BFH Urteil v. - X R 46/08

Vermögensvergleich und Einnahme-Überschussrechnung zwei gleichwertige Gewinnermittlungsmethoden; Wahl der Gewinnermittlungsart

Leitsatz

Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG ist die Regel.
Die Gewinnermittlungsarten Betriebsvermögensvergleich und Einnahmen-Überschussrechnung stehen nicht in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zueinander. Sie sind zwei unterschiedliche, aber grundsätzlich gleichwertige Gewinnermittlungsmethoden.
Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Grundform hat nur Bedeutung für die Frage, nach welcher Methode der Gewinn zu ermitteln ist, wenn der Steuerpflichtige keine (wirksame) Wahl für die eine oder andere Gewinnermittlungsart getroffen hat. In einem solchen Fall bleibt es bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich.
Derjenige, der keinen Gewinn ermitteln will, hat auch (durch schlüssiges Verhalten) keine Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten getroffen.
Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich erst dann wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und auf Grund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
Hat der Steuerpflichtige demgegenüber nur die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben aufgezeichnet, so hat er auf Grund dieser tatsächlichen Handhabung sein Wahlrecht im Sinne einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeübt. An die Dokumentation der Wahl zugunsten der Einnahmen-Überschussrechnung sind dabei keine hohen Anforderungen zu stellen.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 1, EStG § 4 Abs. 3, UStG § 22, GewStG § 7

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte im Streitjahr 1998 und in den Vorjahren neben Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus eigener Vermietungstätigkeit auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der Vermietungstätigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die er zusammen mit seinem Bruder gegründet hatte. Zum Gesellschaftsvermögen der GbR gehörten die Objekte L-Gasse, M-Str. und ab 1997 S-Str. in X-Stadt. Das Objekt M-Str., das die GbR am erworben hatte, wurde durch Teilungserklärung vom in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Durch Realteilung erhielt der Kläger im Jahr 1997 die Wohnungen Nr. 2, 3, 6, 7 und 10; am verkaufte er die Wohnungen Nr. 7 und 10.

Die Einkünfte der GbR aus Vermietung und Verpachtung stellte das Finanzamt . einheitlich und gesondert fest.

Am erwarb der Kläger das Mehrfamilienhaus E-Str. in X-Stadt. Für dieses Objekt erklärte er in den Jahren 1998 bis 2000 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Nach Aufteilung des Objekts in Eigentumswohnungen verkaufte er die Wohnung Nr. 9 am zu einem Kaufpreis von 665.000 DM. Die weiteren neun Wohnungen verkaufte er im Jahr 2001.

Das Gewerbe „Vermittlung von Immobilien”, dessen Gewinn der Kläger gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte, meldete er am zum ab. Am hatte er bereits das Anlagevermögen des Gewerbebetriebs veräußert. Daneben ist der Kläger Alleingesellschafter einer GmbH, deren Gegenstand der Erwerb, die Veräußerung und die Verwaltung von Grundbesitz ist.

Im Juli 2002 teilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) dem Kläger für das Jahr 1996 mit, im Hinblick auf den Verkauf der beiden Eigentumswohnungen in der M-Str. im Jahr 1997 und den Verkauf der Wohnung in der E-Str. im Jahr 1998 sei von einem gewerblichen Grundstückshandel auszugehen. Seine Einkünfte aus der GbR seien in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren. Das FA erhöhte die festgestellten Einkünfte um die Abschreibungen auf die Objekte und errechnete für 1996 gewerbliche Einkünfte von ./. 34.982 DM und für 1997 von ./. 23.380 DM. Am erließ das FA unter der Steuernummer .100. für 1996 und 1997 Gewerbesteuermessbescheide mit Messbeträgen von 0 DM sowie Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den und den , in denen es den vortragsfähigen Verlust auf 34.982 DM () und 58.362 DM () feststellte.

Für das Streitjahr 1998 erließ das FA für das Gewerbe „Immobilienvermittlung” am unter der Steuernummer .200. einen Gewerbesteuermessbescheid, in dem es bei einem Gewerbeertrag von ./. 2.723 DM einen Messbetrag von 0 DM festsetzte. Für den gewerblichen Grundstückshandel erging am für 1998 unter der Steuernummer .100. ein Gewerbesteuermessbescheid, in dem das FA unter Ansatz eines Gewinns aus Gewerbebetrieb von 368.297 DM einen Messbetrag von 13.610 DM festsetzte. Nach Einspruch verminderte das FA den Gewinn aus Gewerbebetrieb um weitere Anschaffungskosten für das Objekt E-Str. von 83.098 DM sowie um 1.876 DM im Zusammenhang mit dem Objekt M-Str. Es berücksichtigte zudem den zum festgestellten Gewerbeverlust von 58.362 DM und setzte den Messbetrag für 1998 auf 6.445 DM fest. Ferner erließ das FA einen Feststellungsbescheid des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den mit einem verbleibenden Betrag von 0 DM.

