BFH Beschluss v. - VII B 48/10

Keine Aussetzung der Vollziehung einer Zahlungsaufforderung, die sich auf die Mitteilung der Zahlstelle beschränkt

Gesetze: FGO § 69 Abs. 3, AO § 114, AO § 117 Abs. 4, AO § 254 Abs. 1, Richtlinie 2008/55/EG Art. 8 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der in Deutschland wohnhafte Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) war Geschäftsführer einer spanischen GmbH. Wegen rückständiger Körperschaftsteuer dieser GmbH zur Rechnungsnummer ...1465 nahm die spanische Finanzverwaltung den Antragsteller in Haftung. Gegen den ihm zugestellten Haftungsbescheid legte der Antragsteller Steuerbeschwerde ein. Das Klageverfahren vor dem spanischen Finanzgericht ist noch nicht abgeschlossen. Zwischenzeitlich erließ das spanische Finanzamt über den Steuerbetrag nebst Säumniszuschlägen (126 511,03 €) eine Vollstreckungsanordnung, die dem Rechtsanwalt des Antragstellers zugestellt wurde.

2 Mit e-mail über das CCN/CSI-Netz übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in Madrid an das Bundeszentralamt für Steuern ein Beitreibungsersuchen. Der e-mail waren zwei Dateien angefügt, im pdf-Format die Vollstreckungsanordnung mit der Bezeichnung „Enforcement Instrument for Income Tax (period 2000) Reg. no. A-...1465” und im Word-Format das ausgefüllte Pendelformular „Ersuchen um Beitreibung gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2008/55/EG”, die beizutreibende Forderung war mit 135 063,52 € (126 511,03 € nebst bis zum Datum des Ersuchens aufgelaufenen Zinsen) angegeben. Diese e-mail wurde an den Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt —FA—) weitergeleitet. Daraufhin übersandte das FA am eine Zahlungsaufforderung vom an den Antragsteller mit dem Inhalt, der Antragsteller schulde der „spanischen Steuerbehörde” „Einkommensteuer 2000” 126 511,03 € und „Nebenleistungen” 8 552,49 € und dem Hinweis, dass im Falle der Nichtzahlung Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet würden. Dagegen erhob der Antragsteller u.a. wegen nicht ausreichender Konkretisierung des zu vollstreckenden Bescheids und des Beitreibungsersuchens Einspruch und beantragte Aussetzung der Vollziehung.

3 Gleichzeitig mit der Übersendung der Abschrift einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der das FA bei sich selbst als Drittschuldner alle gegenwärtigen und zukünftigen Steuererstattungsansprüche des Antragstellers aus den Veranlagungsjahren 2001 und 2002 (63 918,54 €) wegen dessen Schuld gegenüber der spanischen Steuerbehörde pfändete und dessen Einziehung anordnete, konkretisierte das FA die Zahlungsaufforderung. Als Rechtsgrundlage bezeichnete es § 117 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 114 AO i.V.m. § 254 AO und teilte die Angaben aus dem Beitreibungsersuchen mit, u.a. den Namen der spanischen Steuerbehörde und die Steuernummer. Zugleich lehnte es eine Aussetzung der Vollziehung ab. Über den Einspruch ist bisher nicht entschieden worden.

