BGH Beschluss v. - VI ZR 325/08

Leitsatz

[1] a) Nach allgemeinem Grundsatz macht sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu Eigen.

b) In der Nichtberücksichtigung eines Beweisergebnisses, das sich eine Partei als für sie günstig zu Eigen gemacht, kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegen.

Gesetze: GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug: LG Düsseldorf, 3 O 606/04 vom OLG Düsseldorf, 18 U 7/08 vom

Gründe

1.

Die Klägerin, die sich vom bis zum in zahnärztlicher Behandlung des Beklagten befand, hat diesen auf Rückzahlung von Honorar sowie auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage (nur) hinsichtlich eines Teils des Feststellungsantrags stattgegeben, weil die Versorgung der Frontzähne des Unterkiefers (Kronen 33 bis 43) behandlungsfehlerhaft erfolgt sei. Auf die Berufung hat das Oberlandesgericht der Klägerin zusätzlich Ersatz materiellen Schadens (Nachbehandlungskosten) sowie ein Schmerzensgeld von 5.000,00 EUR zuerkannt und den Feststellungsausspruch erweitert. Es hat, anders als das Landgericht, einen Behandlungsfehler nicht für erwiesen erachtet, eine Ersatzpflicht des Beklagten jedoch deshalb bejaht, weil dieser die ihm obliegende Pflicht zur therapeutischen Aufklärung hinsichtlich der Notwendigkeit regelmäßiger Pflege und regelmäßiger Kontrolle des Zahnersatzes verletzt und dadurch die Notwendigkeit der Nachbehandlung verursacht habe. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

2.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Dieses hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

a)

Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht die Höhe des der Klägerin zuerkannten Schadensersatzanspruchs (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB) aufgrund verfahrensfehlerhafter Tatsachenfeststellungen beurteilt hat.

Das Landgericht hat mit Beweisbeschluss vom die Einholung eines zahnmedizinischen Sachverständigengutachtens angeordnet und an den mit Beschluss vom bestellten Sachverständigen Dr. Dr. B. u.a. die Frage gerichtet, ob zur Sanierung des Gebisses der Klägerin die in dem von ihr vorgelegten Heil- und Kostenplan des Zahnarztes A. vom aufgeführten Maßnahmen mit voraussichtlichen Kosten in Höhe von 25.811,79 EUR ausgeführt werden müssen. Diese Frage hat der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom teilweise verneint und erklärt, die Maßnahmen gemäß diesem Heil- und Kostenplan müssten nicht ausgeführt werden. Der Heil- und Kostenplan habe sich und werde sich noch gravierend ändern. So sei ein Implantat an Stelle des Zahns 21 nicht erforderlich, weil dieser Zahn fest im Kieferknochen stehe. Im Unterkiefer seien nur zwei und nicht sechs Implantate gesetzt. Da die Folgekonstruktion etwas anders ausfalle, dürfte sich die Summe etwa um die Hälfte reduzieren.

Diese Ausführungen des Sachverständigen durfte das Berufungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung nicht mit der von ihm gegebenen Begründung unberücksichtigt lassen, dass der Beklagte erhebliche Einwendungen gegen die Richtigkeit und Angemessenheit des Heil- und Kostenplans nicht erhoben habe. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu Eigen macht (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 102/90 - VersR 1991, 467, 468 mit Anm. Jaeger). Gegen diesen allgemeinen Grundsatz hat das Berufungsgericht verstoßen. Es hat die Höhe des Ersatzanspruchs nämlich allein auf der Grundlage des von der Klägerin vorgelegten Heil- und Kostenplans bemessen, in dem jedoch Maßnahmen aufgeführt sind, die nach Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen teilweise gar nicht notwendig sind, so dass die für die Sanierung des Gebisses erforderlichen Kosten voraussichtlich deutlich unter dem von dem Zahnarzt A. genannten Betrag liegen werden.

Dafür, dass der Beklagte sich dieses für ihn günstige Beweisergebnis nicht wenigstens hilfsweise zu eigen gemacht hat, ist nichts ersichtlich. Das Berufungsgericht durfte dieses Beweisergebnis bei seiner Entscheidungsfindung deshalb nicht als unerheblich bewerten. Die Nichtberücksichtigung des für den Beklagten günstigen Beweisergebnisses bedeutet, dass das Berufungsgericht erhebliches Vorbringen des Beklagten übergangen und damit dessen verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.

b)

Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des Beweisergebnisses zu einer anderen Beurteilung der Höhe des der Klägerin zuerkannten Ersatzanspruchs gekommen wäre.

3.

Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, der im angefochtenen Urteil nicht erörterten Frage eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin nachzugehen, die das Landgericht bejaht hat. Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht auch die von dem Beklagten in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung aufgezeigten Bedenken gegenüber der Beweiswürdigung hinsichtlich der therapeutischen Aufklärung und der Absicht der Klägerin, die Behandlung durchführen zu lassen, zu berücksichtigen haben.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2010 S. 495 Nr. 7
UAAAD-34017

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja