staat zugewiesenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auftritt, müsste die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten Lieferung zugerechnet werden, sofern das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Beförderung auf den Zweiterwerber übertragen wurde. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Bedingung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit erfüllt ist.

Instanzenzug:

Gründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 96/95/EG des Rates vom 20. Dezember 1996 (ABl. L 338, S. 89) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) in Verbindung mit den Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b, 28a Abs. 1 Buchst. a sowie 28b Teil A Abs. 1 dieser Richtlinie.

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Euro Tyre Holding BV (im Folgenden: ETH) und dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen, im Folgenden: Staatssecretaris) wegen Bescheiden zur Nacherhebung von Umsatzsteuer bei dieser Gesellschaft wegen eines Geschäfts mit Waren, die Gegenstand zweier aufeinanderfolgender Lieferungen waren.

Rechtlicher Rahmen

Die Sechste Richtlinie

Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Sechsten Richtlinie bestimmt:

"Als Ort der Lieferung gilt

a) für den Fall, dass der Gegenstand vom Lieferer, vom Erwerber oder von einer dritten Person versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befindet. ...;

b) für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Lieferung befindet."

Art. 28a Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie lautet:

"Der Mehrwertsteuer unterliegen auch

a) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der gegen Entgelt im Inland durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder aber durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist und als solcher handelt und für ihn die Steuerbefreiung gemäß Artikel 24 nicht gilt und er nicht unter Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a Satz 2 oder Artikel 28b Teil B Absatz 1 fällt."

Art. 28b Teil A Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

"Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden."

Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 dieser Richtlinie lautet:

"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen:

a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

Art. 22 der Sechsten Richtlinie in der Fassung des Art. 28h dieser Richtlinie sieht verschiedene Verpflichtungen der Steuerschuldner vor, u. a. in Bezug auf die Buchführung, die Ausstellung von Rechnungen, die Mehrwertsteuererklärung sowie die bei der Finanzverwaltung abzugebende Aufstellung. Abs. 6 Buchst. b Unterabs. 1 dieser Bestimmung lautet:

"Jeder Steuerpflichtige mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer muss außerdem eine Aufstellung vorlegen, die Angaben über die Erwerber mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthält, denen er Gegenstände nach Maßgabe des Artikels 28c Teil A Buchstaben a) und d) geliefert hat, sowie über die Empfänger mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der in Unterabsatz 5 genannten Umsätze."

Nationales Recht

Aus den von der niederländischen Regierung beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen geht hervor, dass es sich bei den auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren innerstaatlichen Bestimmungen um die Vorschriften handelt, die sich aus der Wet op de omzetbelasting 1968 (Umsatzsteuergesetz von 1968) vom (Staatsblad 1968, Nr. 329; im Folgenden: Gesetz von 1968) ergeben.

Nach Art. 5 des Gesetzes von 1968 ist der Ort der Lieferung für den Fall, dass der Liefergegenstand versandt oder befördert wird, der Ort, an dem die Versendung oder Beförderung beginnt.

Nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. b des Gesetzes von 1968 beträgt der Steuersatz bei den in der Tabelle II dieses Gesetzes aufgeführten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen 0 %, sofern die durch Verordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind.

Position a.6 dieser Tabelle II in ihrer zur Zeit der maßgebenden Ereignisse geltenden Fassung nannte "die Gegenstände, die in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versandt worden sind, wenn sie dort wegen ihres innergemeinschaftlichen Erwerbs einer Steuer unterliegen".

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

ETH ist eine niederländische Gesellschaft, deren Geschäftstätigkeit im Handel mit Bedarfsartikeln und Zubehör für Personenkraftwagen und andere Fahrzeuge bestand. In der Zeit vom bis verkaufte ETH mehrere Male an zwei in Belgien niedergelassene Gesellschaften, die Miroco BVBA und die VBS BVBA (im Folgenden: Miroco und VBS oder zusammen: Käufer), zu der Lieferbedingung "ab Lager" Reifen. Nach dieser Lieferbedingung sollte ETH die Waren an ihr Lager in Venlo (Niederlande) liefern, von wo aus die Beförderung für Rechnung und auf Gefahr der Käufer stattfinden sollte. Diese teilten ETH beim Abschluss des Kaufvertrags mit, dass die Waren nach Belgien befördert werden sollten.

