BAG Urteil v. - 9 AZR 129/19

Zusatzurlaub gemäß § 27 TVöD-VKA - Bezug eines Zuschusses zum Krankengeld

Gesetze: § 27 Abs 1 TVöD, § 22 TVöD, ProtErkl zu § 27 Abs 1 TVöD, § 8 Abs 5 TVöD, § 21 Abs 1 TVöD, § 26 Abs 2 TVöD, § 1 BUrlG, § 3 Abs 1 BUrlG, § 7 Abs 3 S 1 BUrlG, § 7 Abs 3 S 2 BUrlG, § 7 Abs 3 S 4 BUrlG, Art 7 EGRL 88/2003

Instanzenzug: Az: 11 Ca 10421/17 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 18 Sa 568/18 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger verlangt von dem Beklagten, ihm aus dem Jahr 2016 zwei weitere Arbeitstage Zusatzurlaub zu gewähren.

2Der Beklagte, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, beschäftigt den Kläger seit dem als Notfallsanitäter im Rettungsdienst. Er setzt ihn im Rahmen einer Viertagewoche in ständiger Wechselschicht ein. Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit findet auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-VKA) in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom Anwendung. Der TVöD-VKA sieht ua. folgende Regelungen vor:

3In einer Protokollerklärung zu § 27 Abs. 1 und Abs. 2 TVöD-VKA heißt es wie folgt:

4In der Zeit vom 12. Mai bis zum war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum zahlte der Beklagte das Entgelt fort. Im Anschluss daran bezog der Kläger Krankengeld, zu dem der Beklagte nach § 22 Abs. 2 TVöD-VKA einen Zuschuss leistete.

5Der Beklagte berechnete den Zusatzurlaub nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA für das Jahr 2016 unter Ausschluss des Zeitraums, in dem der Kläger Krankengeld erhielt. Ausgehend von einem Anspruch auf Zusatzurlaub von vier Tagen (jeweils einem Tag für die Zeiträume vom 1. Januar bis zum , vom 1. März bis zum , vom 13. August bis zum und vom 13. Oktober bis zum ) errechnete der Beklagte bei der regelmäßigen Arbeitszeit von vier Tagen in der Woche einen Anspruch von drei Arbeitstagen Zusatzurlaub.

6Mit Schreiben vom , das dem Beklagten am Folgetag zuging, forderte der Kläger den Beklagten erfolglos auf, ihm für das Jahr 2016 zwei weitere Tage Zusatzurlaub zu gewähren.

7Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit wirke sich nicht auf den Anspruch auf Zusatzurlaub aus. Dies gelte nicht nur für die Zeit, in der er Entgeltfortzahlung erhalten habe, sondern auch für die Zeit, in der der Beklagte einen Zuschuss zum Krankengeld gezahlt habe. Von diesem Standpunkt aus betrachtet stünden ihm für das Jahr 2016 bei einer regelmäßigen Arbeitszeit an vier Tagen in der Woche insgesamt fünf Arbeitstage zu, von denen er nur drei erhalten habe.

8Der Kläger hat beantragt,

9Der Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, die tarifliche Vorschrift des § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA knüpfe den Anspruch auf Zusatzurlaub an den Anspruch auf Wechselschichtzulage. Diese habe dem Kläger in Zeiten, in denen er Krankengeld bezogen habe, nicht zugestanden.

10Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Gründe

11Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des die Berufung zurückweisenden Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur teilweisen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist das auf die Feststellung von zwei zusätzlichen Arbeitstagen Zusatzurlaub gerichtete Klagebegehren teilweise begründet. Der Kläger hat für das Jahr 2016 Anspruch auf einen weiteren Arbeitstag Zusatzurlaub. Die weitergehende Klage unterliegt der Abweisung.

