BVerwG Beschluss v. - 6 PB 35.09

Leitsatz

Leitsatz:

Der öffentliche Arbeitgeber verfügt nicht über einen Dauerarbeitsplatz für einen Jugendvertreter, wenn er eine im Zeitpunkt des Ausbildungsendes unbesetzte Stelle für einen Arbeitnehmer freihalten muss, der wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine Rente auf Zeit erhält.

Gesetze: BPersVG § 9

Instanzenzug: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 60 PV 15.08 vom VG Berlin, VG 62 A 19.08 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; Fachpresse: ja

Gründe

Die rechtzeitig eingegangenen Beschwerden der Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 91 Abs. 2 BlnPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG haben keinen Erfolg.

I. Dies gilt zunächst für die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2.

1. Die in Abschnitt 3a der Beschwerdebegründung erhobenen Divergenzrügen gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greifen nicht durch.

a) Nach der Senatsrechtsprechung gilt im Verfahren wegen Weiterbeschäftigung von Jugendvertretern - wie auch sonst im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren - der Untersuchungsgrundsatz. Daher haben die Gerichte den für die Beurteilung des Auflösungsbegehrens maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Dabei haben insbesondere der öffentliche Arbeitgeber als Antragsteller und die gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 BPersVG am Verfahren beteiligte Personalvertretung mitzuwirken. Die materielle Beweislast trifft den Arbeitgeber (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 P 3.05 - BVerwGE 124, 292 <306 f.> = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 25 Rn. 38 ff. und vom - BVerwG 6 PB 4.09 - [...] Rn. 5 ff.). Einen dazu in Widerspruch stehenden Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt.

b) Ob für den Jugendvertreter ein ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz zur Verfügung steht, bemisst sich dann nicht allein nach den in den Stellenplänen des öffentlichen Arbeitgebers ausgewiesenen Stellen, wenn bei diesem die Übung besteht, unbefristete Arbeitsverträge mit Absolventen der Ausbildung auch dann abzuschließen, wenn die Vergütung aus dem Gesamtbudget gesichert ist (vgl. BVerwG 6 P 5.98 - BVerwGE 109, 295 <298> = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 18 S. 3). Von diesem Rechtssatz ist das Oberverwaltungsgericht schon deswegen nicht abgewichen, weil nach seinen Feststellungen eine Übung, Teilzeitstellen und Stellenanteile in verschiedenen Ressorts zugunsten von Absolventen einer Berufsausbildung einzusetzen, bei der Antragstellerin jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt () nicht bestand (Beschlussabdruck S. 11). Eine Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, Stellenanteile zu vollen Arbeitsplätzen zusammenzuführen, die auf die Qualifikation des Jugendvertreters zugeschnitten sind, besteht nicht (vgl. BVerwG 6 PB 22.08 - [...] Rn. 4 ff.).

2. Mit der in Abschnitt 3b der Beschwerdebegründung erhobenen Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kommen die Beteiligten zu 1 und 2 ebenfalls nicht zum Zuge.

Sie wollen geklärt wissen, ob ein Dauerarbeitsplatz für die Besetzung mit einem Jugendvertreter zur Verfügung steht, wenn der Arbeitgeber die Stelle für einen Arbeitnehmer freihält, der wegen Erwerbsminderung eine befristete Rente erhält.

a) Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, weil die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts davon nicht abhängt.

aa) Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts waren zum hier maßgeblichen Zeitpunkt zwei Arbeitsplätze in den Blick zu nehmen, nämlich derjenige mit der Nr. 50107508, der für den Arbeitnehmer in Zeitrente freigehalten wurde, sowie derjenige mit der Nr. 50110791, der am mit einer Überhangkraft besetzt worden war (Beschlussabdruck S. 12 f.). Dass in der letztgenannten Fallgestaltung der Arbeitsplatz nicht für den Jugendvertreter zur Verfügung steht, ist in der Senatsrechtsprechung anerkannt (vgl. BVerwG 6 PB 6.09 - [...] Rn. 10 ff.). In dieser Hinsicht erheben die Beteiligten zu 1 und 2 keine Einwände (Abschnitt 3c der Beschwerdebegründung).

bb) Hinsichtlich des Arbeitsplatzes 50107508 kommt jedenfalls die Hilfsbegründung des Oberverwaltungsgerichts zum Tragen, wonach der Besetzung mit der Beteiligten zu 1 der am wirksame Einstellungsstopp entgegenstand (Beschlussabdruck S. 13 ff.). In dieser Hinsicht machen die Beteiligten zu 1 und 2 zwar ebenfalls Zulassungsgründe geltend. Solche liegen jedoch nicht vor, wie weiter unten (zu 3. bis 5.) zu zeigen sein wird.

b) Abgesehen davon hat die in Abschnitt 3b der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist eindeutig im Sinne des Oberverwaltungsgerichts zu beantworten, so dass es einer Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.