In Bezug auf diese Verkäufe stellte ETH den Käufern Rechnungen ohne Ausweis von Mehrwertsteuer aus. Die Käufer bezahlten die Lieferungen im Voraus.

Bevor die Waren zur Erfüllung des Kaufvertrags abgeliefert worden waren, hatten die Käufer sie an die Banden Decof NV (im Folgenden: Decof), eine in Belgien niedergelassene Gesellschaft, unter der Lieferbedingung weiterverkauft, dass die Beförderung der Waren zur Niederlassung der Decof für Rechnung und auf Gefahr von Miroco bzw. von VBS erfolgen sollte.

Die Waren wurden von einem Vertreter der Miroco bzw. der VBS im Lager der ETH in den Niederlanden abgeholt und mit einem von Decof diesen Gesellschaften entgeltlich zur Verfügung gestellten Lastkraftwagen samt Fahrer unmittelbar zur Niederlassung von Decof in Belgien befördert. Der Fahrer übergab ETH bei jeder Abholung eine von ihm unterzeichnete Erklärung, dass die Waren nach Belgien befördert wurden. ETH wurde nachträglich mitgeteilt, dass die Waren nicht zur Adresse der Käufer befördert worden waren. Sie hatte mit der Beförderung nichts zu tun gehabt.

Auf Antrag von ETH bestätigte die Steuerbehörde vorab zu den Lieferungen, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Käufer richtig seien. Weiter gab ETH zu diesen Lieferungen die in Art. 22 Abs. 6 Buchst. b der Sechsten Richtlinie genannte Erklärung ab.

Im Anschluss an eine im Jahr 1999 bei ETH durchgeführte Prüfung wies der Inspecteur als die in den Niederlanden für die Mehrwertsteuererhebung zuständige Behörde die Erklärung über die Anwendung des Nullsteuersatzes zurück und stellte dieser Gesellschaft zwei Umsatzsteuer-Nacherhebungsbescheide für den Zeitraum vom bis bzw. für den Monat Januar 1999 zu. Auf einen ersten Einspruch hin hob der Inspecteur die Nacherhebungsbescheide auf, weil sie hinsichtlich des Namens des Adressaten einen Fehler aufwiesen. Nach Berichtigung dieses Fehlers erließ er zwei neue Nacherhebungsbescheide. Auf einen erneuten Einspruch hin setzte dieser Inspecteur den ersten Nacherhebungsbescheid herab und bestätigte den zweiten in seiner Höhe.

ETH legte einen Rechtsbehelf gegen die letztgenannten Nacherhebungsbescheide beim Gerechtshof te 's-Hertogenbosch ein. In seinem Urteil vom entschied dieser, dass die innergemeinschaftliche Beförderung aus den Niederlanden nach Belgien im Rahmen der Lieferungen der Käufer an Decof stattgefunden habe. Daher sei - unter Berücksichtigung des Urteils vom , EMAG Handel Eder (C-245/04, Slg. 2006, I-3227) - ETH nicht berechtigt gewesen, in Bezug auf ihre Lieferungen an die Käufer die in Art. 28c Teil A Buchst. a der Sechsten Richtlinie vorgesehene Befreiung wegen innergemeinschaftlicher Lieferung anzuwenden. Dieses Gericht hielt den Rechtsbehelf jedoch aus anderen Gründen für teilweise begründet und setzte die beiden angefochtenen Nacherhebungsbescheide herab. ETH legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht ein.

