BAG Urteil v. - 10 AZR 152/09

(Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit nach § 8 Abs 5 TVöD - Unschädlichkeit von Unterbrechungen in den in § 21 S 1 TVöD genannten Fällen - Fälligkeit)

Gesetze: § 8 Abs 5 S 1 TVöD, § 21 S 1 TVöD, § 6 Abs 3 S 1 TVöD, § 7 Abs 1 S 1 TVöD, § 48 Abs 2 TVöD BT-K, § 37 Abs 1 TVöD, § 24 Abs 1 S 2 TVöD

Instanzenzug: ArbG Gießen Az: 4 Ca 303/07 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 3/11 Sa 535/08 Urteil

Tatbestand

1 Die Parteien streiten über einen Anspruch auf die tarifliche Zulage für ständige Wechselschichtarbeit für die Monate August und September 2006.

2 Die Klägerin ist seit 1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Krankenschwester mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im streitgegenständlichen Zeitraum von 28 Stunden beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) einschließlich des Besonderen Teils für Krankenhäuser (TVöD-BT-K) Anwendung.

3 Außerhalb arbeitsfreier Zeiten wie Urlaub oder Krankheit leistet die Klägerin monatlich mindestens zwei Nachtdienste. Am leistete die Klägerin einen Nachtdienst. In der Zeit vom 7. bis befand sie sich im Erholungsurlaub und vom 6. bis war sie wegen der Erkrankung ihres zwölfjährigen Kindes von der Arbeitsleistung befreit. Erst am leistete sie wieder einen Nachtdienst. Nach den vorgelegten Schichtplänen hat die Klägerin mit Ausnahme des Monats August 2006, in dem sie lediglich Früh- und Spätschichten ableistete, von Juli bis September 2006 alle drei Schichtarten durchlaufen und jeweils zwei Nachtdienste erbracht.

4 In den Monaten August und September 2006 zahlte die Rechtsvorgängerin der Beklagten an die Klägerin eine ihrer Teilzeitarbeit entsprechende anteilige Zulage wegen ständiger Schichtarbeit gem. § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD, nicht aber eine Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit gem. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD. Die Auszahlung erfolgte mit den Abrechnungen für September bzw. Oktober 2006. Mit Schreiben vom machte die Klägerin die Differenz zwischen beiden Zulagen erfolglos geltend.

Die maßgeblichen tariflichen Regelungen des TVöD lauten:

§ 48 TVöD-BT-K (Wechselschichtarbeit) bestimmt:

7 Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe die Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD anteilig für ihre Teilzeitarbeit zu. Unberücksichtigt müsse bleiben, dass sie wegen Erholungsurlaubs bzw. Erkrankung ihres Kindes nicht längstens nach Ablauf eines Monats tatsächlich zur Nachtschicht herangezogen worden sei.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

9 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, dass es für den Erhalt der Zulage entscheidend darauf ankomme, dass innerhalb eines Monats tatsächlich Nachtschichten geleistet würden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Gründe

11A. Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat für die Monate August und September 2006 einen Anspruch auf Zahlung der Zulage gem. § 8 Abs. 5 Satz 1, § 7 Abs. 1 TVöD iVm. § 48 TVöD-BT-K, §§ 21, 24 Abs. 2 und 3 TVöD, da sie in beiden Monaten ständig Wechselschichtarbeit im tariflichen Sinn geleistet hat.

12I. Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 105,00 Euro monatlich (§ 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD). Dem tatsächlichen Leisten von Wechselschichten steht es gleich, wenn der Beschäftigte die tariflich geforderten Schichten geleistet hätte, wäre er nicht wegen Krankheit (§ 22 Abs. 1 TVöD), Erholungsurlaub (§ 26 TVöD), Zusatzurlaub (§ 27 TVöD), Arbeitsbefreiung (§ 29 TVöD) oder wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD unter Fortzahlung der Bezüge (§ 21 TVöD) von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt gewesen. Dies ergibt eine Auslegung der tariflichen Vorschriften.

131. Wechselschichtarbeit ist im Geltungsbereich des TVöD-BT-K die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird (§ 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD iVm. § 48 Abs. 2 TVöD-BT-K). Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird (§ 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD).