12A. Die Revision ist zulässig. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob dem Kläger für das Jahr 2016 über den von dem Beklagten zuerkannten Anspruch auf Zusatzurlaub von drei Arbeitstagen weitere zwei Arbeitstage Zusatzurlaub zustehen. Das Klagebegehren, das auf die Gewährung von Zusatzurlaub aus einem in der Vergangenheit liegenden Urlaubsjahr „als Ersatzurlaub“ gerichtet ist, umfasst - über den Wortlaut des Klageantrags hinaus - nicht nur den Ersatzurlaub als Schadensersatz für verfallenen Urlaub, sondern auch den ursprünglichen tarifvertraglichen (Primär-)Anspruch auf Urlaub aus § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA (vgl. zum Erholungsurlaub  - Rn. 10).

13B. Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen.

14I. Zutreffend - wenn auch ohne Begründung - ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die von dem Kläger erhobene Klage zulässig ist. Ein Leistungsantrag, der auf die Verurteilung des Arbeitgebers abzielt, dem Arbeitnehmer eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen ab einem in der Zukunft liegenden, nicht näher genannten Zeitraum zu gewähren, genügt den Bestimmtheitsanforderungen für die nach § 888 ZPO vorzunehmende Zwangsvollstreckung (vgl.  - Rn. 11).

15II. In der Sache hat die Revision des Klägers teilweise Erfolg.

161. Das Landesarbeitsgericht hat unzutreffend angenommen, der Kläger könne in der Zeit vom 1. Mai bis keinen Zusatzurlaub nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA beanspruchen, und die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen.

17a) Nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA erhalten Beschäftigte, die ständig in Wechselschicht nach § 7 Abs. 1 TVöD-VKA arbeiten und denen hierfür eine Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-VKA zusteht, für je zwei zusammenhängende Monate einen Arbeitstag Zusatzurlaub. Nach ihrem eindeutigen Tarifwortlaut enthält die Tarifnorm zwei Tatbestandsvoraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen: Erstens die ständige Leistung von Wechselschichtarbeit und zweitens den Anspruch auf die Wechselschichtzulage gemäß § 8 Abs. 5 TVöD-VKA ( - Rn. 69 mwN).

18b) Ungeachtet seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erfüllte der Kläger in den Monaten Mai und Juni 2016 und damit für zwei zusammenhängende Monate diese Voraussetzungen.

19aa) Dies gilt für die ständige Leistung von Wechselschichtarbeit.

20(1) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD-VKA sind Wechselschichten wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Das setzt voraus, dass in dem Arbeitsbereich, in dem der Beschäftigte tätig ist, an allen Kalendertagen ununterbrochen 24 Stunden gearbeitet wird. Unerheblich ist hingegen, in wie viele Schichten der 24-Stunden-Tag aufgeteilt wird oder ob in allen Schichten der Arbeitsanfall gleich groß ist und deshalb in jeder Schicht die gleiche Anzahl von Arbeitnehmern arbeitet ( - Rn. 14, BAGE 163, 47; - 6 AZR 43/16 - Rn. 31). Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD-VKA muss nach einem Schicht- oder Dienstplan erfolgen, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten im genannten Sinn vorsieht. Der Beschäftigte muss zur Arbeit in allen Schichtarten eingesetzt werden ( - Rn. 14, aaO; - 10 AZR 351/11 - Rn. 14 mwN, BAGE 142, 55).

