BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2266/04

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BVerfGG § 93a Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 5 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 2; BGB § 1004 Abs. 1; StGB § 185

Instanzenzug: KG Berlin, 9 U 15/05 vom LG Berlin, 27 O 676/04 vom KG Berlin, 9 U 118/04 vom KG Berlin, 9 U 118/04 vom LG Berlin, 27 O 207/04 vom LG Berlin, 27 O 207/04 vom

Gründe

Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen zivilgerichtliche Verurteilungen des Beschwerdeführers zur Unterlassung von Bildveröffentlichungen. Dabei betrifft das Verfahren 1 BvR 2266/04 die im fachgerichtlichen Eilverfahren ergangenen Entscheidungen, während sich die Verfassungsbeschwerde in der Sache 1 BvR 2620/05 gegen die Entscheidungen im Hauptsacheverfahren richtet.

1.

Der Beschwerdeführer, ein eingetragener Verein, ist die deutsche Repräsentanz der weltweiten Tierschutzorganisation "P.". Er vertritt die Auffassung, dass wegen des vergleichbaren Leidens- und Schmerzempfindens von Mensch und Tier der Mensch kein Recht habe, Tiere für seine Zwecke zu gebrauchen, sondern moralisch gehalten sei, auf die Nutzung tierischer Produkte zu verzichten. Ausgehend von dieser Haltung setzt der Beschwerdeführer sich nach seiner Satzung für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Tieren ein. Zu diesem Zweck wollte der Beschwerdeführer im März 2004 eine im Wesentlichen gleichartig zuvor in den USA präsentierte Werbekampagne unter dem Titel "Der Holocaust auf Ihrem Teller" beginnen. Dabei sollte unter anderem auf Plakatwänden jeweils ein Foto aus dem Bereich der Massentierhaltung neben einer Abbildung von lebenden oder toten Häftlingen von Konzentrationslagern aus der Zeit des Nationalsozialismus gezeigt werden. Die Darstellungen sollten jeweils mit einer kurzen Beschriftung versehen werden, die so angelegt war, dass sie vom Betrachter als auf beide Fotografien gleichermaßen bezogen angesehen werden musste.

Die Antragsteller und Kläger der Ausgangsverfahren (im Folgenden: Kläger) waren seinerzeit der Präsident und die Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die die Interessen der in Deutschland lebenden Juden vertritt. Sie überlebten als Kinder den Holocaust, dem ihre Familien teilweise zum Opfer fielen. Nachdem sie durch öffentliche Ankündigungen des Beschwerdeführers von dessen geplanter Werbekampagne erfahren hatten, beantragten sie beim Landgericht, dem Beschwerdeführer im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, die im Einzelnen bezeichneten Darstellungen von nebeneinander gestellten Szenen aus der Massentierhaltung und aus Konzentrationslagern der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom erließ das Landgericht antragsgemäß eine entsprechende Verbotsverfügung. Auf den Widerspruch des Beschwerdeführers bestätigte das Landgericht die einstweilige Verfügung mit dem hier ebenfalls angegriffenen Urteil vom . Zur Begründung führte das Gericht aus, die Kläger hätten einen Unterlassungsanspruch gegen den Beschwerdeführer aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, §§ 185 ff. StGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Die Kläger seien als Überlebende der Judenverfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus von den streitgegenständlichen Äußerungen betroffen. Bei diesen handele es sich um Meinungsäußerungen, nicht um Tatsachenbehauptungen. Der in ihnen enthaltene Tatsachenkern trete jedenfalls hinter dem auf die Gegenüberstellung von tierischem und menschlichem Leid zielenden Werturteil zurück. Die Äußerungen unterfielen daher der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG. Dieser finde allerdings seine Schranke in § 185 StGB, die ihrerseits in Einklang mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit auszulegen und anzuwenden sei. Deshalb bedürfe es grundsätzlich einer einzelfallbezogenen Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit einerseits und dem kollidierenden Rechtsgut andererseits. In deren Rahmen sei zu beachten, dass für die geplante Kampagne, die zur öffentlichen Meinungsbildung beitrage und daher keine Schmähkritik enthalte, die grundsätzliche Vermutung der Zulässigkeit streite. Allerdings bestehe insoweit kein Automatismus; vielmehr sei vorliegend zu berücksichtigen, dass die Gleichsetzung von Holocaustopfern mit Tieren vor dem Hintergrund des Menschenbildes des Grundgesetzes willkürlich erscheine und dass der Beschwerdeführer die Erniedrigung der abgebildeten Menschen im Interesse der von ihm für richtig gehaltenen Ziele instrumentalisiere.

