Altersbezogene Benachteiligung - Entschädigungsanspruch für immaterielle Schäden
Gesetze: § 1 AGG, § 2 Abs 1 AGG, § 3 Abs 1 AGG, § 5 AGG, § 6 Abs 1 AGG, § 6 Abs 2 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 8 AGG, § 10 AGG, § 15 Abs 1 AGG, § 15 Abs 2 AGG, § 72a Abs 6 ArbGG, § 74 Abs 1 ArbGG, § 554 Abs 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 7 Ca 350/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 14 Sa 1769/07 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 2493/11
Tatbestand
1Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund des Alters.
2Die Beklagte bietet Objektschutz, Messe- und Veranstaltungsdienste an und hat dafür auf dem Gelände der Messe H ein sog. Messebüro eingerichtet. Von dort aus organisierte sie Dienstleistungsaufträge, die ihr von der D AG H, der vormaligen Beklagten zu 2), erteilt wurden. Während der Hmesse vom 16. bis sollte die Beklagte die Besucherregistrierung durchführen, mit der die exakte Besucherzahl ermittelt und die persönlichen Besucherdaten erfasst wurden. Die Besucherregistrierung erfolgte dabei nach einem genau festgelegten System, das deutschlandweit alle Messeveranstalter anerkannt haben und praktizieren.
3Dafür suchte die Beklagte mit einer Zeitungsanzeige vom „Mitarbeiter mit mindestens einer Fremdsprache zur Aushilfe“. Die am geborene Klägerin hat ein Hochschulstudium als Diplomübersetzerin für Französisch und Spanisch absolviert und verfügt über gute Englischkenntnisse. Seit 1986 ist sie bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Fremdsprachendienst beschäftigt, war jedoch im April 2007 bereits über einen längeren Zeitraum ohne Bezüge beurlaubt. Auf die Zeitungsannonce bewarb sich die Klägerin noch am telefonisch. Ihr Gesprächspartner bei der Beklagten war Herr L, der an diesem Tag wegen eines kurzfristigen Personalmangels bei den Einstellungsgesprächen aushalf. Wegen der Fremdsprachenkenntnisse der Klägerin merkte Herr L sie zunächst für eine Tätigkeit in der „Vollregistrierung“ vor, die mit 9,05 Euro pro Stunde vergütet wird. Bei der persönlichen Vorstellung im Messebüro der Beklagten noch am selben Tag erklärte Herr L, nachdem er die Eingabe der Personaldaten der Klägerin in die EDV unterbrochen hatte, für die vorgesehene Tätigkeit in der Vollregistrierung sei die Klägerin zu alt. Dies habe eine Rücksprache mit der Beschäftigten Frau M der Beklagten ergeben und basiere auf einer entsprechenden Vorgabe der D AG H. Die Klägerin komme jedoch für eine andere Tätigkeit mit geringerer Vergütung in Betracht. Die Klägerin wies sofort auf eine aus ihrer Sicht vorliegende Altersdiskriminierung hin und bat sich wegen der anderen Tätigkeit Bedenkzeit aus.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom , der Beklagten am zugegangen, machte die Klägerin einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung geltend. Daraufhin schlossen die Beteiligten am einen für die Zeit vom 16. bis befristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung der Klägerin in der Besucherregistrierung. Die Klägerin arbeitete vom 18. bis in der Vollregistrierung. Die Beklagte vergütete fünf Arbeitstage auf der Basis von 9,05 Euro/Stunde. Sie entschuldigte sich bei der Klägerin.
5Unter dem ließ die Klägerin durch ihre Anwälte erneut einen Entschädigungsanspruch geltend machen und erhob schließlich mit Eingang bei Gericht am die vorliegende Klage.
6Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte und die D AG H als vormalige Beklagte zu 2) hätten sie als Gesamtschuldnerinnen wegen Altersdiskriminierung zu entschädigen. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setze keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Die Höhe der Entschädigung müsse abschreckend sein, um präventiv zu wirken und den Arbeitgeber von künftigen Benachteiligungen abzuhalten. 3/5 einer hochgerechneten Jahresvergütung seien angemessen. Dem Entschädigungsanspruch könne nicht ihr - ruhendes - Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes entgegengehalten werden, da hinsichtlich einer Nebentätigkeit für sie nur eine Anzeige-, keine Genehmigungspflicht bestanden habe.
Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,
8Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrages auf Klageabweisung darauf verwiesen, der Beschäftigte L habe am irrtümlich angenommen, seitens der D AG H bestehe eine Altersvorgabe für die in der Vollregistrierung zu beschäftigenden Aushilfen. Für die Hmesse 2007 habe sie im Bereich der Besucherregistrierung 19 Personen eingestellt, die älter als 40 gewesen seien. Herr L, der Schulungen zum AGG erhalten habe, habe nicht in Diskriminierungsabsicht gehandelt. Der Entschädigungsanspruch setze eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Sie habe nicht nur den materiellen Schaden der Klägerin ersetzt, sondern etwaige immaterielle Schäden durch Naturalrestitution ausgeglichen; durch die tatsächliche Beschäftigung habe die Klägerin Genugtuung erfahren. Ein etwa dennoch festzustellender verbleibender Schaden übersteige die Geringfügigkeitsgrenze nicht. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin in Anbetracht ihres Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst nicht die Stelle bei der Beklagten hätte antreten dürfen.
Das Arbeitsgericht hat die (ursprünglich auch gegen die D AG gerichtete) Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro zu zahlen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat gegen die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung zu einer höheren Entschädigung weiter, während die Beklagte mit der Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Gründe
10Sowohl die Revision der Klägerin als auch die Anschlussrevision der Beklagten sind unbegründet. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro nebst Zinsen hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ein höherer Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG steht der Klägerin nicht zu.
11A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Wegen Altersdiskriminierung bei der Einstellung stehe der Klägerin ein Entschädigungsanspruch iHv. 1.000,00 Euro aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu. Dieser setze weder eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin noch ein Verschulden der Beklagten voraus. Die zunächst wegen ihres Alters verweigerte Einstellung der Klägerin in der Vollregistrierung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Das Verhalten des Herrn L sei der Beklagten zuzurechnen. Die später doch erfolgte Einstellung der Klägerin lasse die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG nicht entfallen. Diese sei nicht nach den §§ 8 ff. AGG gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sei eine Entschädigung von 1.000,00 Euro angemessen. Zu Lasten der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass die Benachteiligung vorsätzlich erfolgt und keine Rechtfertigung erkennbar sei. Für die Beklagte spreche die kurze Dauer der Diskriminierung, der Ersatz des materiellen Schadens und die ausdrückliche Entschuldigung. Die Entschädigung müsse abschreckende Wirkung haben, jedoch sei auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung zu berücksichtigen, was sich aus § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ableiten lasse.
12B. Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten sind zulässig.
13I. Die Revision der Klägerin ist zulässig.
141. Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin mit Schriftsatz vom eingelegte und mit weiterem Schriftsatz vom begründete Revision zulässig war. Das Landesarbeitsgericht hatte in seinem Urteil vom die Revision nur für die Beklagte(zu 1)) zugelassen. Dies hielt die Klägerin aus prozessrechtlichen Erwägungen für rechtsfehlerhaft, weswegen sie zunächst unter dem Nichtzulassungsbeschwerde einlegte (- 8 AZN 1117/08 -), diese sodann unter dem begründete und zugleich mit gesondertem Schriftsatz Revision einlegte. Die nur hinsichtlich der Beklagten (zu 1)) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war erfolgreich (Beschluss des Senats vom - 8 AZN 1117/08 -). Nach § 72a Abs. 6 Satz 2 ArbGG galt daher die Revision der Klägerin als schon mit der form- und fristgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, also als mit Schriftsatz vom eingelegt. Das mit Schriftsatz vom eingelegte Rechtsmittel stellte eine weitere, zweite Revisionseinlegung dar.