Im finanzgerichtlichen Verfahren verständigten sich die Beteiligten rein rechnerisch auf einen Gewerbeertrag für 1998 in Höhe von 233.583 DM (gewerblicher Gewinn 260.033 DM abzüglich einer Gewerbesteuerrückstellung von 26.450 DM). In diesem Zusammenhang behielt sich der Kläger ausdrücklich vor, dass der Kaufpreis für die Wohnung E-Str. gemäß § 4 Abs. 3 EStG erst im Jahr 1999 zu erfassen sei. Das FA änderte am den Gewerbesteuermessbescheid für 1998 entsprechend der tatsächlichen Verständigung. Den Kaufpreis für die Wohnung E-Str. bezog es ein.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das FA habe den am dem Konto des Klägers gutgeschriebenen Kaufpreis in Höhe von 665.000 DM für die am verkaufte Eigentumswohnung in der E-Str. bei der Berechnung des Gewinns aus Gewerbebetrieb im geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 1998 vom zu Recht berücksichtigt. Zwar sei der Kläger weder nach § 141 der Abgabenordnung (AO) noch nach §§ 1, 238 des Handelsgesetzbuchs in der ab geltenden Fassung zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG verpflichtet. Gleichwohl sei im Streitfall der Gewinn des gewerblichen Grundstückshandels des Klägers für 1998 nach der „Grundregel” des § 4 Abs. 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich und nicht nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Gewinnermittlung bei gewerblichem Grundstückshandel setze die wahlweise Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG voraus, dass das Wahlrecht zu Beginn des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werde, wobei dem Steuerpflichtigen bewusst sein müsse, Gewinneinkünfte zu erzielen. Fehle es an einer Wahl für § 4 Abs. 3 EStG, sei der Gewinn bei einem gewerblichen Grundstückshandel nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG ggf. zu schätzen.

Im Streitfall lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger die Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG gewählt habe. Die Berechnung der Überschusseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowohl beim Kläger als auch bei der GbR sei keine Wahl der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Dem Kläger sei auch nicht bekannt gewesen, dass er Gewinneinkünfte gemäß § 15 EStG erzielt habe. Noch im Einspruchsverfahren habe er die Voraussetzungen des gewerblichen Grundstückhandels bestritten.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er trägt sinngemäß vor, bei nachträglicher Feststellung der Gewerblichkeit eines Grundstückhandels könne das Wahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG noch nach Ende des Gewinnermittlungszeitraums wirksam ausgeübt werden.

Er beantragt,

das Urteil des FG sowie den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid für 1998 in Gestalt des Änderungsbescheids vom aufzuheben und den Gewerbesteuermessbetrag für 1998 ohne Berücksichtigung des erst im Jahr 1999 zugeflossenen Kaufpreises für die Eigentumswohnung E-Str. in Höhe von 665.000 DM festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Die vom FG festgestellten Tatsachen tragen nicht dessen Entscheidung, dass der Gewinn des Streitjahres nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 EStG zu schätzen sei.

1. Nach den Feststellungen des FG —und zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich unstreitig— unterhielt der Kläger im Streitjahr 1998 einen Gewerbebetrieb als gewerblicher Grundstückshändler. Streitig zwischen Kläger und FA ist allein, ob der Gewinn aus gewerblichem Grundstückshandel nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG oder nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln ist.

2. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG müssen Gewerbetreibende, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln. Trifft sie eine solche Verpflichtung nicht und führen sie keine Bücher und machen sie keine Abschlüsse, können sie nach § 4 Abs. 3 EStG als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.

