BFH Urteil v. - VI R 24/09 BStBl 2011 II S. 288

Kein Anspruch auf Pauschalen für Übernachtungen im Ausland, wenn der Arbeitgeber die Kosten vollständig erstattet

Leitsatz

Ein Arbeitnehmer kann bei Übernachtungen im Ausland den Differenzbetrag zwischen den vom Arbeitgeber vollständig erstatteten tatsächlichen Kosten und den höheren Übernachtungspauschalen nach den Lohnsteuer-Richtlinien nicht als Werbungskosten geltend machen.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

1Streitig ist, ob ein Arbeitnehmer die Pauschbeträge für Übernachtungen im Ausland nach den für das Streitjahr 2006 maßgeblichen Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) insoweit steuermindernd als Werbungskosten geltend machen kann, als diese die ihm vom Arbeitgeber erstatteten, tatsächlichen Aufwendungen übersteigen.

2Die zusammen veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) beantragten beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) Werbungskosten für dienstliche Auslandsübernachtungen des Klägers in Höhe der Pauschbeträge für Übernachtungen im Ausland zu berücksichtigen, soweit diese die tatsächlichen und vom Arbeitgeber steuerfrei erstatteten Kosten überstiegen haben. Das FA erkannte die Übernachtungspauschalen mangels eigener Kosten des Klägers nicht als Werbungskosten an.

3Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Vorverfahren mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 125 veröffentlichten Gründen ab.

4Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

5Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Aufhebung des Urteils des Sächsischen sowie der Einspruchsentscheidung des FA vom den Einkommensteuerbescheid vom dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten für Auslandsübernachtungen in Höhe von 3.823 € steuermindernd berücksichtigt werden.

6Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7Das FA änderte den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom durch Bescheid vom nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO).

II.

8Die Revision der Kläger ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

91. Sie führt zwar aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung. Denn Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens war noch der Einkommensteuerbescheid 2006 vom . An dessen Stelle trat während des Revisionsverfahrens der nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheid 2006 vom , welcher nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens wurde. Soweit einem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt, kann es keinen Bestand haben. Dennoch bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 127 FGO, da die Sache spruchreif ist. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden unverändert die Grundlage für die Entscheidung des erkennenden Senats (dazu z.B. Senatsurteil vom VI R 22/03, BFH/NV 2006, 2109).

102. Jedoch ist die Revision gleichwohl als unbegründet zurückzuweisen. Denn die Klage ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger den Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen —vom Arbeitgeber in vollem Umfang steuerfrei erstatteten— Kosten für Auslandsübernachtungen und den höheren Pauschbeträgen nach den Lohnsteuer-Richtlinien nicht als Werbungskosten steuermindernd geltend machen kann.

11a) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des EinkommensteuergesetzesEStG—). Dazu können auch Reisekosten für Auslandsdienstreisen gehören (, BFHE 160, 546, BStBl II 1990, 777). Allerdings muss der Arbeitnehmer die Kosten selbst getragen haben, da ein Werbungskostenabzug eine Belastung mit Aufwendungen voraussetzt (, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; Senatsurteil vom VI R 59/07, BFH/NV 2010, 631).

12b) Vorliegend hatte der Kläger in Bezug auf seine Auslandsdienstreisen keine Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 EStG. Er war nicht mit Aufwendungen belastet, weil sein Arbeitgeber sämtliche Kosten der Reisen getragen hat. Der Kläger kann wegen dieser fehlenden Belastung mit Aufwendungen auch nicht die Übernachtungspauschalen nach R 40 Abs. 2 Satz 2 LStR in Anspruch nehmen. Denn R 40 Abs. 1 Satz 1 LStR fordert ebenfalls, dass dem Arbeitnehmer tatsächlich Aufwendungen für Übernachtungen entstanden sind. Zudem können nach R 40 Abs. 2 Satz 1 LStR Übernachtungskosten bei einer Dienstreise oder Fahrtätigkeit nur insoweit als Reisekosten angesetzt und als Werbungskosten abgezogen werden, als der Arbeitgeber sie nicht steuerfrei ersetzt hat. Dies verdeutlicht, dass R 40 Abs. 2 Satz 2 LStR gerade keinen Pauschbetrag gewährt, sondern lediglich den Nachweis der tatsächlichen Kosten bei Auslandsübernachtungen erleichtern soll.

13c) Im Übrigen könnte der Kläger die Auslandspauschalen auch deshalb nicht als Werbungskosten abziehen, weil die Anwendung dieser Pauschalen im Streitfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Erstattet der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer sämtliche Kosten für Übernachtungen, liegt nach der Senatsrechtsprechung stets ein Fall der offensichtlich unzutreffenden Besteuerung vor (Beschluss vom VI B 66/09, BFH/NV 2010, 884).

Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 288
BBK-Kurznachricht Nr. 24/2010 S. 1163
BFH/NV 2011 S. 112 Nr. 1
BFH/PR 2011 S. 42 Nr. 2
BStBl II 2011 S. 288 Nr. 5
DB 2010 S. 2540 Nr. 46
DStR 2010 S. 2347 Nr. 46
DStRE 2010 S. 1468 Nr. 23
DStZ 2010 S. 897 Nr. 24
EStB 2011 S. 9 Nr. 1
FR 2010 S. 1153 Nr. 24
HFR 2011 S. 8 Nr. 1
IStR 2010 S. 884 Nr. 23
KÖSDI 2010 S. 17230 Nr. 12
NJW 2010 S. 560 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 47/2010 S. 3768
StB 2011 S. 2 Nr. 1
StBW 2010 S. 1113 Nr. 24
StC 2011 S. 9 Nr. 3
StuB-Bilanzreport Nr. 24/2010 S. 955
FAAAD-55614