Hierauf komme es aber letztlich nicht an, weil anerkannt sei, dass die Meinungsfreiheit stets zurücktreten müsse, wenn eine Äußerung die Menschenwürde eines anderen antaste. Dies sei hier der Fall. Die angegriffenen Darstellungen enthielten eine Gegenüberstellung und damit auch eine Gleichsetzung der Bedingungen, unter denen die Insassen von Konzentrationslagern einerseits und Tiere in Massentierhaltung andererseits gelebt hätten oder noch lebten. Die Abbildungen seien gerade deshalb so öffentlichkeitswirksam und aufwühlend, weil die nebeneinander montierten Fotos scheinbar ähnliche Situationen zeigten, die sich lediglich dadurch unterschieden, dass auf der einen Seite Tiere und auf der anderen Seite lebende oder tote Menschen abgebildet seien. Der durchschnittliche Betrachter entnehme diesen Darstellungen, dass das Schicksal der abgebildeten Tiere und Menschen auf eine Stufe gestellt und die Behandlung beider Wesen als gleichermaßen verwerflich hingestellt werden sollten. Hierin manifestiere sich eine Beleidigung der Kläger als Opfer des Holocaust, indem der ihnen kraft Menschseins zukommende Achtungsanspruch verletzt und damit auch in die gemäß Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde eingegriffen werde. Zwar werde nicht das Menschsein der Holocaustopfer als solches in Frage gestellt, doch werde es auf eine Stufe mit dem Leid der Tiere gestellt. Daran ändere auch nichts, dass es dem Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben nicht um eine Abwertung der Leiden der Menschen, sondern eine Aufwertung der Tiere in der öffentlichen Meinung gehe, denn auch hierin liege eine Gleichsetzung beider Leiden. Diese sei nach dem Grundgesetz nicht zu rechtfertigen, da dieses die Menschenwürde in das Zentrum sämtlichen staatlichen Wirkens stelle, den Tierschutz aber nicht einmal im Rahmen einer Staatszielbestimmung erwähne. So komme auch in Art. 20a GG zum Ausdruck, dass die natürlichen Lebensgrundlagen gerade als eine Funktion künftigen menschlichen Lebens zu schützen seien. Ein Widerspruch zu von dem Beschwerdeführer angeführten obergerichtlichen Entscheidungen bestehe nicht. Insbesondere weise ein lediglich verbaler Vergleich zwischen der Haltung von Legehennen und dem Schicksal der Insassen von Konzentrationslagern eine wesentlich geringere Eingriffsintensität auf als die hier gegenständlichen Bilddarstellungen, in denen die abgebildeten Menschen - gerade infolge ihrer unmenschlichen Behandlung durch andere - auf ihre biologische Existenz zurückgeworfen seien. Die Darstellung von Menschen in Momenten größter Schwäche und Demütigung betreffe deren Achtungsanspruch in besonderer Weise.

Die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Urteil des Landgerichts verwarf das Kammergericht mit dem hier angegriffenen Beschluss vom gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Zur Begründung machte es sich im Wesentlichen die Ausführungen des Landgerichts zueigen. Dieses habe insbesondere nicht verkannt, dass es sich bei dem tenorierten Veröffentlichungsverbot um eine rechtfertigungsbedürftige Einschränkung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit handele. Es habe indes zu Recht angenommen, dass die streitgegenständlichen Bilddarstellungen die Menschenwürde der Holocaustopfer und damit auch der Kläger verletze, welche die staatlichen Gerichte auch bei der Entscheidung über einen privatrechtlichen Rechtsstreit zu beachten hätten. Die Subjektqualität der Opfer werde in Frage gestellt, indem ihr Schicksal benutzt werde, um auf das Anliegen des Beschwerdeführers aufmerksam zu machen.