4 Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der Zahlungsaufforderung im Wesentlichen statt (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2010, 848). Es entschied, die Vollziehung des Leistungsgebots durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung werde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 63 918,54 € aufgehoben, die weitere Vollziehung werde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 71 144,98 € ausgesetzt. Es wertete die Zahlungsaufforderung als grundsätzlich zulässiges und im Streitfall durch die ergänzenden Angaben des FA auch hinreichend konkretisiertes Leistungsgebot. Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit ergäben sich allein daraus, dass der per e-mail im sog. pdf-Format übersandte vollstreckbare Titel möglicherweise nicht —wie in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie vom (BGBl I 2003, 654) vorgeschrieben— in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie vorliege. Eine per e-mail übersandte Datei entspreche nicht dem deutschen Sprachgebrauch von „in amtlicher Ausfertigung oder beglaubigter Kopie”. Eine der Papierform rechtlich gleichwertige Datei als Vollstreckungstitel könnte sich nur aus Art. 21 Abs. 1 der zum in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1179/2008 der Kommission vom zur Festsetzung der Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 2008/55/EG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit bestimmten Abgaben, Zöllen, Steuern und sonstigen Maßnahmen (DurchführungsVO n.F.) ergeben, der vorschreibe, dass Vollstreckungstitel elektronisch zu übermitteln und elektronisch übermittelte Dokumente oder deren Ausdrucke ebenso rechtsverbindlich seien wie postalisch übermittelte Dokumente. Es bestünden jedoch Zweifel an der Gültigkeit der Regelung. Es erscheine fraglich, ob es sich noch als „Durchführung” der Richtlinie des Rates darstelle, obwohl der Rat auch in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/55/EG vom über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen (BeitreibungsRL n.F.) dabei geblieben sei, dass „eine amtliche Ausfertigung oder eine beglaubigte Kopie” des Vollstreckungstitels dem Beitreibungsersuchen „beizufügen” sei und auch die Europäische Kommission dies in Art. 12 Abs. 2 DurchführungsVO n.F. wiederhole.

5 Gegen die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hat das FA die vom FG zugelassene Beschwerde eingelegt.

6 Es beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und —sinngemäß— die Anträge auf Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

7 Das FA sieht in der Regelung des § 21 Abs. 1 DurchführungsVO n.F. eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine wirksame Beifügung des Vollstreckungstitels per e-mail im Sinne der BeitreibungsRL.

8 Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

9 II. Die Beschwerde des FA ist begründet.

10 Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung durch das Gericht erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt bereits an einem der Aussetzung fähigen Verwaltungsakt.

11 Die Zahlungsaufforderung, deren Aussetzung der Antragsteller ausdrücklich mit seinem Antrag begehrt, enthält keine eigenständige, den Empfänger belastende Regelung. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Mitteilung der Zahlstelle, an die der Antragsteller die ihm —mit dem ihm bekanntgegebenen Haftungsbescheid der spanischen Finanzbehörde— aufgegebene Zahlung zu bewirken hat und enthält die Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei der Ankündigung der Vollstreckung um eine lediglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 46/00, BFH/NV 2001, 149; vom VII S 35/96, BFH/NV 1997, 462; vom VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75).

12 Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich nicht um ein Leistungsgebot i.S. des § 254 Abs. 1 AO. Dieses war vielmehr —wie das FG selbst festgestellt hat— bereits mit dem spanischen Haftungsbescheid verbunden, und obendrein war dem Antragsteller von der spanischen Finanzbehörde bereits eine Vollstreckungsanordnung zugestellt worden. Danach war die Vollstreckung in Deutschland unmittelbar möglich (vgl. , EFG 1986, 608).

13 Ein Fall des Art. 8 Abs. 2 BeitreibungsRL, wonach der Vollstreckungstitel gegebenenfalls nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, als solcher bestätigt und anerkannt oder durch einen Titel ergänzt oder ersetzt werden kann, der die Vollstreckung im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ermöglicht, liegt danach nicht vor. Aber selbst wenn in der Zahlungsaufforderung eine Wiederholung des Leistungsgebots mit neuer Zahlstelle und Zahlungsfrist gesehen werden könnte, würde eine solche wiederholende Verfügung keine erneute Anfechtungsmöglichkeit eröffnen. Denn von der Zahlungsaufforderung geht —wie schon das FG ausgeführt hat— keine weitergehende Belastung aus als von dem mit dem Haftungsbescheid verbundenen Leistungsgebot (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 156/07, BFH/NV 2008, 967).

14 Auf die vom FG für grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Fragen kommt es nach alledem im Streitfall nicht an.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 2235 Nr. 12
UAAAD-54316