152. Ein Urteil kann von einer Partei nur mit einem Rechtsmittel angegriffen werden, so dass auch bei zwei Einlegungsakten nur von einem Rechtsmittel auszugehen ist(GK-ArbGG/Mikosch Stand März 2010 § 74 Rn. 22). Über dieses Rechtsmittel ist einheitlich zu entscheiden, selbst wenn eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung oder Revision eingelegt hat (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs, vgl. - EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 43; - 2 AZB 32/71 - BAGE 24, 432 = AP ZPO § 519b Nr. 8; - zu A II 1 der Gründe, MDR 2005, 824; - VI ZR 86/56 - BGHZ 45, 380, 383). Ihre Revision vom hat die Klägerin frist- und formgemäß begründet. Der Beschluss des Senats über die Zulassung der Revision auch für sie wurde der Klägerin am zugestellt, ihr Schriftsatz zur Revisionsbegründung vom wahrt die gesetzliche Begründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3, § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
16II.Auch die Anschlussrevision der Beklagten ist zulässig. Die Revisionsbegründung der Klägerin vom wurde ihr am zugestellt. Die Anschließung der Beklagten ging am Montag, den und damit innerhalb eines Monats beim Bundesarbeitsgericht ein (§ 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Auf die bereits früher erfolgte Begründung der zusätzlich eingelegten Revision der Klägerin kommt es nicht an. Da sich die Revision der Klägerin als Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens darstellt, § 72a Abs. 6 Satz 1 ArbGG, kommt es auf die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3 ArbGG erfolgte Revisionsbegründung und ihre Zustellung an den Gegner für den Beginn der Anschließungsfrist nach § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO an.
17C. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
18I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt(§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
19Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Dem Gericht wird damit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Ist die Höhe des Betrages nach billigem Ermessen des Gerichts zu bestimmen, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Die Klägerin muss allerdings Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben ( - Rn. 22, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; - 9 AZR 791/07 - BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; - 9 AZR 807/05 - Rn. 12, BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Festsetzung der Höhe einer Entschädigung ermöglicht, und Angaben zur Größenordnung dieser Entschädigung gemacht.
20II. Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine höhere Entschädigung als die vom Landesarbeitsgericht festgesetzten 1.000,00 Euro beansprucht.
211. Mit dem Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung(Umsetzungsgesetz) vom (BGBl. I S. 1897) ist am das AGG in Kraft getreten. Für Benachteiligungen wegen des Alters, die zeitlich nach Inkrafttreten dieses Gesetzes liegen, gelten die §§ 1 bis 18 AGG ohne Einschränkung (§ 33 AGG, Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 33 Rn. 3). Sowohl die Bewerbung der Klägerin am als auch die zunächst erfolgte Ablehnung für eine Stelle in der Vollregistrierung am selben Tag lagen zeitlich nach Inkrafttreten des AGG.
222. Die Parteien unterfallen dem persönlichen Anwendungsbereich des AGG.
23a) Die Klägerin galt schon im Zeitpunkt ihrer Benachteiligung als Beschäftigte, § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit Satz 2 AGG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie für die Tätigkeit in der Vollregistrierung objektiv geeignet war. Die objektive Eignung einer Bewerberin ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 in Verb. mit § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG( -; offengelassen - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1). Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG bietet keinen Anhaltspunkt für das Erfordernis eines solchen Tatbestandsmerkmals. Für eine Auslegung über den Wortlaut hinaus besteht auch angesichts des § 3 Abs. 1 AGG kein Bedürfnis. Ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Voraussetzung der Aktivlegitimation ist (so zu BGleiG - zu II 2 e der Gründe, BGleiG E.II.2.1 BGB § 611a Nr. 2), kann hier offenbleiben. Anhaltspunkte dafür, dass die Bewerbung der Klägerin nicht ernsthaft war, bestehen schon angesichts der später erfolgten Einstellung und Beschäftigung nicht.
