BFH Urteil v. - IV R 61/06

Keine Entnahme notwendigen Sonderbetriebsvermögens I einer Mitunternehmerschaft durch Buchungsakt; einheitlicher Aufgabeentschluss

Leitsatz

Ein im Eigentum eines oder mehrerer Mitunternehmer stehendes Wirtschaftsgut, das von der Mitunternehmerschaft genutzt wird, ist als Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft zu behandeln (sog. Sonderbetriebsvermögen I). Wird das Wirtschaftsgut ausschließlich von der Mitunternehmerschaft genutzt, ist es notwendiges Sonderbetriebsvermögen und kann ohne Nutzungsänderung nicht entnommen werden.
In diesem Sinne nutzt eine Mitunternehmerschaft auch ein von ihr im Rahmen ihres Betriebs an einen Dritten vermietetes Wirtschaftsgut. Ein solches untervermietetes Wirtschaftsgut ist deshalb notwendiges Sonderbetriebsvermögen I der Mitunternehmerschaft. Es kann folglich ebenso wie notwendiges Betriebsvermögen des Gesamthandsvermögens nicht durch Buchungsakt entnommen werden.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 1, EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, EStG § 16 Abs. 3

Instanzenzug: ,

Gründe

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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Rechtsnachfolger des während des Klageverfahrens verstorbenen X, der bis zu seinem Ausscheiden im Juni 2000 einer von vier Kommanditisten der beigeladenen KG war.

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Die KG hatte früher ein Reisebüro und einen Zeitungsverlag betrieben. Die Redaktion des Zeitungsverlags war in einem Gebäude auf dem der KG gehörenden Grundstück Y-straße 1 untergebracht. Verwaltung und Vertrieb der Zeitung erfolgten vom im Bruchteilseigentum der Kommanditisten stehenden Grundstück Y-straße 2.

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Im Streitjahr 1997 wurde der Zeitungsverlag unter gleichzeitiger Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots verkauft, allerdings ohne die zugehörigen Grundstücke. Diese wurden von der KG zunächst an den Erwerber vermietet. Im Jahresabschluss des Streitjahrs behandelte die KG die zwei bisherigen Verlagsgrundstücke als aus dem Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen entnommen. Den Gewinn fasste sie mit dem Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf des Verlags zusammen und sah den Gesamtbetrag von 2.986.926 DM als tarifbegünstigte Teilbetriebsaufgabe an.

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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, die Grundstücke seien Betriebsvermögen geblieben. Deshalb liege weder eine Teilbetriebsveräußerung noch eine Teilbetriebsaufgabe vor. Mit entsprechend geändertem Gewinnfeststellungsbescheid wurden die Einkünfte der Klägerin auf 2.227.205 DM, davon tarifbegünstigt 4.252 DM, festgestellt.

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Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 511 veröffentlicht.

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Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung von § 16 Abs. 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

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Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

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1. Die Voraussetzungen einer Teilbetriebsaufgabe sind nicht erfüllt. Auch wenn der Verlag die Voraussetzungen eines Teilbetriebs erfüllt haben sollte, fehlt es an einer Aufgabe dieses Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 EStG.

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a) Eine Betriebsaufgabe i.S. von § 16 Abs. 3 EStG liegt vor, wenn der Steuerpflichtige den Entschluss gefasst hat, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb als selbstständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen, und in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an verschiedene Abnehmer veräußert oder in das Privatvermögen überführt und dadurch die bei der Betriebseinstellung vorhandenen stillen Reserven in einem Zuge aufgedeckt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 122, 505, BStBl II 1977, 721; vom IV R 138/78, BFHE 134, 339, 343, BStBl II 1982, 381, und vom IV R 31/03, BFHE 212, 563, BStBl II 2006, 652). Diese Voraussetzungen gelten auch für die Aufgabe eines Teilbetriebs (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 209, 95, BStBl II 2005, 395, m.w.N.). Eine begünstigte Teilbetriebsaufgabe setzt danach voraus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des eingestellten Betriebsteils in einem einheitlichen Vorgang veräußert oder ins Privatvermögen überführt werden (, BFHE 216, 412, BStBl II 2009, 699).

