SenFin Berlin - III D - G 1163 a - 1/2009

Grundsteuererlass für das Kalenderjahr 2008 ff.; Änderung des § 33 Grundsteuergesetz

I. Änderung der Vorschrift des § 33 GrStG im Jahressteuergesetz 2009

1. Rechtsgrundlage

1 Mit dem Jahressteuergesetz 2009 vom , veröffentlicht im Bundesgesetzblatt v. , BGBl 2008 I S. 2794, wird in Artikel 38 (s. Anlage) das Grundsteuergesetz in den Vorschriften der § 33 Abs. 1 und § 38 GrStG geändert. Die Änderung ist ab dem Kalenderjahr 2008 anzuwenden.

2. Bisherige Rechtslage

2 Nach der bis einschließlich Erlassjahr 2007 geltenden Regelung des § 33 GrStG ist die Grundsteuer für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und bebaute Grundstücke teilweise zu erlassen, wenn der normale Rohertrag um mehr als 20 % gemindert ist und der Steuerschuldner diese Minderung nicht zu vertreten hat. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zu § 33 GrStG ( BStBl. 2008 II S. 384, und Az. 9 C 8/07, ZKF 2008, S. 233) kommt ein Erlass auch in den Fällen des strukturell bedingten Leerstands in Betracht (z. B. bei strukturell-dauerhaft mangelnder Mieternachfrage). Bei nicht strukturell bedingten Ertragminderungen wird von der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch die Atypizität der Ertragsminderung vorausgesetzt (vgl. OVG NW v. , 14 A 461/07, ZKF 2008, S. 90, v. , Az. 14 A 2509/07, v. , 14 A 1185/07).

Zur Anwendung der Vorschrift des § 33 GrStG bis einschl. Erlassjahr 2007 sind die Runderlasse vom und zu beachten (GrSt-Nr. 8, GrSt-Beitrittsgebiet Nr. 2).

3. Neubestimmung der Wesentlichkeitsgrenze und pauschalierter Erlass für bebaute Grundstücke im Jahressteuergesetz 2009

3 In der Vorschrift des § 33 GrStG wird die Wesentlichkeitsgrenze der Minderung, ab der ein Erlass grundsätzlich in Betracht kommt, auf mehr als 50 % des normalen Rohertrags neu bestimmt.

4 Liegen die Voraussetzungen für einen Erlass wegen wesentlicher Ertragsminderung vor, bleibt dessen Höhe nach § 33 Abs. 1 GrStG gesetzlich festgelegt. Der Erlass wird nunmehr pauschaliert in zwei Billigkeitsstufen gewährt. Die Grundsteuer ist bei einer Ertragsminderung von mehr als 50 % in Höhe von 25 % und bei einer Ertragsminderung von 100 % in Höhe von 50 % zu erlassen.

5 Die Änderung ab dem Erlassjahr 2008 soll zu einer gerechteren Lastenverteilung zwischen dem Grundstückseigentümer und der Gemeinde beitragen. Durch die Erhöhung des Ausmaßes der Ertragsminderung, ab dem ein Erlass in Betracht kommen kann, von bisher mehr als 20 % auf mehr als 50 % werden einerseits die Mindereinnahmen für die Gemeinden in Grenzen gehalten, andererseits bleibt aber weiterhin – wenn auch eingeschränkt – ein Erlass für den Steuerschuldner grundsätzlich möglich.

4. Neubestimmung des normalen Rohertrags

6 Für die bebauten Grundstücke ist der normale Rohertrag die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresrohmiete. Hiermit wird die Ermittlung der Ertragsminderung vereinfacht, da sie generell aus dem Unterschiedsbetrag der nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzten üblichen Jahresrohmiete zur tatsächlich im Erlasszeitraum erzielten Jahresrohmiete berechnet werden soll. Somit ist es für den normalen Rohertrag nicht mehr relevant, ob zu Beginn des Kalenderjahres eine Vermietung vorliegt bzw. welcher Mietpreis tatsächlich für die Räume erzielt wird. Dieses Vorgehen gilt für bebaute Grundstücke, die nach dem Bewertungsgesetz im Ertragswertverfahren oder im Sachwertverfahren zu bewerten sind.

7 Für die Ermittlung der geschätzten üblichen Jahresrohmiete ist die Nutzbarkeit der Flächen nach Wohn- und/oder gewerblicher Nutzung maßgebend.

5. Betriebe der Land- und Forstwirtschaft

8 Bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ergibt sich – wie bisher – die Ertragsminderung grundsätzlich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem normalen Rohertrag und dem tatsächlich erzielten Rohertrag. Als normaler Rohertrag ist der Rohertrag maßgebend, der aus dem Wirtschaftsteil nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig erzielbar wäre.

