BAG Beschluss v. - 7 ABR 38/08

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BetrVG § 1 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BetrVG § 18 Abs. 2

Instanzenzug: LAG München, 8 TaBV 50/07 vom ArbG München, 14 BV 164/06 vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung von Betriebsstätten und über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Der Arbeitgeber ist im Bereich der freien Wohlfahrtspflege tätig. Er betreibt Seniorenzentren, Kindergärten und Kinderhorte sowie pädagogische und psychiatrische Einrichtungen mit insgesamt 2.200 Mitarbeitern in mehr als 90 Einrichtungen im Bereich Oberbayern. Seine Hauptverwaltung befindet sich in München. Dort unterhält er eine zentrale Personalrechtsabteilung, die ua. einen Leitfaden zu arbeitsrechtlichen Fragen herausgibt und den Einrichtungen durch Rundschreiben Hinweise erteilt.

Mit Rundschreiben vom kündigte die Personalrechtsabteilung einen neuen Personalleitfaden an. Es heißt darin auszugsweise:

"... Mit diesem Rundschreiben wird der neue Personalleitfaden angekündigt. Der Personalleitfaden soll eine Hilfestellung in arbeits- und tarifrechtlichen Angelegenheiten für Sie sein. Es soll Ihnen damit ermöglicht werden, viele arbeits- und tarifrechtlich denkbare Probleme eigenständig lösen zu können. Selbstverständlich steht Ihnen neben diesem Personalleitfaden jederzeit die Personalbetreuung in der Hauptverwaltung beratend zur Verfügung. ...

Sämtliche einzuordnenden Stichworte haben Rundschreibencharakter. Dies bedeutet, dass die in den jeweiligen Stichworten etwa enthaltenen Regelungen für Sie bindend sind. Soweit den Stichworten Formulare beigelegt werden, sind für die betroffenen Sachverhalte ausschließlich diese Formulare zu verwenden. Wir hoffen, dass Ihnen mit diesem Personalleitfaden ein gutes Führungsinstrument zur Verfügung gestellt und es Ihnen in der täglichen Praxis eine Hilfe sein wird."

Der Personalleitfaden enthält auszugsweise folgende Regelungen:

Zum Stichwort Abmahnung unter 3 Buchst. e) "Beteiligung der Abteilung Personalrecht":

"Zuletzt mit Rundschreiben 10-07/02 ist durch den Geschäftsführer Ressort I geregelt worden, dass vor Ausspruch einer Abmahnung die Abteilung Personalrecht (früher Personalbetreuung) zu beteiligen ist.

Das bedeutet, dass der Leiter Personalrecht rechtzeitig kontaktiert werden muss. Dieser betreut die Einrichtungsleitung im Zusammenhang mit der Abmahnung wie ein externer Rechtskundiger. Der Leiter Personalrecht hat kein Weisungsrecht gegenüber den Leitungen, diese können auch gegen einen etwaigen Ratschlag handeln.

Die Beteiligung der Abteilung Personalrecht soll lediglich sicherstellen, dass rechtlich korrekt gehandelt wird.

Die Abteilung Personalrecht kann in jeder üblichen Weise kontaktiert werden, in der Regel wird eine schriftliche Darlegung der Ereignisse notwendig sein. Die Einrichtungsleitung sollte den Entwurf einer Abmahnung übersenden, die endgültige Abmahnung wird in der Regel vom Leiter Personalrecht angefertigt. In Einzelfällen kann es auch notwendig sein, dass der Leiter Personalrecht zur Unterstützung der Aufklärung des Sachverhalts und insbesondere zur Sicherung der Beweise in die Einrichtung kommt.

Unterbleibt die Beteiligung der Abteilung Personalrecht oder handelt die Leitung der Einrichtung gegen eine Empfehlung des Leiters Personalrecht, so hat dies auf die Wirksamkeit der Abmahnungen keine Auswirkungen ...

Festzuhalten in diesem Zusammenhang bleibt nur, dass die Leitung einer Einrichtung im Falle der Nichtbeteiligung der Abteilung Personalrecht vor Ausspruch einer Abmahnung ihrerseits gegen eine für sie bindende Regelung verstoßen hätte."