a) Aus Wortlaut und Systematik dieser gesetzlichen Regelung folgt nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Urteil vom IV R 57/07, BFH/NV 2009, 1298, BFHE 224, 513, BStBl II 2009, 659 m.w.N.), dass die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG die Regel ist. Daran ist trotz der im Schrifttum teilweise erhobenen Einwände (z.B. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach —HHR—, Vor §§ 4 bis 7 EStG Rz 13; ders., Finanz-Rundschau —FR— 1998, 233, 245; Drüen, Deutsches Steuerrecht —DStR— 1999, 1589, 1594) festzuhalten. Denn gemäß § 4 Abs. 1 EStG „ist” Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Demgegenüber „können” nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG Steuerpflichtige als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Es kommt hinzu, dass Steuerpflichtige die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht frei wählen können. Vielmehr ist die Einnahmen-Überschussrechnung nur unter den im Gesetz im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dies spricht auch in systematischer Hinsicht für den Betriebsvermögensvergleich als Grundform der Gewinnermittlung.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Gewinnermittlungsarten in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zueinander stünden. Vielmehr sind Bestandsvergleich und Einnahmen-Überschussrechnung zwei unterschiedliche, aber grundsätzlich gleichwertige Gewinnermittlungsmethoden (HHR/Bergkemper, § 4 EStG Rz 504; Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz D 3). Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Grundform hat vielmehr nur Bedeutung für die Frage, nach welcher Methode der Gewinn zu ermitteln ist, wenn der Steuerpflichtige keine (wirksame) Wahl für die eine oder andere Gewinnermittlungsart getroffen hat (vgl. Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 133). In einem solchen Fall bleibt es bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1298, m.w.N.).

b) Nach dieser Rechtslage haben nicht buchführungspflichtige Steuerpflichtige, die auch freiwillig keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, das Recht, zwischen der Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG und nach § 4 Abs. 3 EStG zu wählen.

aa) Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich —wie in § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG ausdrücklich angesprochen— erst dann wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und auf Grund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1298, m.w.N.). Maßgeblich ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung (, BFHE 193, 436, BStBl II 2001, 102, unter 2.a der Gründe).

bb) Hat der Steuerpflichtige demgegenüber nur die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben aufgezeichnet, so hat er auf Grund dieser tatsächlichen Handhabung sein Wahlrecht im Sinne einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeübt (, BFH/NV 1999, 1195). An die Dokumentation der Wahl zugunsten der Einnahmen-Überschussrechnung sind dabei keine hohen Anforderungen zu stellen. Schon das Erstellen und Sammeln der Einnahmen- und Ausgabenbelege reicht aus; denn diese Belege können bei Erfüllung nur geringer zusätzlicher Voraussetzungen (insbesondere bei vollständiger und zeitlich fortlaufender Ablage, verbunden mit einer regelmäßigen Summenziehung) die Funktion von Grundaufzeichnungen übernehmen.

Fehlt es allerdings auch daran, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Steuerpflichtige eine Wahl zugunsten der Überschussrechnung getroffen hat (, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, und vom X R 192/93, BFH/NV 1995, 587). Zwar macht § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG die Ausübung des Wahlrechts nicht von irgendwelchen Dokumentationen abhängig (, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481). Die Frage nach der Wahl der Gewinnermittlungsart darf auch nicht mit der nach der Ordnungsmäßigkeit der Gewinnermittlung verwechselt werden. Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erfordert aber, dass die zur Wahl berechtigten Steuerpflichtigen als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben „ansetzen”. Soll dieses „Ansetzen” nicht nur ein „Schätzen” sein, müssen die Steuerpflichtigen für die Wahl der Einnahmen-Überschussrechnung folglich jedenfalls gewisse Mindestanforderungen wie das Sammeln bzw. Erstellen von Einnahmen- und Ausgabenbelegen erfüllen. Vor allem aber sind gewerblich tätige Steuerpflichtige —wie auch der Kläger im Streitfall— nach § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) regelmäßig verpflichtet, bestimmte Aufzeichnungen über (vereinbarte bzw. vereinnahmte) Entgelte für ausgeführte (bzw. noch nicht ausgeführte) Leistungen und über Entgelte für (steuerpflichtige) Leistungen zu führen, die an sie für ihr Unternehmen ausgeführt worden sind. § 22 UStG wirkt auch für die Einkommensteuer (BFH-Urteile in BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481, und vom VII R 90/91, BFH/NV 1993, 346, m.w.N.).

3. Im Streitfall war der Kläger auf der Grundlage der nicht angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) gesetzlich (§§ 140, 141 AO) nicht verpflichtet, Bücher zu führen; er hat auch freiwillig weder Bücher geführt noch Abschlüsse gemacht. Ihm stand deshalb grundsätzlich das Wahlrecht zu, den Gewinn durch Vermögensvergleich oder durch Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln.

