BFH Beschluss v. - VI R 45/07

Anforderungen an die Darlegung der eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen bei Organisationsverschulden

Gesetze: FGO § 56

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit welcher sich die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gegen eine Lohnsteuernachforderung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) gewandt hatte, als unbegründet ab. Das FG ließ die Revision zu. Das Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt. Die Rechtsmittelbelehrung des Urteils enthält u.a. den Hinweis, eine Begründung der Revision sei innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof (BFH) einzureichen.

Gegen das angefochtene Urteil legte die Klägerin zwar rechtzeitig Revision ein; der Ablauf der Begründungsfrist am wurde jedoch versäumt. Mit Telefax vom beantragte die Prozessbevollmächtigte deshalb, der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung trug die Prozessbevollmächtigte im Wesentlichen vor, sie habe die Begründungsfrist versäumt, weil das zuständige Sekretariat hausintern umgezogen sowie die zuständige Sekretärin urlaubsbedingt abwesend gewesen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA vom aufzuheben, den Nachforderungsbescheid vom abzuändern und die Lohnsteuer von bisher . € auf . € herabzusetzen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Klägerin hat die Frist zur Begründung der Revision versäumt; die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) sind nicht gegeben.

1. Zutreffend wurde in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen sei (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO). Da eine Verlängerung der Begründungsfrist nicht beantragt worden war (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO), endete die Frist zur Begründung der Revision gegen das der Klägerin am zugestellte Urteil mit Ablauf des (vgl. § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, § 222 Abs. 2 der ZivilprozessordnungZPO—). Die erst am beim BFH eingegangene Revisionsbegründung der Klägerin ging demnach verspätet ein. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) wegen Versäumung der bezeichneten Frist scheidet aus.

a) Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Abs. 2 der Vorschrift verlangt u.a., dass innerhalb einer Frist von einem Monat diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die maßgeblichen Tatsachen sind dazu vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (ständige Rechtsprechung, z.B. , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2008, 3501; BFH-Beschlüsse vom X R 38/07, BFH/NV 2008, 1517; vom X B 95/07, BFH/NV 2008, 969; vom III R 65/05, BFH/NV 2007, 945; vom XI B 186/02, BFH/NV 2003, 1589). Dabei schließt jedes Verschulden —also auch einfache Fahrlässigkeit— die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (statt aller , BFHE 220, 345, BStBl II 2008, 766, m.w.N.). Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann die beantragte Wiedereinsetzung nicht gewährt werden. Denn die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten.

Die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten erschöpfen sich im Wesentlichen darin, dass im Zuge des Umzugs des zuständigen Sekretariats die „Wiedervorlage des Vorgangs untergegangen” sei bzw. die zuständige Sekretärin erst nach ihrem Urlaub die Fristversäumnis beim Aus- bzw. Einräumen der Akten und sonstigen Unterlagen bemerkt habe. Diese Darlegungen genügen nicht.

Beruft sich ein Prozessbevollmächtigter —wie hier— auf ein von ihm nicht zu vertretendes Büroversehen, so muss er darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt. Er muss demzufolge ausführen (und auch in geeigneter Weise glaubhaft machen), dass er alle organisatorischen Vorkehrungen dafür getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen geeignet sind, die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen (ständige Rechtsprechung, , NJW 2009, 296; BFH-Beschlüsse in BFHE 220, 345, BStBl II 2008, 766; in BFH/NV 2007, 945; vom III R 43/03, BFH/NV 2005, 1312).

An solchen Darlegungen (nebst Glaubhaftmachung) fehlt es völlig. Die Prozessbevollmächtigte hat nicht angegeben, welche organisatorischen Vorkehrungen für die beiden vorhersehbaren Umstände getroffen wurden, um sicherzustellen, dass Fristen auch während des Umzugs des zuständigen Sekretariats und des Urlaubs der Sekretärin eingehalten werden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
ZAAAD-21093