BGH Urteil v. - Xa ZR 130/07

Leitsatz

Leitsatz:

a) Steht der Fachmann vor dem Problem, einen Stoff bereitzustellen, der als Arzneimittel für bestimmte Anwendungsgebiete in Betracht kommt und im Vergleich zu auf diesem Gebiet bekannten Arzneimitteln eine Alternative darstellt, und kommen hierfür mehrere Stoffe oder Stoffgruppen in Betracht, ist die Entscheidung zugunsten eines bestimmten Stoffs bereits ein Teil der Lösung.

b) Einer Veröffentlichung, aus der sich ergibt, dass es von einer chemischen Verbindung Enantiomere geben muss, sind in der Regel die Enantiomere selbst nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, sofern die Veröffentlichung es dem Fachmann nicht ohne Weiteres ermöglicht, die Enantiomere in die Hand zu bekommen.

c) Die Bereitstellung eines einzelnen Enantiomers einer bislang nur als Gemisch von Enantiomeren (Razemat) vorliegenden Verbindung kann auch dann auf erfinderischer Tätigkeit beruhen, wenn sich das Vorhandensein der Enantiomere in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Entscheidend ist, ob es am Prioritätstag einen für den Fachmann naheliegenden Weg gab, das Enantiomer in die Hand zu bekommen.

d) Eine arzneimittelrechtliche Genehmigung für ein Arzneimittel, das als Wirkstoff eine chemische Verbindung als Razemat enthält, steht der Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für ein Arzneimittel, das als Wirkstoff ein Enantiomer der Verbindung enthält und Gegenstand einer späteren arzneimittelrechtlichen Genehmigung sowie eines eigenen Stoffpatents ist, nicht entgegen.

Gesetze: EPÜ Art. 54, Art. 56; PatG § 3, § 4, § 16a, § 49a; EG-VO 469/2009 Art. 1 Buchst. b, Art. 3 Buchst. d

Instanzenzug: BPatG, 3 Ni 9/05 (EU) vom Veröffentlichungen: Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am unter Inanspruchnahme der Priorität einer britischen Anmeldung vom angemeldeten und im Verlaufe des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erloschenen europäischen Patents 0 347 066 (Streitpatents), das mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland mit folgenden Patentansprüchen erteilt worden ist:

1. (+)-1-(3-dimethylaminopropyl)-1-(4'-fluorophenyl)-1,3-dihydroisobenzofuran-5-carbonitrile having the general formula

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and non-toxic acid addition salts thereof.

2. The pamoic acid addition salt of the compound of claim 1.

3. A pharmaceutical composition in unit dosage form comprising, as an active ingredient, the compound as defined in claim 1.

4. A pharmaceutical composition in unit dosage form comprising, as an active ingredient, the compound of claim 2.

5. A pharmaceutical composition in unit dosage form, according to claim 3 or 4, wherein the active ingredient is present in an amount from 0.1 to 100 milligram per unit dose.

6. A method for the preparation of a compound as defined in claim 1, which comprises, converting (-)-4-[4-(dimethylamino)-1-(4'-fluorophenyl)-1-hydroxy-1-butyl]-3-(hydroxymethyl)benzonitrile or a monoester thereof in a stereoselective way to (+)-1-(3-dimethylaminopropyl)-1-(4'-fluorophenyl)-1,3-dihydroisobenzofuran-5-carbonitrile which is isolated as such or as a non-toxic acid addition salt thereof.

7. (-)-Enantiomer of the compound 4-[4-(dimethylamino)-1-(4'-fluorophenyl)-1-hydroxy-1-butyl]-3-(hydroxymethyl)benzonitrile or an ester of said (-)-enantiomer, which ester has the general formula

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wherein R is a labile ester group.

Die Beklagte ist ferner Inhaberin des aufgrund einer Anmeldung vom erteilten ergänzenden Schutzzertifikats 103 99 030 für Escitalopram oder dessen nicht-toxische Säure-Additionssalze, einschließlich Escitalopramoxalat (Streitzertifikat).

Die Klägerinnen und die Streithelferin haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Klägerin zu 3 hat ferner geltend gemacht, das Streitzertifikat sei zu Unrecht erteilt worden, weil es sich bei der für das Erzeugnis erteilten arzneimittelrechtlichen Genehmigung nicht um die erste Genehmigung im Sinne von Art. 3 Buchstabe d der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 gehandelt habe.

Das Patentgericht hat die vier ursprünglichen Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit dem angefochtenen Urteil hat es das Streitpatent und das Streitzertifikat für nichtig erklärt. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent in zweiter Instanz in einer hinsichtlich des Patentanspruchs 6 eingeschränkten Fassung verteidigt.

Mit Rücksicht auf den Ablauf seiner Schutzdauer haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt, soweit sich die Klagen gegen das Streitpatent richten. Hinsichtlich des Streitzertifikats verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerinnen treten der Berufung insoweit entgegen. Die Streithelferin hat die Nebenintervention vor der Berufungsverhandlung zurückgenommen.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr. B., Inhaber des Lehrstuhls für Organische Chemie I an der Technischen Universität M., in der mündlichen Verhandlung ein Gutachten erstattet.

Gründe

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die von den Klägerinnen hinsichtlich des Streitzertifikats geltend gemachten Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor.

I. Das Streitpatent, das die Grundlage für die Erteilung des Streitzertifikats bildet, betrifft ein Enantiomer und seine Herstellung.

1. Im Stand der Technik war die chemische Verbindung 1-(3-Dimethyl-aminopropyl)-1-(4'-fluorphenyl)-1,3-dihydroisobenzofuran-5-carbonitril mit dem Internationalen Freinamen (INN) Citalopram bekannt, die beispielsweise in der US-Patentschrift 4 136 193 (NK1) beschrieben ist und sich nach den Angaben der Streitpatentschrift als wirksames Antidepressivum erwiesen hat. Die gesamte Entwicklungsarbeit erfolgte diesen Angaben zufolge mit dem Razemat, also mit einem Gemisch mit zwei gleichen Anteilen von Enantiomeren. Es sei gezeigt worden, dass die Wirkung des Citaloprams auf der sehr selektiven Inhibierung der Wiederaufnahme von 5-Hydroxy-Tryptamin (Serotonin) beruhe. Versuche zur Kristallisierung von diastereomeren Salzen der Citalopram-Enantiomere seien fehlgeschlagen.

Enantiomere und Diastereomere sind Moleküle mit derselben Struktur, die sich lediglich in der räumlichen Anordnung (Konfiguration) der einzelnen Atome voneinander unterscheiden. Enantiomere unterscheiden sich voneinander wie Bild und Spiegelbild, Diastereomere können hingegen auch durch Spiegelung nicht miteinander in Deckung gebracht werden. Beide Erscheinungsformen werden unter dem Begriff "Stereoisomere" zusammengefasst. Das Auftreten von Enantiomeren wird in Anlehnung an den Unterschied zwischen rechter und linker Hand auch als Händigkeit oder Chiralität bezeichnet.

2. In der Streitpatentschrift wird nicht ausdrücklich dargelegt, welches technische Problem dem Streitpatent zugrunde liegt. Im Anschluss an die Darstellung des Standes der Technik wird ausgeführt, es sei überraschenderweise gezeigt worden, dass es möglich sei, das in Patentanspruch 7 beschriebene Zwischenprodukt II (Diol), das z.B. in der US-Patentschrift 4 650 884 als razemisches Gemisch beschrieben worden sei, in seine Enantiomere aufzutrennen und diese in stereoselektiver Art in die Enantiomere von Citalopram umzuwandeln. Auf ähnliche Weise könnten Monoester des Zwischenprodukts II, die mit optisch aktiven Karbonsäuren gebildet würden, in die Diastereomere aufgetrennt und im Anschluss daran in einer stereoselektiven Ringschlussreaktion in die Enantiomere von Citalopram umgewandelt werden. Außerdem habe sich überraschend ergeben, dass fast die gesamte Hemmung der Serotininaufnahme auf dem (+)-Enantiomer von Citalopram beruhe.

Vor diesem Hintergrund hat das Patentgericht die Aufgabe des Streitpatents darin gesehen, die beiden Enantiomere von Citalopram in voneinander getrennter Form bereitzustellen, entweder durch Razematspaltung oder durch Razematspaltung der Diolvorstufe und stereospezifische Umsetzung des Zwischenprodukts zu den entsprechenden CitalopramEnantiomeren, um die pharmakologische Wirkung beider Enantiomere zu untersuchen.

Dies greift zu kurz. Im Fall des Streitpatents stand der Fachmann vor dem Problem, einen Stoff bereitzustellen, der als Antidepressivum in Betracht kommt und im Vergleich zu Citalopram eine Alternative darstellt. Zwar gibt es Argumente dafür, dass der Fachmann es für sinnvoll gehalten hätte, sich zur Lösung des Problems an der Gewinnung der Citalopram-Enantiomere zu versuchen. Diese Argumente waren aber nicht in dem Sinne zwingend, dass alle anderen Lösungswege von vornherein ausgeschlossen waren. Die Entscheidung zugunsten der Citalopram-Enantiomere war damit bereits ein Teil der Lösung.

