BFH Beschluss v. - V K 1/07

Auslegung einer Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluss des BFH; Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Vertretung

Gesetze: FGO § 134, ZPO § 578, ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 4

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kostenschuldnerin und Antragstellerin (Antragstellerin) hat durch ihren Prozessbevollmächtigten gegen Kostenrechnungen der Gerichtskasse des „Beschwerde” eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die betreffenden Verfahren seien ohne von ihr gestellte Anträge in Gang gesetzt worden.

Das FG hat den Beschwerden nicht abgeholfen, weil gemäß § 66 des Gerichtskostengesetzes (GKG) gegen den Kostenansatz allein die Erinnerung, nicht aber die Beschwerde statthaft sei. Von einer Umdeutung hat es unter Bezugnahme auf den (juris) abgesehen. Danach könne die als Beschwerde bezeichnete Eingabe regelmäßig nicht in einen anderen Rechtsbehelf umgedeutet werden, wenn sie —wie hier— von einem rechtskundig vertretenen Beteiligten abgegeben worden sei. Hinzu komme, dass sich die Antragstellerin in anderen Verfahren ausdrücklich gegen eine vom FG vorgenommene Umdeutung unzulässiger Rechtsmittel gewandt habe.

Die entsprechenden Beschwerden der Antragstellerin gegen die Kostenrechnungen der Gerichtskasse vom 1 K 471/02, 1 K 1222/05, 1 K 1228/05, 1 K 1229/05 und 1 K 1231/05 hat der Senat mit Beschluss vom V B 144-148/07 (juris) als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass er die Rechtsbehelfe der Antragstellerin gegen die Kostenrechnungen vom entsprechend deren ausdrücklichen Bezeichnung als „Beschwerde” verstehe. Das FG habe zu Recht eine Umdeutung der Rechtsbehelfsbegehren in eine Erinnerung nach § 66 Abs. 1 GKG abgelehnt. Umdeutungen von Prozesserklärungen in einen anderen Rechtsbehelf, wenn sie —wie im Streitfall— von einem rechtskundig vertretenen Beteiligten abgegeben worden seien, seien regelmäßig nicht in Betracht zu ziehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 28/70, BFHE 100, 83, BStBl II 1970, 813; vom X B 210/92, BFH/NV 1994, 382; vom V B 156/98, BFH/NV 1999, 1119, und vom VII B 289/06, juris).

Mit ihrem als „Nichtigkeitsklage” bezeichneten Rechtsbehelf gegen den Beschluss des Senats vom V B 144-148/07 macht die Antragstellerin nunmehr u.a. geltend, es liege ein Nichtigkeitsgrund gemäß § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 579 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) vor, weil das FG ohne Antragstellung tätig geworden sei und in einem durch übereinstimmende Erledigungserklärung abgeschlossenen Verfahren Beschlüsse erlassen habe. Der angefochtene Beschluss sei zudem, weil er in seiner Begründung einem Beschluss des I. Senats vom (I B 116-122/07, juris) folge, von einem für dieses Verfahren V B 144-148/07 unzuständigen Senat, nämlich dem I. Senat erlassen worden. Zudem hätte der Beschluss nicht ergehen dürfen, weil das aus ihrer Sicht richtigerweise als Beschwerdegegner zu beteiligende Finanzamt (FA) „in das Verfahren nicht einbezogen” gewesen sei.

Die Antragstellerin beantragt, „festzustellen”, dass der „nichtig ist oder zumindest gegenüber den Parteien keine Rechtskraft entfaltet” sowie den Beschluss aufzuheben.

II. A. Die „Nichtigkeitsklage” ist —da sie sich nicht auf ein Urteil i.S. von § 578 Abs. 1 ZPO bezieht— als Antrag zu verstehen, den angegriffenen Beschluss entsprechend § 134 FGO i.V.m. § 579 ZPO für nichtig zu erklären (vgl. , juris, m.w.N.).

B. Der Antrag ist entsprechend § 134 FGO i.V.m. § 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Die Nichtigkeitsklage findet gemäß § 579 Abs. 1 ZPO statt:

1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;

2. wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war; sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;

3. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;

4. wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

Mit der Nichtigkeitsklage können Anfechtungsgründe, durch die eine dem angefochtenen Urteil vorausgegangene Entscheidung derselben oder einer unteren Instanz betroffen wird, geltend gemacht werden, sofern das angefochtene Urteil auf dieser Entscheidung beruht (§ 583 ZPO).

Gemäß § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form (§ 587 ZPO) und Frist (§ 586 ZPO) erhoben sei. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen (§ 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Die Zulässigkeit eines Nichtigkeitsantrages erfordert die schlüssige Behauptung eines Nichtigkeitsgrundes i.S. des § 579 Abs. 1 ZPO (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252; vom IV S 2-5/92, BFH/NV 1997, 301).

Die Antragstellerin hat entgegen § 134 FGO, § 583 ZPO keine Nichtigkeitsgründe i.S. des § 579 Abs. 1 ZPO schlüssig dargetan.

Die von der Antragstellerin geltend gemachten inhaltlichen Parallelen der Senatsbeschlüsse zu Beschlüssen anderer Senate des BFH führen unter keinen denkbaren Umständen dazu, dass das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (§ 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Darüber hinaus kann sich die Antragstellerin auf den ferner geltend gemachten Vertretungsmangel auf der Prozessgegenseite im Rahmen des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO schon deshalb nicht berufen, weil der Mangel der vorschriftsmäßigen Vertretung nur vom nichtvertretenen Beteiligten —mithin nach Auffassung der Antragstellerin vom verfahrenswidrig nicht einbezogenen FA— gerügt werden kann (, BFHE 96, 385, BStBl II 1969, 660; , BFH/NV 1993, 314, m.w.N.).

Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass das FG ohne Antragstellung tätig geworden sei und in einem durch übereinstimmende Erledigungserklärungen abgeschlossenen Verfahren Beschlüsse erlassen habe, hat sie einen Wiedereinsetzungsgrund nicht schlüssig dargelegt. Insoweit fehlt es schon an der erforderlichen Darlegung, dass die Antragstellerin außerstande war, den behaupteten Restitutionsgrund bereits im erstinstanzlichen Verfahren geltend zu machen (§ 582 ZPO; vgl. BFH-Entscheidungen vom I K 1/90, BFH/NV 1990, 790; vom VIII B 62/02, BFH/NV 2003, 1328). Davon abgesehen ist nicht das Revisions- oder Beschwerdegericht für die Entscheidung zuständig, wenn die mit einer Nichtigkeitsklage gemäß § 579 ZPO erhobenen Einwendungen sich inhaltlich gegen die erstinstanzliche Entscheidung richten (vgl. z.B. , BFH/NV 1998, 1239, m.w.N.).

Im Hinblick auf die darüber hinaus geltend gemachten Verfahrensverstöße ist ein Bezug zu einem der Nichtigkeitsgründe des § 579 Abs. 1 ZPO nicht erkennbar. Die Antragstellerin macht im Wesentlichen jene Einwendungen geltend, die sie bereits in der Begründung der Beschwerde vorgebracht hatte, und wendet sich gegen die Verfahrensweise des Senats und die Begründung des Senatsbeschlusses.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1125 Nr. 7
IAAAD-21803