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Als wesentliche Betriebsgrundlage sind im Rahmen des § 16 EStG alle entweder funktional oder quantitativ für den veräußerten Betrieb wesentlichen Wirtschaftsgüter anzusehen (, BFHE 184, 425, BStBl II 1998, 104; vom IV R 3/03, BFH/NV 2005, 879, und vom VIII R 79/05, BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863). Hinsichtlich der funktionalen Wesentlichkeit von Betriebsgrundstücken kann insbesondere auf die Grundsätze, die die neuere Rechtsprechung des BFH zum Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage im Rahmen der Betriebsaufspaltung entwickelt hat, zurückgegriffen werden (, BFHE 211, 312, BStBl II 2006, 176). Danach ist ein Grundstück für den Betrieb wesentlich, wenn es die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit bildet und es dem Unternehmen ermöglicht, seinen Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben (, BFHE 216, 559, BStBl II 2007, 524, m.w.N.). Demzufolge ist grundsätzlich jedes vom Betrieb genutzte Grundstück eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage, es sei denn, es ist im Einzelfall ausnahmsweise nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung für den Betrieb (vgl. , BFHE 214, 343, BStBl II 2006, 804, und vom IV R 78/06, BFHE 224, 428).

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b) Im Streitfall hat die KG bis auf die vom Verlag genutzten Grundstücke alle funktional oder quantitativ wesentlichen Wirtschaftsgüter des Verlagsbetriebs auf den Erwerber übertragen. Die betrieblich genutzten Teile der Grundstücke Y-straße 1 und 2 waren nicht von geringer Bedeutung für den Betrieb des Verlags, denn auf ihnen waren Redaktion, Verwaltung und Vertrieb der Zeitung untergebracht. Sie stellten deshalb beide zumindest funktional wesentliche Betriebsgrundlagen des Verlagsbetriebs dar. Davon ist auch das FG zu Recht ausgegangen. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Grundstücke abweichend von den von der KG für die Entnahme angesetzten Werten stille Reserven enthielten und deshalb auch quantitativ wesentlich waren.

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c) Es ist zweifelhaft, ob die Beurteilung durch KG, FA und FG, das im Eigentum der Kommanditisten stehende Grundstück (Y-straße 1) als Sonderbetriebsvermögen bei der KG zu behandeln, zutreffend ist. Das wäre nicht der Fall, wenn insoweit eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung bestanden hätte. Denn die der Betriebsgesellschaft überlassene wesentliche Betriebsgrundlage wird nach ständiger Rechtsprechung als Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft behandelt (grundlegend , BFHE 181, 1, BStBl II 1998, 325; aus neuerer Zeit z.B. , BFHE 218, 564, BStBl II 2008, 129). Für den Streitfall würde das bedeuten, dass das Grundstück Y-straße 1 nicht zum Betriebsvermögen der KG gehört hätte. Das Schicksal dieses Grundstücks wäre für die Beurteilung einer Teilbetriebsaufgabe der KG unbeachtlich.

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d) Letztlich kann die Existenz einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung aber deshalb offenbleiben, weil für die Teilbetriebsaufgabe zumindest das im Gesamthandseigentum der KG stehende Grundstück hätte entnommen oder veräußert werden müssen. Eine Veräußerung hat nach den Feststellungen des FG nicht stattgefunden. Entgegen der Auffassung des FG ist es auch nicht zu Grundstücksentnahmen gekommen.

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aa) Eine Entnahme setzt die Überführung des Wirtschaftsguts vom Betriebs- in das Privatvermögen voraus. Grundsätzlich kann auch ein zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft gehörendes Wirtschaftsgut entnommen werden, indem es für außerbetriebliche Zwecke eines oder mehrerer Gesellschafter eingesetzt wird. Das Wirtschaftsgut wechselt dann aus dem Betriebsvermögen in das notwendige Privatvermögen der Mitunternehmerschaft. Erfüllt das Wirtschaftsgut indessen nicht die Eigenschaft von notwendigem Privatvermögen, ist es notwendiges Betriebsvermögen; gewillkürtes gesamthänderisches Betriebsvermögen kann eine Mitunternehmerschaft nicht haben (, BFHE 138, 223, BStBl II 1983, 459; vom VIII R 61/96, BFH/NV 1999, 463). Dementsprechend besteht auch nicht die Möglichkeit, ein Wirtschaftsgut des Gesamthandsvermögens durch reinen Buchungsakt zu entnehmen (, BFH/NV 1990, 769).