21(2) § 27 Abs. 1 TVöD-VKA setzt voraus, dass der Arbeitnehmer ständig Wechselschichtarbeit leistet. Durch die Verwendung der Begriffe „leistet“ bzw. „abgeleistete […] Wechselschichtarbeit“ (vgl. Satz 1 der Protokollerklärung zu den Absätzen 1 und 2 des § 27 TVöD-VKA) bringen die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, dass es grundsätzlich auf den tatsächlichen Arbeitseinsatz ankommt (vgl.  - Rn. 21). Durch Satz 2 der Protokollerklärung zu § 27 Abs. 1 und Abs. 2 TVöD-VKA haben die Tarifvertragsparteien aber bestimmt, dass Unterbrechungen durch Arbeitsbefreiung, Freizeitausgleich, bezahlten Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit in den Grenzen des § 22 TVöD-VKA, dh. für bis zu 39 Wochen, unschädlich sind. Entfällt also die Verpflichtung zur Arbeitsleistung aus den in der Protokollnotiz genannten Gründen, sind diese Zeiten einer tatsächlichen Arbeitsleistung gleichzustellen. Dies gilt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Bestimmung allerdings nur „[f]ür die Feststellung, ob ständige Wechselschichtarbeit […] vorliegt“, also in Bezug auf das erste Tatbestandsmerkmal. Hinsichtlich des Anspruchs auf die Wechselschichtzulage als weiteres Tatbestandsmerkmal für den Anspruch auf den Zusatzurlaub stellt § 27 Abs. 1 TVöD-VKA dagegen auf die Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 TVöD-VKA ab (siehe im Einzelnen Rn. 39 ff.).

22(3) Bis zum Eintritt seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ab dem leistete der Kläger nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien ständig Wechselschichtarbeit. Für den verbleibenden Teil des Zweimonatszeitraums wird seine krankheitsbedingte Fehlzeit nach Maßgabe des zweiten Satzes der Protokollerklärung zu § 27 Abs. 1 und Abs. 2 TVöD-VKA insoweit einer tatsächlichen Arbeitsleistung gleichgestellt.

23bb) Zudem konnte der Kläger für die Monate Mai und Juni 2016 eine Wechselschichtzulage beanspruchen.

24(1) Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, haben nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-VKA Anspruch auf eine Wechselschichtzulage in Höhe von 105,00 Euro brutto monatlich. Es handelt sich um einen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteil, der dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich dafür gewähren soll, dass die Wechselschichtarbeit erheblich auf seinen Lebensrhythmus einwirkt und deren Beginn und Ende außerhalb der allgemein üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liegen. Die Beschäftigten leisten ständig Wechselschichtarbeit, wenn ihnen diese Tätigkeit dauerhaft vom Arbeitgeber zugewiesen ist und die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht wird (vgl.  - Rn. 13 mwN, BAGE 163, 47).

25(2) Der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung steht es gleich, wenn die ständige Leistung von Wechselschichtarbeit nur deshalb nicht erfolgt, weil der Beschäftigte unter Fortzahlung der Bezüge gemäß § 21 Satz 1 TVöD-VKA in den dort genannten Fällen von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt ist. In diesen Fällen genügt es, wenn der Beschäftigte ohne die Freistellung von der Arbeitsleistung die erforderlichen Schichten geleistet hätte ( - Rn. 22). Dies folgt aus § 21 Satz 1 TVöD-VKA. Die Zulage für ständige Wechselschichtarbeit gehört zu den „sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteilen“, die gemäß dem in § 21 Satz 1, § 22 Abs. 1 TVöD-VKA normierten Entgeltausfallprinzip - wie das Tabellenentgelt - vom Arbeitgeber in voller Höhe weiterzuzahlen sind. Im Ergebnis erhält der Arbeitnehmer damit bis zu einer Dauer von sechs Wochen die - ungekürzte - Zulage, die er ohne den die Entgeltfortzahlung auslösenden Tatbestand - hier die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - erhalten hätte (vgl.  - Rn. 24 ff. mit ausf. Begr.).

26(3) Danach erfüllte der Kläger in der Zeit vom 1. Mai bis zum und damit in zwei weiteren zusammenhängenden Monaten (§ 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA) die tariflichen Voraussetzungen, an die § 8 Abs. 5 TVöD-VKA den Anspruch auf eine Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit knüpft. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die für den Senat gemäß § 559 Abs. 1 ZPO bindend sind, setzte der Beklagte den Kläger im Jahr 2016 in ständiger Wechselschicht ein, soweit dieser nicht in der Zeit vom 12. Mai bis zum krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Wäre der Kläger nicht infolge seiner Arbeitsunfähigkeit von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt gewesen, hätte er in dem Zeitraum, in dem er nach § 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 TVöD-VKA Entgeltfortzahlung erhielt, ebenfalls in Wechselschicht gearbeitet.

