BAG Urteil v. - 8 AZR 567/09

Betriebsübergang - Übernahme des Personals

Gesetze: § 613a Abs 1 BGB, § 1 Abs 1 S 2 BetrVG, § 1 Abs 2 BetrVG, EGRL 23/2001

Instanzenzug: ArbG Offenbach Az: 5 Ca 435/07 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 8 Sa 870/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob infolge eines Betriebsübergangs zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht, und über Vergütungsansprüche.

2Der Kläger war seit 1980 für die W GmbH als Industriemeister tätig. Seine Vergütung betrug zuletzt 3.773,00 Euro.

3Die W GmbH stellte Maschinen und Maschinenteile her und vertrieb diese. Insbesondere fertigte sie Kettenschienen für den Hauptkunden M und betrieb hierfür rechnerunterstützte Fertigung (CAM) und rechnerunterstützte Konstruktion (CAD), wobei sie computerisierte numerische Steuerungen (CNC) einsetzte. Weitere Tätigkeitsbereiche der W GmbH waren die Montage von Betonstahl- und Verarbeitungsmaschinen sowie die Erstellung eigener Programme. In diesen beiden letztgenannten Bereichen waren etwa vier Arbeitnehmer beschäftigt. Die Geschäftsführer der W GmbH waren L und dessen Sohn G. Einschließlich Frau K, der Ehefrau des G, die als kaufmännische Angestellte tätig war, beschäftigte die W GmbH zuletzt etwa 50 Arbeitnehmer.

4Über das Vermögen der W GmbH wurde zum das Insolvenzverfahren eröffnet.

Am schloss der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat der W GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf welcher der Kläger namentlich bezeichnet ist. Der Interessenausgleich lautet auszugsweise:

6Der Insolvenzverwalter kündigte mit Schreiben vom das Arbeitsverhältnis des Klägers zum . Das vom Kläger gegen die Wirksamkeit der Kündigung eingeleitete Kündigungsschutzverfahren ist derzeit ausgesetzt. Weiterhin kündigte der Insolvenzverwalter in den Monaten November und Dezember 2007 die Arbeitsverhältnisse weiterer 16 Arbeitnehmer. Die übrigen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin beendeten ihre Arbeitsverhältnisse entweder durch fristlose Eigenkündigungen oder durch Aufhebungsverträge mit dem Insolvenzverwalter.

7Der Insolvenzverwalter gab am das von der Insolvenzschuldnerin genutzte Betriebsgelände einschließlich der in den Gebäuden befindlichen Betriebs- und Geschäftsausstattung an die Eigentümerin, die W GbR, heraus.

8Am nahmen auf dem Betriebsgelände in den vormaligen Räumlichkeiten der Insolvenzschuldnerin und unter Nutzung der vormals von der Insolvenzschuldnerin genutzten Maschinen die W-T Ltd. & Co. KG i.Gr. (im Folgenden: W-T), endvertreten durch den Direktor G, sowie die W P Ltd. & Co. KG i. Gr. (im Folgenden: W P), endvertreten durch den Direktor L, die Produktion auf. Jede der beiden Gesellschaften produziert in jeweils einer der beiden, zuvor von der Insolvenzschuldnerin genutzten Hallen mit den dort von der Insolvenzschuldnerin verwendeten Maschinen.

9Geschäftszweck der W-T ist die Fertigung von Maschinen und Maschinenteilen unter besonderem Einsatz von computerisierten numerischen Steuerungen (CNC), rechnerunterstützter Fertigung (CAM) und rechnerunterstützter Konstruktion (CAD) einschließlich der Erbringung damit verbundener Leistungen. Die für die Ausführung der Tätigkeit erforderlichen Arbeitnehmer entleiht die W-T fast ausschließlich von der Beklagten.

10Der Geschäftszweck der W P liegt in der Herstellung und dem Vertrieb von Maschinenbauteilen, insbesondere von Kettenschienen einschließlich der damit verbundenen Leistungen. Die W P verfügt über keine eigenen Arbeitnehmer, sondern entleiht diese ausschließlich von der Beklagten.

11Die Beklagte wird endvertreten durch die vormalige kaufmännische Angestellte der Insolvenzschuldnerin, K. Am nahm die Beklagte ihre Geschäftstätigkeit auf und schloss mit einer Reihe früherer Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin - nicht aber mit dem Kläger - Arbeitsverträge zum Zwecke der nicht gewerbsmäßigen Überlassung an die Kunden W-T und W P. Diese Mitarbeiter erledigen dort die gleichen Tätigkeiten wie vormals bei der Insolvenzschuldnerin. Arbeitnehmer, die zuvor nicht bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt waren, sind für die Beklagte nicht tätig. Neben der W-T und der W P verfügt die Beklagte über keine weiteren Kunden.

12Der Kläger meint, sein Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin sei auf die Beklagte im Wege des Betriebsübergangs übergegangen. Die jetzige Tätigkeit der Beklagten sowie der W-T und der W P entspreche der Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin, ohne dass es zu Änderungen in den Produktionsabläufen oder der Arbeitsorganisation gekommen sei. Es bestehe auch hinsichtlich Produktion und Verwaltung räumliche Kontinuität. Die W-T und die W P erledigten Aufträge und Tätigkeiten für die bisherigen Kunden der Insolvenzschuldnerin mit deren ehemaligen Mitarbeitern, die sie sich von der Beklagten leihe. Infolgedessen sei der Betrieb der Insolvenzschuldnerin nicht stillgelegt, sondern von den drei Gesellschaften ohne zeitliche Unterbrechung fortgeführt worden. Durch das Auseinanderreißen von Belegschaft und Betriebsmitteln werde lediglich versucht § 613a BGB zu umgehen.

13Der Kläger trägt vor, G habe etwa 40 Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin, bevor diese mit dem Insolvenzverwalter Aufhebungsverträge geschlossen bzw. außerordentliche Eigenkündigungen erklärt hätten, die Fortsetzung ihrer Arbeitsverhältnisse bei gleicher Tätigkeit in einer neuen Gesellschaft angeboten. Am habe die Beklagte dann mit 37 der ca. 42 ehemaligen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin Arbeitsverträge geschlossen.

14Weiter behauptet der Kläger, die kaufmännische Verwaltung der W-T und der W P werde einheitlich durchgeführt. Auch sei der ehemalige Betriebsleiter der Insolvenzschuldnerin, N, weiterhin als Betriebsleiter sowohl für die  W-T als auch für die W P tätig.

15Da sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergegangen sei, stehe ihm für die Zeit vom bis zum ein Anspruch auf Arbeitsvergütung abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes gegen die Beklagte zu.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

17Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

18Sie bestreitet das Vorliegen eines Betriebsübergangs. Als Personaldienstleisterin habe sie weder Vermögensgegenstände noch Kunden der Insolvenzschuldnerin übernommen. Auch verfolge sie einen komplett anderen Geschäftszweck als die Insolvenzschuldnerin.

19Die Beklagte bestreitet, dass ihre Direktorin K die Personalleitung bei der Insolvenzschuldnerin innegehabt habe. Vielmehr seien die Personalangelegenheiten bei der Insolvenzschuldnerin von deren Geschäftsführern L und G erledigt worden. Auch behauptet die Beklagte, dass ihr Betrieb, die W-T und die W P nicht einheitlich geleitet werden. Herr N sei nur für die Betriebsleitung der W-T verantwortlich. Betriebsleiter der W P sei Herr S. Schließlich habe die Insolvenzschuldnerin bis zum auch die Montage von Betonstahlmaschinen unter anderem für das Unternehmen B zum Gegenstand gehabt. Diese Tätigkeit werde weder von der W-T noch von der W P ausgeführt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Gründe

21Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zwischen ihm und der Beklagten besteht kein Arbeitsverhältnis, weshalb ihm gegen diese auch keine Vergütungsansprüche zustehen.