II. Anwendung des § 33 GrStG ab Erlassjahr 2008

1. Normaler Rohertrag

9 Unter dem normalen Rohertrag eines bebauten, im Ertragswert- oder Sachwertverfahren zu bewertenden Grundstücks, ist nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresrohmiete zu verstehen. Mit üblicher Jahresrohmiete ist die übliche Miete i.S. des § 79 Abs. 2 BewG gemeint, die in Anlehnung an die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlte Jahresrohmiete zu schätzen ist. Es handelt sich um eine Bruttokaltmiete, d.h. um das Entgelt, das Mieter für die Benutzung eines Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zu entrichten haben einschließlich der Umlagen und sonstigen Leistungen des Mieters (sog. kalte Betriebskosten).

10 Es kommt damit nicht mehr auf die tatsächliche zu Beginn des Erlasszeitraums erzielte Jahresrohmiete an. Auch ist der Umstand, ob es sich um vermietete oder leerstehende Grundstücksteile handelt bzw. ob die erzielte Miete von der üblichen Miete um mehr als 20 % abweicht, für die Ermittlung des normalen Rohertrags ohne Bedeutung. Allerdings trägt die tatsächlich gezahlte Miete die Vermutung der üblichen Jahresrohmiete in sich. Zur Schätzung der üblichen Jahresrohmiete wird auch auf die Ausführungen unten zu Tz. 4 -marktgerechter Mietzins – Rz. 23 f.- hingewiesen.

11 Beispiel 1:

Für ein Grundstück mit 1.000 m² Nutzfläche ist am 1.1. des Jahres eine Miete von 8 €/m² vereinbart (Bruttokaltmiete). Die Miete liegt im Rahmen der Gewerbemietenübersicht des Finanzamts (s. Tz. 22 des Erlasses v. , GrSt-Nr. 8, GrSt-Nr. 2-Beitrittsgebiet) und der einschlägigen Mietübersichten (z.B. angepasster IHK-Orientierungsrahmen). Sie kann daher als übliche Miete in dieser Höhe geschätzt werden. Der normale Rohertrag beträgt 1000 m² × 8 €/m² × 12 Monate = 96.000 €.

12 Beispiel 2:

Für ein Grundstück mit 1.000 m² Nutzfläche ist am 1.1. eines Jahres ein Betrag von 7 €/m² als übliche Miete (Bruttokaltmiete) ermittelt worden, tatsächlich hat der Stpfl. aber eine Miete von 10 €/m² vereinbart. Als normaler Rohertrag ist die übliche Miete von 7 €/m² × 1.000 m² × 12 Monate anzusetzen: 7.000 € × 12 = 84.000 €.

2. Ermittlung der Ertragsminderung

13 Der normale Rohertrag muss um mehr als 50 % gemindert sein, um einen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer in Höhe von 25 % zu begründen.

14 Beispiel 3:

Für ein Grundstück mit 1.000 m² Nutzfläche beträgt die übliche Miete 8 €/m²/Monat (s. Bsp. 1). Der normale Rohertrag beträgt 96.000 €. Das Grundstück ist aber nur mit einer Teilfläche vermietet, die zu Mieteinnahmen i.H.v. 38.400 € führen. Die Ertragsminderung beträgt 57.600 €, d.h. 60 % des normalen Rohertrags. Die Wesentlichkeitsgrenze von 50 % ist überschritten. Die Grundsteuer ist zu 25 % zu erlassen.

15 Beispiel 4:

Der normale Rohertrag beträgt für das Grundstück mit 1000 m² Nutzfläche 120.000 €. Der erzielte Ertrag beläuft sich auf 84.000 € (1000 m² × 7 €/m² × 12 Monate). Die Ertragsminderung von 36.000 € beträgt 30 % des normalen Rohertrags. Die Wesentlichkeitsgrenze einer Minderung von mehr als 50 % ist nicht erreicht. Es besteht kein Anspruch auf Grundsteuererlass nach § 33 GrStG.

16 Der normale Rohertrag muss um 100 % gemindert sein, um einen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer in Höhe von 50 % zu begründen.

17 Beispiel 5:

Der normale Rohertrag für ein Grundstück mit 1.000 m² Nutzfläche beträgt 60.000 € (5 €/m²/Monat). Es werden ganzjährig keine Mieterträge erzielt und der Eigentümer hat dies auch nicht zu vertreten, da er alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Leerstand zu vermeiden (s. unten – Tz. 3 – Rz. 18 f). Die Ertragsminderung beträgt 100 %. Die Grundsteuer ist in Höhe von 50 % zu erlassen.