272. Soweit das Landesarbeitsgericht die Klage hinsichtlich der Monate Mai und Juni 2016 abgewiesen hat, erweist sich das Urteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 Abs. 2 ZPO).

28a) Der Anspruch des Klägers auf einen weiteren Arbeitstag Zusatzurlaub nach § 27 Abs. 5 iVm. § 26 Abs. 1 Satz 3 TVöD-VKA berücksichtigt, dass der Kläger seine Arbeitsleistung nicht an fünf, sondern nur an vier Arbeitstagen in der Woche zu erbringen hatte.

29aa) Ist die wöchentliche Arbeitszeit nicht - wovon § 26 Abs. 1 Satz 3 TVöD-VKA im Regelfall ausgeht - auf fünf Tage in der Kalenderwoche verteilt, erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Gemäß § 27 Abs. 5 TVöD-VKA gilt diese Regelung für den Zusatzurlaub entsprechend (vgl. zu § 27 Abs. 5 TV-L:  - Rn. 8 ff. mit ausf. Begr.). Entgegen der Ansicht des Klägers steht die Entscheidung des Senats vom (- 9 AZR 923/08 - Rn. 35) der Anwendung der Kürzungsvorschriften nicht entgegen. Der Senat ist in der damaligen Entscheidung davon ausgegangen, für die Berechnung des Zusatzurlaubs komme es nicht darauf an, auf wie viele Kalendertage die regelmäßige Arbeitszeit im Durchschnitt pro Woche verteilt sei. Diese Entscheidung erging aber zum einen nicht zu der Tarifvorschrift des § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA, sondern zu § 46 Nr. 7 TVöD-BT-V und betraf zum anderen einen Fall, in dem der Arbeitnehmer Schichtarbeit nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 TVöD-BT-V (Bund) leistete.

30bb) Wäre die Arbeitszeit des Klägers nicht auf vier, sondern auf fünf Tage in der Woche verteilt, hätte der Kläger für je zwei zusammenhängende Monate im Jahr 2016 (Januar und Februar; März und April; Mai und Juni; August und September; Oktober und November) Anspruch auf insgesamt fünf Arbeitstage Zusatzurlaub gehabt. Da der Kläger seine Arbeitsleistung in einer Vier-Tage-Woche erbringt, vermindert sich der Umfang des Zusatzurlaubs proportional auf vier Arbeitstage. Abzüglich der drei Arbeitstage, an denen der Beklagte dem Kläger Zusatzurlaub gewährte, verbleibt ein weiterer Arbeitstag Zusatzurlaub, der dem Kläger für das Jahr 2016 zusteht.

31b) Der Anspruch auf einen weiteren Arbeitstag Zusatzurlaub ist weder infolge tarifvertraglicher noch gesetzlicher Fristen verfallen. Ungeachtet des Umstands, dass der Zusatzurlaub nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA nicht auf gesetzlicher, sondern auf tarifvertraglicher Grundlage beruht, sind für die Beantwortung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Zusatzurlaub zeitlich befristet ist, die Vorschriften des BUrlG maßgebend (§ 26 Abs. 2 TVöD-VKA). Im Streitfall fehlt es für die Annahme, der Zusatzurlaub sei verfallen, an der erforderlichen Mitwirkungshandlung des Beklagten.

