BFH Urteil v. - X R 46/06

Einheitliche Gesamtkonzeption bei einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft

Leitsatz

Im Rahmen der gewerbesteuerlichen Organschaft genügt es für die Annahme einer wirtschaftlichen Eingliederung, wenn die eigene gewerbliche Tätigkeit des herrschenden Unternehmens, die neben der Leitung des abhängigen Unternehmens ausgeübt wird, mit der Tätigkeit des abhängigen Unternehmens in einem wirtschaftlichen Zusammenhang dergestalt steht, dass sich beide Unternehmen als Teile einer wirtschaftlichen Einheit darstellen und die eigene gewerbliche Tätigkeit des herrschenden Unternehmens im Rahmen der wirtschaftlichen Einheit nicht von untergeordneter Bedeutung ist.

Eine einheitliche Gesamtkonzeption kann auch darin bestehen, dass Unternehmen, die verschiedenartigen Geschäftszweigen angehören, unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst werden, um einen Risikoausgleich zu erreichen.

Gesetze: GewStG § 2 Abs. 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1I. Streitig ist (neben weiteren einkommensteuerrechtlichen Streitpunkten), ob zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) und der H-GmbH (GmbH) eine gewerbesteuerliche Organschaft vorlag.

2Der Kläger war bis 1994 alleiniger Anteilsinhaber der GmbH und deren Geschäftsführer. Er war auch Inhaber der Einzelfirma H Vermögensverwaltung. Gegenstand dieses Unternehmens war die Errichtung, Einrichtung und anschließende Verpachtung eines Betriebsgebäudes an die GmbH. Zumindest seit 1988 wurden für die Vermögensverwaltung Bilanzen erstellt. Der Kläger bzw. die Einzelfirma vermietete vom bis zum das Grundstück X-Straße an die GmbH. Zwischen der Einzelfirma des Klägers und seiner GmbH bestand eine unechte Betriebsaufspaltung. Die Tätigkeit der GmbH wurde zum eingestellt. Die GmbH meldete im Januar 1995 die Liquidation an. Die Einzelfirma des Klägers führte die Verpachtung wegen der Liquidation der GmbH nicht mehr fort.

3Für die Streitjahre 1991 bis 1994 fand bei der Einzelfirma des Klägers und bei der GmbH eine Außenprüfung statt. Der Kläger legte eine Bilanz zum vor, die dessen früherer Steuerberater gefertigt hatte. Für die Stichtage , und wurden dem Außenprüfer keine Bilanzen und auch keine Inventarverzeichnisse vorgelegt. Der Kläger reichte stattdessen von ihm selbst gefertigte Hauptabschlussübersichten ein. Eine Bilanzanpassung an die Werte der durchgeführten Vorbetriebsprüfung für den Prüfungszeitraum 1986 und 1987 —abgeschlossen mit Außenprüfungsbericht vom — sowie eine Anpassung an die von dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) durchgeführten Berichtigungen 1988 bis 1990 nahm der Kläger nicht vor.

4Die Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1991 bis 1994 wurden nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung mit Steuerbescheiden vom entsprechend den Ergebnissen der Außenprüfung laut Außenprüfungsbericht vom geändert.

5Der Kläger legte mit Schreiben vom Einsprüche ein. Den Einsprüchen des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom teilweise stattgegeben, im Übrigen wurden die Einsprüche jedoch zurückgewiesen.

6Die vom Kläger erklärten bzw. vom FA festgesetzten Gewinne aus Gewerbebetrieb ergeben sich aus folgender Übersicht:

7


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahre
vom Kläger erklärt
Steuerbescheid aufgrund Erklärung  
Steuerbescheide vom  
Einspruchsentscheidung vom  
1991
13.909 DM
13.909 DM
527.460 DM
399.640 DM
 
 
 
()  
 
 
 
1992
./. 574.401 DM
./. 503.158 DM  
346.869 DM
326.335 DM
 
1993
./. 834.390 DM
./. 834.390 DM
177.870 DM
177.870 DM
 
 
 
()
   
 
 
1994
0 DM
0 DM
 
 
 
 
 
()
626.797 DM
174.048 DM
 

8Das FA setzte unter Zugrundelegung dieser Gewinne aus Gewerbebetrieb die einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge mit Einspruchsentscheidung vom für 1991 auf 1.296 DM, für 1992 auf 8.425 DM und für 1994 auf 666 DM fest. Der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag für 1993 blieb bei 151 DM. Im Rechtsbehelfsverfahren hat der Kläger am von ihm selbst gefertigte Bilanzen zum , , und zum als Erklärung zu einzelnen Sachverhalten sowie eine neu erstellte Sachkonten- und Saldenliste vorgelegt.

9Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das FA habe zu Recht die Voraussetzungen einer gewerbesteuerlichen Organschaft abgelehnt.

10Im Streitfall scheitere eine gewerbesteuerliche Organschaft zwischen der Firma H Vermögensverwaltung und der GmbH an der fehlenden wirtschaftlichen Eingliederung des Betriebsunternehmens in das Besitzunternehmen, denn der Handel mit Damenmoden der Betriebs-GmbH sei nicht wie eine Geschäftsabteilung in das Einzelunternehmen des Klägers eingegliedert worden.

11Überdies scheitere eine gewerbesteuerliche Organschaft daran, dass die Klägerseite weder einen schriftlichen Gewinnabführungsvertrag (§ 17 Satz 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes a.F.) vorgelegt hätte noch ein solcher den Akten zu entnehmen sei und die Gewinnabführung an das Einzelunternehmen mangels Verbuchung des Ergebnisses der GmbH tatsächlich nicht durchgeführt worden sei.

12Mit der Revision macht der Kläger geltend:

131. In den Streitjahren sei ein schriftlich abgeschlossener Gewinnabführungsvertrag nicht notwendig gewesen; das sei erst vom Erhebungszeitraum 2002 an der Fall gewesen.

142. Das angefochtene Urteil habe nicht die Grundsätze des (BFHE 118, 169, BStBl II 1976, 389) beachtet. Entscheidend sei allein die Leitungsmacht.

153. Die wirtschaftlich unterschiedlich strukturierten Geschäftsbetriebe zwischen Organgesellschaft und Organträger hätten (vorausschauend) der Risikostreuung gedient.

16Der Kläger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und bei der Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge und der Feststellung der vortragsfähigen Verluste das Vorliegen einer Organschaft sowie auch die Punkte, die Gegenstand des Verfahrens X R 45/06 sind, zu berücksichtigen.

17Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

18Das FG habe rechtsfehlerfrei das Vorliegen einer Organschaft verneint. Nach dem (BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751) müsse das beherrschte Unternehmen zweckfördernd in das Unternehmen der herrschenden Gesellschaft eingegliedert sein. Der Kläger habe offengelassen, wie im Streitfall die Gesamtkonzeption ausgesehen haben solle. Er habe versäumt, die tatsächlichen Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Eingliederung darzustellen.

19II. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das FG.

201. Hinsichtlich der einkommensteuerrechtlichen Streitpunkte für die Veranlagungszeiträume 1992 bis 1994, die sich auf die Höhe des Gewerbeertrags auswirken, wird auf das Urteil X R 45/06 vom heutigen Tage Bezug genommen.

212. Ob eine gewerbesteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes 1991GewStG—; dazu Blümich/ Obermeier, § 2 GewStG Rz 673 ff.) gegeben ist, kann der Senat auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht beurteilen.

22a) Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG muss die Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der Obergesellschaft eingegliedert sein (Blümich/ Obermeier, § 2 GewStG, Rz 674). Die wirtschaftliche Eingliederung ist gegeben, wenn die Organgesellschaft im Unternehmensaufbau des Organträgers wie eine unselbständige Betriebsabteilung eingeordnet ist (Blümich/Obermeier, § 2 GewStG Rz 689). Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung kann ein Besitzunternehmen nur ausnahmsweise Organträger sein (Blümich/ Obermeier, § 2 GewStG Rz 691, m.w.N.).

23b) Nach dem BFH-Urteil in BFHE 118, 169, BStBl II 1976, 389 gilt zur wirtschaftlichen Eingliederung Folgendes: „Beherrscht der Organträger nur eine Organgesellschaft, so muss, wenn eine wirtschaftliche Eingliederung angenommen werden soll, zur leitenden Tätigkeit in Bezug auf die Organgesellschaft eine andere gewerbliche Tätigkeit des Organträgers hinzukommen. In dieser gewerblichen Tätigkeit braucht aber, wie der BFH inzwischen klargestellt hat, nicht der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Konzerns zu liegen. Vielmehr genügt es, wenn die eigene gewerbliche Tätigkeit des herrschenden Unternehmens, die neben der Leitung des abhängigen Unternehmens ausgeübt wird, mit der Tätigkeit des abhängigen Unternehmens in einem wirtschaftlichen Zusammenhang dergestalt steht, dass sich beide Unternehmen als Teile einer wirtschaftlichen Einheit darstellen und die eigene gewerbliche Tätigkeit des herrschenden Unternehmens im Rahmen der wirtschaftlichen Einheit nicht von untergeordneter Bedeutung ist.”

24Eine einheitliche Gesamtkonzeption kann nach dieser Entscheidung auch darin bestehen, dass Unternehmen, die verschiedenartigen Geschäftszweigen angehören, unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst werden, um einen Risikoausgleich zu erreichen.

25c) Nach Maßgabe dieser Rechtslage hätte das FG prüfen müssen, ob der Kläger neben seinem „Verpachtungsunternehmen” tatsächlich —so wie vorgetragen— einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat. Zumindest hätte das FG dem Kläger aufgeben müssen, darzulegen, aufgrund welcher objektiv erkennbaren Umstände vom Bestehen der von ihm behaupteten Gesamtkonzeption auszugehen gewesen sei.

26d) Es ist darauf hinzuweisen, dass für ein gewerbesteuerliches Organschaftsverhältnis in den Streitjahren nicht zusätzlich der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags erforderlich war (, BFH/NV 1989, 192). Der Gesetzgeber hat dieses Erfordernis erst ab dem Erhebungszeitraum 2002 eingeführt (Blümich/Obermeier, § 2 GewStG, Rz 671).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 677 Nr. 4
StB 2010 S. 59 Nr. 3
DAAAD-37718