BFH Urteil v. - II R 13/09

Wertfortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unzulässig, wenn das maßgebende Ereignis mit dem letzten Feststellungszeitpunkt zusammenfällt; rechtsfehlerbeseitigende Wertfortschreibung

Leitsatz

Zwar stellt auch der Wegfall einer Grundsteuervergünstigung eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar, die - bei Erreichen der Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 BewG - dem Grunde nach zu einer Wertfortschreibung führen kann. Voraussetzung für eine Wertfortschreibung nach § 22 Abs. 1 BewG wegen Wegfalls einer Grundsteuervergünstigung ist aber, dass sich die für die Befreiung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse nach dem letzten Feststellungszeitpunkt geändert haben.
Fällt das für die Wertfortschreibung maßgebende Ergebnis mit dem Stichtag zusammen, ist eine Fortschreibung schon auf diesen Stichtag vorzunehmen.
Bei einer Wertfortschreibung nach § 22 Abs. 3 BewG zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung ist Fortschreibungszeitpunkt bei einer Erhöhung des Einheitswerts frühestens der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird.

Gesetze: BewG § 22, GrStG § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b

Instanzenzug: BG (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein rechtsfähiger Verein. Nach seiner Satzung dient er ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne der Abgabenordnung (AO).

2 Der Kläger erwarb im Jahre 1994 ein in X gelegenes bebautes Grundstück. Das vorhandene Gebäude baute er um und errichtete einen Anbau.

3 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) rechnete durch Bescheid vom das Grundstück dem Kläger zum zu und stellte ihm gegenüber durch weiteren, bestandskräftig gewordenen Bescheid vom den Einheitswert im Wege der Wert- und Artfortschreibung auf den auf 411.800 DM sowie die Grundstücksart „gemischtgenutztes Grundstück” fest. Hierbei berücksichtigte das FA die baulichen Veränderungen sowie die teilweise Nutzung des Gebäudes zu gemeinnützigen Zwecken und die sich daraus ergebende (teilweise) Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b des Grundsteuergesetzes (GrStG).

4 Aufgrund einer Kontrollmitteilung, nach der der Kläger bereits ab 1997 nicht mehr ausschließlich gemeinnützig tätig war und deshalb die Voraussetzungen für die Grundsteuerbefreiung nicht erfüllte, stellte das FA für das Grundstück mit einem an den Kläger gerichteten Bescheid vom im Wege der Wertfortschreibung auf den unter Nichtberücksichtigung der bisher gewährten Steuerbefreiung wegen gemeinnütziger Nutzung des Grundstücks den Einheitswert auf 299.105 € (585.000 DM) fest.

5 Einspruch und Klage, mit denen der Kläger geltend machte, das Grundstück sei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG von der Grundsteuer befreit, blieben erfolglos.

6 Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung von § 169 Abs. 2 Satz 2 und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sowie § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG.

7 Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie den Einheitswertbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

8 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des angefochtenen Wertfortschreibungsbescheids auf den vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

10 1. Der Auffassung des Finanzgerichts (FG), das FA habe den Einheitswert auf den fortschreiben dürfen, vermag der Senat nicht zu folgen. Das FG hat die Voraussetzungen, unter denen ein Einheitswert nach § 22 des Bewertungsgesetzes (BewG) fortgeschrieben werden kann, nicht beachtet.

11 a) Nach § 22 Abs. 1 BewG findet wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Wertfortschreibung statt, wenn der nach § 30 BewG abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts in einem näher beschriebenen Ausmaß nach oben oder unten abweicht. Eine die Fortschreibung rechtfertigende Abweichung vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem letzten Feststellungszeitpunkt und dem Fortschreibungszeitpunkt geändert haben und die Abweichung vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts hierauf beruht. Haben sich die tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem letzten Feststellungszeitpunkt und dem Fortschreibungszeitpunkt nicht geändert, gibt es keine Divergenz der Einheitswerte auf die genannten Zeitpunkte. Eine Wertfortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse kommt deshalb in diesen Fällen nicht in Betracht.

12 Im Streitfall haben sich die tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem letzten Feststellungszeitpunkt () und dem Fortschreibungszeitpunkt () und damit auch der Einheitswert für das Grundstück des Klägers nicht geändert.

13 aa) Anhaltspunkte für eine Änderung des körperlichen Zustands des Grundstücks, z.B. der Bausubstanz, wie auch des räumlichen Umfelds sind im Streitfall nicht erkennbar. Die Um- und Ausbauten sind bereits im Bescheid vom berücksichtigt worden, mit dem der Einheitswert im Wege der Wert- und Artfortschreibung auf den fortgeschrieben wurde.

14 bb) Auch hinsichtlich der Umstände, die die (teilweise) Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG betreffen, haben sich die Verhältnisse im Streitfall nicht geändert.

15 (1) Zwar stellt auch der Wegfall einer Grundsteuervergünstigung eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar, die —bei Erreichen der Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 BewG— dem Grunde nach zu einer Wertfortschreibung führen kann (vgl. , BFHE 148, 174, BStBl II 1987, 201, und vom II R 203/85, BFH/NV 1989, 215). Voraussetzung für eine Wertfortschreibung wegen Wegfalls einer Grundsteuervergünstigung ist aber, dass sich die für die Befreiung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse nach dem letzten Feststellungszeitpunkt geändert haben. Daran fehlt es jedoch im Streitfall.

16 (2) Der Kläger erfüllte nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bereits im Jahr 1997 nicht mehr die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit. Hiernach lagen schon im Zeitpunkt der Entstehung der Grundsteuer (§ 9 Abs. 2 GrStG) mit Beginn des Kalenderjahres 1997 und damit bereits im Zeitpunkt der Wertfortschreibung auf den nicht mehr die Voraussetzungen für eine Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG vor. Fällt —wie hier— das für die Fortschreibung maßgebende Ereignis mit dem Stichtag zusammen, ist eine Fortschreibung schon auf diesen Stichtag vorzunehmen (, BFHE 78, 1, BStBl III 1964, 2; vom II R 109/89, BFHE 169, 236, BStBl II 1993, 653).

17 b) Auch die Voraussetzungen für eine rechtsfehlerbeseitigende Wertfortschreibung liegen nicht vor.

18 Eine Wertfortschreibung kommt nach § 22 Abs. 3 BewG auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung in Betracht. Liegt der Grund zur Fortschreibung nicht in einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, sondern in einem Fehler bei der vorangegangenen Feststellung (§ 22 Abs. 3 Satz 1 BewG), so ist allerdings zu beachten, dass Fortschreibungszeitpunkt bei einer Erhöhung des Einheitswerts frühestens der Beginn des Kalenderjahres ist, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 2. Alternative BewG).

19 Zwar stellt sich der Wertfortschreibungsbescheid auf den vom im Hinblick darauf, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ausschließlich gemeinnützig tätig war und die Voraussetzungen für die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG nicht mehr erfüllt waren, als rechtsfehlerhaft dar. Diesen Rechtsfehler durfte das FA auch grundsätzlich im Wege der Wertfortschreibung beseitigen, nicht aber mit Rückwirkung auf den . Vielmehr musste das FA die Beschränkungen des Fortschreibungszeitpunkts nach § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 2. Alternative BewG beachten, wonach die Fortschreibung erst auf den Beginn des Kalenderjahres zulässig war, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wurde. Die Fortschreibung wegen Fehlerbeseitigung wäre bei Erlass des hier angefochtenen Feststellungsbescheids danach frühestens auf den möglich gewesen. Die am auf den vorgenommene Fortschreibung des Einheitswerts stellt sich danach als rechtswidrig dar.

20 2. Die Sache ist spruchreif.

21 Die Klage ist begründet. Bescheid und Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und waren aufzuheben, weil die Voraussetzungen des § 22 BewG für eine Wertfortschreibung auf den nicht vorlagen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 2025 Nr. 11
CAAAD-52031