BFH Beschluss v. - IX B 110/09

Kein privates Veräußerungsgeschäft, wenn ein Terminkontrakt durch die bloße Überschreitung der sog. "Knock-out-Schwelle" wertlos wird

Leitsatz

Wird ein Knock-out-Terminkontrakt vorzeitig fällig, weil der Kurs des Basiswertes die jeweilige Knock-out-Schwelle berührt oder unter- bzw. überschreitet, verfällt das Wertpapier als wertlos. Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ist dann nicht erfüllt. Ob der Wertverfall des Wertpapiers auf ein bewusstes "Auslaufen-lassen" der Laufzeit oder das Über- bzw. Unterschreiten der Knock-out-Schwelle beruht, ist insoweit ohne Bedeutung.

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4

Instanzenzug:

Gründe

1Die Beschwerde hat keinen Erfolg; die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) liegen nicht vor.

21. Soweit die Kläger die Frage, ob ein bei Optionsscheinen vor (End-)Fälligkeit durch die bloße Überschreitung der sog. „Knock-out-Schwelle” eingetretener Verlust den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) erfüllen könne, für i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO grundsätzlich bedeutsam halten, haben sie die Bedeutung der Rechtssache schon nicht hinreichend dargelegt. Es fehlt insoweit an Ausführungen, inwieweit die von ihnen aufgeworfene Frage in Rechtsprechung und/oder Schrifttum vor dem Hintergrund der zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (, BFHE 219, 574, BStBl II 2008, 519; vom IX R 69/07, BFH/NV 2009, 152) weiter umstritten ist und deshalb eine —erneute— höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat. Hierzu reicht es nicht aus vorzutragen, der BFH habe über diese Rechtsfrage noch nicht entschieden.

3Im Übrigen ist die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage durch die Rechtsprechung geklärt. Wie der Senat in seinen Entscheidungen in BFHE 219, 574, BStBl II 2008, 519 und in BFH/NV 2009, 152 bereits ausgeführt hat, ist der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nur erfüllt, wenn der Optionsinhaber durch die Beendigung des erworbenen Rechts auf Differenzausgleich tatsächlich einen Differenzausgleich erlangt. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst nur Vorteile, die auf dem Basisgeschäft beruhen. Hieran fehlt es, wenn der Optionsinhaber von seinem Recht auf Differenzausgleich keinen Gebrauch macht und die Option verfallen lässt.

4Diese Grundsätze sind entsprechend auf Knock-out-Produkte anzuwenden. Knock-outs sind spezielle Terminkontrakte, die mit begrenzter oder unbegrenzter Laufzeit angeboten werden. Der Anleger kann sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse von Aktien, Indizes, Branchen, Länderregionen, Zinsen, Rohstoffen oder Währungen setzen. Wegen der ausgeprägten Hebelwirkung von Knock-out-Produkten kann der Anleger überproportional an der Entwicklung des Basiswertes partizipieren; die Hebelwirkung ergibt sich daraus, dass das Hebelprodukt wesentlich weniger kostet als der Basiswert. Wird ein solches Knock-out-Produkt vorzeitig fällig, weil der Kurs des Basiswertes die jeweilige Knock-out-Schwelle berührt oder unter- bzw. überschreitet, verfällt das Wertpapier als wertlos. In diesem Fall kann der Wertpapierinhaber indes einen „Vorteil”, der auf dem Termingeschäft beruht, nicht mehr i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG „erlangen"; der Tatbestand der maßgeblichen Vorschrift ist dann nicht erfüllt. Ob der Wertverfall des Wertpapiers auf ein bewusstes „Auslaufen-lassen” der Laufzeit oder das Über- bzw. Unterschreiten der Knock-out-Schwelle beruht, ist insoweit ohne Bedeutung.

52. Soweit die Kläger auf Grund einer vermeintlichen Divergenz eine höchstrichterliche Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alt. FGO) für erforderlich halten, sind die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung und der (vermeintlichen) Divergenzentscheidungen schon nicht so herausgearbeitet und gegenübergestellt, dass eine Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar wird.

6Im Übrigen liegen die behaupteten Abweichungen nicht vor. Eine Abweichung vom (BFHE 218, 118, BStBl II 2007, 647) ist schon dem Grunde nach nicht gegeben, da dieses einen mit dem Streitfall nicht zu vergleichenden Sachverhalt betraf: Der BFH hatte in dem benannten Urteil über den Zeitpunkt des Abzugs von Optionskosten bei Nichtausübung des Optionsrechts als vergebliche Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu entscheiden. Auch die (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2005, 1701) und des (EFG 2004, 907) betrafen andere Sachverhalte; sie befassten sich mit der steuerlichen Anerkennung von Spekulationsverlusten aus der Veräußerung von Optionsrechten vor dem und mithin vor Geltung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG. Die (abweichenden) Urteile des (EFG 2008, 299) und des (EFG 2006, 669) schließlich wurden durch die BFH-Urteile in BFH/NV 2009, 152 und in BFHE 219, 574, BStBl II 2008, 519 aufgehoben.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 869 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 13/2010 S. 955
XAAAD-39272