BFH Beschluss v. - IV B 63/08

Zulassung eines vollmachtlosen Vertreters zur Prozessführung; Anspruch auf rechtliches Gehör

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 155, ZPO § 89, GG Art. 101

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GbR, an der ursprünglich neben den Herren X und Y auch Frau Z beteiligt war, hat zum einen Klage gegen die ihr gegenüber ergangenen und die Erhebungszeiträume 1997 bis 2000 betreffenden Bescheide zur Feststellung des nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vortragsfähigen Verlusts erhoben. Zum anderen richtete sich ihre Klage gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1997 bis 2000.

Das Finanzgericht (FG) ist nach dem von der X-GmbH (Steuerberatungsgesellschaft) verfassten Schriftsatz vom davon ausgegangen, dass die GbR zum aufgelöst worden sei und deshalb entsprechend § 12 des Gesellschaftsvertrags die Gesellschafter der GbR nur gemeinschaftlich geschäftsführungsbefugt und vertretungsberechtigt seien (§§ 730 Abs. 2 Satz 2, 714 des Bürgerlichen GesetzbuchsBGB—). Letzteres ist erstmals in der mündlichen Verhandlung am erörtert worden. Die X-GmbH, für die sich in den Steuerakten lediglich eine von Herrn X unterzeichnete Vollmacht findet, trat auch in der mündlichen Verhandlung als Vertreterin der GbR auf. Sie beantragte sinngemäß, die angefochtenen Bescheide wegen weiterer Betriebsausgaben im Zusammenhang mit Aufwendungen für ein gescheitertes Immobilienprojekt zu ändern. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) beantragte, die Klage abzuweisen. Die Vorinstanz hat —mit dem noch am verkündeten Urteil— die Klage mangels ordnungsgemäßer Prozessvollmacht als unzulässig abgewiesen.

II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde ist begründet.

1. Der Vortrag, das FG habe die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen und hierbei den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, ist auf die Geltendmachung eines Verfahrensmangels gerichtet (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 80). Die Rüge muss bereits deshalb durchgreifen, weil das FG gegen § 89 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO verstoßen hat. Da die Vorinstanz der X-GmbH gestattet hat, für die Klägerin (Sach-)Anträge zu stellen und das FA dem nicht widersprochen hat, war hiermit die einstweilige Zulassung der X-GmbH zur Prozessführung gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit der Folge verbunden, dass, was die Vorinstanz offensichtlich verkannt hat, ein Endurteil erst nach Ablauf der für die Nachreichung der Prozessvollmachten (bzw. Beibringung der Genehmigungen bezüglich der bisherigen Prozessführung) zu setzenden (angemessenen) Frist ergehen durfte (, BFHE 158, 203, BStBl II 1989, 1021; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 62 Rz 76). Der Umstand, dass die X-GmbH mit Schriftsatz vom vorgetragen hat, der Gesellschafter Y. sei seinerzeit ins Ausland verzogen, vermag hieran nichts zu ändern. Er berechtigt auch nicht zu der Schlussfolgerung des FG, die Vollmachten könnten nicht mehr beigebracht werden. Abgesehen davon, dass zwischenzeitlich von Herrn X und Frau Z unterschriebene Vollmachten vorgelegt worden sind, ist bezüglich Herrn Y zu berücksichtigen, dass für diesen, sollte sein Aufenthalt weiterhin unbekannt sein, ein Abwesenheitspfleger zu bestellen ist, der dann als gesetzlicher Vertreter dessen vermögensrechtliche Angelegenheiten wahrzunehmen und deshalb auch über die Bevollmächtigung der X-GmbH im anhängigen Verfahren zu entscheiden haben wird (§ 1911 BGB i.V.m. §§ 730 Abs. 2 Satz 2, 714 BGB; Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl., § 1911 Rz. 2 und 3).

2. Der Senat übt das ihm nach § 116 Abs. 6 FGO zustehende Ermessen dahin aus, dass er das vorinstanzliche Urteil aufhebt und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 65).

Für den weiteren Verfahrensfortgang bemerkt der Senat, dass das FG mit Rücksicht auf die (mutmaßlich) erforderliche Bestellung eines Abwesenheitspflegers eine angemessene —und ggf. zu verlängernde— Frist zu bestimmen haben wird (§ 224 Abs. 2 ZPO; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 67. Aufl., § 89 Rz 6). Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass —trotz der missverständlichen Einlassung der X-GmbH im o.g. Schriftsatz— Herr Y aus der GbR noch nicht ausgeschieden ist, die GbR mithin fortbesteht und insbesondere ihr Geschäftsbetrieb nicht im Wege der Anwachsung auf Herrn X übergegangen ist (zu den Konsequenzen für die gewerbesteuerrechtliche Schuldnerschaft s. Senatsurteil vom IV R 91/05, BFH/NV 2008, 1289, m.w.N.). Folge hiervon wäre des Weiteren, dass der —fortbestehenden— GbR als Prozessstandschafterin auch die Klagebefugnis gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO zusteht (vgl. Senatsbeschluss vom IV B 69/05, BFH/NV 2007, 1923).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
KAAAD-19002