Leitsatz
[1] Wird die beantragte Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittel nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist verweigert, bleibt der Partei nach der Bekanntgabe der Entscheidung noch eine Zeit von höchstens drei bis vier Tagen für die Überlegung, ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will. Danach beginnt die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 ZPO für das Wiedereinsetzungsgesuch und die damit zu verbindende Einlegung des Rechtsmittels. Das gilt auch dann, wenn das Gericht nicht die Mittellosigkeit der Partei, sondern die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung verneint hat (Bestätigung von IVb ZB 142/84, VersR 1985, 271).
Gesetze: ZPO § 114; ZPO § 234 Abs. 1
Instanzenzug: LG Freiburg, 3 S 158/08 vom AG Freiburg, 10 C 3187/07 vom
Gründe
Das Amtsgericht hat die Beklagte unter anderem verurteilt, zukünftig eine erhöhte Miete zu zahlen. Die Beklagte hat beim Landgericht Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung beantragt. Das Landgericht hat den Antrag durch Beschluss vom mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Der Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am zugestellt worden. Am hat die Beklagte durch ihre Prozessbevollmächtigten beim Landgericht Berufung eingelegt und diese begründet. Zugleich hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Dazu hat sie vorgetragen, die Wiedereinsetzungsfrist habe erst am zu laufen begonnen, weil ihr an diesem Tag eine Freundin zugesagt habe, die Kosten für die Berufungsinstanz vorzustrecken. Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung und die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen. Die Beklagte beantragt durch ihre vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine "Nichtzulassungsbeschwerde".
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Bei Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Berufung müsse Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist grundsätzlich innerhalb von zwei Wochen (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO) zuzüglich weniger Tage beantragt werden. Die Frist habe mit Zustellung des Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses am begonnen. Der Zeitpunkt der Beseitigung ihrer finanziellen Mittellosigkeit sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht maßgeblich. Da zwischen der Zustellung der ablehnenden Entscheidung über die Prozesskostenhilfe und dem Eingang des Wiedereinsetzungsantrags ein Zeitraum von einem Monat liege, sei die Frist nicht gewahrt. Nachdem der Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg habe und die Berufungsfrist nicht gewahrt sei, sei die Berufung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen.
1.
Der Antrag der Beklagten ist dahin auszulegen, dass Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts begehrt wird. Gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts, durch den - wie hier - der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und die Berufung als unzulässig verworfen werden, ist allein die Rechtsbeschwerde statthaft (§ 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Der Nichtzulassungsbeschwerde unterliegen dagegen in der Berufungsinstanz erlassene Endurteile (§ 542 Abs. 1, § 543 Abs. 1 Nr. 2, § 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
2.
Der Antrag ist zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Die beabsichtigte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO). Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Recht den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der einmonatigen Berufungsfrist (§§ 233, 517 ZPO) und demgemäß auch die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen.
a)
Eine Partei, die - wie hier die Beklagte für die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - um Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittel nachsucht, ist bei noch laufendem Prozesskostenhilfeverfahren schuldlos verhindert, die Rechtsmittelfrist einzuhalten, wenn sie Anlass hat, auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu vertrauen. Dieses Hindernis entfällt mit der Entscheidung über das Gesuch. Für den - hier gegebenen - Fall, dass die beantragte Prozesskostenhilfe nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist verweigert wird, bleibt der Partei nach der Bekanntgabe der Entscheidung noch eine Zeit von höchstens drei bis vier Tagen für die Überlegung, ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will. Dann beginnt die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 ZPO für das Wiedereinsetzungsgesuch und die damit zu verbindende Einlegung des Rechtsmittels (ständige Rechtsprechung des BGH seit BGHZ 4, 55, 57 f. ; zuletzt etwa Beschluss vom - IX ZB 86/07, MDR 2008, 99; Beschluss vom - III ZA 8/08, [...], Tz. 14, jeweils m.w.N.).
b)
Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn das Gericht - wie hier - nicht die Mittellosigkeit der Partei, sondern die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung verneint hat. Zwar bessern sich die finanziellen Möglichkeiten der Partei nicht dadurch, dass das Berufungsgericht ihr die beantragte Prozesskostenhilfe versagt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass sie nunmehr noch nach dem Ablauf der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 ZPO, begrenzt allein durch die Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen könne. Diese Auffassung, die es in die Hand der mittellosen Partei legen würde, den Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung der Vorinstanz über ein Jahr hin in der Schwebe zu halten, verkennt den inneren Grund der Wiedereinsetzung bei Mittellosigkeit. Die mittellose Partei soll nicht schlechter stehen als eine vermögende. Deshalb wird ihr die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe und der Wiedereinsetzung eingeräumt. Nicht die bloße Mittellosigkeit entschuldigt also die Versäumung der Rechtsmittelfrist, sondern Fristnachsicht wird nur dann und so lange gewährt, wie ein - in seinem Ausgang auch von den Aussichten der Rechtsverfolgung abhängendes - Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe läuft und die Partei annehmen darf, es werde Erfolg haben. Das der Fristwahrung entgegenstehende Hindernis besteht demnach nicht schlechthin in der Mittellosigkeit der Partei, sondern in der noch fehlenden Entscheidung über das Gesuch. Dieses Hindernis entfällt mit der Bekanntgabe der insoweit ergehenden Entscheidung des Gerichts und dem Ablauf der für den Fall der Ablehnung dann sich noch anschließenden kurzen Überlegungsfrist ( IVb ZB 142/84, VersR 1985, 271 m.w.N.). Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO begann somit hier wenige Tage nach der am erfolgten Zustellung des Beschlusses vom und war daher bei Eingang der Berufung der Beklagten und ihres Wiedereinsetzungsantrags am lange abgelaufen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HFR 2009 S. 722 Nr. 7
NJW 2009 S. 3038 Nr. 41
NJW-RR 2009 S. 789 Nr. 11
NAAAD-10862
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja