BGH Beschluss v. - 3 StR 353/10

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug:

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln (Cannabis) als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeln mit Betäubungsmitteln (Cannabis) in 22 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Cannabis) in nicht geringer Menge unter Mitsichführen einer Schusswaffe und eines sonstigen Gegenstandes, der nach seiner Art zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist"

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unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des 7291 Js 98327/07) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, wobei die verhängte Sperre für die Fahrerlaubnis aufrechterhalten bleibt,

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unter Einbeziehung der Strafe aus dem 3121 Js 84840/07) nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und

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unter Einbeziehung der Strafen aus dem Strafbefehl des 2031 Js 50904/09) und aus dem 7261 Js 48032/09) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts weder zum Verfahren noch zur Beweiswürdigung einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch war auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Schuldspruch zu ändern.

Im Fall II. 22. der Urteilsgründe ist der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren schuldig. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) tritt als Grunddelikt hinter der Qualifikation des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zurück (Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30a Rn. 196). Soweit die Strafkammer keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob bei der in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Schreckschusspistole der Explosionsdruck nach vorne austritt, was Voraussetzung für das Vorliegen einer Schusswaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wäre (, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Waffe 1; Weber, aaO, Rn. 95 f.), gefährdet dies den Bestand des Schuldspruchs nicht. Denn bei dem in der Wohnung, aus der der Angeklagte das Cannabis verkaufte, ebenfalls aufgefundenen Dolch mit einer Klingenlänge von 12 cm handelt es sich um eine Waffe im technischen Sinn und damit einen Gegenstand, der zur Verletzung von Personen bestimmt und geeignet ist (Weber, aaO, Rn. 108). Der Angeklagte führte den Dolch im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich, weil er diesen bewusst gebrauchsbereit zusammen mit einem Teil des zum Weiterverkauf bestimmten Rauschgifts verwahrte, sodass er ihn jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand benutzen konnte (, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 8). Für die Erfüllung des Tatbestandes des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist es ausreichend, dass der Dolch nur während einzelner Verkäufe aus der Gesamtmenge von 200 Gramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 8,5 % THC) zur Verfügung stand (Weber, aaO, Rn. 144 f.).

In den Fällen II. 13. bis 21. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in neun Fällen strafbar gemacht. Insoweit ist die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmittel nicht zu beanstanden, weil der Angeklagte nach den Feststellungen im Zeitraum von Dezember 2007 bis Mai 2008 Teilmengen des jeweils gekauften Rauschgifts auch an den erwachsenen Zeugen S. verkaufte, sodass allein die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren den Unrechtsgehalt dieser Taten nicht ausschöpfen würde.

In den Fällen II. 1. bis 12. der Urteilsgründe muss die tateinheitliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln entfallen, weil das Landgericht insoweit nicht sicher ausschließen konnte, dass der Angeklagte das Rauschgift nur an die Minderjährigen verkaufte oder selbst verbrauchte. Bei einer solchen Fallkonstellation wird von der Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren auch der im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln liegende Unrechtsgehalt der Tat erfasst (Weber, aaO, § 30 Rn. 116; Franke/Wienroeder, BtMG, 3. Aufl., § 30 Rn. 31; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 30 Rn. 72). Ob dieses Konkurrenzverhältnis auch beim Handeltreiben in nicht geringer Menge gilt, braucht der Senat nicht zu entscheiden (vgl. , BGHR BtMG § 30a Konkurrenzen 1; , nicht tragend).

2. Trotz der Änderung des Schuldspruchs können die verhängten Einzelstrafen bestehen bleiben. Das Landgericht hat jeweils rechtsfehlerfrei minder schwere Fälle gemäß § 30 Abs. 2, § 30a Abs. 3 StGB angenommen und bei der konkreten Strafzumessung die tateinheitliche Begehung der weggefallenen Straftatbestände nicht strafschärfend berücksichtigt. Im Fall II. 22. der Urteilsgründe hat es zu Lasten des Angeklagten weder das Mitsichführen von zwei Waffen noch die konkrete Gefährlichkeit der Schreckschusspistole gewertet. Unter diesen Umständen schließt der Senat aus, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung mildere Einzelstrafen ausgesprochen hätte.