3. Zur Lösung des Problems werden in Patentanspruch 1 des Streitpatents das (+)-Enantiomer von Citalopram und dessen nicht-toxische Säure-Additionssalze vorgeschlagen. Das (+)-Enantiomer ist dasjenige Enantiomer, das die Schwingungsebene von linear polarisiertem Licht bei Durchtritt um 90° im Uhrzeigersinn dreht. Es wird deshalb auch als d-Enantiomer bezeichnet. Das spiegelbildliche, von Patentanspruch 1 nicht erfasste Enantiomer wird als (-)- oder l-Enantiomer bezeichnet. Hiervon zu unterscheiden ist die - in der Streitpatentschrift nicht angesprochene - Einteilung in R- und S-Enantiomere, die nicht an die optischen Eigenschaften, sondern an die räumliche Anordnung der einzelnen Molekülbestandteile auf der Grundlage einer nach bestimmten Kriterien definierten Wertigkeit anknüpft. Zwischen den beiden Einteilungssystemen besteht kein allgemeiner Zusammenhang. Im Falle von Citalopram ist das (+)-Enantiomer zugleich das S-Enantiomer. Es wird deshalb auch als S-Citalopram oder Escitalopram bezeichnet.

Patentanspruch 2 betrifft ein besonderes Säure-Additionssalz von Escitalopram, die Patentansprüche 3 bis 5 betreffen pharmazeutische Zusammensetzungen mit einer Verbindung nach Anspruch 1 oder 2 als aktivem Bestandteil.

Patentanspruch 6 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Escitalopram, das den Schritt umfasst, ein bestimmtes Zwischenprodukt, das aus einer Citalopram ähnlichen Diol-Verbindung oder einem Monoester davon besteht, zunächst in seine Enantiomere aufzutrennen und das (-)-Enantiomer - dessen asymmetrisches Kohlenstoffatom dieselbe Konfiguration aufweist wie das (+)-Enantiomer von Citalopram - durch eine Ringschlussreaktion zum gewünschten Escitalopram umzuwandeln. In der im Berufungsverfahren zuletzt verteidigten Fassung des Streitpatents werden hierbei alternativ zwei konkrete, durch besondere Zwischenschritte gekennzeichnete Verfahrenswege beansprucht. Patentanspruch 7 betrifft das (-)-Enantiomer des in Anspruch 6 beschriebenen Zwischenprodukts.

4. Folgende Merkmale bedürfen besonderer Betrachtung:

a) Patentanspruch 1 des Streitpatents erfasst das (+)-Enantiomer von Citalopram. Hierzu gehört nicht das Razemat dieses Stoffs.

Zwar könnte dem Wortlaut des Anspruchs bei isolierter Betrachtung entnommen werden, dass auch Stoffgemische umfasst sind, die neben dem (+)-Enantiomer auch andere Stoffe einschließlich des (-)-Enantiomers enthalten. Darunter ließe sich theoretisch auch das Razemat subsumieren. Aus der Beschreibung des Streitpatents ergibt sich jedoch, dass der Anspruch nicht in diesem weiten Sinn zu verstehen ist. Citalopramrazemat wird bei der Beschreibung des Standes der Technik ausdrücklich als bekannt bezeichnet. Als Gegenstand des Streitpatents werden im ersten Satz der Beschreibung demgegenüber zwei neue Enantiomere von Citalopram bezeichnet. An anderer Stelle wird hervorgehoben, dass fast die gesamte pharmakologische Wirkung auf dem (+)-Enantiomer beruhe. Nur dieses wird - insoweit abweichend vom einleitenden Satz der Beschreibung - in Patentanspruch 1 geschützt. All dies lässt es als ausgeschlossen erscheinen, dass zum Gegenstand der Erfindung auch das bekannte Razemat gehören soll. Das Streitpatent betrifft vielmehr nur das (+)-Enantiomer in Reinform. Ob hierzu auch Stoffgemische gehören, in denen das (-)-Enantiomer als unwesentliche Verunreinigung enthalten ist, und bei welchem Grad der Verunreinigung gegebenenfalls die Grenze zu ziehen wäre, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung.

b) Für die Patentansprüche 3 bis 5 gilt entgegen der Auffassung des Patentgerichts nichts anderes. Zwar ließe auch der Wortlaut dieser Ansprüche ("Pharmazeutische Zusammensetzung ... umfassend als aktiven Bestandteil") bei isolierter Betrachtung die Auslegung zu, dass die Zusammensetzung neben (+)-Citalopram als aktivem Bestandteil auch eine gleiche Menge an (-)-Citalopram enthalten darf. Aus dem Zusammenhang mit der Beschreibung und dem Rückbezug auf Anspruch 1 ergibt sich jedoch auch hier, dass das Streitpatent für eine solche - ebenfalls vorbekannte - Zusammensetzung keinen Schutz beansprucht.

II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents als nicht patentfähig angesehen und zur Begründung ausgeführt:

Als Fachmann sei ein erfahrener organischer oder pharmazeutischer Chemiker anzusehen, der mit der Struktur und Aktivität von noch in der Entwicklung sowie bereits im Gebrauch befindlichen pharmazeutischen Wirkstoffen vertraut und in ein Team von Spezialisten eingebunden sei, das sich mit dem Auffinden neuer Wirkstoffe und mit deren Entwicklung befasse.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei gegenüber dem US-Patent 4 136 193 (NK1) nicht mehr neu. Eine chemische Verbindung mit einem asymmetrischen Kohlenstoffatom sei in Form eines ihrer Enantiomere nicht mehr neu, wenn dem Fachmann in einer Vorveröffentlichung ein konkreter Hinweis auf das Enantiomer gegeben werde und er aufgrund dieses Hinweises und seines allgemeinen Fachwissens in der Lage sei, die Verbindung herzustellen. Im vorliegenden Zusammenhang habe der Fachmann der Patentschrift NK1 ohne weiteres entnommen, dass das darin als Razemat beschriebene Citalopram wegen des offensichtlich erkennbar vorhandenen asymmetrischen Kohlenstoffatoms als Enantiomere mit R- und S-Konfiguration vorkommen könne. Das (+)-Enantiomer habe der Fachmann auf eine vor dem Prioritätstag übliche Weise und mit zu dieser Zeit bereits im Handel verfügbaren Hilfsmitteln aus dem in der Patentschrift NK1 offenbarten Enantiomerengemisch ohne Weiteres abtrennen können. Dabei könne dahinstehen, ob dies durch Bildung diastereomerer Salze mit einer Chiralsäure möglich sei. Die Trennung sei jedenfalls mit Hilfe von vor dem Prioritätstag kommerziell erhältlichen chiralen Stationärphasen für die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (High Performance Liquid Chromatography, HPLC) möglich gewesen. Dies werde durch die nachveröffentlichten, gutachtlich zu bewertenden Veröffentlichungen von Haupt (Journal of Chromatography B 1996, 299 [NK9]) und Rochat et al. (Therapeutic Drug Monitoring 1995, 273 [NK10] und Chirality 1995, 390 [NK11]) belegt. Die Möglichkeit zur Razematspaltung mittels Chromatographie an chiralen Stationärphasen sei bereits im Jahr 1956 in einem biochemischen Taschenbuch erwähnt worden. Zwar gebe es bis heute keine universell einsetzbare HPLC-Stationärphase. Ein mit der Lösung des dem Streitpatent zu Grunde liegenden Problems befasstes Team von Fachleuten habe aber eine Auswahl der Handelsprodukte für analytische und auch präparative Zwecke im Labor bereithalten müssen. Dass Versuche der Beklagten mit fünf HPLC-Chiralsäulen gescheitert seien und dass ein namhafter Experte auf dem Gebiet der chiralen Chromatographie keine Trennung der Citalopram-Enantiomere mit den in seinem Labor vorhandenen Säulen erwartet habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Auch wenn eine große Zahl von Chiralsäulen zu testen gewesen sei, habe dies keinen unzumutbaren Aufwand dargestellt. Die Beklagte habe auch keine stichhaltigen Gründe für ihre Behauptung geliefert, die in den Veröffentlichungen NK9 bis NK11 verwendeten chiralen Stationärphasen seien gegenüber den vor 1988 handelsüblichen Produkten stark verbessert. Zwar stünden Stationärphasen aus dem Jahr 1987 nicht mehr zur Verfügung. Auch die Ausführungen der Beklagten in der ebenfalls von ihr stammenden veröffentlichten Patentanmeldung WO 03/06449 (NK16) sprächen aber dagegen, dass bereits bei geringsten Änderungen der experimentellen Parameter eine Trennung nicht mehr gelinge.

Das in Patentanspruch 7 geschützte (-)-Enantiomer einer Diol-Verbindung oder ein Ester desselben und das in Patentanspruch 6 beanspruchte Verfahren seien durch die veröffentlichte europäische Patentanmeldung 0 171 943 (NK2) nahegelegt worden. Für den Fachmann sei erkennbar gewesen, dass die in dieser Entgegenhaltung beschriebenen Reaktionen nicht stereospezifisch abliefen. Zur Trennung der Enantiomere hätte der Fachmann deshalb die ihm geläufigen Methoden zur Bildung diastereomerer Salze mit Chiralsäuren und nachfolgender fraktionierter Kristallisation in Betracht gezogen. Auf diese Weise wäre er mit geringem Aufwand zum diastereomeren Salz mit den beanspruchten (-)-Enantiomeren gelangt.