Daher hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Wie ist im Licht von Art. 28c Teil A Eingangssatz und Buchst. a der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b, Art. 28a Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 1 und Art. 28b Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie in dem Fall, dass in Bezug auf dieselbe Ware zwischen als solchen handelnden Steuerpflichtigen aufeinanderfolgend zwei Lieferungen durchgeführt werden, bei denen es sich um eine einzige innergemeinschaftliche Versendung oder eine einzige innergemeinschaftliche Beförderung handelt, festzustellen, welcher Lieferung die innergemeinschaftliche Beförderung zuzurechnen ist, wenn die Beförderung der Waren von der Person, die sowohl die Eigenschaft des Käufers bei der ersten Lieferung als auch die des Verkäufers bei der zweiten Lieferung hat, oder für deren Rechnung durchgeführt wird?

Zur Vorlagefrage

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob in dem Fall, dass in Bezug auf eine Ware zwischen verschiedenen als solchen handelnden Steuerpflichtigen aufeinanderfolgend zwei Lieferungen, aber nur eine einzige innergemeinschaftliche Beförderung durchgeführt werden, so dass dieser Umsatz unter den Begriff der innergemeinschaftlichen Beförderung im Sinne von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit den Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b, 28a Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 1 und 28b Teil A Abs. 1 dieser Richtlinie fällt, diese Beförderung der ersten oder der zweiten Lieferung zuzurechnen ist.

Dem Vorlagebeschluss ist zu entnehmen, dass sich das nationale Gericht mit dieser Frage Klarheit verschaffen möchte über die Antwort, die der Gerichtshof im Urteil EMAG Handel Eder gegeben hat. In Randnr. 45 dieses Urteils und in Nr. 1 Abs. 1 seines Tenors hat der Gerichtshof nämlich entschieden, dass dann, wenn zwei aufeinanderfolgende Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen, die als solche handeln, vorgenommen werden, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands führen, diese Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden kann, die als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie befreit ist. Das vorlegende Gericht führt hierzu aus, dass der Gerichtshof nicht erläutert habe, wie festzustellen sei, welcher der beiden Lieferungen die Beförderung zuzurechnen sei.

Der Sachverhalt in der Rechtssache, in der das Urteil EMAG Handel Eder ergangen ist, entsprach dem des Ausgangsrechtsstreits. In jener Rechtssache ging es nämlich um zwei aufeinanderfolgende Lieferungen derselben Ware, die Gegenstand einer einzigen innergemeinschaftlichen Beförderung war. Ebenso wie im Ausgangsrechtsstreit waren an den beiden Lieferungen drei in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten ansässige Steuerpflichtige beteiligt. In jener Rechtssache hatte der Zwischenerwerber jedoch vom Endabnehmer einen Auftrag zur Lieferung von Waren erhalten, bevor er diese Waren bei seinem Lieferanten erworben hatte, während der Ausgangsrechtsstreit einen Fall betrifft, in dem der Zwischenerwerber die von ihm zuvor bei seinem Lieferanten erworbenen Waren an den Endabnehmer weiterverkauft hat, ohne dass es eine vorherige Bestellung gab.

In Randnr. 38 des Urteils EMAG Handel Eder hat der Gerichtshof entschieden, dass zwei aufeinanderfolgende Lieferungen, auch wenn sie nur zu einer einzigen Bewegung von Gegenständen führen, als eine nach der anderen erfolgt anzusehen sind.

In Bezug auf diese beiden Lieferungen hat der Gerichtshof ausgeführt, dass sich dann, wenn die Lieferung, die zur innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen führt und die daher mit einem innergemeinschaftlichen Erwerb einhergehen muss, der im Ankunftsmitgliedstaat dieser Versendung oder Beförderung besteuert wird, die erste der beiden aufeinanderfolgenden Lieferungen ist, der Ort der zweiten Lieferung am Ort des ihr vorausgegangenen innergemeinschaftlichen Erwerbs, also im Ankunftsmitgliedstaat, befindet. Ist dagegen die Lieferung, die zur innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen führt, die zweite der beiden aufeinanderfolgenden Lieferungen, so befindet sich der Ort der ersten Lieferung, die naturgemäß vor der Versendung oder Beförderung der Gegenstände erfolgt ist, im Mitgliedstaat des Beginns dieser Versendung oder Beförderung (Urteil EMAG Handel Eder, Randnr. 50).