14a) Wechselschichtarbeit im tariflichen Sinn liegt daher nur dann vor, wenn in dem Arbeitsbereich, in dem der Beschäftigte tätig ist, an allen Kalendertagen ununterbrochen 24 Stunden gearbeitet wird. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn beispielsweise an Sonn- und Feiertagen in aller Regel keine Schichtarbeit anfällt oder die tägliche Arbeit, sei es auch nur in geringfügiger Form, unterbrochen wird. Unerheblich ist hingegen, in wie viele Schichten der 24-Stunden-Tag aufgeteilt wird oder ob in allen Schichten der Arbeitsanfall gleich groß ist und deshalb in jeder Schicht die gleiche Anzahl von Arbeitnehmern arbeitet (Senat - 10 AZR 990/08 - Rn. 12 ff., NZA-RR 2010, 193; - 10 AZR 669/97 - Rn. 19 ff., EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 5).

15b) Die Arbeit muss nach einem Dienst- oder Schichtplan erfolgen, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten im genannten Sinn vorsieht (vgl. dazu Senat - 10 AZR 589/08 - Rn. 22 ff., EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 7). Der Beschäftigte muss zur Arbeit in allen Schichtarten eingesetzt werden (Senat - 10 AZR 140/08 - Rn. 13 ff., AP TVöD § 7 Nr. 1 = EzTöD 100 TVöD-AT § 8 Schicht-/Wechselschichtzulage Nr. 17).

16c) Darüber hinaus erfordert § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD iVm. § 48 Abs. 2 TVöD-BT-K für den Bereich der Krankenhäuser, dass der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird. Insofern sind die Anforderungen gegenüber dem Allgemeinen Teil des TVöD erhöht.

172. Die Beschäftigten leisten ständig Wechselschichtarbeit, wenn ihnen diese Tätigkeit dauerhaft vom Arbeitgeber zugewiesen ist und die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht wird. Unterbrechungen in den in § 21 Satz 1 TVöD genannten Fällen sind unschädlich.

18a) Der Begriff „ständig“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit sehr häufig, regelmäßig oder (fast) ununterbrochen, wiederkehrend, andauernd, dauernd, immer, ununterbrochen und unaufhörlich verwandt. Der Senat ist hinsichtlich der Verwendung dieses Begriffs im BundesAngestelltentarifvertrag (BAT) davon ausgegangen, dass die Tarifvertragsparteien das Tatbestandsmerkmal „ständig“ ebenfalls iSv. „dauernd“ bzw. „fast ausschließlich“ verstanden haben (vgl. zum Begriff des ständigen Schichtarbeiters iSv. § 24 Abs. 2 Buchst. c BMT-G II: Senat - 10 AZR 302/04 - Rn. 28, AP BMT-G II § 24 Nr. 3). Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien des TVöD den Begriff in diesem Sinn verwendet haben.

19Ständig Wechselschichtarbeit leisten daher diejenigen Beschäftigten, denen kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung oder kraft Direktionsrechts dauerhaft diese Art von Tätigkeit zugewiesen ist (Welkoborsky in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD Stand Dezember 2009 § 8 Rn. 16; Bredemeier/Neffke-Cerff TVöD/TV-L 3. Aufl. § 8 Rn. 19). Nicht ständige Wechselschichtarbeit iSv. § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD leisten demgegenüber diejenigen Beschäftigten, denen Wechselschichtarbeit lediglich vertretungsweise (zB als „Springer“) oder gelegentlich zugewiesen wird (so die Beispiele bei Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2010 § 8 Rn. 52; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Januar 2010 § 8 Rn. 68).

20b) Voraussetzung des Anspruchs auf die Zulage für ständige Wechselschichtarbeit ist gem. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD grundsätzlich die tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung in allen geforderten Schichten (vgl. zum Anspruch auf Zusatzurlaub gem. § 27 TVöD:  - Rn. 21).