Soweit das Landgericht gemäß § 31 BtMG aF, § 49 Abs. 2 StGB die Untergrenze der Strafrahmen der minder schweren Fälle gemäß § 30 Abs. 2, § 30a Abs. 3 StGB auf das gesetzliche Mindestmaß herabgesetzt und nicht erkennbar geprüft hat, ob § 31 BtMG in der ab geltenden Fassung anzuwenden ist, ist der Angeklagte nicht beschwert. Zwar wäre unter der Voraussetzung, dass er vor Eröffnung des Hauptverfahrens sein Wissen über seinen Marihuanalieferanten offenbart haben sollte (§ 46b Abs. 3 StGB), eine für den Angeklagten günstigere Milderung nach § 49 Abs. 1 StGB mit einer Strafobergrenze von drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe möglich gewesen. Angesichts der moderaten Freiheitsstrafen von acht Monaten (Fälle II.

1. bis 20.), von einem Jahr drei Monaten (Fall II. 21.) und von einem Jahr acht Monaten (Fall II. 22.) sowie des Umstandes, dass sich das Landgericht bei der Strafzumessung nicht an der Obergrenze des Strafrahmens orientiert hat, wären von der Strafkammer geringere Einzelstrafen nicht ausgesprochen worden.

3. Nicht bestehen bleiben können die verhängten drei Gesamtstrafen. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Das Landgericht hat nicht berücksichtigt, dass in die erste zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe aufgrund der Zäsurwirkung des Strafbefehls des nicht nur die Strafe aus diesem Strafbefehl und die Strafen für die vorliegend abgeurteilten Taten 1 bis 19 (Tatzeiten: 01.06. bis , bis ) und 21 (Tatzeit: Anfang 2008), sondern auch die Strafe aus dem dem eine am begangene Tat zugrunde lag, einzubeziehen gewesen wären (BGHSt 32, 190, 192 ff.; BGH NStZ-RR 2007, 369 f.; Fischer StGB 57. Aufl. § 55 Rdn. 12 m.w.N.). Daneben könnte die Bildung einer weiteren nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe aus den Einzelfreiheitsstrafen für die Fälle 20 (Tatzeit: 16.05. bis ) und Fall 22 (Tatzeit: Anfang Juni 2008) sowie den Strafen aus den Vorverurteilungen durch das und vom in Betracht kommen, sofern die Vollstreckung der Strafen aus den betreffenden Vorerkenntnissen zum Zeitpunkt der Entscheidung der Strafkammer nicht bereits erledigt war. Angaben darüber, dass dies nicht der Fall war, weil diese Strafen bereits verbüßt sind oder sonstige Rechtsgründe gegen ihre Einbeziehung vorliegen, enthält das Urteil nicht. Nach §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1b Satz 1 StPO sind die Gesamtstrafen daher mit der Maßgabe aufzuheben, dass über die Frage einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 460, 462 StPO zutreffen ist. In den Tenor der neuen Gesamtstrafenentscheidung wird dann auch die Anordnung, dass zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwei Monate der zweiten (Gesamt-)Freiheitsstrafe als verbüßt anzusehen sind (UA S. 17), aufzunehmen sein.

Infolge der Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafen kommt es nicht mehr darauf an, dass die Strafkammer trotz der Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des die darin verhängte Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis (§§ 69, 69a StGB) nicht aufrechterhalten konnte, weil diese bereits abgelaufen war (UA S. 4; BGHSt 42, 308; Fischer aaO § 55 Rdn. 29 m.w.N.)."

Dem schließt sich der Senat an. Wegen des Ablaufs der Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis war auszusprechen, dass diese Maßregel entfällt.

4. Die Kosten- und Auslageentscheidung war dem Verfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten.

Fundstelle(n):
EAAAD-55503