32aa) Ein Verfall des Zusatzurlaubs nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG, dem zufolge der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss, ist nicht eingetreten. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) - und damit im Streitfall auch der Anspruch auf Zusatzurlaub - erlischt bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 BUrlG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Die Erfüllung der hieraus in richtlinienkonformer Auslegung abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes des § 7 Abs. 3 BUrlG (grundlegend  - Rn. 21 ff., BAGE 165, 376). Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss den Arbeitnehmer - erforderlichenfalls förmlich - auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt (vgl.  - Rn. 15 f.).

33bb) Der Verfall des Zusatzurlaubs für Arbeitnehmer, die ständig Wechselschicht arbeiten, richtet sind nach den Vorgaben des BUrlG. In § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA finden sich keine gesonderten Regelungen, die den Zusatzurlaub befristen. Die Tarifbestimmung nimmt vielmehr in ihrem Abs. 5 unter den dort genannten Einschränkungen auf die Regelungen für den Erholungsurlaub (§ 26 TVöD-VKA) Bezug, die ihrerseits eine - eingeschränkte - Verweisung auf die Vorschriften des BUrlG enthalten (§ 26 Abs. 2 TVöD-VKA). Diese weichen hinsichtlich des Fristenregimes, nicht aber hinsichtlich der Mitwirkungsobliegenheiten der Arbeitsvertragsparteien bei der Verwirklichung des Zusatzurlaubs und den Voraussetzungen seiner Befristung von den gesetzlichen Vorgaben für den Mindesturlaub ab. Zwar haben die Tarifvertragsparteien die Befugnis, den Zusatzurlaub für Arbeitnehmer, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, ohne Rücksicht auf die Vorgaben in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG und im BUrlG zu regeln. In § 26 TVöD-VKA hat jedoch ein vom Gesetzesrecht abweichender Regelungswille der Tarifvertragsparteien, der darauf schließen ließe, der tarifliche Urlaub und damit auch der tarifliche Zusatzurlaub solle mit Ablauf des Kalenderjahres respektive am Ende des Übertragungszeitraums unabhängig von einem entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers verfallen, keinen Niederschlag gefunden (vgl. bezüglich des tariflichen Erholungsurlaubs  - Rn. 35 ff.).

34cc) Im Streitfall ist das gesetzliche Fristenregime in Bezug auf den Zusatzurlaub nicht aktiviert worden. Der Beklagte ist seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen. Er ist im Gegenteil der Verwirklichung des Anspruchs auf Zusatzurlaub wiederholt entgegengetreten, indem er mehrfach den seitens des Klägers geltend gemachten Zusatzurlaub mit der Begründung ablehnte, dem Kläger stehe Zusatzurlaub lediglich für die Zeit der Entgeltfortzahlung, nicht aber für die Zeit des Bezugs von Krankengeld zu. Soweit der Beklagte davon ausgeht, der Kläger habe ihn mit Schreiben vom nicht in Verzug gesetzt, wirkt sich dies nicht zu Lasten des Klägers aus. Der Kläger stützt sein Klagebegehren - auch - auf den Primär-, nicht nur auf den Sekundäranspruch, der auf die Leistung von Schadensersatz gerichtet ist.

35c) Die tarifliche Ausschlussfristenregelung in § 37 Abs. 1 TVöD-VKA, nach der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Der Senat braucht an dieser Stelle nicht darüber zu befinden, ob der Anspruch auf Zusatzurlaub nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA durch § 37 Abs. 1 TVöD-VKA zeitlich begrenzt wird. Mit dem Schreiben vom , das dem Beklagten am Folgetag zuging, hat der Kläger von dem Beklagten unter Nennung der Tarifvorschrift des § 27 Abs. 1 TVöD-VKA die Gewährung von insgesamt sechs Arbeitstagen Zusatzurlaub rechtzeitig geltend gemacht. Dass der Kläger dem Beklagten gegenüber darin einen Anspruch im Umfang von insgesamt sechs Arbeitstagen Zusatzurlaub für das Jahr 2016 behauptete, ist rechtlich nicht erheblich. Eine Zuvielforderung lässt eine Geltendmachung in der Regel nicht unwirksam werden (vgl.  - zu II 2 e aa der Gründe). Dies gilt auch im Rahmen des § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA. Der Arbeitnehmer will mit der Geltendmachung dem Arbeitgeber regelmäßig den ihm aufgrund der Tarifvorschriften zustehenden Urlaub anzeigen. Im Streitfall ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ausschließlich einen Anspruch auf insgesamt sechs Arbeitstage, nicht aber auf nur fünf Arbeitstage Zusatzurlaub verlangen wollte. Der Beklagte musste das Urlaubsverlangen deshalb nach Treu und Glauben so verstehen (§ 157 BGB), dass der Kläger ihm gegenüber die Rechte geltend macht, die ihm die von ihm zitierte Tarifbestimmung zuweist.