3. Vertretenmüssen der Rohertragsminderung bei Leerstand

18 Ein Grundsteuererlass nach § 33 GrStG wird nur gewährt, soweit eine Rohertragsminderung um mehr als 50 % zu bejahen ist und diese vom Grundstückseigentümer nicht zu vertreten ist. Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, bedarf die Frage, in welchem Umfang eine Minderung des Rohertrags eingetreten ist, keiner näheren Aufklärung.

19 Der Begriff des Vertretenmüssens im Sinne von § 33 GrStG ist weit auszulegen. Er greift weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit den zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Es ist darauf abzustellen, ob es aufgrund vorangegangenen Verhaltens des Steuerpflichtigen schlechthin unbillig wäre, die geltend gemachten ertragsmindernden Umstände bei der Grundsteuerbelastung unberücksichtigt zu lassen (, Zeitschrift für Kommunalfinanzen 1986, Seite 11).

20 Der Steuerpflichtige hat nach Abschnitt 38 Abs. 2 GrStR die Rohertragsminderung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder eines bebauten Grundstücks nicht zu vertreten, wenn die Umstände, die dazu führen, zwingend von außen in die Ertragslage eingegriffen haben und der Steuerpflichtige auf ihren Eintritt oder Nichteintritt keinen Einfluss hat. Das sind Umstände, die unabhängig von seinem Willen eintreten ( zur Vermögensteuer, BStBl. 1971 II Seite 696). Dagegen hat er für Umstände einzustehen, die er selbst aufgrund freier Willensentschließung herbeigeführt ( a.a.O.) oder nicht beseitigt hat, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.

21 Der Grundstückseigentümer hat die Ertragsminderung bei Wohnungen und anderen Räumen, soweit sie durch Leerstand bedingt ist, dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat (, KStZ 1985, Seite 11). Dabei darf er keine höhere als die marktgerechte Miete verlangen. Das nachhaltige Bemühen ist dann anzunehmen, wenn Makler beauftragt werden, Zeitungsanzeigen geschaltet werden oder das Angebot im Internet erscheint.

22 Der BFH hat die Auffassung vertreten, dass im Falle eines Überangebots auf dem betreffenden Marktsegment von dem Grundstückseigentümer nicht verlangt werden kann, sich den unteren Rand der Mietpreisspanne zu eigen zu machen. Es reiche aus, dass die Räume dem Markt zur Verfügung stehen und nachhaltig zu einer Miete innerhalb der Spanne eines marktgerechten Mietzinses angeboten worden seien. Es ist ohne Bedeutung, ob und wie lange bei neuen Mietobjekten mit Anlaufschwierigkeiten zu rechnen sei und was zum Unternehmerrisiko eines Vermieters gehöre. Diese Frage ist allerdings mit dem Bundesverwaltungsgericht nicht abgestimmt worden. Auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat, wie der BFH einräumt, im Urteil vom  – 5 UE 3009/02, Die öffentliche Verwaltung 2005, Seite 785) anders entschieden.

4. Marktgerechter Mietzins

23 Bei Mietwohnungen kann als Anhaltspunkt der aktuell veröffentlichte Mietspiegel der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung herangezogen werden.

24 Für Gewerbemieten in Berlin kann der von der IHK jeweils veröffentlichte Orientierungsrahmen nur bedingt als eine der möglichen Erkenntnisquellen herangezogen werden. Er ist an Hand weiterer Erkenntnisse an den örtlichen Gewerbemietenmarkt nach Lage, Art und Ausstattung differenziert anzupassen. Hierzu sind auch heranzuziehen:

  • die Mieten, die von Steuerpflichtigen in den Anträgen auf Grundsteuererlass angegeben werden;

  • die Miethöhen, die ausweislich der Immobilienteile der einschlägigen Tageszeitungen gefordert werden.

25 Im Einzelfall kann auch in der Abt. Stadtentwicklung, Amt für Stadtplanung und Vermessung, Fachbereich Grundstückswertermittlung des jeweiligen Bezirksamts, nach Erkenntnissen über Gewerbemieten gefragt werden. Dort werden Kauffälle des Gutachterausschusses gesammelt, die in der Regel die Miete des Objektes beinhalten.

26 Die in jedem FA-Bezirk zu den Gewerbemieten aufgrund von veröffentlichten Marktdaten zu erstellende regionale Gewerbemietenübersicht ist auch für die Erlassjahre 2008 f. fortzuführen (Hinweis auf Tz. 22 der Erlasses v. ).

SenFin Berlin v. - III D - G 1163 a - 1/2009

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
WAAAD-03783