Die in Patentanspruch 7 geschützten Monoester und der gesamte in Patentanspruch 6 beschriebene Verfahrensweg hätten ebenfalls nahegelegen. Der Chemiker erkenne sofort und damit ohne weiteres, dass die in der Entgegenhaltung NK2 beschriebene zyklische Veretherung nach einem SN1-Mechanismus und damit nicht stereospezifisch ablaufe. Zu seinen Basiskenntnissen gehöre auch, dass die Bildung zyklischer Ether alternativ nach einem stereospezifischen SN2-Mechanismus erfolgen könne. Der Fachmann habe auch nicht umhin gekonnt, den als Zwischenstufe auftretenden labilen Monoester an der primären Alkoholgruppe des Diols vorzusehen.

III. Dies hält der Überprüfung in der Berufungsinstanz nicht stand. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents ist neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit. Das Streitpatent bildet damit eine geeignete Grundlage für die Erteilung des Streitzertifikats.

1. Als Fachmann, dessen Kenntnisse und Erfahrung für die Beurteilung maßgeblich sind, hat das Patentgericht zutreffend einen erfahrenen organischen oder pharmazeutischen Chemiker angesehen, der mit der Struktur und Aktivität von noch in der Entwicklung oder bereits in Gebrauch befindlichen pharmazeutischen Wirkstoffen vertraut ist. Dieser Fachmann ist, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, in ein Team von Spezialisten eingebunden, das sich mit dem Auffinden neuer Wirkstoffe und mit deren Entwicklung befasst (vgl. dazu auch BGHZ 170, 215 Tz. 26 - Carvedilol II). Dies bedeutet nicht, dass dem Fachmann (d.h. hier dem Chemiker) kurzerhand auch alle Kenntnisse zuzuschreiben sind, über die irgendein anderes Mitglied des Teams verfügt. Dem in ein Team eingebundenen Fachmann ist es aber leichter möglich, sich bei erkannten Problemen an die anderen Teammitglieder zu wenden oder von diesen Anregungen für sein Vorgehen zu erhalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die Berücksichtigung einer solchen Einbindung in ein Forschungs- und Entwicklungsteam nicht dazu, dass ein Patentschutz für Arzneimittel praktisch nicht mehr zu erlangen wäre.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents ist neu.

a) Im Stand der Technik war Citalopram lediglich als Razemat, also als Gemisch der beiden Enantiomere zu jeweils gleichen Teilen, verfügbar. Dieses wird, wie bereits oben ausgeführt, von Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht erfasst.

b) Die vom Patentgericht als neuheitsschädlich angesehene Patentschrift NK1, die in der Streitpatentschrift ausdrücklich erwähnt wird, beschreibt in Patentanspruch 5 und dem dazu korrespondierenden Ausführungsbeispiel 3 (Sp. 6 Z. 19 ff.) die Verbindung 1-(4'-fluorphenyl)-1-(3-Dimethylaminopropyl)-5-phthalancarbonitril und damit - mit etwas abweichender Nomenklatur - Citalo-pram. Weder in dieser Entgegenhaltung noch in anderen Veröffentlichungen findet sich ein Hinweis auf Enantiomere dieses Stoffs. Damit ist das vom Streitpatent beanspruchte (+)-Enantiomer nicht neuheitsschädlich offenbart.

Allerdings konnte der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens erkennen, dass Citalopram ein Kohlenstoffatom enthält, das Bindungen zu vier Molekülgruppen mit jeweils unterschiedlichem Aufbau aufweist. Schon daraus ergab sich, dass das Citaloprammolekül chiral ist, d.h. dass es zwei Enantiomere geben muss. Diese Erkenntnis wurde mangels entsprechender Hinweise jedoch nicht durch die Patentschrift NK1 oder anderen Stand der Technik offenbart. Der Fachmann konnte zu ihr erst gelangen, indem er aus dem Offenbarungsgehalt entsprechende Schlussfolgerungen zog. Dass hierzu ein Rückgriff auf allgemeines Fachwissen ausreichte, führt nicht zu einer neuheitsschädlichen Offenbarung. Wie der Bundesgerichtshof bereits in der - nach Erlass des angefochtenen Urteils ergangenen - Entscheidung "Olanzapin" klargestellt hat, darf die Fähigkeit des Fachmanns, mit Hilfe bekannter Verfahren und seines sonstigen Fachwissens eine mehr oder weniger große Anzahl von Einzelverbindungen herzustellen, die unter eine offenbarte Strukturformel fallen, nicht mit der Offenbarung dieser Einzelverbindungen gleichgesetzt werden. Durch die Mitteilung einer Strukturformel sind die darunter fallenden einzelnen Verbindungen als solche nicht offenbart. Um sie dem Fachmann im Sinne der Neuheitsprüfung "in die Hand zu geben", bedarf es in der Regel weitergehender Informationen insbesondere zu ihrer Individualisierung (, GRUR 2009, 382 Tz. 28 - Olanzapin, zur Veröffentlichung in BGHZ 179, 168 vorgesehen).

Als offenbart kann eine nicht ausdrücklich genannte Einzelverbindung danach nur dann gelten, wenn der Fachmann sie bei der Lektüre der Vorveröffentlichung "mitliest", etwa weil sie ihm als die übliche Verwirklichungsform der genannten allgemeinen Formel geläufig ist und sich ihm daher sofort als jedenfalls auch gemeint aufdrängt, wenn er die allgemeine Formel liest. Hierzu reicht nicht aus, dass der Fachmann die Einzelverbindung durch Schlussfolgerungen ermitteln kann. Der Offenbarungsgehalt einer Schrift umfasst vielmehr nur das, was ihr aus fachmännischer Sicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist (BGH GRUR 2009, 382 Tz. 25 - Olanzapin).

Für das hier in Rede stehende Enantiomer gilt nichts anderes. Zwar unterscheidet sich ein Enantiomer von einem vorbeschriebenen Razemat lediglich durch die räumliche Anordnung der einzelnen Bestandteile des Moleküls. Einer Veröffentlichung, in der eine chemische Verbindung beschrieben wird, ohne dass der Aspekt der Chiralität erwähnt ist, und die auch keine sonstigen Ausführungen enthält, die nur ein bestimmtes Enantiomer betreffen, entnimmt der Fachmann jedoch in der Regel nicht unmittelbar und eindeutig, dass die offenbarte Lehre auch einzelne Enantiomere umfasst. Dies entspricht der Entscheidungspraxis der Technischen Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts zu Enantiomeren und Diastereomeren. Danach ist in einer Vorveröffentlichung, die Stereoisomere nicht ausdrücklich behandelt, ein einzelnes Stereoisomer dennoch offenbart, wenn die Veröffentlichung eine Methode beschreibt, bei deren Anwendung der Fachmann dieses Stereoisomer erhält (EPA, T 12/81, ABl. EPA 1982, 296, 301 f. = GRUR Int. 1982, 744, 745 - Diastereomere/BAYER; EPA, T 181/82, ABl. EPA 1984, 401, 410 f. = GRUR Int. 1984, 700, 701 f. - Spiroverbindungen/CIBA-GEIGY). Enthält die Vorveröffentlichung keine derartigen Hinweise, sind die einzelnen Raumformen hingegen noch nicht in individualisierter Form offenbart, auch wenn solche Raumformen aufgrund eines asymmetrischen Kohlenstoffatoms denkgesetzlich möglich sind (EPA, T 296/87, ABl. EPA 1990, 195, 206 f. = GRUR Int. 1990, 851, 852 - Enantiomere/HOECHST).

Aus der vom Patentgericht herangezogenen Entscheidung "Thrombozyten-Zählung" (, GRUR 1986, 372) lassen sich keine abweichenden Schlussfolgerungen ziehen. Diese zur Rechtslage vor 1978 ergangene Entscheidung betrifft eine andere Konstellation. In dem dort zu Grunde liegenden Fall war ein der Lehre des dortigen Streitpatents entsprechendes Mittel bereits in Verkehr gebracht worden. Der Fachmann stand lediglich vor der Aufgabe, dieses auf seine Zusammensetzung zu untersuchen. Im vorliegenden Fall war im Stand der Technik hingegen kein Stoff verfügbar, der die Merkmale von Patentanspruch 1 des Streitpatents verwirklicht. Ein Fachmann, dem das im Stand der Technik bekannte Citalopramrazemat zur Verfügung stand, musste diesen Stoff nicht nur analysieren - was angesichts der schon theoretisch ableitbaren Erkenntnis, dass das Razemat aus zwei unterschiedlichen Enantiomeren bestehen muss, ohnehin müßig gewesen wäre - sondern einen Weg finden, das Razemat zu spalten oder die Enantiomere durch stereospezifische Synthese herzustellen. Damit war die Lehre des Streitpatents nicht neuheitsschädlich offenbart.

c) Auch die Veröffentlichungen von D. F. Smith (Pharmacopsychiat. 1985, 225 [NK3], Neuroscience & Biobehavorial Reviews 1986, 37 [NK4] und Nordisk Psykiatrisk Tidsskrift 1986, 91 [NK5]) führen deshalb zu keiner anderen Beurteilung. Dort werden die Enantiomere von Citalopram zwar ausdrücklich erwähnt und die Erwartung geäußert, dass R-Citalopram als Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wirksamer sein könnte als sein Antipode. Dadurch wurde der Fachmann jedoch nicht ohne weiteres in die Lage versetzt, eines der Enantiomere in die Hand zu bekommen. Selbst wenn es aufgrund der Veröffentlichungen nahegelegen hätte, nach Wegen zu suchen, um an die Enantiomere zu gelangen, ging aus den Entgegenhaltungen nicht hervor, wie dies hätte geschehen können. Es hätte vielmehr weiterer Schlussfolgerungen bedurft, die die Veröffentlichungen nicht enthalten und die der Fachmann auch nicht als selbstverständlich mitlas. Damit fehlt es an einer neuheitsschädlichen Offenbarung von Escitalopram.