Zum Stichwort "Befristung von Arbeitsverhältnissen" regelt der Leitfaden zur "Befristung einzelner Vertragsbedingungen" ua. Folgendes:

"In jedem dieser Einzelfälle ist eine eingehende rechtliche und tatsächliche Prüfung der Voraussetzungen notwendig und in der Regel auch eine sehr spezielle vertragliche Vereinbarung. Aus diesem Grunde wird empfohlen, vor einer derartigen Regelung die Abteilung Personalrecht zu befragen."

Das Rundschreiben vom enthält ua. folgenden Hinweis:

"Anlassbezogen weisen wir Sie nochmals darauf hin, dass es sich bei Rundschreiben der A um interne Dienstanweisungen und Verfahrensregelungen handelt. Diese dürfen nicht an Dritte (Angehörige, Bewohner, Betriebsräte, etc.) weitergegeben werden. Sollte es notwendig sein, Inhalte aus Rundschreiben mit Dritten zu kommunizieren, ist hierfür eine seniorenzentrumseigene schriftliche oder mündliche Mitteilung zu formulieren. ..."

Am informierte der Arbeitgeber die Einrichtungsleitungen über "Zuständigkeiten bei personellen Maßnahmen und in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten" auszugsweise wie folgt:

"...

Bereits im Rundschreiben 10-07/02 ... ist ausgeführt worden, dass Sie als Einrichtungsleiterin bzw. Einrichtungsleiter die volle Zuständigkeit, Kompetenz und Verantwortung im Hinblick auf personelle Einzelmaßnahmen inne haben.

Dies betrifft insbesondere die Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch deren Kündigung.

Lediglich im Hinblick auf Ihnen als Leitung direkt unterstellte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besteht ein Vorbehalt insofern, als die Einstellung mit der zuständigen Fachabteilungsleitung abgestimmt werden muss, die auch den Arbeitsvertrag mit diesem Mitarbeiterkreis mit unterzeichnet.

Die Zuständigkeit, die Kompetenz und Verantwortung für personelle Einzelmaßnahmen ist unbegrenzt! Ihnen obliegt es, über die Einstellung von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbstständig zu entscheiden bzw. diese Entscheidung in Ihrem Hause an andere Ihnen untergeordnete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu delegieren, wobei der Arbeitsvertrag als solcher nur durch Sie unterzeichnet werden kann und somit die Letztverantwortung für die Einstellung bei Ihnen liegt.

Ebenfalls sind Sie unbegrenzt zuständig für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, sei es insbesondere durch Ausspruch von Kündigungen, oder den Abschluss von Aufhebungsverträgen. Aber auch im Hinblick auf sonstige Maßnahmen wie z.B. Abmahnungen oder Versetzungen sind Sie uneingeschränkt allein zuständig. Die Komplexität und Unüberschaubarkeit der arbeits- gesetzlichen Regelungen und auch der Entscheidungen der Arbeitsgerichte macht es notwendig, bei personellen Maßnahmen, die gewichtig sind und in die Rechte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingreifen, vor Durchführung dieser Maßnahmen eine arbeitsrechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Für diese Beratung hält das Unternehmen die Abteilung Personalrecht bereit, die derzeit von Herrn W ausgefüllt wird. Entsprechend bereits zitiertem Rundschreiben 10-07/02 sind Sie verpflichtet, insbesondere vor Kündigungen, Abmahnungen und schwerwiegenden Versetzungen Herrn W beratend zu konsultieren.

Die Funktion von Herrn W besteht lediglich in Ihrer Beratung, Herr W kann und will Ihnen die Entscheidung nicht abnehmen, denn Herr W hat keinerlei Linienkompetenz Ihnen gegenüber. Es steht Ihnen frei, etwaigen Empfehlungen von Herrn W zu folgen oder auch entgegen seinen Empfehlungen zu entscheiden.

Die Inanspruchnahme der Beratung durch Herrn W ist obligatorisch und verpflichtend. ...