21Die Tarifnorm gewährt die monatliche Wechselschichtzulage dem Beschäftigten, der Wechselschichtarbeit ständig „leistet“. Hinsichtlich des Begriffs der Leistung haben sich die Tarifvertragsparteien - in Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung - an der Wortwahl des § 33a BAT bezogen auf die Nachtarbeitsstunden orientiert. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass sie diesen Begriff in demselben Sinn, also als tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung, verstanden wissen wollten (vgl.  - Rn. 21, ZTR 2010, 142). Im Gegensatz zur früheren Regelung haben sie dabei nicht nach den Schichtarten differenziert, so dass nunmehr die tatsächliche Erbringung jeder der verschiedenen Schichtarten Anspruchsvoraussetzung für die Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit ist (vgl. das obiter dictum des Senats - 10 AZR 140/08 - Rn. 21, AP TVöD § 7 Nr. 1 = EzTöD 100 TVöD-AT § 8 Schicht-/Wechselschichtzulage Nr. 17).

22c) Der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung steht es gleich, wenn die Leistung einer bestimmten Schichtart oder der beiden gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD iVm. § 48 Abs. 2 TVöD-BT-K geforderten Nachtschichten nur deshalb nicht erfolgt, weil der Beschäftigte unter Fortzahlung der Bezüge gem. § 21 Satz 1 TVöD in den dort genannten Fällen von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt ist (Goodson in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr § 7 Rn. 4; Bredemeier/Neffke-Cerff § 7 Rn. 5; Burger in Burger TVöD/TV-L § 7 Rn. 12; aA Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck § 7 Rn. 9, § 8 Rn. 51; Dörring in Dörring/Kutzki TVöD-Kommentar § 8 Rn. 22 [ausschließlich hinsichtlich der Nachtschichten]). In diesen Fällen genügt es, wenn der Beschäftigte ohne die Freistellung von der Arbeitsleistung die erforderlichen Schichten geleistet hätte (ebenso zum Anspruch auf Zusatzurlaub gem. § 27 TVöD:  - Rn. 22 ff.; anders noch das obiter dictum des Senats - 10 AZR 140/08 - Rn. 21, AP TVöD § 7 Nr. 1 = EzTöD 100 TVöD-AT § 8 Schicht-/Wechselschichtzulage Nr. 17).

23aa) Das System der Wechselschichtzulagen ist durch die tarifliche Neuregelung in Teilen verändert, erweitert und gleichzeitig vereinfacht worden (so Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck § 8 Rn. 47). Während im Geltungsbereich des BAT bzw. BMT-G II eine Wechselschichtzulage nur für diejenigen Angestellten oder Arbeiter in Betracht kam, die ständig Wechselschichtarbeit im tariflichen Sinn leisteten, hat § 8 Abs. 5 TVöD den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert. Diejenigen Beschäftigten, die ständig den Belastungen durch Wechselschichtarbeit unterliegen, erhalten eine monatliche Zulage und damit einen kontinuierlichen Ausgleich für diese Belastungen (vgl. dazu Senat - 10 AZR 634/07 - Rn. 19, AP TVöD § 24 Nr. 1 = EzA TzBfG § 4 Nr. 15; - 10 AZR 70/09 - Rn. 20, EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 9, zur Schichtzulage). Diejenigen Beschäftigten, die nur gelegentlich oder vertretungsweise zur Wechselschichtarbeit herangezogen werden, erhalten eine Zulage pro Stunde.

24bb) Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Zulage für ständige Wechselschichtarbeit von dem in § 21 Satz 1 TVöD normierten Entgeltausfallprinzip und von den Grundsätzen des § 4 Abs. 1 EFZG und des § 1 BUrlG abweichen wollten.

25(1) § 21 TVöD bestimmt einheitlich die Bemessungsgrundlage für alle tariflich geregelten Fälle der Entgeltfortzahlung (zB Erholungsurlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitsbefreiung). Es handelt sich dabei um eine Kombination zwischen dem Entgeltausfall- und dem Referenzzeitraumprinzip (allg. Meinung, zB Sponer/Steinherr TVöD Stand Februar 2010 § 21 Rn. 6). Das Tabellenentgelt sowie die sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile werden weitergezahlt (Entgeltausfallprinzip, § 21 Satz 1 TVöD). Die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile berechnen sich hingegen aus dem Durchschnitt eines bestimmten Berechnungszeitraums (Referenzzeitraumprinzip, § 21 Satz 2 TVöD). Bestimmte Vergütungsbestandteile werden ausdrücklich aus der Berechnung herausgenommen (§ 21 Satz 3 TVöD).