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Ein im Eigentum eines oder mehrerer Mitunternehmer stehendes Wirtschaftsgut, das von der Mitunternehmerschaft genutzt wird, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH als Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft zu behandeln (sog. Sonderbetriebsvermögen I; ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt , BFHE 223, 386, BStBl II 2009, 303). Wird das Wirtschaftsgut ausschließlich von der Mitunternehmerschaft genutzt, ist es notwendiges Sonderbetriebsvermögen und kann ohne Nutzungsänderung nicht entnommen werden. In diesem Sinne nutzt eine Mitunternehmerschaft auch ein von ihr im Rahmen ihres Betriebs an einen Dritten vermietetes Wirtschaftsgut. Ein solches untervermietetes Wirtschaftsgut ist deshalb notwendiges Sonderbetriebsvermögen I der Mitunternehmerschaft (, BFHE 164, 540, BStBl II 1991, 800). Es kann folglich ebenso wie notwendiges Betriebsvermögen des Gesamthandsvermögens nicht durch Buchungsakt entnommen werden.

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bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass beide in Rede stehenden Grundstücke bzw. Grundstücksteile nicht entnommen worden sind. Beide Grundstücke wurden nach § 10 Abs. 2 des Vertrages vom von der KG an den Erwerber des Verlags vermietet. War das Grundstück Y-straße 1 entsprechend der bisherigen Handhabung Sonderbetriebsvermögen bei der KG, konnte es ebenso wie das zum Gesamthandsvermögen gehörende Grundstück nicht durch die Vermietung zu notwendigem Privatvermögen geworden und damit entnommen worden sein. Denn die Vermietung konnte auch im Rahmen des Betriebs erfolgt sein. Eine Entnahme durch reinen Buchungsakt war deshalb nicht möglich. Für seine entgegengesetzte Auffassung beruft sich das FG zu Unrecht auf das (BFHE 148, 32, BStBl II 1987, 113). In jenem Fall hatte der Einzelunternehmer die Aufgabe seines Betriebs erklärt und seine betriebliche Tätigkeit eingestellt. Das weiter vermietete ehemalige Betriebsgrundstück konnte danach nicht mehr Betriebsvermögen sein. Im Streitfall unterhielt die KG aber weiter einen Gewerbebetrieb, so dass die Grundstücke ihre Eigenschaft als Betriebsvermögen nicht zwangsweise verlieren mussten.

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cc) Eine Teilbetriebsaufgabe kommt auch dann nicht in Betracht, wenn man einen Zeitraum nach Auslaufen der Mietverträge einbezieht. Zwar kann sich eine Betriebsaufgabe über einen längeren Zeitraum erstrecken, innerhalb dessen alle wesentlichen Betriebsgrundlagen entnommen oder veräußert worden sein müssen. Alle Teilakte müssen dabei auf dem einheitlichen Aufgabeentschluss beruhen (vgl. , BFHE 193, 107, BStBl II 2003, 67). Selbst wenn hier nach Auslaufen der Mietverträge eine Entnahme oder Veräußerung stattgefunden hätte, würde dieser Vorgang auf einem neuen Entschluss beruhen und nicht mehr als Bestandteil des ursprünglichen Entschlusses anzusehen sein.

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2. Die Sache ist entscheidungsreif. Das FA hat mit dem angefochtenen Bescheid zutreffend einen nicht tarifbegünstigten Gewinn aus der Veräußerung des Verlags festgestellt. Dessen Höhe ist unter den Beteiligten nicht streitig. Konsequenterweise hat das FA außerdem die Einnahmen aus der Vermietung der Grundstücke als Betriebseinnahmen behandelt. Die Klage ist deshalb unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 404 Nr. 3
EStB 2010 S. 55 Nr. 2
StBW 2010 S. 54 Nr. 2
LAAAD-35177