22A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der vom Kläger behauptete Betriebsübergang liege nicht vor. Zwar habe die Beklagte den nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals der Insolvenzschuldnerin übernommen und diese übernommenen Arbeitnehmer führten auch im Wesentlichen die gleichen Tätigkeiten wie zuvor bei der Insolvenzschuldnerin aus. Bei der Insolvenzschuldnerin habe es sich jedoch nicht um ein betriebsmittelarmes Unternehmen gehandelt, bei dem es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankomme und sächliche Betriebsmittel eine geringe, untergeordnete Bedeutung hätten. Vielmehr seien bei der Insolvenzschuldnerin Maschinen und Programme für die Produktion wesentlich gewesen. Diese seien nicht von der Beklagten übernommen worden. Der Geschäftszweck der Beklagten erschöpfe sich in der Arbeitnehmerüberlassung an die W-T und an die W P. Die wirtschaftliche Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin werde nicht durch die Beklagte, sondern durch die W-T und die W P weiterbetrieben. Letztgenannte Unternehmen vertrieben auch die von den Arbeitnehmern produzierten Maschinen und Maschinenbauteile. Damit habe die Beklagte auch nicht unter Änderung der Organisation die funktionelle Verknüpfung der Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten. Sie habe nämlich allein das Personal übernommen und es sei nicht ersichtlich, dass sie den Umfang des Personaleinsatzes bestimmen könne. Die Beklagte sei nicht in der Lage, die Fertigung und den Vertrieb von Maschinen und Maschinenbauteilen wie bisher durchzuführen. So fehle es an der Übernahme der für den bisherigen Geschäftszweck der Insolvenzschuldnerin erforderlichen Betriebs- und Produktionsmittel sowie am Übergang der Kundenbeziehungen.

23Das Landesarbeitsgericht hat weiter angenommen, die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen gebiete es nicht, in einem Fall, in dem das Personal von den Betriebsmitteln getrennt übernommen werde, gemäß § 613a BGB einen Betriebsübergang auf den das Personal übernehmenden Arbeitnehmerüberlasser anzunehmen, da es ansonsten der Übernehmer der Produktion in der Hand hätte ohne unmittelbare Kontrolle der Betriebsbedingtheit nur einen Teil der Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.

24Ein Betriebsübergang könne auch nicht wegen Vorliegens eines gemeinsamen Betriebs der Beklagten, der W-T und der W P angenommen werden. Es fehle an einem gemeinsamen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck. Die Beklagte stelle lediglich Personal, während die W-T und die W P Produkte fertigten und vertrieben.

25Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei auch nicht von der Insolvenzschuldnerin auf eine von der Beklagten mit der W-T und der W P gemäß § 705 BGB gebildete Gesellschaft übergegangen. Eine solche Gesellschaft - ihre Gründung unterstellt - nähme nicht am Rechtsverkehr teil.

26Letztlich verneint das Landesarbeitsgericht auch das Zustandekommen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der Beklagten sowie der W-T und der W P. § 613a BGB zwinge nicht zur Annahme eines solchen einheitlichen Arbeitsverhältnisses.

27B. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

28I. Die Feststellungsklage ist unbegründet. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Insolvenzschuldnerin ist nicht im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen.

291. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteiles auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche, den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie zB ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden oder den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu.

30Bei betriebsmittelarmen und dienstleistungsorientierten Branchen und Arbeitszwecken, bei denen es wesentlich auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch ihre gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit in diesem Sinne darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hat. Die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) stellt hingegen keinen Betriebsübergang dar (st. Rspr., vgl.  - AP BGB § 613a Nr. 354 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 96). In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen ( - BAGE 117, 361 = AP BGB § 613a Nr. 303 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 52).

312. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass mangels Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit auf die Beklagte ein Betriebsübergang auf diese nicht stattgefunden hat.

32Der Betrieb der Insolvenzschuldnerin ist als selbständige wirtschaftliche Einheit nicht identitätswahrend auf die Beklagte übertragen worden.