Daher bestimmt sich nur der Ort der Lieferung, die zur innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen führt, nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie; dieser Ort befindet sich im Mitgliedstaat des Beginns dieser Versendung oder Beförderung. Der Ort der anderen Lieferung bestimmt sich nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie. Dieser Ort befindet sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft dieser Versendung oder Beförderung, je nachdem, ob diese Lieferung die erste oder die zweite der beiden aufeinanderfolgenden Lieferungen ist (Urteil EMAG Handel Eder, Randnr. 51).

Diese Erwägungen lassen sich auf Umstände, wie sie im Ausgangsverfahren gegeben sind, übertragen.

Zur Frage, welcher Lieferung die innergemeinschaftliche Beförderung zuzurechnen ist, wenn diese von der Person, die als Ersterwerber und Zweitlieferant an beiden Lieferungen beteiligt war, oder für deren Rechnung durchgeführt wird, ist festzustellen, dass hierfür in der Sechsten Richtlinie keine allgemeine Regelung vorgesehen ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt von einer umfassenden Würdigung aller besonderen Umstände ab, die die Feststellung ermöglichen, welche Lieferung alle Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass ebenso wie andere Begriffe, die die nach der Sechsten Richtlinie steuerbaren Umsätze definieren (vgl. u. a. Urteile vom , Optigen u. a., C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Slg. 2006, I-483, Randnr. 44, und vom , Kittel und Recolta Recycling, C-439/04 und C-440/04, Slg. 2006, I-6161, Randnr. 41), die Begriffe der innergemeinschaftlichen Lieferung und des innergemeinschaftlichen Erwerbs objektiven Charakter haben und unabhängig von Zweck und Ergebnis der betreffenden Umsätze anwendbar sind (Urteile vom , Teleos u. a., C-409/04, Slg. 2007, I-7797, Randnr. 38, und vom , R, C-285/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 39).

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich ferner, dass eine Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung eines Gegenstands im Sinne von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie nur anwendbar ist, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist, wenn der Lieferant nachweist, dass dieser Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist und wenn dieser Gegenstand infolge dieser Versendung oder Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Teleos u. a., Randnr. 42, vom , Twoh International, C-184/05, Slg. 2007, I-7897, Randnr. 23, und vom , X, C-84/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 27).

Auch wenn das vorlegende Gericht lediglich nach der Voraussetzung für eine innergemeinschaftliche Beförderung fragt, sind darüber hinaus die beiden in der vorstehenden Randnummer aufgeführten Voraussetzungen zu berücksichtigen, da die Umstände, unter denen sie erfüllt sind, bei der Beurteilung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Voraussetzung von Bedeutung sein können.

Was zunächst die Übertragung des Rechts betrifft, im Rahmen der aufeinanderfolgenden Lieferungen wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Randnr. 38 des Urteils EMAG Handel Eder entschieden hat, dass der Zwischenerwerber die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Zweiterwerber nur übertragen kann, wenn er sie zuvor vom Erstverkäufer erhalten hat.

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist daher davon auszugehen, dass die Abholung der Waren am Lager der ETH durch den Vertreter des Ersterwerbers als Übertragung des Rechts, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf diesen anzusehen und der ersten Lieferung zuzurechnen ist.

Dieser Umstand allein genügt jedoch nicht, um daraus abzuleiten, dass die erste Lieferung eine innergemeinschaftliche Lieferung darstellt. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, ebenfalls im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erfolgt, und zwar bevor die innergemeinschaftliche Beförderung erfolgt. In einem solchen Fall könnte die innergemeinschaftliche Beförderung nicht mehr dieser Lieferung zugerechnet werden.