Die Kläger verfolgten ihr Unterlassungsbegehren sodann im Hauptsacheverfahren weiter. Mit dem im Verfahren 1 BvR 2620/05 angegriffenen Urteil vom gab das Landgericht ihrer Klage statt. Zur Begründung stellte das Gericht darauf ab, dass es an seiner im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren dargelegten Rechtsauffassung festhalte. Ergänzend führte es aus, dass es für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch unerheblich sei, ob bei einer naturwissenschaftlichen oder philosophischen Betrachtungsweise das Leiden hochentwickelter Säugetiere dem der Menschen vergleichbar sei. Denn die allein entscheidende rechtliche Beurteilung der streitgegenständlichen Bilder habe sich an dem Wertmaßstab des Grundgesetzes zu orientieren, in dessen Zentrum die Würde des Menschen stehe.

Die hiergegen eingelegte Berufung des Beschwerdeführers wies das Kammergericht mit dem hier angegriffenen Beschluss vom gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Zur Begründung bekräftigte das Gericht seine bereits in dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren dargelegte Rechtsauffassung und führte ergänzend aus, dass die Verletzung der Menschenwürde durch die streitgegenständliche Kampagne auch nicht durch die von dem Beschwerdeführer vertretene tierrechtliche Position in Frage gestellt werde. Der Beschwerdeführer berücksichtige nicht hinreichend, dass nicht nur Handlungen in menschenverachtender Tendenz die Menschenwürde verletzen könnten und selbst gute Zwecke, wie der von Art. 20a GG umfasste Tierschutz, einen objektiv gegebenen Menschenwürdeverstoß nicht rechtfertigen könnten.

2.

Mit seinen Verfassungsbeschwerden macht der Beschwerdeführer geltend, dass die angegriffenen Entscheidungen des einstweiligen Verfügungsverfahrens (1 BvR 2266/04) gegen seine Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG verstießen und die im Hauptsacheverfahren ergangenen Entscheidungen (1 BvR 2620/05) ihn in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG, auch in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzten.

Hinsichtlich seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit führt er aus, der in den geplanten Bilddarstellungen gezogene Holocaustvergleich sei ein unverzichtbares Mittel, um die geistige Auseinandersetzung zu bereichern. Die Entscheidungen der Fachgerichte beruhten auf einer Fehldeutung des Aussagegehalts der Bilder. Diese setzten die Schicksale der abgebildeten Menschen und Tiere schon nicht gleich. Selbst wenn aber davon ausgegangen werde, dass die Darstellungen die Behauptung der Gleichwertigkeit von Mensch und Tier beinhalteten, so könnte dies nur dann als Herabsetzung des Menschen verstanden werden, wenn davon ausgegangen werden könnte, dass der Äußernde Tiere für minderwertig halte; ebendies sei aber bei dem Beschwerdeführer erkennbar nicht der Fall.

Auch behandelten die angegriffenen Entscheidungen die streitgegenständlichen Bilddarstellungen zu Unrecht anders als entsprechende verbale Holocaustvergleiche, die vielfach vorkämen und in keinem Fall als Angriff auf die Würde der Opfer verstanden worden seien; hierdurch verstießen sie zugleich gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Unzutreffend sei auch die Annahme, dass die Leiden der Insassen von Konzentrationslagern durch die streitgegenständliche Kampagne verharmlost würden. Vielmehr sei die Ungeheuerlichkeit des Holocausts gerade Grundlage der Kampagne. Auch in dem Vergleich von deren Leid mit dem Leid der abgebildeten Tiere liege keine Bagatellisierung. Vielmehr sei die Leidensfähigkeit naturwissenschaftlich belegt, und die Bedingungen der Massentierhaltung verursachten bei den betroffenen Tieren auch sehr schweres Leid.

Schließlich hätten die Fachgerichte verkannt, dass auch bei unterstelltem Verstoß gegen die Menschenwürde der abgebildeten Opfer des Holocaust jedenfalls die Kläger sich hierauf nicht berufen könnten. Dies gelte umso mehr, weil gar nicht erkennbar sei, ob es sich bei den abgebildeten Personen überhaupt um Juden oder um andere Opfer des Nationalsozialismus wie etwa Homosexuelle, Sinti und Roma oder politisch Andersdenkende handele; auch der Begriff "Holocaust" bezeichne nicht nur die Verfolgung der Juden.