Nach den oben dargelegten Maßstäben hat der Kläger sein Wahlrecht im Streitfall nicht zugunsten des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG ausgeübt. Denn er hat keine Eröffnungsbilanz aufgestellt, keine kaufmännische Buchführung eingerichtet und keinen Abschluss gemacht. Ob der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt seit Eröffnung seines Gewerbebetriebs „gewerblicher Grundstückshandel” wirksam die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung gewählt hat, kann der Senat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen.

a) Der Kläger hat für das Streitjahr und die Vorjahre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Er hat folglich keine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, sondern eine Einnahmen-Überschussrechnung zur Ermittlung der Einkünfte gemäß § 21 EStG vorgelegt. Selbst wenn der Kläger —was das FG von seinem Standpunkt aus zu Recht nicht festgestellt hat— zur Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Einnahmen (§ 8 EStG) und die Werbungskosten (§ 9 EStG) aufgezeichnet oder zumindest die Einnahmen- und Ausgabenbelege erstellt bzw. gesammelt hätte, reichte dies allein zur Ausübung des Wahlrechts zugunsten der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht aus (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1298, m.w.N.).

Zwar gehört zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung des nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG eingeräumten Wahlrechts weder die Kenntnis aller steuerlichen Folgen der einmal getroffenen Wahl noch das Bewusstsein, überhaupt eine Wahl zu treffen (, BFH/NV 1986, 158). Derjenige, der keinen Gewinn ermitteln will, hat nach ständiger Rechtsprechung des BFH aber auch (durch schlüssiges Verhalten) keine Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten getroffen (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1298, m.w.N.). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat ebenfalls fest. Denn fehlt es am Willen, Gewinn zu ermitteln, ist eine Wahl zwischen verschiedenen Gewinnermittlungsarten ausgeschlossen (, BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301).

Selbst wenn man das „Wahlrecht” zur Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG als ein auf der Tatbestandsebene angesiedeltes Gestaltungsrecht ansieht (vgl. z.B. Drüen, DStR 1999, 1589, 1593), ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Soweit hiernach allein die Art der Aufzeichnungen die Art der Gewinnermittlung bestimmt, fehlt es an der Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben bei Steuerpflichtigen, die keinen Gewinn, sondern Überschusseinkünfte ermitteln (wollen). Denn solche Steuerpflichtigen zeichnen —wenn überhaupt— Einnahmen (§ 8 EStG) und Werbungskosten (§ 9 EStG) auf. Sollen Aufzeichnungen (oder Belegsammlungen) über Einnahmen und Werbungskosten die Wahl einer Gewinnermittlungsart dokumentieren, bedarf es daher insoweit ebenfalls einer entsprechenden (auch konkludenten) Willensäußerung des Steuerpflichtigen. Andernfalls würde durch die bei der Ermittlung der Überschusseinkünfte allein in Betracht kommende Aufzeichnung der Einnahmen und Werbungskosten die Wahl der Einnahmen-Überschussrechnung —ggf. auch zu Lasten des Steuerpflichtigen— unterstellt. Dem Steuerpflichtigen kann es aber durchaus gelegen sein, wenn sein Gewinn nicht gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, sondern nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 EStG geschätzt wird.

b) Hat der Kläger hiernach (zunächst) weder die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich noch durch Einnahmen-Überschussrechnung gewählt, steht damit indessen noch nicht fest, dass er sein Wahlrecht nicht auch noch nachträglich wirksam ausüben konnte.

Der BFH hat in seiner neueren Rechtsprechung hervorgehoben, dass das Wahlrecht zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 3 EStG nicht buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen prinzipiell unbefristet zusteht (, BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509). Formal wird das Wahlrecht hiernach allein durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung bzw. Feststellung begrenzt. Dies entspricht im Ergebnis auch der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (z.B. HHR/Bergkemper, § 4 EStG Rz 552; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 134 ff.; Frotscher in Frotscher, EStG, 6. Aufl., § 4 Rz 19; Korn in Korn, § 4 EStG Rz 500; Kanzler, FR 1998, 233, 245; Drüen, DStR 1999, 1589; Drüen/ Krumm, FR 2004, 685; Hofer, DStR 2000, 1635; Schoor, Steuern und Bilanzen 2005, 341; ders., Deutsche Steuer-Zeitung 2006, 683; Gluth, Der Einfluss von Wahlrechten auf die Entstehung des Steueranspruchs, 1997, S. 24 ff.).