In der Senatsrechtsprechung ist bereits anerkannt, dass der öffentliche Arbeitgeber nicht über einen Dauerarbeitsplatz für den Jugendvertreter verfügt, wenn er eine im Zeitpunkt des Ausbildungsendes unbesetzte Stelle für eine aus dem Erziehungsurlaub zurückkehrende Mitarbeiterin freihalten muss. Ebenso wenig verstößt er gegen seine Weiterbeschäftigungspflicht aus § 9 BPersVG, wenn er vor Ausbildungsende einen Arbeitsplatz mit einer aus dem Erziehungsurlaub zurückkehrenden Mitarbeiterin besetzt (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 PB 16.07 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 30 Rn. 4 und vom - BVerwG 6 PB 4.09 - [...] Rn. 21). Entsprechendes gilt für Arbeitnehmerinnen, die aus der Elternzeit zurückkehren. Hintergrund ist, dass die - maximal auf drei Jahre bemessene (§ 15 Abs. 2 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes) - Elternzeit lediglich zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt und mit ihrem Ende die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten wieder aufleben (vgl. Linck, in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 13. Aufl. 2009, § 172 Rn. 19; Dörner, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2010, 170 § 15 Rn. 25).

Vergleichbar liegt es, wenn ein Arbeitnehmer wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine Rente auf Zeit erhält (§§ 43, 102 Abs. 2 SGB VI). In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum, für den die Rente auf Zeit gewährt wird (§ 33 Abs. 2 Satz 5 und 6 TV-L, §§ 1, 2 Anwendungs-TV Land Berlin i.V.m. § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 4 und 5 BAT). Auch in diesen Fällen muss der öffentliche Arbeitgeber einen Arbeitsplatz freihalten, so dass auf diesem Arbeitsplatz ein anderer Arbeitnehmer nur befristet beschäftigt werden kann. Hier kommt ebenfalls der Grundsatz zum Tragen, dass eine im Widerspruch zum Schutzgedanken des § 9 BPersVG stehende Benachteiligung nicht vorliegt, wenn der öffentliche Arbeitgeber lediglich gegenüber dem Stammpersonal seiner Weiterbeschäftigungspflicht nachkommt (vgl. BVerwG 6 PB 6.09 - [...] Rn. 11).

3. Die in Abschnitt 3d der Beschwerdebegründung erhobene Grundsatzrüge greift nicht durch.

Die Beteiligten zu 1 und 2 wollen geklärt wissen, ob die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters nach § 9 Abs. 2 BPersVG eine Außeneinstellung im Sinne von Nr. 10.1 der Verwaltungsvorschriften zur Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2008 (1. Haushaltswirtschaftsrundschreiben 2008 - 1. HWR 08) ist. Damit ist jedoch nicht die Auslegung einer Rechtsnorm angesprochen, wie dies für die Grundsatzrüge erforderlich ist, sondern die Handhabung einer Verwaltungsvorschrift. Diese ging beim Antragsteller im Haushaltsjahr 2008 jedenfalls bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt () dahin, die Besetzungssperre um ihre Weiterbeschäftigung ersuchenden Jugendvertretern in gleicher Weise entgegenzuhalten wie sonstigen Absolventen einer Berufsausbildung.

Angesichts dessen kann der Darstellung in Abschnitt 3d der Beschwerdebegründung allenfalls die Rechtsfrage entnommen werden, ob die vorbezeichnete Verwaltungspraxis des Antragstellers mit dem Schutzgedanken in § 9 BPersVG in Einklang steht. Dies wird in ständiger Senatsrechtsprechung unter der Voraussetzung bejaht, dass Ausnahmeregelungen in einer die Diskriminierung von Jugendvertretern ausschließenden Weise eng gefasst sind (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 PB 9.01 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 22 S. 21 f., vom - BVerwG 6 PB 1.07 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 28 und vom - BVerwG 6 PB 26.09 - [...] Rn. 8 f.).

4. Mit den Rügen in Abschnitt 3e der Beschwerdebegründung dringen die Beteiligten zu 1 und 2 ebenfalls nicht durch.

a) Sie wollen geklärt wissen, ob die Dienststelle in Bezug auf einen rechtswirksamen Einstellungsstopp stets verpflichtet ist, zugunsten des Jugendvertreters einen Ausnahmeantrag an die zuständige Stelle zu richten. Diese Frage ist anhand der Senatsrechtsprechung ohne Weiteres dahin zu beantworten, dass es auf sie nicht ankommt.

Nach Nr. 10.2 Abs. 1 Satz 1 des 1. HWR 08 ist, soweit in besonderen Ausnahmefällen ein unabweisbarer Bedarf besteht, eine Außeneinstellung vorzunehmen, weil ansonsten die Aufgabenerfüllung Berlins nicht sichergestellt wäre, ein entsprechender Ausnahmeantrag an die Senatsverwaltung für Finanzen zu richten. Ob der Jugendvertreter unter eine derartige Ausnahmeregelung fällt, unterliegt der gerichtlichen Überprüfung (vgl. Beschlüsse vom a.a.O. S. 22 und vom a.a.O. Rn. 4). Diese bezieht sich darauf, ob in der Person des Jugendvertreters im maßgeblichen Zeitpunkt die materiellen Ausnahmevoraussetzungen gegeben waren. War dies der Fall, so war die Stelle mit dem Jugendvertreter zu besetzen mit der Folge, dass sich der Auflösungsantrag des Arbeitgebers als unbegründet erweist. Ob die Ausbildungsdienststelle einen Ausnahmeantrag bei der zuständigen übergeordneten Dienststelle gestellt hat und wie dieser gegebenenfalls beschieden wurde, ist unerheblich.

b) Das Oberverwaltungsgericht ist nicht vom zitierten Senatsbeschluss vom abgewichen. Im Einklang damit hat es vielmehr angenommen, dass die Anwendung der Ausnahmevorschrift der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (Beschlussabdruck S. 16). Die Darstellung der gerichtlichen Überprüfung kann knapp ausfallen, wenn die Voraussetzungen für die Einbeziehung des Jugendvertreters in die Ausnahmeregelung offensichtlich nicht vorliegen (vgl. Beschluss vom a.a.O. Rn. 4). So ist das Oberverwaltungsgericht hier verfahren.

5. Schließlich bleiben die Rügen in Abschnitt 3f und g sowie 4 der Beschwerdebegründung ohne Erfolg. Weder sind die dort aufgeworfenen Rechtsfragen entscheidungserheblich, noch beruht der angefochtene Beschluss auf den behaupteten Abweichungen von der zitierten Senatsrechtsprechung.

Die vorbezeichneten Rügen knüpfen sämtlich an das Rundschreiben der Senatsverwaltung für Finanzen vom an, durch welches die Einstellungssperre im 1. HWR 08 zugunsten von Absolventen einer Berufsausbildung in eingeschränktem Umfang gelockert wurde. Das Oberverwaltungsgericht hat selbstständig tragend darauf abgestellt, dass der genannte Runderlass erst nach Ende der Ausbildung der Beteiligten zu 1 ergangen ist (Beschlussabdruck S. 18 Abs. 2 bis S. 19 Abs. 2). Zu dieser Begründung enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen, die den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes Rechnung tragen (§ 72a Abs. 3, § 92a Satz 2 ArbGG); eine entsprechende Darlegung vermag der Senat insbesondere den Ausführungen auf S. 12 Abs. 2 der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

Im Übrigen verhalten sich die Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu den inhaltlichen Aspekten des Rundschreibens vom , auf welche das Oberverwaltungsgericht im Rahmen von Hilfserwägungen eingegangen ist (Beschlussabdruck S. 17 Abs. 2 bis S. 18 Abs. 1 sowie S. 19 Abs. 3 bis S. 20 Abs. 1). Diese Hilfserwägungen können weggedacht werden, ohne dass sich an der Entscheidung etwas ändert.

II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 3, die sich im Wege der Grundsatzrüge auf den Gesichtspunkt der "Außeneinstellung" bezieht, bleibt aus den Gründen zu I.3. dieses Beschlusses ohne Erfolg.

Fundstelle(n):
IAAAD-35609