24b) Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSd. AGG, weil sie mittels einer Zeitungsanzeige um Bewerbungen, also um Beschäftigte iSd. § 6 Abs. 1 AGG geworben hat, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.
253. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG hat die Klägerin wegen ihres Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld, weil die Beklagte sie entgegen § 7 Abs. 1 in Verb. mit § 1 AGG wegen ihres Alters benachteiligt hat( - Rn. 28, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).
26a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Alters unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt.
27aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person bei einer Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss( - BAGE 123, 358 = AP AGG § 33 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5).
28bb) Die auf die Bewerbung der Klägerin hin am erfolgte Entscheidung der Beklagten, die Klägerin wegen ihres Alters nicht in der Vollregistrierung einzustellen, betraf den Zugang der Klägerin zu unselbständiger Erwerbstätigkeit, stellte also eine Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG dar.
29cc) Dabei hat die Klägerin wegen ihres Alters, also wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.
30(1) Die Klägerin wurde ungünstiger behandelt als tatsächliche oder potentielle Bewerberinnen, denn ihre Bewerbung für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung wurde - zunächst - am abgelehnt. Dies stellt eine ungünstige Behandlung dar, unabhängig davon, ob die Klägerin bei „passendem“ Alter eingestellt worden wäre( - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; - BVerfGE 89, 276).
31(2) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin erfolgte in einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, denn die Klägerin erfüllte die Voraussetzung, objektiv für die Beschäftigung in der Vollregistrierung geeignet zu sein. Vergleichbar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Zu Recht wird für das Vorliegen einer Benachteiligung verlangt, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde(so ausdrücklich - BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Däubler/Bertzbach-Däubler AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 9; Adomeit/Mohr AGG § 22 Rn. 27; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 6 AGG Rn. 3; aA: vgl. Schiek/Kocher AGG § 22 Rn. 25, § 3 Rn. 7; - LAGE AGG § 22 Nr. 1). Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG ( -). Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil des jeweiligen Arbeitgebers, sondern die Anforderungen, welche an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung gestellt werden (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 15; vgl. Däubler/Bertzbach-Däubler aaO). Dass die Klägerin für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung objektiv geeignet war, steht zwischen den Parteien nicht im Streit und angesichts ihrer später doch erfolgten Beschäftigung außer Frage.
32(3) Die Benachteiligung der Klägerin erfolgte nach der von dem Beschäftigten L am gegebenen Begründung wegen ihres Alters. Es reicht für die Kausalität des verbotenen Merkmals iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AGG aus, wenn in einem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, das Merkmal als Kriterium enthalten gewesen ist( -; - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; - BVerfGE 89, 276). Die Klägerin wurde am wegen ihres Alters nicht für die Vollregistrierung eingestellt, selbst dann nicht, als sie umgehend darauf hinwies, sie werde wegen ihres Alters diskriminiert. Eine Einstellung erfolgte vielmehr erst, nachdem sie mit ihrem Schreiben vom einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht hatte. Damit war für die Ablehnungsentscheidung vom gerade das Lebensalter der Klägerin entscheidend.
33dd) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin am wird weder durch die später vorgenommene Einstellung noch durch die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin ab aufgehoben. Die unmittelbare Benachteiligung ist auch nicht nach § 8 oder § 10 AGG gerechtfertigt oder nach § 5 AGG zulässig gewesen.
34ee) Das Verhalten des Beschäftigten L am ist der Beklagten auch zuzurechnen.
35Bedient sich der Arbeitgeber bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses eigener Mitarbeiter oder Dritter(zB der Bundesagentur für Arbeit), so trifft ihn die volle Verantwortlichkeit für deren Verhalten (zu § 611a BGB aF - zu II 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Stoffels RdA 2009, 204, 207 f.).