33a) Der Unternehmensgegenstand der Insolvenzschuldnerin lag in der Herstellung und dem Vertrieb von Maschinen und Maschinenteilen. Ihr Betrieb war betriebsmittelgeprägt. Der Schwerpunkt der Betriebstätigkeit lag in der Produktion so genannter Kettenschienen. Bei Produktionsbetrieben kann der Betriebszweck ohne sächliche Betriebsmittel nicht erreicht werden. Die Arbeitsplätze sind regelmäßig an bestimmte Räume, Maschinen, Produktionsanlagen, Werkzeuge und sonstige Einrichtungsgegenstände gebunden. Um die Produktion in der bisherigen Weise fortzusetzen, benötigt der Erwerber diese materiellen Produktionsmittel.

34b) Materielle Betriebsmittel, insbesondere Maschinen oder sonstige Produktionsanlagen sind von der Insolvenzschuldnerin nicht auf die Beklagte übertragen worden. Die Beklagte hat auch keine Räumlichkeiten bezogen, die zuvor von der Insolvenzschuldnerin genutzt worden sind. Während die Insolvenzschuldnerin in der Dstraße 13 ansässig war, hat die Beklagte ihren Unternehmenssitz unter der Anschrift Dstraße 9 begründet. Die vormaligen Räumlichkeiten der Insolvenzschuldnerin werden seit Mitte November 2007 von der W-T sowie der W P genutzt. Diese haben auch die materiellen Betriebsmittel in Gestalt von Maschinen, Programmen und sonstigen Produktionsanlagen von der Insolvenzschuldnerin übernommen, um ihre Produktionstätigkeit mit diesen durchzuführen.

35c) Außer einem Großteil des Personals hat die Beklagte von der Insolvenzschuldnerin nichts übernommen, insbesondere auch keine Kunden- und Lieferantenbeziehungen.

36d) Der Betriebszweck der Beklagten unterscheidet sich außerdem erheblich von demjenigen der Insolvenzschuldnerin. Während diese einen Produktionsbetrieb führte, also mit der Herstellung von Maschinen und Maschinenteilen befasst war, liegt der Unternehmensgegenstand der Beklagten in der nicht gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung und ist mithin dem Bereich der Personaldienstleistung zuzuordnen. Der Umstand, dass die Mitarbeiter der Beklagten im Wesentlichen die gleichen Tätigkeiten wie zuvor ausführen, ändert hieran nichts, da sie diese im Wesentlichen gleichen Tätigkeiten nicht für die Beklagte, sondern für die W-T und die W P erbringen.

373. Auch soweit der Kläger seine Revision darauf stützt, dass, wenn kein Betriebsübergang auf die Beklagte vorliege, jedenfalls ein Gemeinschaftsbetrieb mit der Beklagten als Anstellungsträger gebildet worden sei, bleibt sie erfolglos.

38a) Unter einem Betrieb versteht die Rechtsprechung eine organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (vgl. zum Betrieb iSd. BetrVG:  - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1; - 7 ABR 63/05 - BAGE 121, 7 = AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 18 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 2; - 7 ABR 15/07 - NZA 2009, 328; - 7 ABR 21/07 - NZA-RR 2009, 255). Ein Betrieb kann auch von mehreren Arbeitgebern als gemeinsamer Betrieb geführt werden. Davon geht auch § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BetrVG aus. Nur wenn ein solcher gemeinsamer Betrieb unter Beteiligung der Beklagten gebildet worden wäre, könnte ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang auf die Beklagte überhaupt in Frage kommen. Ob für den Begriff „Betrieb“ iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, der auf einen Erwerber übergehen kann, eine besondere, vom allgemeinen Betriebsbegriff abweichende Definition gilt, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, weil es nur darauf ankommt, ob die Beklagte mit der W-T und der W P einen neuen gemeinsamen Betrieb gebildet hat.

39aa) Die Rechtsfigur des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben ( - mwN, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 21).