26Die tarifliche Regelung trifft damit eine einfache und klare Unterscheidung zwischen den in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteilen und den nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteilen. Die in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile werden weitergezahlt. Dies bedeutet, dass der Beschäftigte das Tabellenentgelt und die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen erhält, die er ohne den die Entgeltfortzahlung auslösenden Tatbestand (zB Urlaub, Arbeitsbefreiung) erhalten hätte (Schelter in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr § 21 Rn. 2; Bredemeier/Neffke-Neffke § 21 Rn. 4).

27(2) Bei der Zulage für ständige Wechselschichtarbeit gem. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD handelt es sich um eine in Monatsbeträgen festgelegte Leistung (allg. Meinung, zB Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese § 21 Rn. 7; Sponer/Steinherr § 21 Rn. 11 iVm. Vorbem. Abschnitt III Rn. 9 f.; Hock ZTR 2005, 614, 615). Dies ergibt sich schon aus dem eindeutigen Tarifwortlaut („105 Euro monatlich“).

28(3) Die tarifliche Regelung folgt bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 22 Abs. 1 iVm. § 21 TVöD) damit hinsichtlich des Tabellenentgelts und der sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile dem Entgeltausfallprinzip des § 4 Abs. 1 EFZG. Nach dieser gesetzlichen Regelung steht dem Arbeitnehmer die volle Vergütung einschließlich etwaiger Zuschläge zu (vgl. zu Sonn- und Feiertagszuschlägen:  - Rn. 11, EzA EntgeltfortzG § 4 Nr. 14). Klare Anhaltspunkte, die erkennen ließen, dass die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Zulage für ständige Wechselschichtarbeit von diesem Prinzip abweichen wollten, sind nicht erkennbar. Solche Anhaltspunkte wären aber erforderlich (vgl. dazu  - Rn. 12 ff., DB 2010, 562; - 5 AZR 68/04 - zu II 4 der Gründe, AP EntgeltFG § 4 Nr. 68 = EzA EntgeltfortzG § 4 Nr. 52; - 5 AZR 648/00 - zu III 2 a der Gründe, AP EntgeltFG § 4 Nr. 58 = EzA EntgeltfortzG § 4 Nr. 6; anders zu § 33a BAT: Senat - 10 AZR 203/94 - zu III 1 der Gründe, AP BAT § 33a Nr. 9). Allein der Begriff des „Leistens“ genügt dafür nicht. Die Bestimmungen der Entgeltfortzahlung bei Urlaub und im Krankheitsfall stellen gerade eine Ausnahme von dem Regelfall des § 611 BGB dar, dass Vergütung nur für „geleistete“ Arbeit gewährt wird. Ebenso steht dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht entgegen, dass der Anspruch auf die Zulage die Heranziehung des Beschäftigten zu einer bestimmten Anzahl von Nachtschichten voraussetzt (§ 48 Abs. 2 TVöD-BT-K). Auch hier wird nicht deutlich, dass die Tarifnorm unter Ausschluss der Entgeltfortzahlung stets eine tatsächliche Heranziehung verlangt.

29(4) Im Fall des Erholungsurlaubs (§ 26 iVm. § 21 Satz 1 TVöD) wird durch die Weiterzahlung der Zulage für ständige Wechselschichtarbeit sichergestellt, dass der Beschäftigte gem. § 1 BUrlG ein Urlaubsentgelt erhält, wie er es bei Weiterarbeit ohne Freistellung hätte erwarten können (vgl. dazu  - Rn. 13 ff.; - 9 AZR 601/00 - zu A II 1 der Gründe, BAGE 100, 189). Auch insoweit folgt die Tarifregelung den gesetzlichen Vorgaben und es fehlen deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien von diesem Prinzip für die Zulage für ständige Wechselschichtarbeit abweichen wollten.