3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann nicht nahegelegt.

a) Der Fachmann hatte allerdings am Prioritätstag Veranlassung, Versuche zur Herstellung oder Isolierung der Citalopram-Enantiomere anzustellen.

Wie auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, war am Prioritätstag bekannt, dass ein Enantiomer eines als Razemat bekannten Wirkstoffs eine bessere Wirkung haben und dass das andere Enantiomer entgegengesetzte oder sogar toxische Wirkungen aufweisen kann. Praktische Beispiele für derartige Phänomene bei psychotropen Medikamenten sind in den aus den Jahren 1985 und 1986 stammenden Veröffentlichungen von Smith (NK3 bis NK5) aufgeführt. Hinweise in die gleiche Richtung enthielten, wie auch im Urteil vom , das der High Court für England und Wales durch J. Kitchin im englischen Streitverfahren um den Rechtsbestand des Streitpatents erlassen hat ([2007] EWHC 1040 (Pat), Tz. 94 f. und 99 - Generics (UK) Ltd. v. H. Lundbeck A/S), und im Urteil der Rechtbank 's-Gravenhage vom (312468/HA ZA 08-1827, Tz. 4.33) näher ausgeführt wird, eine im Februar 1987 veröffentlichte Richtlinie (Anl. NiK3-22) der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA), die die Empfehlung enthielt, asymmetrische Wirkstoffe in ihre Stereoisomere aufzutrennen und zu untersuchen, und eine ähnliche Empfehlung der japanischen Behörden aus dem Jahr 1985. Die Technischen Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts haben in Zusammenhang mit einem im Jahr 1978 angemeldeten Patent entschieden, dass es lange vor dem dort relevanten Prioritätstag zum allgemeinen Fachwissen gehörte, dass bei physiologisch aktiven Substanzen, insbesondere auch bei Pharmazeutika, die ein asymmetrisches Kohlenstoffatom aufweisen, häufig eines der Enantiomere eine quantitativ höhere Wirkung aufweist als das andere bzw. als das Razemat (EPA, T 296/87, ABl. EPA 1990, 195, 209 [insoweit nicht in GRUR Int. 1990, 851] - Enantiomere/HOECHST). Danach bot es sich an, auch bei Citalopram Versuche in diese Richtung anzustellen. Wenn sich einzelne Enantiomere bei anderen Wirkstoffen als vorteilhaft erwiesen hatten und nicht im einzelnen geklärt war, worauf dieses Phänomen beruhte, war es sinnvoll, entsprechende Untersuchungen auch mit dem bislang nur als Razemat vorliegenden und als antidepressiv wirksam nachgewiesenen Citalopram zu unternehmen.

Eine zwingende Notwendigkeit zur Bereitstellung der Enantiomere ergab sich daraus freilich nicht. Der Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit spielte nur für denjenigen eine Rolle, der Citalopram vermarkten wollte. Eine rechtliche Verpflichtung zur Untersuchung von Enantiomeren ergab sich aus den behördlichen Richtlinien ohnehin nicht. Wie die Beklagte durch die aus dem Jahr 1986 stammende Veröffentlichung von Testa (Topics in Pharmaceutical Sciences 1986, 60 [NK28]) belegt hat, gab es zudem auch kritische Stimmen, die sich gegen eine zwangsweise Auftrennung aller vermarkteten chiralen Wirkstoffe und für eine differenzierte Vorgehensweise aussprachen. Dies hat umso mehr Gewicht, als ähnliche Versuche mit dem Wirkstoff Fluoxetin, der eine ähnliche Struktur aufweist wie Citalopram, keine Unterschiede in der Wirksamkeit der Enantiomere ergeben hatten. Die strukturellen Ähnlichkeiten boten einen Anhalt für die Annahme, dass bei Citalopram ähnliche Ergebnisse zu erwarten waren. In der Veröffentlichung von Smith (NK4) wird zwar die Erwartung geäußert, dass ein Citalopram-Enantiomer vorteihafte Wirkungen haben könnte. Die hierfür angegebene Begründung war jedoch, wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, für den Chemiker erkennbar nicht stichhaltig. Bezeichnenderweise beziehen sich die Äußerungen von Smith auf das R-Enantiomer, dem nach den Erkenntnissen der Streitpatentschrift allenfalls geringe Wirksamkeit zukommt.

Trotz dieser eher gegen eine Enantiomerentrennung sprechenden Umstände waren die Zusammenhänge, auf denen die unterschiedliche Wirkungsweise einzelner Enantiomere beruht, nicht in einem Ausmaß aufgeklärt, dass ein anderes Ergebnis als ausgeschlossen oder auch nur fernliegend betrachtet werden konnte. Die bestehenden Wissensdefizite sprachen für den mit der praktischen Entwicklung von Wirkstoffen betrauten Fachmann vielmehr dafür, die Wirksamkeit der Enantiomere experimentell zu überprüfen, statt umfangreiche theoretische Betrachtungen anzustellen. Der Fachmann hatte andererseits keinen Anlass, sein Bemühen, Citalopram-Enantiomere zu gewinnen, um jeden Preis weiterzuverfolgen. Wenn es ihm mit überschaubarem Aufwand nicht gelungen wäre, an die Enantiomere zu gelangen, hätte er diesen Ansatz angesichts der nicht sicheren Erfolgserwartung sinnvollerweise aufgegeben und nach anderen, einfacher zur realisierenden Möglichkeiten gesucht.

Bei dieser Sachlage beruht die Lehre von Patentanspruch 1 nicht schon deshalb auf erfinderischer Tätigkeit, weil Escitalopram nach der Behauptung der Beklagten unerwartete therapeutische Vorteile (verbesserte Heilungsaussichten, verkürzte Heilungszeit und schnelleres Einsetzen der Wirkung) mit sich bringt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vermag ein zusätzlicher, wenn auch unerwarteter und überraschender Effekt die erfinderische Leistung einer Kombination bekannter Stoffe nicht zu begründen, wenn die Bereitstellung der Kombination dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war und ihm ein Weg zur Verfügung stand, die Kombination tatsächlich in die Hand zu bekommen (, GRUR 2003, 317, 320 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel I; vgl. auch Sen.Urt. v. - Xa ZR 148/05, GRUR 2009, 36 Tz. 22 - Heizer m.w.N.). Auch die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts haben erfinderische Tätigkeit beispielsweise verneint, wenn sich herausstellt, dass ein durch den Stand der Technik nahegelegtes Enantiomer im Vergleich zum Razemat nicht nur den doppelten, sondern einen weit darüber liegenden Wirksamkeitsfaktor aufweist (ABl. EPA 1990, 195, 210 - Enantiomere/HOECHST).

b) Für den Fachmann gab es am Prioritätstag keinen naheliegenden Weg, die Citalopram-Enantiomere in die Hand zu bekommen.

(1) Das Patentgericht hat offengelassen, ob die Citalopram-Enantiomere am Prioritätstag in naheliegender Weise durch Bildung diastereomerer Salze mit einer Chiralsäure gewonnen werden konnten. Der Senat ist aufgrund der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass dem Fachmann eine solche Möglichkeit nicht zur Verfügung gestanden hat.

Die Auftrennung eines Razemats mit Hilfe einer chiralen Säure ist historisch gesehen die älteste Methode zur Gewinnung von Enantiomeren und gehört, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, auch heute noch zum Standardrepertoire des Fachmanns. Durch die Reaktion des Razemats mit der Säure entstehen Salze, deren Moleküle zwei asymmetrische Kohlenstoffatome aufweisen und deshalb als Diastereomere vorliegen. Diastereomere weisen häufig größere Unterschiede in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften auf als Enantiomere und können deshalb leichter als diese voneinander getrennt werden, beispielsweise durch Kristallisation. Ob dies tatsächlich gelingt, hängt unter anderem vom Ausgangsstoff und der eingesetzten Säure ab.

In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, Versuche, diastereomere Salze der Enantiomere von Citalopram zu kristallisieren, seien gescheitert. Weder aus dem Vortrag der Parteien und den von diesen vorgelegten Unterlagen noch aus sonstigen Umständen ist ersichtlich, dass eine Trennung auf diesem Weg zeitnah zum Prioritätstag gelungen ist oder gelingen konnte.