36ff) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt keinen schuldhaften Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot voraus( - Rn. 61 ff., AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzessystematik ergibt sich zwingend, dass ein Entschädigungsanspruch nur bei Vorliegen der in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG genannten Voraussetzungen gegeben ist. Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht dafür, dass mit § 15 Abs. 2 AGG eine verschuldensunabhängige Haftung begründet werden sollte. Dies entspricht auch einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung ( - Rn. 67, aaO). Daher kann im Rahmen von § 15 Abs. 2 AGG dahinstehen, ob das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, das strittige Vorbringen der Beklagten zur Schulung des Beschäftigten L sei nicht hinreichend substanziiert. Darauf kann es nur bei einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch ankommen.
37b) Die Beklagte ist wegen des ihr zurechenbaren Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet, der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen. Eine schwerwiegende Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder eine erhebliche Benachteiligung sind nicht erforderlich. Dem steht bereits der Wortlaut des § 15 AGG entgegen, nach dem nur ein „Schaden, der nicht Vermögensschaden ist“, vorliegen muss. § 15 Abs. 2 AGG enthält eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch. Die Grundsätze, die für den Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, sind nicht anzuwenden( - Rn. 70 ff. mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Vielmehr ist vom Vorliegen eines immateriellen Schadens auszugehen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot feststeht. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung des § 15 Abs. 2 AGG die Forderungen der Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes erfüllen. In der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass die Entschädigung ausschließlich für immaterielle Schäden gewährt wird, die regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen vorliegen, wobei § 15 Abs. 2 AGG gegenüber § 253 BGB die speziellere Norm ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Es kann dabei auch dahinstehen, ob in bestimmten Ausnahmefällen ein immaterieller Schaden deswegen zu verneinen ist, weil die Benachteiligung so geringe Auswirkungen hatte, dass die Zahlung einer Entschädigung nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur Benachteiligung stünde. Denn vorliegend wurde die Klägerin bewusst und unmittelbar wegen ihres Alters ungünstiger behandelt, obwohl sie unverzüglich Diskriminierung geltend machte und sie wurde erst tatsächlich eingestellt, nachdem sie Entschädigung verlangt hatte. Zu einer tatsächlichen Beschäftigung kam es nur an drei der ursprünglich vorgesehenen fünf Tage. Diese Auswirkungen lassen eine Entschädigung nicht als unangemessen erscheinen.
384. Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Rechtsfehler der Höhe nach auf eine Entschädigung von 1.000,00 Euro erkannt.
39a) Bei der Entscheidung der Frage, welche Entschädigung angemessen iSv. § 15 Abs. 2 AGG ist, besteht für die Gerichte ein Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen haben(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). § 15 Abs. 2 AGG entspricht der Regelung zum Schmerzensgeld in § 253 BGB. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, dann ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (Senat - 8 AZR 906/07 - Rn. 80, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; zu einem Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Die Festsetzung der angemessenen Entschädigung obliegt demnach nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das Berufungsurteil muss das Bemühen um eine angemessene Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erkennen lassen und darf nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen haben ( - BGHZ 138, 388).
40b) Die Festsetzung der Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro durch das Landesarbeitsgericht hält einer solchen eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
41aa) Bei der Festsetzung einer angemessenen Entschädigung durch das Tatgericht sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Schwere und Art der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Der Arbeitgeber soll von künftigen Diskriminierungen abgehalten werden, wobei die Entschädigung in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss( - Rn. 82 mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; BT-Drucks. 16/1780 S. 38; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 39 f.; Bauer/Göpfert/Krieger § 15 Rn. 36).
42bb) Das Landesarbeitsgericht hat die wesentlichen Umstände bei der Festsetzung der Entschädigung berücksichtigt. Ein Verstoß gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze liegt nicht vor.
43Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf die zunächst erfolgte Ablehnung einer Einstellung für die Vollregistrierung abgestellt. Nicht zu beanstanden ist, dass es die verhältnismäßig kurze Dauer der Beeinträchtigung der Klägerin berücksichtigt hat, dass die Beklagte auf das Geltendmachungsschreiben der Klägerin mit dem Beschäftigungsangebot in der Vollregistrierung um Wiedergutmachung bemüht war, dass sie ihr die Vergütung für fünf volle Tage ausbezahlt hat und dass die Klägerin durch die Entschuldigung der Beklagten Genugtuung erhalten hat. Dass es andererseits eine unmittelbare Benachteiligung als regelmäßig schwerwiegender als eine mittelbare Benachteiligung angesehen hat, ist rechtsfehlerfrei, ebenso, dass es die vorsätzliche Benachteiligung in die Abwägung einbezogen hat. Der Grad eines etwa vorliegenden Verschuldens kann bei der Höhe der Entschädigung berücksichtigt werden(grundsätzlich dazu - Rn. 35, AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter berücksichtigt, dass die Klägerin trotz ihres Hinweises auf Altersdiskriminierung am für die Vollregistrierung nicht eingestellt wurde. Zu Recht hat es unberücksichtigt gelassen, dass der Beschäftigte L möglicherweise hinsichtlich einer Altersvorgabe der D AG einem Irrtum unterlag. Die Beklagte durfte mit oder ohne Vorgabe von dritter Seite die Klägerin nicht wegen ihres Alters diskriminieren. Es kann dahinstehen, ob bei dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG den Benachteiligten wie beim materiellen Schadensersatz eine Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) trifft. Denn auch bei Annahme der angebotenen Beschäftigung auf einem niedriger vergüteten Arbeitsplatz hätte sich der immaterielle Schaden der Klägerin infolge der Ablehnung wegen ihres Alters nicht gemindert. Der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vom Berufungsgericht gezogene Schluss, eine systematische Diskriminierung wegen des Alters bei der Beklagten sei nicht bewiesen, verstößt weder gegen Rechtssätze noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Entgegen der von der Klägerin mit der Revision vertretenen Auffassung hat das Berufungsgericht zu Recht auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung der Klägerin in Rechnung gestellt. Dies hat mit der vorliegend nicht einschlägigen Obergrenze von drei Monatsgehältern des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG nichts zu tun. Als materieller Schaden können zudem Kosten der Rechtsverfolgung nicht in die Entschädigung wegen des erlittenen immateriellen Schadens einfließen, ganz abgesehen davon, dass die Klägerin insoweit in der Revisionsinstanz neuen Sachvortrag hält. Die erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Klägerin in der Klageschrift zum Jahresumsatz der Beklagten unerwähnt gelassen, da daraus nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Benachteiligenden geschlossen werden kann.
445. Der Entschädigungsanspruch ist innerhalb der gesetzlichen Fristen schriftlich und gerichtlich geltend gemacht worden. Nach der Ablehnung vom hat die Klägerin innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG am 14. April und jeweils einen bezifferten Entschädigungsanspruch schriftlich geltend gemacht. Mit der Klageeinreichung am hat sie danach auch die dreimonatige Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.
45D. Die Anschlussrevision der Beklagten ist zum einen aus den dargelegten Gründen nicht begründet. Zum anderen ist es für den Entschädigungsanspruch der Klägerin und seine Höhe unerheblich, ob die Klägerin die Aushilfstätigkeit mit ihrem ruhenden Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst vereinbaren konnte. Einen etwaigen Pflichtverstoß insoweit müsste die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber klären, er berechtigte die Beklagte aber nicht zu einer entschädigungslosen Benachteiligung.
E. Die Verteilung der Kostenlast folgt aus § 72 Abs. 5 ArbGG, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2010 S. 2108 Nr. 35
NJW 2010 S. 2970 Nr. 40
UAAAD-48439