2. Zuständigkeit in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten

Das oben unter 1. Ausgeführte gilt uneingeschränkt auch für Ihre Funktion als Leitung der Einrichtung in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht. Sie als Einrichtungsleiterin oder Einrichtungsleiter sind die oder der Ansprechpartner eines etwaig vorhandenen Betriebsrats in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen auch der sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihrer Einrichtung.

Sämtliche bestehende Rechte und Pflichten in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht sind durch Sie als Leitung der Einrichtung und somit auch als Betriebsleitung auszuüben bzw. durch Sie zu beachten. Sie beteiligen insbesondere den Betriebsrat im Falle der Einstellung und Kündigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch sonstige Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen (z. B. aus § 99 BetrVG) und sich aus anderen Normen insbesondere des BetrVG ergebende Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind durch Sie zu wahren und zu beachten. Insbesondere aber sind Sie diejenige oder derjenige, die oder der mit einem etwaig vorhandenen Betriebsrat Betriebsvereinbarungen aushandelt, vereinbart und unterzeichnet.

Auch diese Zuständigkeit nehmen Sie in uneingeschränkter Weise selbstständig wahr! Da aber auch im Falle des Abschlusses von Betriebsvereinbarungen im Hinblick auf sowohl individual- als auch kollektivrechtliche Gesichtspunkte Beratungsbedarf besteht, ist auch hier geregelt, dass Sie vor Abschluss einer Betriebsvereinbarung verpflichtet sind, sich beratend an die Abteilung Personalrecht zu wenden.

Auch in diesem Falle ist die Aufgabe der Beratung durch die Abteilung Personalrecht, regelmäßiges Handeln und Entscheiden zu ermöglichen. Auch hierbei kann und will Herr W keine inhaltlichen oder sonstigen Vorgaben machen noch Entscheidungen fällen, die Ihnen als Einrichtungsleiterin oder Einrichtungsleiter uneingeschränkt übertragen worden sind.

Die Beratung durch Herrn W soll auch sicherstellen, dass Sie im Prozess des Verhandelns und Abschlusses von Betriebsvereinbarungen berücksichtigen, dass ihre lokalen Betriebsvereinbarungen immer als Beispiel für andere herhalten werden, ähnliche Vereinbarungen, soweit sie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer günstig sind, auch anderenorts abzuschließen. Ihre Betriebsvereinbarungen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Vorbildfunktion haben für Betriebsräte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Einrichtungen und Begehrlichkeiten wecken. Insofern sind Ihre Betriebsvereinbarungen zu reflektieren unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auch für andere Einrichtungen. ..."

Die Personalakten sämtlicher Arbeitnehmer werden in der Hauptverwaltung in München geführt. In den einzelnen Einrichtungen gibt es jeweils Nebenakten der Personalakten mit Kopien der Hauptakte. Der Leiter der Abteilung Personalrecht W nahm gelegentlich an Dienstgesprächen der Einrichtungen teil und wandte sich in Eingruppierungsfragen mitunter direkt an die dort beschäftigten Arbeitnehmer. Herr W sowie der Leiter der Fachabteilung Altenhilfe, Herr R, waren als Beisitzer an einem Einigungsstellenverfahren des Seniorenzentrums Bürgerstift L beteiligt. Außerdem unterbreitete die Personalrechtsabteilung Vorschläge für die Formulierung von Betriebsvereinbarungen.

Mit Wahlausschreiben vom rief der Wahlvorstand zur Wahl eines gemeinsamen Betriebsrats für die Hauptverwaltung und für die 20 im Antrag genannten Einrichtungen (im Folgenden: 20 Einrichtungen) auf, in denen jeweils mindestens fünf ständig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden, von denen mindestens drei wählbar sind. Die Arbeitnehmer wählten am einen gemeinsamen Betriebsrat. Der Wahlvorstand gab das Ergebnis dieser Wahl am bekannt.