1.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

a)

Den Verfassungsbeschwerden kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit bei der Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Vorschriften des einfachen Rechts (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

b)

Die Annahme der Verfassungsbeschwerden ist auch nicht zur Durchsetzung der geltend gemachten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt.

aa)

In der Sache 1 BvR 2266/04, die sich gegen die Entscheidungen im fachgerichtlichen Eilverfahren richtet, ist die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig, weil das für die Verfassungsbeschwerde erforderliche Rechtsschutzbedürfnis an einer Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 105, 239 <246> ) jedenfalls nicht mehr besteht. Denn dem Beschwerdeführer ist mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Unterlassungsklage im fachgerichtlichen Hauptsacheverfahren ein einfacheres Mittel zur Beseitigung der Beschwer zugewachsen. Nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist nämlich davon auszugehen, dass mit Eintritt der Rechtskraft eines dem Titel im Verfügungsverfahren gleichlautenden Hauptsacheurteils der Verfügungsgrund entfällt, wodurch die einstweilige Verfügung ihre Erledigung findet (vgl. -, [...]; -, [...]). Der Schuldner kann daher regelmäßig die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß §§ 927, 936 ZPO verlangen. Da ein ausnahmsweise bestehendes Interesse des Gläubigers am Fortbestand der einstweiligen Verfügung (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.) vorliegend nicht dargelegt oder sonst ersichtlich ist, muss sich der Beschwerdeführer auf diesen Weg zur Beseitigung des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Unterlassungstitels verweisen lassen.

bb)

Die Annahme der das fachgerichtliche Hauptsacheverfahren betreffenden Verfassungsbeschwerde 1 BvR 2620/05 ist jedenfalls deshalb nicht gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG angezeigt, weil deutlich abzusehen ist, dass der Beschwerdeführer auch im Falle einer Zurückverweisung im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

(1)

Allerdings begegnet die Begründung, auf die das Landgericht und im Anschluss daran das Kammergericht den Unterlassungsanspruch der Kläger stützen, verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gerichte gehen bei der Anwendung der vorliegend als Schranke des Grundrechts auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 2 GG in Betracht gezogenen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, §§ 185 ff. StGB davon aus, dass die Kläger als frühere Verfolgte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch die Kampagne des Beschwerdeführers in ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen seien. Infolge dieser Auffassung halten die Gerichte es nicht für erforderlich, die Rechte der Kläger einerseits und die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers andererseits abwägend zueinander ins Verhältnis zu setzen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, dass es angesichts des sämtlichen Grundrechten innewohnenden Menschenwürdekerns einer besonders sorgfältigen Begründung bedarf, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlage und deshalb eine Abwägung ausgeschlossen sei (vgl. BVerfGE 93, 266 <293>; 107, 275 <284> ); ein Berühren der Menschenwürde genügt hierfür nicht, sondern es ist eine sie treffende Verletzung vorausgesetzt (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom - 1 BvR 932/94 -, NJW 2001, S. 2957 <2959>).

Es erscheint zumindest zweifelhaft, ob die hier angegriffenen Entscheidungen diesem Maßstab entsprechen. Zwar ist die Deutung, die die Gerichte den Bilddarstellungen der streitgegenständlichen Kampagne gegeben haben, nach den Anforderungen, die das Grundrecht auf Meinungsfreiheit bereits auf dieser Ebene stellt (vgl. BVerfGE 82, 43 <52>; 93, 266 <295>), nicht zu beanstanden. Zu Recht gehen die Gerichte davon aus, das insoweit maßgebliche verständige und unvoreingenommene Publikum (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>; 114, 339 <348> ) verstehe die Gegenüberstellung der Fotografien dahingehend, dass das den abgebildeten Tieren zugefügte Leid als ebenso schwerwiegend wie das der daneben ins Bild gesetzten Menschen und beider Behandlung als gleichermaßen verwerflich hingestellt werde. Diese Interpretation stützen sie nachvollziehbar auf die visuelle Parallelisierung der formal ähnlichen Szenen und die beigefügten Textzeilen. Eine ebenso naheliegende, die Rechte anderer in geringerem Maße beeinträchtigende Alternativdeutung ist nicht ersichtlich und brauchte von den Gerichten nicht erwogen zu werden, zumal auch der Beschwerdeführer selbst dem in den angegriffenen Entscheidungen zugrunde gelegten Verständnis seiner Äußerung nicht entgegentritt, sondern dieses ausdrücklich als naheliegend und wünschenswert bezeichnet.