In dem Fall, in dem der Erwerber die Befähigung, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Liefermitgliedstaat erlangt und sich verpflichtet, den Gegenstand in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern, wie es bei Lieferungen unter der Bedingung geschieht, dass die Waren am Lager des Lieferanten abgeholt werden, sind so weit wie möglich die Absichten zu berücksichtigen, die der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs hatte, sofern sie durch objektive Gesichtspunkte gestützt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil X, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Haben im vorliegenden Fall die Käufer als Ersterwerber ihre Absicht bekundet, die Waren in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat zu befördern, und sind sie mit ihrer von diesem anderen Mitgliedstaat zugewiesenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aufgetreten, konnte ETH davon ausgehen, dass die von ihr getätigten Umsätze innergemeinschaftliche Lieferungen darstellten.

Nach der Übertragung des Rechts, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber könnte jedoch der die erste Lieferung durchführende Lieferant für denjenigen gehalten werden, der die Mehrwertsteuer auf diesen Umsatz schuldete, wenn ihm dieser Erwerber mitgeteilt hatte, dass der Gegenstand, bevor er den Liefermitgliedstaat verlassen habe, an einen anderen Steuerpflichtigen weiterverkauft werde, und der Lieferant es im Anschluss an diese Mitteilung unterlassen hat, dem Erwerber eine berichtigte Rechnung unter Einschluss der Mehrwertsteuer auszustellen.

Soweit ferner die Bedingung des Nachweises zu den in Randnr. 29 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen für die Befreiung gehört, ist darauf hinzuweisen, dass, auch wenn grundsätzlich der Lieferant nachzuweisen hat, dass der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist, unter Umständen, unter denen das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Hoheitsgebiet des Liefermitgliedstaats übertragen wird, und es diesem Erwerber obliegt, den Gegenstand nach Orten außerhalb des Liefermitgliedstaats zu befördern, der Nachweis, den der Lieferant gegenüber den Steuerbehörden führen kann, wesentlich von Angaben abhängt, die er zu diesem Zweck vom Erwerber erhält.

Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs legitim, in einem solchen Fall zu verlangen, dass der Lieferant gutgläubig ist und alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Ist allerdings der Lieferant seinen Verpflichtungen in Bezug auf den Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung nachgekommen, während der Erwerber seine vertragliche Verpflichtung, die Gegenstände an Orte außerhalb des Liefermitgliedstaats zu versenden oder zu befördern, nicht erfüllt hat, müsste der Erwerber in diesem Mitgliedstaat zur Mehrwertsteuer herangezogen werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Teleos u. a., Randnrn. 66 und 67).

Der Akte ist zu entnehmen, dass sich ETH im Ausgangsverfahren bei der Qualifizierung ihrer Lieferung als innergemeinschaftlich und der Befreiung von der Mehrwertsteuer auf die belgische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Käufer gestützt hat, deren Überprüfung sie bei den niederländischen Steuerbehörden erbeten hat, sowie auf die bei der Abholung der Waren an ihrem Lager abgegebene Erklärung der Käufer dahin, dass sie nach Belgien befördert würden. Die Frage, ob ETH mit diesem Vorgehen ihrer Nachweis- und Sorgfaltspflicht nachgekommen ist, ist Gegenstand der Würdigung durch das vorlegende Gericht auf der Grundlage der hierfür im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Bedingungen.

Was schließlich die Bedingung der Versendung oder Beförderung des Gegenstands an Orte außerhalb des Liefermitgliedstaats betrifft, ist klarzustellen, dass, wie sich aus Randnr. 45 des Urteils EMAG Handel Eder ergibt, es zwar nicht auf die Frage ankommt, wer während der innergemeinschaftlichen Beförderung die Befähigung besitzt, über die Gegenstände zu verfügen, dass aber der Umstand, dass diese Beförderung vom Eigentümer des Gegenstands oder für seine Rechnung durchgeführt wird, gleichwohl eine Rolle spielen könnte bei der Entscheidung, ob diese Beförderung der ersten oder der zweiten Lieferung zugerechnet wird. In den Fällen jedoch, in denen die Beförderung durch die Person, die wie im Ausgangsverfahren an beiden Vorgängen beteiligt ist, oder für deren Rechnung durchgeführt wird, ist dieser Umstand nicht ausschlaggebend.