Vor der Betriebsratswahl im Jahr 2002 hatten in den 20 Einrichtungen Abstimmungen über die Teilnahme an einer Wahl des Betriebsrats in der Hauptverwaltung München stattgefunden. Die Arbeitnehmer wählten sodann einen gemeinsamen Betriebsrat. Bereits nach dieser Wahl stritten die Beteiligten um die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung einer Vielzahl von Betriebsstätten zum Hauptbetrieb München. Der Arbeitgeber nahm einen Wahlanfechtungsantrag im Beschwerdeverfahren aufgrund der Erklärung des Betriebsrats vom zurück, wonach dieser aufgrund der derzeitigen Verhältnisse davon ausgehe, dass durch Kompetenzverlagerungen wesentliche Befugnisse in personellen und sozialen Angelegenheiten zwischenzeitlich von den Einrichtungsleitern ausgeübt würden und derzeit die Einrichtungen nicht als Betriebsteile, sondern als Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes zu werten seien. Vor der Betriebsratswahl 2006 fand keine erneute Abstimmung über die Teilnahme an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb München statt.

Am hat der Arbeitgeber die Betriebsratswahl angefochten. Er hat die Auffassung vertreten, die Hauptverwaltung und die 20 Einrichtungen seien jeweils selbständige Betriebe. Deren Leitungen verfügten über die wesentlichen Funktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten. Zumindest handele es sich bei den Einrichtungen um selbständige Betriebsteile. Die dort beschäftigten Arbeitnehmer hätten keine Teilnahme an einer Wahl des Betriebsrats des Hauptbetriebs beschlossen. Entsprechende Beschlüsse aus dem Jahr 2002 könnten für die Betriebsratswahl im Jahr 2006 keine Wirkung entfalten. Die Wahl eines gemeinsamen Betriebsrats am sei daher unwirksam. Sie beruhe auf einem Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, der das Wahlergebnis beeinflusst habe.

Der Arbeitgeber hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass er am Sitz der Hauptverwaltung, Estraße 10, München, sowie in den Einrichtungen

Einrichtungs-Nr. 522 Erziehungsberatung G,

Einrichtungs-Nr. 540 Sozialpädagogischer Dienst A,

Einrichtungs-Nr. 712 Kindergarten Mäuseburg P,

Einrichtungs-Nr. 726 Kindergarten Max und Moritz U,

Einrichtungs-Nr. 729 Kindergarten Villa Kunterbunt U,

Einrichtungs-Nr. 735 Kindergarten Rappelkiste,

Einrichtungs-Nr. 738 Kindergarten P,

Einrichtungs-Nr. 743 Kinderhort Mogli Pu,

Einrichtungs-Nr. 746 Kindergarten Rasselbande U,

Einrichtungs-Nr. 753 Kindergarten Blauland K,

Einrichtungs-Nr. 754 Waldmäuse Pei,

Einrichtungs-Nr. 763 Kindergarten Sonnenschein F,

Einrichtungs-Nr. 764 Kindergarten Traumland T,

Einrichtungs-Nr. 769 Kindergarten III U,

Einrichtungs-Nr. 770 Kindergarten Brucker Strolche F,

Einrichtungs-Nr. 771 Kindergarten M,

Einrichtungs-Nr. 616 Seniorenzentrum L,

Einrichtungs-Nr. 601 Seniorenzentrum K,

Einrichtungs-Nr. 625 Seniorenzentrum T,

Einrichtungs-Nr. 619 Seniorenzentrum F

jeweils eigenständige betriebsratsfähige Organisationseinheiten unterhält;

2. die Betriebsratswahl vom für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Einrichtungen seien weder als Betriebe noch als qualifizierte Betriebsteile anzusehen, sondern könnten als unselbständige "Satelliten" der Hauptverwaltung Entscheidungen in personellen und in sozialen Angelegenheiten nur formal vollziehen. Selbst wenn es sich bei den 20 Einrichtungen um selbständige Betriebsteile handeln sollte, sei die Wahl gleichwohl zu Recht als gemeinsame Wahl durchgeführt worden, da die dort beschäftigten Arbeitnehmer bereits vor der Wahl im Jahr 2002 nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG wirksam beschlossen hätten, an der Wahl zum Hauptbetrieb teilzunehmen. Dieser Beschluss sei niemals widerrufen worden und damit auch für die Wahl im Jahr 2006 gültig geblieben.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Arbeitgebers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat weiterhin die Abweisung der Anträge.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde, mit welcher der Betriebsrat die Verletzung des § 1 Abs. 1 Satz 1, des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sowie des § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG rügt, ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Arbeitgeber am Sitz seiner Hauptverwaltung und in den 20 Einrichtungen jeweils eigenständige betriebsratsfähige Organisationseinheiten unterhält.

1. Der Antrag zu 1 ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor. Auch besitzt der Arbeitgeber die erforderliche Antragsbefugnis.

a) Nach § 18 Abs. 2 BetrVG kann bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, ua. der Arbeitgeber eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen. Mit diesem Verfahren eröffnet das Gesetz die Möglichkeit, die Betriebsratsfähigkeit einer Organisationseinheit unabhängig von einer konkreten Betriebsratswahl gerichtlich mit Bindungswirkung klären zu lassen. Durch die ausdrückliche gesetzliche Regelung ist klargestellt, dass die Betriebsratsfähigkeit einer Organisationseinheit als Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zu erachten ist, dessen Vorliegen gerichtlich gesondert festgestellt werden kann. Mit der entsprechenden Feststellung können insbesondere Unsicherheiten über die Zuständigkeit eines gewählten oder noch zu wählenden Betriebsrats oder über den Umfang von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten, die teilweise von der Anzahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abhängen, ausgeräumt werden. Außerdem dient das Verfahren dazu, die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße künftige Betriebsratswahl zu schaffen. Das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG klärt daher eine für zahlreiche betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen bedeutsame Vorfrage, indem verbindlich festgelegt wird, welche Organisationseinheit als der Betrieb anzusehen ist, in dem ein Betriebsrat zu wählen ist und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann ( - Rn. 12 mwN, BAGE 121, 7). Der Arbeitgeber hat das erforderliche Interesse an einer Feststellung nach § 18 Abs. 2 BetrVG ua. dann, wenn streitig ist, ob für mehrere Betriebsstätten des Unternehmens ein gemeinsamer Betriebsrat zu wählen ist oder ob die einzelnen Betriebsstätten für sich genommen betriebsratsfähig sind.

b) Hiernach hat der antragstellende Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass es sich bei den 20 Einrichtungen um betriebsratsfähige Organisationseinheiten handelt. Dabei stützt der Arbeitgeber sein Begehren in erster Linie darauf, dass es sich bei den Einrichtungen um selbständige Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handele. Hilfsweise macht er geltend, dass die 20 Einrichtungen Betriebsteile sind, die wegen ihrer Eigenständigkeit in Aufgabenbereich und Organisation gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG als selbständige Betriebe anzusehen sind. Die Antragsbefugnis des Arbeitgebers folgt ebenfalls aus § 18 Abs. 2 BetrVG.

2. Der Antrag zu 1 ist begründet. Das Landesarbeitsgericht ist von dem zutreffenden Betriebsbegriff ausgegangen und hat unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgetragenen Umstände rechtsfehlerfrei angenommen, dass die 20 Einrichtungen eigenständige Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind.

a) Betriebsratsfähige Organisationseinheiten iSd. § 18 Abs. 2 BetrVG liegen vor, wenn es sich bei den Einrichtungen um Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 BetrVG, um selbständige Betriebsteile nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG oder um betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten iSv. § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG handelt.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betrieb iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden (vgl. - 7 ABR 63/05 - Rn. 15, BAGE 121, 7).

bb) Demgegenüber ist ein Betriebsteil auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert. Er ist allerdings gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt. Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrVG. Für das Vorliegen eines Betriebsteils genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt ( - Rn. 15, BAGE 121, 7).

cc) § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG bestimmt im Wege einer gesetzlichen Fiktion, dass ein Betriebsteil als selbständiger Betrieb gilt, wenn er durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig ist. Für ihn ist grundsätzlich ein eigener Betriebsrat zu wählen, es sei denn, die Arbeitnehmer haben nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beschlossen, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen. Die für einen selbständigen Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG erforderliche relative Eigenständigkeit setzt keinen umfassenden eigenen Leitungsapparat voraus, erfordert aber, dass es in dem Betriebsteil eine eigenständige Leitung gibt, die in der Lage ist, die Arbeitgeberfunktionen in den wesentlichen Bereichen der betrieblichen Mitbestimmung wahrzunehmen ( - zu B I 2 a der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1; - 7 ABR 26/03 - zu B II 3 b der Gründe).