40bb) Die Begriffe „Betrieb“ und „gemeinschaftlicher Betrieb“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb, ein selbständiger oder ein unselbständiger Betriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. zu § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG:  - EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 8; - 7 ABR 63/05 - BAGE 121, 7 = AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 18 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 2).

41b) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts stand. Die W-T, die W P und die Beklagte betreiben keinen gemeinsamen Betrieb.

42aa) In den Fällen einer unternehmerischen Zusammenarbeit, in denen sich die Beteiligung eines Arbeitgebers - wie hier der Beklagten - auf das Zur-Verfügung-Stellen seiner Arbeitnehmer an einen oder mehrere andere Unternehmen beschränkt, fehlt es an dem maßgeblichen Merkmal einer einheitlichen Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten. Werden die Arbeitnehmer einem anderen Unternehmen zur Arbeitsleistung überlassen, liegt eine Personalgestellung vor, regelmäßig in Form der Arbeitnehmerüberlassung. Der Verleiher beschränkt sich auf die Zur-Verfügung-Stellung des benötigten Personals. Er trifft die Personalauswahlentscheidung und ihm verbleibt die Disziplinarbefugnis. Das entleihende Unternehmen entscheidet dagegen über den Personaleinsatz vor Ort (zB Zuweisung des konkreten Arbeitsplatzes, Art und Weise der Arbeitsausführung usw.) ( - AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 7; - 7 ABR 21/07 - mwN, NZA-RR 2009, 255; - 7 ABR 51/08 - EzA BetrVG 2001 § 8 Nr. 2).

43Die Voraussetzungen eines gemeinsamen Betriebs sind nicht bereits erfüllt, wenn eine (enge) unternehmerische Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern aufgrund wechselseitiger Verpflichtungen zu einer Minderung von mitbestimmungsrechtlich relevanten Gestaltungs- und Entscheidungsspielräumen bei den Arbeitgebern führt ( - Rn. 21 - 23, NZA-RR 2009, 255). Auch die Überlassung von Arbeitnehmern durch eine extra zur Personalgestellung gegründete Tochtergesellschaft ( - BAGE 113, 218 = AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 48 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 7) sowie durch eine konzernangehörige Personalführungsgesellschaft wäre mit dem AÜG vereinbar ( - zu B II 2 b cc der Gründe, EzA AÜG § 14 Nr. 5). Auch eine Alleininhaberschaft oder die Mehrheitsbeteiligung an dem verleihenden Unternehmen würde danach einen Gemeinschaftsbetrieb nicht zwangsläufig begründen.

44bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt im vorliegenden Fall keine organisatorische Einheit vor, in der der Personaleinsatz von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Vielmehr wird das Direktionsrecht bzgl. der Arbeitnehmer der Beklagten ausschließlich von der W-T und der W P als den Entleihern ausgeübt, weil das bei der Beklagten beschäftigte Personal im Wege der Arbeitnehmerüberlassung in diesen beiden Betrieben im Rahmen deren Organisationsstruktur eingesetzt wird.

454. Schließlich gebietet auch der Schutzzweck der Richtlinie 2001/23/EG nicht dann, wenn wie im Streitfall, das Personal getrennt von den Betriebsmitteln übernommen und sodann an den Übernehmer der Betriebsmittel verliehen wird, einen Betriebsübergang auf den das Personal übernehmenden Arbeitnehmerüberlasser anzunehmen. Würde ein solcher Betriebsübergang angenommen, könnte der Übernehmer der materiellen und immateriellen Betriebsmittel, dh. im Regelfall der eigentliche Betriebsübernehmer iSd. § 613a BGB, im Ergebnis alle oder einen Teil der Mitarbeiter des vormaligen Inhabers beschäftigen, ohne - wie es § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vorsieht - deren Arbeitgeber zu werden.

46II. Mangels eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten steht dem Kläger der für den Zeitraum bis geltend gemachte Vergütungsanspruch gegen diese nicht zu.

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
OAAAI-18715