Daher ist die Tatsache, dass im Ausgangsverfahren der Zweiterwerber an der Beförderung beteiligt war, kein Anhaltspunkt, der den Schluss zulässt, dass diese Beförderung der zweiten Lieferung zuzurechnen ist.

Dass die Beförderung im Rahmen der ersten Lieferung durchgeführt wurde, lässt sich auch nicht aufgrund des Umstands ausschließen, dass die Gegenstände nicht zur Adresse der Ersterwerber befördert wurden, da die Anwendung der Steuerbefreiung auf eine innergemeinschaftliche Lieferung voraussetzt, dass die Beförderung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Liefermitgliedstaat endet, wobei insoweit ohne Belang ist, an welcher Adresse die Beförderung abgeschlossen wird.

Dieser Auslegung steht nicht der Wortlaut des Art. 28b Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie entgegen, wonach als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen der Ort gilt, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden. Wie der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entnehmen ist, besteht das Ziel, das mit der Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, zu der diese Bestimmung gehört, verfolgt wird, darin, die Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , X und fiscale eenheid Facet-Facet Trading, C-536/08 und C-539/08, Slg. 2010, I-0000, Randnrn. 30 und 31), nicht aber darin, die Person zu bestimmen, die einen innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt hat.

Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass in dem Fall, dass in Bezug auf eine Ware zwischen verschiedenen als solchen handelnden Steuerpflichtigen aufeinanderfolgend zwei Lieferungen, aber nur eine einzige innergemeinschaftliche Beförderung durchgeführt werden - so dass dieser Umsatz unter den Begriff der innergemeinschaftlichen Beförderung im Sinne von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit den Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b, 28a Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 1 und 28b Teil A Abs. 1 dieser Richtlinie fällt -, die Bestimmung, welchem Umsatz diese Beförderung zuzurechnen ist, ob also der ersten oder der zweiten Lieferung, in Ansehung einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hat, um festzustellen, welche der beiden Lieferungen alle Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt.

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wenn also der Ersterwerber, der das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erlangt hat, seine Absicht bekundet, diesen Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern, und mit seiner von dem letztgenannten Staat zugewiesenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auftritt, müsste die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten Lieferung zugerechnet werden, sofern das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Beförderung auf den Zweiterwerber übertragen wurde. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Bedingung erfüllt ist.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Werden in Bezug auf eine Ware zwischen verschiedenen als solchen handelnden Steuerpflichtigen aufeinanderfolgend zwei Lieferungen, aber nur eine einzige innergemeinschaftliche Beförderung durchgeführt - so dass dieser Umsatz unter den Begriff der innergemeinschaftlichen Beförderung im Sinne von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 96/95/EG des Rates vom geänderten Fassung in Verbindung mit den Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b, 28a Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 1 und 28b Teil A Abs. 1 dieser Richtlinie fällt -, so hat die Bestimmung, welchem Umsatz diese Beförderung zuzurechnen ist, ob also der ersten oder der zweiten Lieferung, in Ansehung einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen, um festzustellen, welche der beiden Lieferungen alle Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt.

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wenn also der Ersterwerber, der das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erlangt hat, seine Absicht bekundet, diesen Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern, und mit seiner von dem letztgenannten Staat zugewiesenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auftritt, müsste die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten Lieferung zugerechnet werden, sofern das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Beförderung auf den Zweiterwerber übertragen wurde. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Bedingung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit erfüllt ist.

Fundstelle(n):
VAAAD-59819