Wie der IV. Senat des BFH tritt der erkennende Senat der vom XI. Senat im Urteil in BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509 vertretenen Auffassung bei. Das Gesetz bestimmt an keiner Stelle eine Frist für die Ausübung des Wahlrechts (HHR/Bergkemper, § 4 EStG Rz 549, 552; Offerhaus, Betriebs-Berater 1977, 1493, 1495). Auch der Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG spricht für diese Rechtsansicht. Denn danach entfällt für nicht buchführungspflichtige Steuerpflichtige das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erst mit der Erstellung des Abschlusses, nicht hingegen bereits mit der Einrichtung der Buchführung (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1298, m.w.N.). Den Abschluss erstellt der Steuerpflichtige jedoch erst nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums. Daraus folgt, dass die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten auch erst durch den Abschluss und folglich nicht bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres ausgeübt wird (Drüen, DStR 1999, 1589, 1592; Gluth, a.a.O., S. 25).

Dem mit der Einnahmen-Überschussrechnung verfolgten Vereinfachungszweck (vgl. dazu , BFHE 70, 499, BStBl III 1960, 188) wird diese Auffassung ebenfalls gerecht. Denn der Steuerpflichtige kann durch die Wahl der Einnahmen-Überschussrechnung auf die Erstellung des Abschlusses verzichten, selbst wenn er zuvor schon eine Buchführung eingerichtet hat (HHR/Bergkemper, § 4 EStG Rz 552). Für das FA ist insoweit nur von Bedeutung, dass es nach der Wahl der Einnahmen-Überschussrechnung durch den Steuerpflichtigen diese auch erhält. Es kommt hinzu, dass die Verwendung der elektronischen Datenverarbeitung eine Angleichung der Buchführung bei den beiden Gewinnermittlungsarten bewirkt hat. Vielfach kann durch entsprechende Schlüsselung bei Abschluss der Buchführung sowohl ein Bestandsvergleich als auch eine Überschussrechnung entwickelt werden.

c) Die formale Beschränkung der Ausübung des Wahlrechts durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung bedeutet indessen nicht, dass der Steuerpflichtige die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten stets solange treffen darf, wie sich ihr Ergebnis steuerlich auswirken kann. Denn das Wahlrecht wird in materiell-rechtlicher Hinsicht auch durch die in § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Voraussetzungen beschränkt. So kommt die Wahl der Überschussrechnung nach Erstellung des Abschlusses nicht mehr in Betracht (BFH-Urteil Urteil in BFH/NV 2009, 1298, m.w.N.). Ebenso scheidet die Wahl der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich aus, wenn der Steuerpflichtige nicht zeitnah zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums eine Eröffnungsbilanz aufgestellt und eine kaufmännische Buchführung eingerichtet hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1298, m.w.N.). Die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten kann außerdem durch die Bindung des Steuerpflichtigen an eine für ein vorangegangenes Wirtschaftsjahr bereits getroffene Wahl ausgeschlossen sein (vgl. BFH-Urteil in BFHE 193, 436, BStBl II 2001, 102).

4. Im Streitfall hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger vor Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG begehrt hat; auf die Einkommensteuerfestsetzung ist abzustellen, weil der Gewerbeertrag nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes auf dem nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermittelnden Gewinn aus Gewerbebetrieb basiert. Die nicht spruchreife Sache ist daher an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu untersuchen haben, ob der Kläger vor Bestandskraft zumindest die Minimalanforderungen für eine Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG erfüllt hat. Hierfür kann evtl. eine vom Kläger mit der Einkommensteuererklärung eingereichte Überschussrechnung hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sprechen, wenn der Kläger die Einnahmen und Ausgaben aufgezeichnet oder zumindest die Einnahmen- und Ausgabenbelege gesammelt hat. Dabei stünde es der Wahl der Einnahmen-Überschussrechnung nicht entgegen, wenn einzelne Aufzeichnungen oder Belege fehlen sollten. Denn dies beträfe nur die Ordnungsmäßigkeit der Gewinnermittlung, nicht aber die Wahl der Gewinnermittlungsart als solche (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1298). Zu klären ist ferner, ob der Kläger die Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG erfüllt hat. Dies spräche für das Vorliegen der Minimalanforderungen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG.

Sofern das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die Minimalanforderungen an eine Einnahmen-Überschussrechnung erfüllt sind, ist der Gewinn des Klägers nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Sollte der Kaufpreis für die am verkaufte Eigentumswohnung in der E-Str. dem Konto des Klägers erst im Jahr 1999 gutgeschrieben worden sein, wäre der Veräußerungserlös nicht im Streitjahr 1998, sondern vielmehr im Erhebungszeitraum 1999 bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags zu berücksichtigen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 186 Nr. 2
EStB 2010 S. 12 Nr. 1
HFR 2010 S. 166 Nr. 2
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2010 S. 593
RAAAD-33114