Jedoch dürfte durch die so verstandene Äußerung weder unmittelbar die Menschenwürde der abgebildeten Menschen noch die der Kläger in der von den Fachgerichten angenommenen Weise verletzt sein mit der Folge, dass es auf eine weitere Abwägung nicht mehr ankommen würde. Es steht zwar außer Frage, dass die Fotografien der Holocaustopfer diese fast ausnahmslos in einer Situation zeigen, in der sie durch ihre Peiniger in höchstem Maße entwürdigt sind. Daraus, dass die Kampagne sich bildlicher Darstellungen schwerer Menschenwürdeverletzungen bedient, folgt aber nicht ohne weiteres, dass sie ihrerseits erneut gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstößt. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gewährleistungsgehalt der durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Menschenwürde bisher zumeist von dem jeweils in Frage stehenden Verletzungsvorgang her bestimmt (vgl. BVerfGE 109, 279 <311 f.> m.w.N.). Dabei hat es betont, dass sich nicht generell, sondern immer nur in Ansehung des konkreten Falles beurteilen lässt, unter welchen Umständen die Menschenwürde verletzt sein kann (vgl. BVerfGE 30, 1 <25>; 109, 279 <311> ; 115, 118 <153>). Als Verletzungshandlungen Dritter, vor denen der Staat den Betroffenen gemäß Art. 1 Abs. 1 GG zu schützen hat, wurden beispielhaft genannt die Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung oder Ächtung eines Menschen (vgl. BVerfGE 1, 97 <104> ). In späteren Entscheidungen hat das Gericht in Auseinandersetzung mit Grund und Grenzen der so genannten Objektformel die Schwelle zur Verletzung der Menschenwürde dort überschritten gesehen, wo der Mensch einer Behandlung ausgesetzt wird, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt und daher Ausdruck der Verachtung des dem Menschen kraft seines Personseins zukommenden Wertes ist (vgl. BVerfGE 30, 1 <26>; 109, 279 <312 f.>).

Ebendiese Qualität ist der hier gegenständlichen Kampagne aber nicht eigen. Insbesondere wird den dargestellten Holocaustopfern durch die Kampagne des Beschwerdeführers nicht der personale Wert abgesprochen, indem sie wie Tiere bewertet oder gar behandelt werden. Mag auch der Beschwerdeführer generell von der Gleichwertigkeit menschlichen und tierischen Lebens überzeugt sein, so liegt in der geplanten Bildkampagne nach der von den Fachgerichten zugrunde gelegten Deutung keine verächtlich machende Tendenz. Als gleich gewichtig wird nämlich allein das Leiden dargestellt, das den abgebildeten Menschen und Tieren zugefügt wird.

Auch die weitere von den Fachgerichten angestellte Erwägung, der Beschwerdeführer benutze das bildlich dargestellte leidvolle Schicksal der Holocaustopfer, das von den Klägern in gewissem Umfang geteilt wird, um auf das Anliegen des Beschwerdeführers aufmerksam zu machen, trägt die Annahme eines Menschenwürdeverstoßes nicht. Denn auch dieser Indienstnahme der leidvollen Lebensgeschichte eines anderen Menschen fehlt es an dem Merkmal der prinzipiellen Objektivierung, also Verachtung des dem Menschen um seiner selbst willen zukommenden Wertes (vgl. auch BVerfGE 107, 275 <285 f.>).

