BGH Urteil v. - XI ZR 519/07

Leitsatz

[1] Ergeht ein Urteil auf eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Prozesspartei durchgeführte Verhandlung hin, so ist es im Rechtsmittelverfahren aufzuheben, da diese Partei nicht mehr ordnungsgemäß vertreten war, ohne dass es darauf ankommt, ob dem Gericht bei Erlass des Urteils die Insolvenzeröffnung bekannt war.

Gesetze: ZPO § 240; ZPO § 249 Abs. 2; ZPO § 562 Abs. 1; ZPO § 562 Abs. 2

Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main, 10 U 239/06 vom LG Frankfurt am Main, 2 O 130/05 vom

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten mit einer Teilklage aus abgetretenem Recht die Rückzahlung eines gekündigten Bankdarlehens.

Die Klägerin erwarb von ihrem Streithelfer, dem Insolvenzverwalter der G. AG i.L., angebliche Darlehensforderungen in Höhe von 33 Millionen DM gegen die frühere Beklagte zu 3), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, gegen die ein inzwischen rechtskräftiges Versäumnisurteil über einen Teilbetrag von 4 Millionen EUR nebst Zinsen ergangen ist. In dieser Höhe nimmt die Klägerin nunmehr noch die Beklagten als Gesellschafter in Anspruch. Diese bestreiten die vorgetragene Darlehensschuld, da die Klägerin einen unzutreffenden Anfangssaldo zugrunde gelegt und Zuflüsse aus der Verwertung von Immobilien nicht berücksichtigt habe. Zudem seien die Ansprüche verjährt.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil nach mündlicher Verhandlung am durch Urteil vom selben Tag aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Das Amtsgericht Wiesbaden hat mit Beschluss vom , der am zu den Verfahrensakten gelangt ist, über das Vermögen des Beklagten zu 2) das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit der - vom Senat nur in Bezug auf den Beklagten zu 2) zugelassenen - Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.

Gründe

A.

Die Revision ist zulässig.

Dafür ist ohne Bedeutung, ob die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten zu 2) eingetretene Unterbrechung des Rechtsstreits (§ 240 ZPO) andauert. Dem steht auch § 249 Abs. 2 ZPO nicht entgegen, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur Prozesshandlungen betrifft, die von den Parteien im Verhältnis zum Verfahrensgegner vorzunehmen sind (BGHZ 50, 397, 400 ; , WM 1997, 486 und Beschluss vom - III ZR 86/86, BGHR ZPO § 249 Abs. 2 - Prozesshandlung 1). Prozesshandlungen, die - wie die Rechtsmitteleinlegung - gegenüber dem Gericht erklärt werden müssen, sind trotz Unterbrechung des Verfahrens wirksam. Zudem ist ein Verfahrensantrag auch vor Beendigung einer Verfahrensunterbrechung zu beachten, wenn dieser den unterbrochenen Rechtsstreit nicht sachlich fortsetzt (BGHZ 66, 59, 62 ; , WM 1984, 1170 und vom - IX ZR 220/96, WM 1997, 486). Zur Geltendmachung der Unterbrechung ist nicht nur der Insolvenzschuldner, sondern auch sein Prozessgegner, hier die Klägerin, befugt (, WM 1995, 1607 und vom - IX ZR 220/96, WM 1997, 486, 487). B.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit über die Berufung des Beklagten zu 2) entschieden worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Da der Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war, war über die Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.) .

I.

Das Berufungsurteil hat, soweit es den Rechtsstreit mit dem Beklagten zu 2) betrifft, keinen Bestand. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten zu 2) am durfte weder eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden, noch ein Berufungsurteil ergehen. Das Verfahren war durch diesen Beschluss vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom ebenso wie vor der Verkündung des Berufungsurteils am selben Tag nach § 240 ZPO unterbrochen.

Ein trotz Unterbrechung des Verfahrens ergangenes Urteil ist allerdings nicht nichtig, sondern mit den statthaften Rechtsmitteln angreifbar (BGHZ 66, 59, 61 f. ; BGHZ 172, 250, 251 f. Tz. 7; , WM 1984, 1170 und vom - VIII ZR 224/94, WM 1995, 1607; , ZIP 2004, 1120).

Da der Beklagte zu 2) seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ordnungsgemäß vertreten war, beruht das Berufungsurteil auf einem Verfahrensfehler, der den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO begründet (BGHZ 172, 250, 251 f. Tz. 7; , ZIP 1988, 446 und vom - X ZR 20/05, [...] Tz. 7 m. w. Nachw.).

Dieser Revisionsgrund betrifft den Mangel in der Vertretung der insolventen Partei. Er besteht deswegen unabhängig davon, ob dem entscheidenden Gericht die den Verfahrensfehler auslösende Tatsache, hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, bekannt war (BGHZ 66, 59, 61 ; BGHZ 172, 250, 251 f. Tz. 7; , [...] Tz. 7).

Ob die Unterbrechung des Verfahrens andauert, ist unerheblich. Die Aufhebung des Berufungsurteils dient dazu, die rechtlichen Wirkungen der im Berufungsverfahren eingetretenen Unterbrechung des Verfahrens durchzusetzen, und ist daher ohne Rücksicht auf Dauer der Unterbrechung auszusprechen (vgl. , WM 1997, 486, 487 und vom - X ZR 20/05, [...] Tz. 8).

Das angefochtene Urteil war daher einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufzuheben, soweit in ihm über die Berufung des Beklagten zu 2) entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1 und 2 ZPO). Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
HFR 2009 S. 838 Nr. 8
WM 2009 S. 871 Nr. 18
ZIP 2009 S. 1027 Nr. 21
CAAAD-15980

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja