OFD Niedersachsen - S 0131 - 33 - St 142

Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen an die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung, die Bundesagentur für Arbeit und die Künstlersozialkasse

1. Allgemeines

Die Finanzämter sind gemäß § 31 Abs. 2 AO von Amts wegen verpflichtet, die nach § 30 AO geschützten Verhältnisse des Betroffenen den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung, der Bundesagentur für Arbeit und der Künstlersozialkasse mitzuteilen, soweit die Kenntnis dieser Verhältnisse für die Feststellung der Versicherungspflicht oder die Festsetzung von Beiträgen einschließlich der Künstlersozialabgabe erforderlich ist oder der Betroffene einen Antrag auf Mitteilung stellt.

Die Mitteilungspflicht besteht jedoch nicht, soweit deren Erfüllung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre. Ob ein unverhältnismäßiger Aufwand vorliegt, ist anhand des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen.

Zu den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung gehören nach § 12 SGB I die in den §§ 18 bis 29 SGB I genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden, die entsprechende Dienst-, Sach- und Geldleistungen gewähren und hierfür Beiträge erheben wie

  • für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und Leistungen bei Schwangerschaftsabbrüchen die Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, die landwirtschaftlichen Krankenkassen, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und die Ersatzkassen (§§ 21 Abs. 2, 21b Abs. 2 SGB I),

  • für Leistungen der sozialen Pflegeversicherung die bei den Krankenkassen errichteten Pflegekassen (§ 21a Abs. 2 SGB I),

  • für Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung die gewerblichen und die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, die Gemeindeunfallversicherungsverbände, die Feuerwehr-Unfallkassen, die Eisenbahn-Unfallkasse, die Unfallkasse Post und Telekom, die Unfallkassen der Länder und Gemeinden, die gemeinsamen Unfallkassen für den Landes- und kommunalen Bereich und die Unfallkasse des Bundes (§ 22 Abs. 2 SGB I),

  • für Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte die Regionalträger der allgemeinen Rentenversicherung, die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See sowie die landwirtschaftlichen Alterskassen (§ 23 Abs. 2 SGB I),

  • für Leistungen der Arbeitsförderung (z. B. Arbeitslosengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld, Wintergeld) und Leistungen bei gleitendem Übergang älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand die Agenturen für Arbeit und die sonstigen Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit (§§ 19 Abs. 2, 19a Abs. 2 SGB I),

Nach dem AEAO zu § 31 zählen auch Sozialämter (ugs. Bezeichnung für eine Behörde, die nach § 28 Abs. 2 SGB I für die Aufgaben der Sozialhilfe verantwortlich ist) zu den Trägern der Sozialversicherung, obwohl diese keine Versicherungsleistungen erbringen. [1]

In der Regel wird in diesen Fällen eine Offenbarungsbefugnis nach § 31a Abs. 1 Nr. 1 bb oder Nr. 2 AO bestehen.

Eine Verpflichtung zur Offenbarung besteht nach dem Gesetzeswortlaut nur, soweit die Angaben für die Feststellung der Versicherungspflicht oder die Festsetzung von Beiträgen einschließlich der Künstlersozialabgabe benötigt werden. Mitteilungen für andere Zwecke, z. B. für die Erhebung oder Vollstreckung der festgesetzten Beiträge, dürfen nicht erfolgen. Auch schließt die Befugnis zur Mitteilung nicht die Befugnis zur Gewährung von Akteneinsicht und Übersendung der Akten ein.

§ 31 Abs. 2 AO erlaubt für Zwecke der Beitragsfestsetzung sehr weitgehende Auskünfte, die nicht auf Besteuerungsgrundlagen im eigentlichen Sinne beschränkt sind. Es können auch andere Sachverhalte mitgeteilt werden. [2]

Außerdem ist in § 31 Abs. 2 AO der Personenkreis, über den Auskünfte erteilt werden können, nicht umschrieben. Auskünfte sind daher zulässig sowohl über den Betroffenen (Stpfl.), als auch über einen Dritten – so. z. B. über im Rahmen einer Lohnsteuerprüfung bekannt gewordene Verhältnisse des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers, auch über bislang vom Finanzamt nicht erfasste und der Sozialversicherung nicht gemeldete Arbeitnehmer. [3]

2. Zulässigkeit von Mitteilungen an die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung bei freiwillig Versicherten [4]

Zu unterscheiden bei den in der gesetzlichen Sozialversicherung freiwillig Versicherten sind:

  1. die hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen und

  2. andere freiwillig Versicherte (z. B. freiwillig versicherte Rentner).

Der Begriff der „hauptberuflich selbständigen Tätigkeit” ist zwar nicht im SGB V definiert. Aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung geht man aber davon aus, dass eine selbständige Erwerbstätigkeit dann hauptberuflich ausgeübt wird, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt. Bei diesem Personenkreis gilt die Beitragsbemessungsgrenze als beitragspflichtige Einnahme, sofern der Versicherte keine geringeren Einnahmen nachweist. Die Finanzbehörden sind in diesen Fällen nicht nach § 31 Abs. 2 AO auskunftspflichtig.

Bei anderen freiwillig Versicherten ist der Sozialleistungsträger berechtigt und verpflichtet, die sozialversicherungsrelevanten Verhältnisse zu ermitteln. Kommt der Versicherte seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, kann der Sozialversicherungsträger die Finanzbehörden um Auskunft ersuchen.

Sonstiger Hinweis:

Private Krankenversicherungen fallen insgesamt nicht unter § 21 Abs. 2 SGB I. [5]

3. Übersendung von Lohnsteueraußenprüfungsberichten an die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung

Gemäß § 28p Abs. 1 SGB IV sind die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung berechtigt und verpflichtet, bei den Arbeitgebern zu prüfen, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die in Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Die Prüfung umfasst die Lohnunterlagen aller Beschäftigten. Im Rahmen dieser Maßnahme wird oftmals um Übersendung von Lohnsteueraußenprüfungsberichten gebeten.

Es bestehen Bedenken, den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Einschränkung Lohnsteueraußenprüfungsberichte zu übersenden. [6] Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob einem Begehren nachgekommen werden kann. Soweit in den Prüfungsberichten andere steuerrechtliche Feststellungen enthalten sind, die für die Feststellung der Versicherungspflicht oder der Festsetzung von Beiträgen nicht erforderlich sind, sind diese unkenntlich zu machen oder zu entfernen. Dies können z. B. sein:

  • Name des Prüfers/der Prüferin

  • Angaben zur Auskunftsperson/Steuerberater

  • Feststellungen zur Umsatzsteuer für Sachzuwendungen,

  • Feststellungen zu Versorgungsbezügen ab dem 65. Lebensjahr,

  • Feststellungen, die dem Arbeitgeber für die Zukunft die Erfüllung seiner lohnsteuerlichen Pflichten auferlegen,

  • strafrechtliche Vorbehalte.

Sollte dieses mit erheblichem Aufwand verbunden sein, sind entsprechende Auszüge zu übersenden.

Eine Übersendung von Betriebsprüfungsberichten ist aufgrund des Steuergeheimnisses ausgeschlossen, da diese eine Vielzahl von Informationen enthalten, die für die Beiträge in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung nicht relevant sind.

Das bisherige AO-Karteiblatt § 31 Karte 1 (Kontrollnummer 1690) ist auszusondern.

OFD Niedersachsen v. - S 0131 - 33 - St 142

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Fundstelle(n):
PAAAD-49294

1Dieses ist allerdings in AO-Kommentierungen streitig, siehe z. B. Schwarz in Schwarz, § 31 AO, Rz. 16 ebenso Kruse in Tipke/Kruse, § 31 AO, Rz. 7

2Kruse in Tipke/Kruse, § 31 AO, Rz. 6

3Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 31 AO, Rz. 25

4AEAO zu § 31 Nr. 3 (siehe )

5AEAO zu § 31 Nr. 2 letzter Satz (siehe )

6Kruse a. a. O. Rz. 7; Schwarz in Schwarz, § 31 AO, Rz. 15 sowie Alber in H/H/Sp, § 31 AO, Rz. 23; andere Auffassung Erlass aufgenommen in AO-Kartei Bayern § 31 AO Karte 2