dd) Die Begriffe Betrieb und Betriebsteil sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb, ein selbständiger oder ein unselbständiger Betriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat ( - Rn. 17, BAGE 121, 7; - 7 ABR 57/03 - zu B I 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1).

b) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts stand. Dieses ist von den vom Senat entwickelten Begriffen des Betriebs sowie des selbständigen und unselbständigen Betriebsteils ausgegangen. Bei seiner Beurteilung, bei den 20 Einrichtungen handele es sich jeweils um Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, hat es weder gegen Denkgesetze verstoßen noch anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt noch wesentliche Umstände außer Acht gelassen. Auf die Hilfsbegründung des Landesarbeitsgerichts, die 20 Einrichtungen seien jedenfalls selbständige Betriebsteile nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG, kommt es nicht an.

aa) Bei seiner Würdigung ist das Landesarbeitsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass in Abgrenzung zu einem Betriebsteil ein eigenständiger Betrieb iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dann vorliegt, wenn sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstreckt (vgl. - 7 ABR 63/05 - Rn. 15, BAGE 121, 7).

bb) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landesarbeitsgericht in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen. Es ist von der Rechtsbeschwerde weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass es hierbei gegen Denkgesetze verstoßen oder anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hätte. Der Arbeitgeber hat auch nicht dargetan, dass das Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung wesentliche Umstände außer Acht gelassen hätte. Das Landesarbeitsgericht hat sich insgesamt mit den zahlreichen Rundschreiben des Arbeitgebers auseinandergesetzt und zu Recht darauf abgestellt, dass trotz der generalisierenden Vorgaben und Richtlinien des Arbeitgebers die Entscheidungsbefugnis in den personellen und sozialen Angelegenheiten letztlich bei den Leitern der 20 Einrichtungen liegt. Es hat dabei zutreffend ausgeführt, dass es trotz der ihnen hierbei auferlegten Konsultationspflichten die Leiter der Einrichtungen sind, die über Einstellungen, Befristungsabreden sowie den Ausspruch von Abmahnungen und Kündigungen entscheiden. Ebenso zutreffend hat es das Landesarbeitsgericht als wesentlich gewürdigt, dass die Leitungen der Einrichtungen der maßgebliche Ansprechpartner in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten und uneingeschränkt dafür zuständig sind, Betriebsvereinbarungen auszuhandeln und zu unterzeichnen, die die einzelnen Einrichtungen betreffen. Das Landesarbeitsgericht hat sich schließlich auch im Einzelnen mit den Einwendungen des Arbeitgebers auseinandergesetzt, wonach die Leiter der Einrichtungen gehalten sind, bei ihren Entscheidungen die Beratung der derzeit durch Herrn W repräsentierten Abteilung Personalrecht in Anspruch zu nehmen, und dass dieser an einem Einigungsstellenverfahren teilgenommen hat. Ebenso hat es den Umstand gewürdigt, dass die Personalakten in der Hauptverwaltung geführt werden. Wenn es gleichwohl unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis gelangt ist, dass sich die Leitungsmacht der Leiter der Einrichtungen auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecke, so ist dies unter Beachtung des Beurteilungsspielraums des Landesarbeitsgerichts rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.

II. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht entsprechend dem Antrag des Arbeitgebers die Betriebsratswahl vom für unwirksam erklärt.

1. Nach § 19 Abs. 1 1. Alt., Abs. 2 Satz 1 und 2 BetrVG kann ua. der Arbeitgeber eine Betriebsratswahl innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntgabe des Wahlergebnisses anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

2. Diese Voraussetzungen liegen vor. Da es sich bei den 20 Einrichtungen um Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handelt, durfte für sie kein gemeinsamer Betriebsrat gewählt werden. Die Verkennung des Betriebsbegriffs führt zur Unwirksamkeit der Wahl.

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 1083 Nr. 18
BB 2010 S. 1351 Nr. 22
DB 2010 S. 1409 Nr. 25
NAAAD-40602