Auch aus dem von der Klägerin zu 3 vorgelegten Aufsatz von Elati et al. (Organic Process Research & Development 2007, 289 [NK8]) ergibt sich nicht, dass es am Prioritätstag die Möglichkeit einer solchen Trennung gab. Die Veröffentlichung NK8 befasst sich hauptsächlich mit der Gewinnung von Escitalopram durch stereoselektive Synthese des Zwischenprodukts Didesmethylcitalopram. Dieses Zwischenprodukt ist ein Derivat von Citalopram, bei dem an Stelle der beiden am Stickstoff-Atom angelagerten Methylgruppen (CH3) jeweils nur ein Wasserstoff-Atom vorhanden ist. Es weist folgende Formel auf:

Grafik: [BGH_2009-09-10_Xa_ZR_130_07-003.jpg]

In NK8 wird ausgeführt, die Autoren hätten sich zu Beginn auf die Bildung eines diastereomeren Salzes des Citaloprams konzentriert. Der Einsatz von (-)-Diptoluoylweinsäure ((-)-DPTTA) habe sich aber als nicht zufriedenstellend für eine Anwendung in industriellem Maßstab erwiesen (S. 290). Die Autoren hätten sich von kleineren strukturellen Modifikationen eine bessere Auflösbarkeit versprochen. Nach mehreren erfolglosen Versuchen sei es gelungen, Didesmethylcitalopram zu synthetisieren, mit dem die fraktionierte Kristallisation gelungen sei. In Figur 2 dieser Veröffentlichung wird die erzielte Ausbeute für die Trennung von Citalopram mit 32 bis 36% und für die Trennung des Derivats mit 77 bis 80% angegeben. In einer nachfolgenden Veröffentlichung von Dancer/Lopez de Diego wird demgegenüber berichtet, mit dem in NK8 beschriebenen Verfahren sei die Trennung des Citalopramrazemats nicht gelungen. Auch nach dreimaliger Kristallisation habe das Mischungsverhältnis zwischen den beiden Enantiomeren bei 56,2 zu 43,8% gelegen, was einer Ausbeute von 12,4% entspreche (Organic Process Research & Development 2009, 23, 24 [NK32]). Nachfolgende Versuche mit geänderten Parametern hätten zu keinem anderen Ergebnis geführt (aaO., S. 25-30). Auch die Reproduzierbarkeit der Didesmethylcitalopramsynthese ist bezweifelt worden. In einer Erwiderung haben die Autoren der Veröffentlichung NK8 eingeräumt, die Auflösung von Citalopram mit Diptoluoylweinsäure sei nicht in der Weise durchführbar, wie dies in der ersten Veröffentlichung beschrieben worden ist; sie sei aber auf andere Weise möglich (Organic Process Research & Development 2009, 34 [NK33]). Letzteres ist in einer erneuten Entgegnung von Dancer/Lopez de Diego begründet angezweifelt worden (Organic Process Research & Development 2009, 38, 39 f. [NK34]).

Vor diesem Hintergrund können den Veröffentlichungen in NK8 und NK33 keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass die Trennung der Citalopram-Enantiomere durch stereoselektive Kristallisation am Prioritätstag möglich war und dass dieser Weg für den Fachmann eine naheliegende Möglichkeit darstellte, die Citalopram-Enantiomere in die Hand zu bekommen. Die Darlegungen in NK8 wurden, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, in NK33 komplett korrigiert. Die Ausführungen in NK33 sind schon deshalb von begrenzter Aussagekraft, weil Kristallisationsversuche generell größere Aussicht auf Erfolg haben, wenn das gewünschte Enantiomer bereits vorliegt. Unabhängig davon ist die berichtete Ausbeute eher bescheiden und bietet keine Gewähr dafür, dass der Fachmann die Enantiomere auf diesem Weg tatsächlich isoliert in die Hand bekommen kann.

(2) Das Patentgericht hat ausgeführt, für den Fachmann habe es nahegelegen, zur Trennung der Enantiomere auf die Methode der Chiralchromatographie zurückzugreifen. Mit den am Prioritätstag kommerziell erhältlichen Materialien sei eine solche Trennung mit vertretbarem Aufwand möglich gewesen. Dieser Beurteilung vermag sich der Senat nach der mündlichen Verhandlung und der Anhörung des Sachverständigen nicht anzuschließen.

Die für eine Trennung auf diesem Weg geeignete Methode der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (High Performance Liquid Chromatography, HPLC) war, wie sich beispielsweise aus der Abhandlung von Wainer (Trends in Analytical Chemistry 1987, 127 [NK6]) ergibt, am Prioritätstag als solche bekannt. Es war auch bekannt, dass es zur Trennung von Enantiomeren - anders als zur Trennung von Diastereomeren - besonderer, chiraler HPLC-Stationärphasen bedarf, von denen verschiedene Ausführungsformen am Markt verfügbar waren. In einer im April 1987 veröffentlichten Anzeige (NK12) warb die Daicel Chemical Industries Ltd. damit, mit den von ihr angebotenen chiralen Stationärphasen (Säulen) sei die Herstellung reiner Enantiomere in Kilogramm-Größenordnungen möglich. In dieser Anzeige wurde unter anderem das Material Chiralcel OD (tris-3,5-dimethylphenylcarbamat) angeboten, mit dessen Hilfe die Trennung der Citalopram-Enantiomere ausweislich des 1995 veröffentlichten, bereits erwähnten Aufsatzes von Rochat et al. (NK11) und ausweislich des von der Klägerin zu 2 vorgelegten Gutachtens Dr. R. (G4) nach dem Prioritätstag tatsächlich durchgeführt werden konnte. Aus einem im Jahr 1986 veröffentlichten Aufsatz geht hervor, dass tris-3,5-dimethylphenylcarbamat bereits damals für Versuche verwendet wurde (Okamoto et al., Chemistry Letters 1986, 1237 [NiK3-15]). Entsprechendes ergibt sich aus einem anderen, im Jahr 1987 mit dem Vermerk "Received April 28th, 1987" veröffentlichten Aufsatz, in dem neben der chemischen Bezeichnung bereits der Handelsname Chiralcel OD genannt wurde (Railton, Journal of Chromatography, 402 (1987), 371 [NK14]). In einer von der Klägerin zu 2 in zweiter Instanz vorgelegten Anzeige aus dem Jahr 1987 (NK18) bot ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen dieses Material als "now available" an. Aus zwei weiteren, ebenfalls bereits erwähnten Aufsätzen von Rochat und Haupt aus den Jahren 1995 (NK10) und 1996 (NK9) ergibt sich ferner, dass die Trennung nach dem Prioritätstag auch mit Säulen anderen Typs, nämlich Cyclobond (β-Cyclodextrin, NK10) und Chiral-AGP (NK9) gelungen ist. Von den insgesamt fünf Typen chiraler Stationärphasen, denen die im Jahr 1987 verfügbaren Produkte in dem Aufsatz NK6 zugeordnet wurden, haben sich somit Produkte aus drei verschiedenen Kategorien, nämlich den Typen II (NK11), III (NK10) und V (NK9), als zur Trennung der Citalopram-Enantiomere geeignet erwiesen.

Dennoch hatte der Fachmann am Prioritätstag keine Veranlassung, diesen Weg einzuschlagen. Zwar waren mittels chiraler HPLC erste Erfolge erzielt worden und die Hersteller boten eine wachsende Zahl von stationären Phasen auch für präparative Zwecke an. Dennoch stand dieser Weg im Jahr 1988 eher im Hintergrund und fehlte es an Erfahrungen, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen mit Säulen eines theoretisch in Betracht kommenden Typs tatsächlich insbesondere für präparative Zwecke brauchbare Ergebnisse erzielt werden konnten. Dies spiegelt auch die vorsichtige Einschätzung des Potentials der Säule durch den "Vater" der Chiralcel-OD-Säule, Okamoto, wieder (Chemistry Letters 1986, 1237, 1240 [NK31]). Aus zeitnahen Veröffentlichungen, beispielsweise dem Aufsatz NK6 oder dem im Jahr 1988 veröffentlichten Artikel im Analytiker-Taschenbuch (NK30), der von dem seitens der Klägerin zu 2 zugezogenen Privatgutachter Prof. Dr. B. stammt, geht hervor, dass sich die Erkenntnisse auf diesem Gebiet zwar rasch weiterentwickelten, die Auswahl geeigneter stationärer und mobiler Phasen in jedem Einzelfall aber weiterhin als mühsam und kostspielig angesehen wurde. Dies deckt sich mit den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, der sich im Jahr 1988 im Rahmen seiner Dissertation mit Fragestellungen aus diesem Bereich befasste und nach dessen Einschätzung HPLC damals - anders als heute - selbst im universitären Bereich auch bei ausreichender Mittelausstattung wenig verbreitet war. Ähnliche Befunde haben sich nach dem Urteil von J. Kitchin (aaO. Tz. 140 ff.) im englischen Verfahren ergeben. Angesichts des raschen technischen Fortschritts im relevanten Zeitraum besteht die nicht fernliegende Möglichkeit, dass die im Prioritätszeitpunkt verfügbaren Materialien trotz gleicher Produktbezeichnung andere Eigenschaften aufwiesen. In dem 1995 veröffentlichten Aufsatz NK10 wird ausdrücklich erwähnt, dass während der Untersuchung zu einer neuen Generation des Materials Cyclobond gewechselt wurde (S. 275 Abs. 1). Der gerichtliche Sachverständige hat darüber hinaus bestätigt, dass selbst heute die Säulenqualität schwankt und individuelle Chargen deshalb einer Kalibrierung unterzogen werden müssen. Unabhängig davon sprach der Aufbau des Citalopram-Moleküls, bei dem das chirale Zentrum mit dem Fluorphenyl- und dem Cyanophenyl-Substituenten mit zwei relativ ähnlich aufgebauten Arylresten (Molekülgruppen, die unter anderem aus einem Benzolring bestehen) angebunden ist, nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen eher gegen eine erfolgreiche Trennung mittels HPLC.