30(5) Eine Abweichung von den Grundregeln des Entgeltfortzahlungsrechts bei Urlaub und Krankheit würde im Übrigen zu Wertungswidersprüchen in Bezug auf die Entgeltfortzahlung für Beschäftigte, die nicht ständig Wechselschichtarbeit leisten, führen. Diese erhalten im Fall der Entgeltfortzahlung gem. § 21 Satz 2 TVöD den Durchschnitt der tatsächlich erhaltenen stundenbezogenen Wechselschichtzulage gem. § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD weiter. Wer ständig Wechselschichtarbeit leistet, würde hingegen seine Zulage für den Monat verlieren, in dem er wegen des die Entgeltfortzahlung auslösenden Tatbestands bestimmte Schichtarten nicht tatsächlich leistet.

31(6) Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck der Zulage: Tarifliche Schicht- und Wechselschichtzulagen sollen dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich dafür gewähren, dass die Schicht- und die Wechselschichtarbeit erheblich auf seinen Lebensrhythmus einwirken und ihr Beginn und ihr Ende außerhalb der allgemein üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liegen (Senat - 10 AZR 634/07 - Rn. 19, AP TVöD § 24 Nr. 1 = EzA TzBfG § 4 Nr. 15; - 10 AZR 70/09 - Rn. 20, EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 9, zur Schichtzulage). Diese Erschwernisse kommen bei Arbeitnehmern, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, auch dann auf Dauer in Betracht, wenn sie allein aufgrund der Gewährung von Erholungsurlaub oder anderer Entgeltfortzahlungstatbestände iSv. § 21 Satz 1 TVöD ihre tatsächliche Arbeitsleistung vorübergehend nicht erbringen.

32II. Der Klägerin steht danach für die Monate August und September 2006 die Differenz zwischen der gezahlten Zulage für ständige Schichtarbeit gem. § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD in Höhe von insgesamt 55,27 Euro (26,18 Euro und 29,09 Euro) und der Zulage für ständige Wechselschichtarbeit gem. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD in Höhe von insgesamt 145,08 Euro (68,72 Euro und 76,36 Euro) brutto zu. Ihr Anspruch beläuft sich daher auf 89,81 Euro brutto. Die tarifliche Ausschlussfrist ist gewahrt.

331. Die Klägerin erbringt ihre Arbeitsleistung in einem System ständiger Wechselschichtarbeit. Sie hätte auch im August 2006 innerhalb des von § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD iVm. § 48 Abs. 2 TVöD-BT-K geforderten Zeitraums zwei Nachtschichten geleistet, wenn sie nicht Erholungsurlaub gehabt hätte. Auf die Freistellung wegen Erkrankung des Kindes vom 6. bis kommt es nicht an.

34Im Hinblick auf die Teilzeitarbeit der Klägerin ist der Anspruch gem. § 24 Abs. 2 TVöD anteilig zu kürzen. Für den Monat September 2006 hat darüber hinaus eine Kürzung wegen der dreitägigen unbezahlten Freistellung gem. § 24 Abs. 3 TVöD zu erfolgen. Die gezahlte Zulage wegen ständiger Schichtarbeit ist nach der tariflichen Systematik anzurechnen. Die Klägerin hat sich die diesbezügliche Berechnung der Beklagten zu eigen gemacht und die Klageforderung dementsprechend reduziert.

352. Die Klägerin hat ihren Anspruch mit Schreiben vom innerhalb der Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit iSd. § 37 Abs. 1 TVöD geltend gemacht.

36a) Die Zulage für ständige Wechselschichtarbeit ist gem. § 24 Abs. 1 TVöD am Zahltag des Monats fällig, für den der Anspruch besteht.

37aa) § 24 Abs. 1 Satz 1 TVöD sieht als Bemessungszeitraum für das Tabellenentgelt und die sonstigen Entgeltbestandteile den Kalendermonat vor, „soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt ist“. Zahltag war in der bis zum geltenden Fassung der letzte Tag des Monats für den laufenden Kalendermonat (§ 24 Abs. 1 Satz 2). Nach der ab geltenden Fassung verschiebt sich dieser auf einen vorhergehenden Werktag, wenn der Zahltag auf ein Wochenende, einen Feiertag oder den 31. Dezember fällt (§ 24 Abs. 1 Satz 3 nF). Entgeltbestandteile, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind, sowie der Tagesdurchschnitt nach § 21 sind am Zahltag des zweiten Kalendermonats, der auf ihre Entstehung folgt, fällig (§ 24 Abs. 1 Satz 3 aF bzw. § 24 Abs. 1 Satz 4 nF).