(2)

Indes braucht die Frage, ob die Gerichte vorliegend von einer Verletzung der Menschenwürde oder des ebenfalls keiner Abwägung zugänglichen Menschenwürdekerns des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 75, 369 <380> ) ausgehen durften, nicht abschließend entschieden zu werden, weil sich der den Klägern zugesprochene Unterlassungsanspruch verfassungsrechtlich tragfähig auch ohne den zweifelhaften Rekurs auf die absolut geschützte Menschenwürde begründen lässt und den angegriffenen Entscheidungen hinreichend deutlich zu entnehmen ist, dass die Gerichte im Fall einer Zurückverweisung zu keinem anderen Ergebnis kommen würden.

(a)

Die Erwägungen, mit denen die Gerichte einen Menschenwürdeverstoß begründet haben, tragen jedenfalls die Annahme einer Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass die angegriffenen Entscheidungen darauf abstellen, dass nicht nur nach der - empirischen - Mehrheitsmeinung, die der Beschwerdeführer gerade nicht teilt, sondern nach den Bestimmungen des Grundgesetzes ein kategorialer Unterschied zwischen menschlichem, würdebegabtem Leben und den Belangen des Tierschutzes besteht, und infolgedessen die Kampagne des Beschwerdeführers als eine Bagatellisierung und Banalisierung des Schicksals der Holocaustopfer bewerten. Dass das Landgericht hierbei offenbar von einer im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr aktuellen Fassung des Art. 20a GG ausgegangen ist und die ausdrückliche Aufnahme der Tiere in die Staatszielbestimmung daher nicht gewürdigt hat, wirkt sich nicht aus, denn dieser Fehler ist durch das Kammergericht korrigiert worden.

Dem so verstandenen Aussagegehalt der Werbekampagne durften die Gerichte auch eine Herabsetzung gerade der Kläger entnehmen, die deren Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit 1 Abs. 1 GG berührt. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, wenn die Fachgerichte in der Leugnung der Judenverfolgung unter dem Nationalsozialismus eine schwere Persönlichkeitsverletzung auch der heute lebenden Juden erblicken (vgl. BVerfGE 90, 241 <252 f.>, wo zwar ausdrücklich von einem Angriff auf die Menschenwürde ausgegangen, aber gleichwohl eine Abwägung vorausgesetzt wird). Die zugrunde liegende Erwägung, dass es zum personalen Selbstverständnis der heute in Deutschland lebenden Juden gehöre, als zugehörig zu einer durch das Schicksal herausgehobenen Personengruppe begriffen zu werden, der gegenüber eine besondere moralische Verantwortung aller anderen bestehe, und dass dieses Teil ihrer Würde sei (vgl. BGHZ 75, 160 <162 f.>; BVerfGE 90, 241 <252> ), lässt sich auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen.

(b)

Auch dieser Rechtsposition kann hier - bei Beachtung der danach bestehenden verfassungsrechtlichen Abwägungsanforderungen - der Vorrang vor der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers eingeräumt werden. Dass die Gerichte bei einer erneuten Befassung mit der Sache zu ebendiesem Abwägungsergebnis auch gelangen würden, ist den angegriffenen Entscheidungen mit einer hinreichend konkreten Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, welche die Versagung der Annahme der Verfassungsbeschwerde nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG rechtfertigt. Hierfür spricht zum einen, dass die Entscheidungsgründe - verfassungsrechtlich tragfähige - Ansätze zu einer Abwägung enthalten, die auf eine solche Bewertung bereits hindeuten. Außerdem haben die Gerichte ihre Rechtsauffassung, die streitgegenständliche Kampagne des Beschwerdeführers betreffe die Kläger in ihrer absolut geschützten Menschenwürde, maßgeblich darauf gestützt, dass sie den Eingriff in den personalen Geltungsanspruch der Kläger als besonders schwerwiegend beurteilt haben. Da die hierfür angeführten Erwägungen zugleich tragfähige Kriterien für die Gewichtung eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen, wie sie im Rahmen einer Abwägung gegen die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers vorzunehmen wäre, ist zu erwarten, dass die Gerichte sich im Fall der Zurückverweisung hiervon leiten lassen und den Persönlichkeitsinteressen der Kläger so den Vorrang vor der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers einräumen würden.

2.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
JAAAD-17819