36III. Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Dem Kläger steht über den noch nicht erfüllten Urlaubstag hinaus kein weiterer Zusatzurlaub zu. Das Landesarbeitsgericht ist nach einer Auslegung der im Streitfall maßgebenden Tarifvorschriften (vgl. zu den für Tarifverträge maßgeblichen Auslegungsgrundsätzen  - Rn. 17) zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte im Monat Juli 2016 nicht verpflichtet war, an den Kläger die Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit zu zahlen und dieser Monat deshalb für die Berechnung des Zusatzurlaubs außer Betracht zu bleiben hat.

371. Anders als das Tatbestandsmerkmal „ständig Wechselschichtarbeit [...] leisten“ liegt das Tatbestandsmerkmal „Anspruch auf die Wechselschichtzulage“ nach dem Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums nicht vor, wenn der Arbeitnehmer - wie der Kläger - weiterhin arbeitsunfähig ist. Der Bezug eines Zuschusses zum Krankengeld, auf den der Arbeitnehmer nach § 22 Abs. 2 TVöD-VKA Anspruch hat, ändert hieran nichts.

382. Werden Beschäftigte durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert, ohne dass sie ein Verschulden trifft, erhalten sie gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD-VKA bis zur Dauer von sechs Wochen das Entgelt nach § 21 TVöD-VKA. § 21 Abs. 1 Satz 2 TVöD-VKA bestimmt, dass in diesem Fall das Tabellenentgelt sowie die sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt werden. Nach Ablauf des Zeitraums, in dem der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung schuldet, erhalten die Beschäftigten für die Zeit, für die ihnen Krankengeld zusteht, einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialleistungsträgers und dem Nettoentgelt (§ 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD-VKA). Beträgt die Beschäftigungszeit - wie die des Klägers - mehr als drei Jahre, wird der Krankengeldzuschuss längstens bis zum Ende der 39. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit gezahlt (§ 22 Abs. 3 Satz 1 TVöD-VKA). Soweit nach Satz 2 der Protokollerklärung zu § 27 Abs. 1 und 2 TVöD-VKA Zeiten ohne Arbeitsleistung für den Anspruch auf Zusatzurlaub unschädlich sind, bezieht sich die tarifliche Anordnung lediglich auf die Prüfung, ob „ständige Wechselschichtarbeit … vorliegt“ (vgl.  - Rn. 27), nicht aber auf die Prüfung, ob ihm auch die Zulage wegen ständiger Wechselschicht zusteht. Letzteres ist im Regelfall allein nach § 8 Abs. 5 TVöD-VKA, im Krankheitsfall iVm. § 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 TVöD-VKA zu beurteilen. Sachlicher Bezugspunkt der Protokollerklärung ist damit ausschließlich das erste der beiden Tatbestandsmerkmale („Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit … leisten“), nicht jedoch das zweite („Beschäftigte, … denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 … zusteht“). Aus diesem Grund ist es rechtlich nicht erheblich, dass die Protokollerklärung nicht nur § 22 Abs. 1 TVöD-VKA, in dem die Entgeltfortzahlung geregelt ist, sondern die Tarifbestimmung des § 22 TVöD-VKA insgesamt - und damit auch den Bezug von Zuschüssen zum Krankengeld - in Bezug nimmt.