38Bei der Zulage für ständige Wechselschichtarbeit handelt es sich - wie dargelegt - um einen in Monatsbeträgen festgelegten sonstigen Entgeltbestandteil. Gem. § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist diese Zulage daher am Zahltag des Monats fällig, für den und in dem der Anspruch entsteht (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese § 24 Rn. 2, 3; Sponer/Steinherr § 24 Rn. 10, 14; undifferenziert Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck § 24 Rn. 2: „Entgelte für Wechselschichtdienst“ seien unständige Entgeltbestandteile). Eine von den allgemeinen Grundsätzen des § 24 Abs. 1 TVöD abweichende Regelung haben die Tarifvertragsparteien für die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD nicht getroffen. Ein Fall des § 24 Abs. 1 Satz 3 aF bzw. § 24 Abs. 1 Satz 4 nF TVöD liegt nicht vor, da die Zulage für ständige Wechselschichtarbeit in Monatsbeträgen festgelegt ist. Unter diese Vorschrift fällt etwa die stundenbezogene Zulage für nicht ständige Wechselschichtarbeit gem. § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD.

39Hinsichtlich der Vorläufervorschrift im BAT hat der Senat allerdings angenommen, dass die Wechselschichtzulagen nach § 33a BAT für einen bestimmten Monat entsprechend § 36 Abs. 1 Unterabs. 2 BAT erst am 15. des übernächsten Kalendermonats zu zahlen sind, da die erforderliche Berechnung erst am Monatsende vorgenommen werden könne ( - 10 AZR 174/96 - zu 3 der Gründe, AP BAT § 36 Nr. 8). Hieran wird für § 24 Abs. 1 TVöD im Hinblick auf den klaren und eindeutigen Tarifwortlaut nicht festgehalten. Dem steht nicht entgegen, dass es Situationen geben kann, in denen erst mit dem Zahltag feststeht, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Zahlung der Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit für einen bestimmten Monat vorliegen. Stellt sich heraus, dass die tatsächlichen Voraussetzungen in dem Kalendermonat, in dem und für den die Zulage gezahlt wurde, entgegen der sich aus der ständigen Zuweisung von Wechselschichtarbeit ergebenden Prognose nicht vorlagen, kann die Zulage zurückgefordert werden. Insoweit liegt es nicht anders als bei anderen Vergütungsbestandteilen.

40bb) Die Zulagen für die Monate August und September 2006 waren damit nach den tariflichen Regelungen am 31. August bzw. am (§ 193 BGB) fällig.

41b) Die Ausschlussfrist gem. § 37 Abs. 1 TVöD begann nicht bereits mit der tariflichen Fälligkeit des Anspruchs, sondern war bis zur Erteilung der Abrechnungen über die Zulagen im jeweiligen Folgemonat gehemmt (vgl. dazu  - zu II 2 e der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 94 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 69). Beide Parteien gingen aufgrund der durchgängigen Praxis der Beklagten von einer Fälligkeit zu diesem späteren Zeitpunkt aus. Hierauf durfte sich die Klägerin verlassen. Sie konnte auch erst dann erkennen, welche Art von Zulage die Beklagte für den jeweiligen Vormonat gewähren wollte. Dementsprechend ist auch die Beklagte von einer Einhaltung der tariflichen Ausschlussfrist ausgegangen. Da die Abrechnung erst Ende September bzw. Ende Oktober 2006 erfolgt ist, wahrt die Geltendmachung am die Sechs-Monats-Frist gem. § 37 Abs. 1 TVöD.

423. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 BGB und § 24 Abs. 1 TVöD.

B. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gem. § 91 ZPO zu tragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DB 2010 S. 1407 Nr. 25
MAAAD-44292