BFH Beschluss v. - III B 66/07

Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; Kindergeld: Begründung eines inländischen Wohnsitzes bei Studium im Ausland

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, EStG § 32, AO § 8

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein russischer Staatsangehöriger, lebte mit seiner Ehefrau und zwei Kindern seit Juli 2001 in Deutschland. Für seine im Jahr 1986 geborene Tochter (T), die am nachkam, gewährte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) Kindergeld ab August 2001.

Den Antrag des Klägers, für T über die Vollendung des 18. Lebensjahres im April 2004 hinaus Kindergeld zu gewähren, lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom ab, weil T nicht in einer Schul- bzw. Berufsausbildung stehe und auch keine Nachweise vorlägen, dass sie sich um einen Ausbildungsplatz bemühe. Der Einspruch blieb erfolglos.

Im Klageverfahren legte der Kläger dar, seine Tochter habe die 11. Klasse des Gymnasiums im Juli 2003 abgeschlossen und sich Anfang 2004 um einen Studienplatz beworben. Die Bewerbung habe wegen der fehlenden Hochschulreife keinen Erfolg gehabt. Sie habe daher am mit einer Universität in X (Russland) einen bis zum geltenden Studienvertrag geschlossen und dort ab September 2004 ein Studium der Psychologie mit einer Regelstudienzeit von fünf Jahren aufgenommen. Sie halte sich aber lediglich zu Studienzwecken in X (Russland) auf. In den Semesterferien wohne sie im elterlichen Haus, wo sie noch ein eingerichtetes Zimmer habe. Nach vier Semestern plane sie, ihr Studium in Z (Deutschland) fortzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus, dem Kläger stehe ab Mai 2004 kein Kindergeld mehr zu, da T ab diesem Zeitpunkt im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Nur kurzfristige Aufenthalte im Elternhaus von zwei bis drei Wochen im Jahr genügten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH— (Urteil vom VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294) nicht, um einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu begründen. Die Aufenthalte von T in Deutschland, soweit sie der Kläger glaubhaft gemacht habe, seien so kurz gewesen, dass sie nur Besuchscharakter hätten haben können. Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände sei auch zu berücksichtigen, dass T russische Staatsangehörige sei, erst im Alter von 15 Jahren nach Deutschland gezogen sei und nach knapp drei Jahren ihr Studium in X (Russland) aufgenommen habe. Der Kläger habe auch keine Unterlagen vorgelegt, die Bemühungen für einen Wechsel an die Universität in Z (Deutschland) belegen könnten.

Das Urteil des FG wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ging beim BFH aber erst am nach Ablauf der Beschwerdefrist ein.

Nach Hinweis auf den verspäteten Eingang beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Versäumung der Frist beruhe auf einem Büroversehen. Die für die Fristberechnung zuständige Kanzleiangestellte habe die Frist zutreffend berechnet, aber als Datum des Fristablaufs versehentlich nicht den , sondern den in den Fristenkalender eingetragen. Er fügte eine eidesstattliche Erklärung der Kanzleiangestellten bei.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wird vorgetragen, die Revision sei zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das Urteil der Vorinstanz weiche von dem (Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 219) ab, in dem ausgeführt werde, es könnten zwei Wohnsitze nebeneinander bestehen. Allein aus der räumlichen Trennung von den Eltern während eines Studiums im Ausland und aus der mehrjährigen Dauer des Auslandsaufenthalts könne nicht auf die Aufgabe des Wohnsitzes geschlossen werden. Im Streitfall habe das FG dagegen entschieden, bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichten kurzzeitige Besuche bei den Eltern nicht aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandwohnsitzes anzunehmen.

II. Es kann dahinstehen, ob wegen der versäumten Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) zu gewähren ist. Denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) liegen nicht vor.

Unterschiedliche Rechtsauffassungen der FG können zwar ein Zulassungsgrund sein (vgl. , BFH/NV 2008, 1215), aber nur dann, wenn es zu den unterschiedlich beantworteten Rechtsfragen noch keine gefestigte Rechtsprechung des BFH gibt (vgl. auch , BFH/NV 2007, 1104). Beruht das angefochtene FG-Urteil wie im Streitfall auf den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung, rechtfertigt die Abweichung von dem Urteil eines anderen FG die Zulassung der Revision nicht (, BFH/NV 2004, 1214).

Der BFH hat bereits mehrfach die Rechtsgrundsätze dargelegt, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das im Ausland studiert, seinen inländischen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung) beibehält (z.B. , BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887; vom III R 57/93, BFH/NV 1995, 967; vom VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, und in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294; Senatsbeschluss vom III B 50/07, BFH/NV 2007, 1907, jeweils m.w.N.). Das angefochtene FG-Urteil beruht auf dieser BFH-Rechtsprechung. Das FG hat seine Entscheidung insbesondere auf das BFH-Urteil in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294 gestützt.

2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Alternative 1 FGO).

Ob ein Kind im Einzelfall seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, hat das FG unter Anwendung der Rechtsgrundsätze der BFH-Rechtsprechung nach den Umständen des einzelnen Falles zu beurteilen. Das gilt auch für die Entscheidung, ob ein Kind, das sich während der Semesterferien in der Wohnung der Eltern im Inland aufhält, dort einen (weiteren) Wohnsitz hat oder diese Aufenthalte lediglich Besuchscharakter haben. Der Entscheidung des FG als Tatsacheninstanz kommt insoweit keine grundsätzliche Bedeutung zu (Senatsbeschluss vom III B 67/05, BFH/NV 2006, 1255).

3. Im Kern wendet sich der Kläger mit seinen Ausführungen gegen die materielle Rechtmäßigkeit des FG-Urteils. Dies vermag die Zulassung der Revision nicht zu begründen.

Fundstelle(n):
HAAAD-24067