Angesichts all dessen gab es zum Prioritätszeitpunkt keine konkreten Aussichten, dass gerade das Produkt Chiralcel OD, das im Jahr 1987 teils als "available soon" (NK6, S. 129 Sp. 1 unten), teils als "now available" (NK18) bezeichnet wurde, den entscheidenden Durchbruch bringen werde oder dass eines der anderen Produkte, die später erfolgreich angewendet worden sind, die Trennung der Citalopram-Enantiomere ermöglichen werde. Diesen eher vagen Aussichten standen hohe Kosten für die Beschaffung der stationären Phasen entgegen. Tatsächlich ist die erfolgreiche Trennung der Citalopram-Enantiomere erst geraume Zeit später und in Kenntnis der Lehre des Streitpatents erfolgt und trotz dieses zeitlichen Abstandes noch Gegenstand mehrerer wissenschaftlicher Veröffentlichungen gewesen. Vor diesem Hintergrund war die Trennung der Citalopram-Enantiomere mittels HPLC am Prioritätstag für den Fachmann nicht naheliegend. Zu derselben Bewertung ist der High Court für England und Wales durch J. Kitchin gelangt.

(3) Die Lehre von Patentanspruch 1 wäre auch dann nahegelegt gewesen, wenn der Fachmann Veranlassung gehabt hätte, einen der in Patentanspruch 6 des Streitpatents beschriebenen Wege zur Gewinnung von Escitalopram zu gehen. Der Senat ist aufgrund der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme zu der Auffassung gelangt, dass letzteres nicht der Fall war.

Dem Fachmann war allerdings geläufig, dass eine stereoselektive Synthese als Alternative zu einer Razemattrennung des Ausgangsstoffs in Betracht kommt. Unter wirtschaftlichen Aspekten konnte es sogar vorteilhaft sein, die nicht gewünschten Enantiomere möglichst früh aus dem Verfahren auszuscheiden.

Der gewählte Ausgangsstoff 4-[4-(Dimethylamino)-1-(4'-fluorphenyl)-1-hydroxy-1-butyl]-3-(hydroxymethyl)benzonitril - die so genannte Diolverbindung oder Diol-Zwischenstufe - bot sich darüber hinaus als Versuchsobjekt an, weil sein Razemat als Zwischenprodukt auf dem Weg zur Herstellung des Citalopram-Razemats bekannt war und dieser Herstellungsweg in der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 0 171 943 (NK2) als besonders vorteilhaft bezeichnet wurde. Die Diolverbindung unterscheidet sich in ihrem Aufbau von Citalopram nur in einem Punkt: Anstelle des bei Citalopram vorhandenen Furanrings, der aus vier Kohlenstoff-Atomen und einem Sauerstoff-Atom gebildet wird, weist die Diolverbindung eine offene Struktur auf, bei der die beiden Kohlenstoff-Atome, die nicht in die Benzolringe einbezogen sind, je eine Hydroxygruppe (OH) aufweisen. Um daraus Citalopram herzustellen, muss ein Ringschluss herbeigeführt werden, bei dem die eine Hydroxygruppe entfernt und das Sauerstoff-Atom der anderen Hydroxygruppe unter Abspaltung des Wasserstoff-Atoms die beiden Kohlenstoffatome zu einem Ring verbindet.

Grafik: [BGH_2009-09-10_Xa_ZR_130_07-004.jpg] -> Grafik: [BGH_2009-09-10_Xa_ZR_130_07-005.jpg]

In NK2 wird hierfür ein Verfahrensweg beschrieben, bei dem die Diolverbindung unter Zugabe von Schwefelsäure für drei Stunden auf 80°C erhitzt wird. Diese Reaktion läuft nach einem SN1-Mechanismus ab, bei dem zuerst die Hydroxygruppe vom chiralen Kohlenstoff-Atom abgespalten wird und erst danach die Anbindung an das Sauerstoff-Atom erfolgt. Bei diesem Mechanismus ist nicht gewährleistet, dass ein daran beteiligtes asymmetrisches Kohlenstoff-Atom nach der Reaktion denselben stereometrischen Aufbau aufweist wie vorher. Selbst wenn ein Enantiomer als Ausgangsprodukt verwendet wird, liegt das Endprodukt als Razemat oder jedenfalls als Gemisch von Enantiomeren vor.

Damit ist kein Weg offenbart, das vom Streitpatent beanspruchte Enantiomer herzustellen. Sowohl das Ausgangsprodukt als auch das Endprodukt liegen als Razemat vor. Um zu dem in Patentanspruch 6 des Streitpatents beschriebenen Verfahren zu gelangen, muss die Diolverbindung oder eine damit verwandte Verbindung als Enantiomer vorliegen, und die Reaktion nach dem SN1-Mechanismus muss ersetzt werden durch eine Reaktion nach dem SN2-Mechanismus, bei der die Hydroxygruppe erst abgetrennt wird, nachdem die Anbindung an das Sauerstoff-Atom bereits erfolgt ist.

Dieser Schritt mag bei rückblickender Betrachtung als konsequent erscheinen. Die Auswirkungen von SN1- und SN2-Reaktionen auf die Konfiguration der beteiligten Moleküle gehören, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, zum Grundwissen des Chemikers. Zu diesem Wissen gehört auch, dass Ether - zu denen auch Furan als zyklischer Ether gehört - nach der Williamsonschen Ethersynthese hergestellt werden können, die in Lehrbüchern als klassisches Beispiel einer SN2-Reaktion (Streitwieser/Heathcock, Organische Chemie, S. 288 f. [NK7]) bzw. als beste Methode zur Herstellung von symmetrischen Ethern (March, Advanced Organic Chemistry, S. 342 [NK36]) bezeichnet wird. Die in Patentanspruch 6 beschriebene Reaktion lässt sich, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, auch mit den (im vorliegenden Verfahren nicht im Original vorgelegten, aber von J. Kitchin, aaO. Tz. 161 ff. und von der Rechtbank 's-Gravenhage, aaO. Tz. 4.34 ff. und 6.37 ff. beschriebenen) so genannten Baldwin-Regeln in Einklang bringen, die Vorhersagen über die relative Leichtigkeit eines Ringschlusses unter verschiedenen näher definierten Ausgangsbedingungen treffen. Hieraus ergab sich aber noch keine begründete Erfolgsaussicht. Der Wert der Baldwin-Regeln lag, wie der gerichtliche Sachverständige deutlich gemacht hat, vor allem darin, dass sie bestimmte Reaktionen als nicht möglich oder nicht zu erwarten ausschlossen. Der Fachmann konnte aber nicht davon ausgehen, dass eine nicht ausgeschlossene Reaktion tatsächlich möglich war. Hinweise auf ähnliche Reaktionen, die eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit hätten begründen können, waren aus der Literatur nicht ersichtlich. Zwar gab es zahlreiche Berichte über die erfolgreiche Synthese eines zyklischen Ethers aus 1,4-Diolen mit Tosyl- oder Mesylchlorid unter basischen Bedingungen, beispielsweise in den Veröffentlichungen von Mihailovic (J. Chem. Soc. 1972, 2460 f. [NK24]), Canonne et al. (J. Org. Chem. 1980, 1828, 1830, 1832 Verb. 6g und 7g, 1834 u. 1835 [NK22]), Kröper (in Houben/Weyl, Methoden der Organischen Chemie, 4. Aufl., Bd. VI-3 S. 528 [NK37]), Aichinger et al. (in Korte, Methodicum Chimicum, 1975, Bd. 5, S. 146 f. [NK38]) und Jonas et al. (Synthetica Merck, 1969, S. 477 [NK39]). Für Phtalane war jedoch keine von aromatischen Diol-Zwischenstufen ausgehende stereoselektive Ringschlusssynthese bekannt. Die nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen am nächsten liegende Veröffentlichung von Canonne et al. (NK22) befasst sich aber mit sterisch anders konformierten Spiroverbindungen; um den Ringschluss zu erzwingen, bedarf es harter Reaktionsbedingungen. Bei der dort genannten Temperatur von 115°C bestand im vorliegenden Zusammenhang ein hohes Risiko, dass andere, unerwünschte Reaktionen stattfinden und den Eintritt des angestrebten Erfolges verhindern. Insbesondere war nach der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen eher mit einer Desmethylierung der Diolvorstufe als mit einem Ringschluss zum Escitalopram zu rechnen. Bei den in der Streitpatentschrift angegebenen milden Bedingungen war nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen mit einer erfolgreichen Reaktion ebenfalls kaum zu rechnen. Zwar waren aus dem Aufsatz von Jacobus (J. Org. Chem. 1973, 402, NK42) Reaktionen unter milderen Bedingungen als bei Canonne bekannt. Diese Veröffentlichung betraf indes keine Phtalane, sondern Furane, also Verbindungen, bei denen der Furanring - anders als bei Phtalanen wie Citalopram - nicht an einen Benzolring angeschlossen ist.