393. Diese Auslegung wird durch den Regelungszusammenhang der Tarifvorschriften bestätigt.

40a) Die Voraussetzungen, unter denen einem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber ein Anspruch auf die Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit zusteht, sind in § 8 Abs. 5 TVöD-VKA geregelt. Auf diese Vorschrift verweist § 27 Abs. 1 TVöD-VKA. Mit der in Satz 2 der Protokollerklärung zu § 27 Abs. 1 und 2 TVöD-VKA enthaltenen Einschränkung „Für die Feststellung, ob ständige Wechselschichtarbeit … vorliegt“ haben die Tarifvertragsparteien deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es für die Feststellung der zweiten Anspruchsvoraussetzung bei den in § 8 Abs. 5 TVöD-VKA genannten Tarifmerkmalen bleiben soll. Hätten die Tarifvertragsparteien im Hinblick auf den Zusatzurlaub beabsichtigt, den Anspruch auf die Zulage abweichend von § 8 Abs. 5 TVöD-VKA zu regeln, hätte es nahegelegen, entweder auf das Tatbestandsmerkmal „Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1“ in § 27 Abs. 1 TVöD-VKA zu verzichten oder aber Satz 2 der Protokollerklärung zu § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-VKA auf die Feststellung, dem Arbeitnehmer stehe ein Anspruch auf die Zulage zu, zu erstrecken. Beides ist nicht geschehen.

41b) Anders als § 22 Abs. 1 TVöD-VKA für den Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nimmt § 22 Abs. 2 TVöD-VKA nicht auf § 8 Abs. 5 TVöD-VKA Bezug. Dies ist unmittelbare Folge der tariflichen Unterscheidung zwischen Entgeltfortzahlung (§ 22 Abs. 1 TVöD-VKA) und Krankengeldzuschuss (§ 22 Abs. 2 TVöD-VKA). Zum einen ist der in § 22 Abs. 3 TVöD-VKA geregelte Anspruch nicht auf die (Fort-)Zahlung des Entgelts und damit auch der Zulage gerichtet, sondern allein auf den Ausgleich der - dem Betrag nach geringeren - Differenz zwischen dem Krankengeld, das dem Arbeitnehmer gemäß §§ 44 bis 51 SGB V zusteht, und dem bisherigen Verdienst. Zum anderen handelt es sich bei dem Zuschuss nicht um eine Brutto-, sondern um eine Nettozahlung, die der Arbeitgeber zu leisten hat.

424. Auch der Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 TVöD-VKA erfordert es nicht, einem Arbeitnehmer, der Anspruch auf einen Zuschuss zum Krankengeld hat, einen Anspruch auf Zusatzurlaub einzuräumen. Der tarifliche Zusatzurlaub dient dem Ausgleich der durch Wechselschicht-, Schicht- und Nachtarbeit verursachten besonderen Belastungen (vgl.  - Rn. 15, BAGE 137, 157 zu der früheren Vorschrift des § 48a BAT/BAT-O). Diesen besonderen Belastungen ist ein Arbeitnehmer, der einen Zuschuss zum Krankengeld bezieht, nicht ausgesetzt. Die in Art. 9 Abs. 3 GG grundrechtlich garantierte Tarifautonomie erlaubt es den Tarifvertragsparteien, den Anspruch auf Zusatzurlaub nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums von der tatsächlichen Leistung in ständiger Wechselschicht und dem Vorliegen der damit einhergehenden besonderen Belastungen abhängig zu machen. Darin liegt keine sachwidrige Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG.

43C. Die Kosten des Rechtsstreits waren gegeneinander aufzuheben, da beide Parteien zu gleichen Teilen unterlegen sind (§ 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:260520.U.9AZR129.19.0

Fundstelle(n):
HAAAH-59158