Weder dies noch die zusätzlichen theoretischen Bedenken, die die Beklagte gegen den Erfolg eines Ringschlusses angeführt hat, sprachen zwar zwingend dagegen, dennoch entsprechende Versuche zu unternehmen, zumal der Aufwand dafür gering war. Der gerichtliche Sachverständige hat dies bestätigt, indem er die subjektive Einschätzung geäußert hat, er hätte die in der Streitpatentschrift als Variante I bezeichnete Reaktion wahrscheinlich ausprobiert und wäre dadurch wohl - eher zufällig - zur Lösung des Streitpatents gelangt. All dies spricht jedoch gerade dagegen, dass der Fachmann am Prioritätstag Veranlassung hatte, sich für diesen Weg zu entscheiden. Trotz der aufgezeigten Gründe, die dafür sprachen, war die stereoselektive Synthese über die DiolZwischenstufe am Prioritätstag nur eine unter vielen in Betracht kommenden Möglichkeiten. Versuche auf den beiden in der Streitpatentschrift aufgezeigten Wegen hätten angesichts all dessen nur dann nahegelegen, wenn sie mit einer angemessenen Erfolgserwartung verbunden gewesen wären. Eine solche kann der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen. Dass es dennoch möglich gewesen wäre, einen dieser Wege im Rahmen eines Zufallsfundes zu erschließen, stellt die erfinderische Tätigkeit nicht in Frage. Der - auch von der Bewertung durch J. Kitchin - abweichenden Beurteilung durch die Rechtbank 's-Gravenhage kann der Senat hiernach nicht beitreten.

(4) Es lag am Prioritätstag auch nicht nahe, Escitalopram durch stereoselektive Synthese des Zwischenprodukts Desmethylcitalopram zu gewinnen.

In einem für die Klägerin zu 2 erstellten Versuchsbericht der Matrix Laboratories Ltd. (G12) wird ausgeführt, es sei gelungen, Escitalopram auf dem genannten Weg herzustellen. Das hierbei eingesetzte Zwischenprodukt Desmethylcitalopram ist ein Citalopram-Derivat, bei dem eine Methylgruppe durch ein Wasserstoff-Atom ersetzt ist. Es weist folgende Formel auf:

Grafik: [BGH_2009-09-10_Xa_ZR_130_07-006.jpg]

Als chirale Säure wurde (+)-Di-p-toluoylweinsäure verwendet, als Lösungsmittel Methanol. Die erzielte maximale Ausbeute wird mit 70% angegeben, die optische Reinheit mit 95%. In einem von der Beklagten vorgelegten Bericht der Pharmophix Solid State Services (G13) wird hingegen berichtet, unter den von Matrix angegebenen Versuchsbedingungen habe keine Kristallisation herbeigeführt werden können. In einem von der Klägerin zu 2 vorgelegten Versuchsbericht von Clement/Girreser (G16) wird hierzu ausgeführt, die Kristallisation müsse durch langsame Erniedrigung der Temperatur des Umgebungsbads eingeleitet werden.

Der Senat ist nach der Beweisaufnahme nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Fachmann am Prioritätstag Escitalopram auf diesem Weg in die Hand bekommen konnte. Der Matrix-Bericht lässt nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen handwerkliche Fehler erkennen, die seine Ergebnisse ernstlich in Frage stellen und auch durch die ergänzenden Ausführungen in G16 nicht behoben werden. Diese Bedenken werden verstärkt durch den bereits erwähnten Umstand, dass erfolgreiche Kristallisationsversuche zu einem Zeitpunkt, zu dem das gewünschte Enantiomer bereits auf anderem Weg zur Verfügung gestellt worden ist, ohnehin nur von begrenzter Aussagekraft sind.

Unabhängig davon hatte der Fachmann am Prioritätstag keine Veranlassung, sich gerade mit diesem Weg zu befassen. Desmethylcitalopram liegt nicht auf dem Syntheseweg, sondern muss zunächst aus Citalopram hergestellt und nach der Trennung der Enantiomere in einem zweiten Syntheseschritt wieder methyliert werden. Es stand bei der Suche nach möglichen Ausgangsstoffen daher eher im Hintergrund. Der Fachmann hatte keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass bei einem Scheitern der in erster Linie in Betracht kommenden Ansätze die Gewinnung von Escitalopram gerade auf diesem Weg erfolgreich sein werde. Dass bei der Beklagten dennoch Versuche mit diesem Ausgangsstoff - allerdings nicht mit (+)-Diptoluoylweinsäure - angestellt wurden, weil der Erfinder Bøgesø, wie er in seiner Erklärung schildert, mit diesem Molekül bereits gearbeitet hatte, führt angesichts dessen zu keiner anderen Beurteilung.

(5) Dass eine stereoselektive Synthese auf anderem Weg nahegelegen hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das in der Veröffentlichung NK8 beschriebene Verfahren mit Didesmethylcitalopram als Zwischenprodukt ist, wie sich aus der Veröffentlichung X11 ergibt, Gegenstand einer Patentanmeldung aus dem Jahr 2005 (WO 2005/047274). Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die darin zum Ausdruck kommende Einschätzung, das Verfahren sei schutzfähig, unzutreffend ist, soweit es um die am Prioritätstag des Streitpatents verfügbaren Erkenntnisse geht.

IV. Der von der Klägerin zu 3 hinsichtlich des Streitzertifikats geltend gemachte zusätzliche Nichtigkeitsgrund liegt ebenfalls nicht vor.

4. Gemäß Art. 3 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel, die mit Wirkung vom im Wege der Kodifikation ohne inhaltliche Änderung (vgl. dazu die Begründung zum Verordnungsvorschlag, KOM(2008) 369 endg, Tz. 4) an die Stelle der bisher geltenden Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 getreten ist, wird ein Zertifikat nur dann erteilt, wenn die arzneimittelrechtliche Genehmigung, auf die der Antrag auf Erteilung des Zertifikats gestützt wird, die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel ist. Diese Voraussetzung ist für das Streitzertifikat erfüllt.

Als Erzeugnis ist gemäß Art. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 der Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels anzusehen. Der Begriff des Wirkstoffs ist in der Verordnung nicht näher definiert. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sind Bedeutung und Tragweite dieses Begriffs unter Berücksichtigung des allgemeinen Zusammenhangs, in dem er verwendet wird, und entsprechend dem Sinn, den er nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch hat, zu bestimmen (, Slg. 2006, 4089 = GRUR 2006, 694 Tz. 17 - Massachusetts Institute of Technology [Polifeprosan]). Erforderlich ist stets, dass der Wirkstoff eine eigene arzneiliche Wirkung entfaltet. Ein Stoff, der diese Eigenschaft nicht aufweist, sondern beispielsweise dazu dient, eine bestimmte Darreichungsform des Arzneimittels zu erreichen, ist kein Wirkstoff und damit kein Erzeugnis im Sinne der Verordnung (EuGH, aaO., Tz. 25 f.).

5. Das vom Streitzertifikat geschützte Erzeugnis - Escitalopram oder dessen nicht-toxische Säure-Additionssalze einschließlich Escitalopramoxalat - ist ein anderes Erzeugnis als Citalopram, das Gegenstand von früheren arzneimittelrechtlichen Genehmigungen im Sinne von Art. 3 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 war.

a) Gegenstand der früheren Genehmigungen im Jahr 1996 war ein Arzneimittel mit dem Citalopramrazemat als Wirkstoff. In diesen Genehmigungen wird der Wirkstoff zwar nur als "Citalopram" bezeichnet. Aus dem Zusammenhang ergibt sich jedoch, dass damit lediglich das Razemat gemeint ist, nicht auch das S- oder gar das nach heutigen Erkenntnissen weitgehend wirkungslose R-Enantiomer. Denn das Razemat lag der arzneimittelrechtlichen Prüfung zugrunde, und auf das Razemat bezogen sich die gewonnenen Kenntnisse über die arzneiliche Wirkung.

b) Die Genehmigungen aus dem Jahr 2003, auf deren Grundlage das Streitzertifikat erteilt worden ist, betreffen ein Arzneimittel mit einem Säure-Additionssalz von Escitalopram als Wirkstoff. Dieser Wirkstoff - und damit das Erzeugnis im Sinne von Art. 3 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 - ist nicht identisch mit dem Citalopramrazemat.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel sind allerdings Erzeugnisse, die sich nur durch das Anteilsverhältnis zwischen der wirksamen chemischen Verbindung und einer in ihnen enthaltenen Verunreinigung unterscheiden, als ein und dasselbe Erzeugnis anzusehen (, Slg. 2001, 3643 = GRUR Int. 2001, 754 Tz. 29 - BASF/Bureau voor de Industriële Eigendom [Chloridazon]). Ferner kann ein Erzeugnis, für das bereits ein Zertifikat erteilt worden ist, auch dann nicht Gegenstand eines neuen Zertifikats sein, wenn andere Elemente des Arzneimittels verändert worden sind, beispielsweise durch Verwendung eines anderen Salzes, Hinzufügen anderer Hilfsmittel oder Änderungen in der Aufmachung (EuGH, aaO., GRUR 2006, 694 Tz. 23 - Massachusetts Institute of Technology [Polifeprosan]). Diese Rechtsprechung ist im Hinblick auf Erwägungsgrund 4 der zuletzt genannten Verordnung, wonach die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors der Pflanzenschutzmittel den gleichen Schutz für Neuerungen erfordert, wie er für Arzneimittel besteht, auch im vorliegenden Zusammenhang einschlägig.

Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 3 kann das Citalopramrazemat jedoch nicht als Escitalopram mit einem Reinheitsgrad von 50% angesehen werden. Unabhängig davon, welche Wirkungen das im Razemat zu gleichen Teilen mit enthaltene R-Enantiomer im Einzelnen entfaltet, stellt dieses weder eine Verunreinigung noch einen Hilfs- oder Zusatzstoff dar. Vielmehr handelt es sich ebenso wie beim S-Enantiomer um einen Stoff mit arzneilicher Wirkung, wie sich bereits daraus ergibt, dass sich die Wirkung des Escitaloprams von derjenigen einer halb so großen Dosis Citalopram unterscheidet. Hierbei ist unerheblich, ob diese Wirkung im Hinblick auf das Anwendungsgebiet des Arzneimittels positiv oder negativ ist. Entscheidend ist, dass das R-Enantiomer zu den Stoffen gehört, die - in welcher Weise auch immer - zu den spezifischen arzneilichen Wirkungen des Citalopramrazemats beitragen. Das Razemat ist im Verhältnis zu einem einzelnen Enantiomer deshalb ein anderer Wirkstoff, jedenfalls aber eine andere Wirkstoffzusammensetzung. Damit handelt es sich um zwei unterschiedliche Erzeugnisse im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 469/2009.

c) Ob die Beklagte, wie die Klägerin zu 3 vorträgt, in einem Arzneimittelzulassungsverfahren in Schweden die Auffassung vertreten hat, Escitalopram sei ein mit Citalopram vergleichbarer Wirkstoff, bedarf keiner Aufklärung. Für die Frage, ob ein neues Erzeugnis vorliegt, ist nicht erheblich, ob für das Inverkehrbringen eines Produkts mit diesem Erzeugnis als Wirkstoff eine erneute Genehmigung erforderlich ist (EuGH, aaO., GRUR Int. 2001, 754 Tz. 31). Schon angesichts dessen kommt Äußerungen des Patentinhabers oder sonstiger Beteiligter in einem Verfahren, das auf die Erteilung einer solchen Genehmigung gerichtet ist, für den vorliegenden Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung zu.

6. Ob ein Enantiomer ähnlich wie ein Salz oder ein Ester als Derivat des zugehörigen Razemats zu behandeln ist - mit der Folge, dass die Erteilung eines zweiten Zertifikats nach den Grundsätzen der zuletzt genannten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht ohne weiteres möglich ist - kann dahingestellt bleiben. Die zusätzlichen Voraussetzungen, die sich bei Bejahung dieser Frage für die Erteilung eines Schutzzertifikats ergäben, sind beim Streitzertifikat erfüllt.

Anders als beim Hinzufügen von Hilfsmitteln oder bei einer Änderung der Aufmachung steht die Erteilung eines Zertifikats für ein aus einem Wirkstoff bestehendes Erzeugnis der Erteilung von weiteren Zertifikaten für seine Derivate (Salze und Ester) nicht entgegen, sofern diese Derivate Gegenstand von Patenten sind, in denen sie besonders beansprucht werden. Dies ergibt sich aus Erwägungsgrund 14 der Verordnung (EG) Nr. 1610/96, der gemäß Erwägungsgrund 17 auch für die Auslegung von Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 sinngemäß heranzuziehen ist. Der darin zum Ausdruck kommende Gedanke greift auch im vorliegenden Zusammenhang. Hintergrund der Regelung in Art. 3 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 ist das Bestreben, die Gesamtdauer des durch ein ergänzendes Schutzzertifikat für ein Erzeugnis gewährten Schutzes nicht dadurch zu verlängern, dass für ein Erzeugnis mehrere aufeinander folgende Zertifikate erteilt werden können. Diese Regel erfährt nach Erwägungsgrund 14 der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 eine Ausnahme, wenn das Derivat seinerseits durch ein Stoffpatent geschützt ist. In diesem Fall betrifft die Veränderung nicht lediglich Hilfsmittel, sonstige Zusatzstoffe oder die Aufmachung, sondern den Wirkstoff selbst. Da Escitalopram nach Patentanspruch 1 des Streitpatents geschützt ist, stand Art. 3 Buchst. d Verordnung (EG) Nr. 469/2009 der Erteilung eines Schutzzertifikats folglich nicht entgegen.

Dem steht der , GRUR 2009, 41 - Doxorubicin-Sulfat), anders als die Klägerin zu 3 meint, nicht entgegen. Anders als im Streitfall handelte es sich bei den dort in Rede stehenden Stoffen - Doxorubicin-Hydrochlorid und Doxorubicin-Sulfat - um zwei Derivate desselben Wirkstoffs. Die arzneiliche Wirkung als solche wurde bei beiden Stoffen ausschließlich durch den Bestandteil Doxorubicin erreicht. Deshalb lag im Vergleich zur früheren arzneimittelrechtlichen Genehmigung kein anderer Wirkstoff vor. Im Streitfall ist Escitalopram gegenüber Citalopram aus den genannten Gründen hingegen als anderer Wirkstoff anzusehen.

7. Der von der Beklagten vorsorglich angeregten Herbeiführung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bedarf es nicht. Die maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen waren bereits mehrfach Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof. Die Entscheidung der im Streitfall aufgeworfenen Fragen ist nach Auffassung des Senats damit in einer Weise vorgezeichnet, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257, 1258). Das Berufungsgericht des High Court für England und Wales (LJJ Ward, Jacob und Lloyd) hat dies ebenso gesehen (Urt. v. - [2009] EWCA Civ 46, Tz. 46 ff. - Generics (UK) Ltd. v. Daiichi Pharmaceuticals Co. Ltd.).

V. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Urteil des Patentgerichts wirkungslos geworden. Der Senat hat dies aus Gründen der Klarstellung in den Urteilstenor aufgenommen.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1, § 91a, § 101 Abs. 2, § 100 Abs. 1 und § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

a) Soweit die Klägerinnen mit ihren zuletzt gestellten Anträgen in der Hauptsache unterlegen sind, haben sie gemäß § 91 Abs. 1 und § 100 Abs. 1 ZPO anteilig die Kosten zu tragen.

b) Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten ebenfalls der Klägerseite aufzuerlegen. Die Klage wäre nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand auch insoweit erfolglos geblieben.

Aus den oben im Zusammenhang mit dem Streitzertifikat dargelegten Gründen hätten die Patentansprüche 1 und 6 des Streitpatents Bestand gehabt. Mit Patentanspruch 1 hätten auch die darauf rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 den Angriffen der Klägerinnen standgehalten. Wie bereits oben dargelegt, betreffen diese Ansprüche keine Zusammensetzungen, die Citalopram als Razemat enthalten. Patentanspruch 7 hätte voraussichtlich zusammen mit Patentanspruch 6 Bestand gehabt.

Dass die Beklagte den Patentanspruch 6 in zweiter Instanz nur noch eingeschränkt verteidigt hat, stellt eine im Vergleich zum gesamten Streitgegenstand geringfügige Einschränkung dar und bleibt deshalb entsprechend § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ohne Kostenfolge.

c) Die Streithelferin ist als streitgenössische Nebenintervenientin gemäß § 101 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Kosten wie eine Partei zu behandeln (vgl. , GRUR 2008, 60 Tz. 44 - Sammelhefter II). Nach der Beendigung der Nebenintervention sind ihr entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die bis zu ihrem Ausscheiden entstandenen Kosten anteilig aufzuerlegen (vgl. , GRUR 1995, 394 - Aufreißdeckel). Dass die Beklagte keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, ändert hieran nichts. Falls die Beklagte mit der Streithelferin über die Kosten einen Vergleich geschlossen hat, ist sie zwar gehindert, über die getroffene Regelung hinausgehend Kostenerstattungsansprüche gegenüber der Streithelferin geltend zu machen. Eine solche Vereinbarung kann aber nicht dazu führen, dass sich der von den Klägerinnen zu tragende Kostenanteil erhöht.

Fundstelle(n):
CAAAD-59685