Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 522 Abs. 2; GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug: OLG Karlsruhe, 7 U 52/07 vom
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Beschluss, mit dem das Oberlandesgericht gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine Berufung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen hat.
I.
Die Beschwerdeführerin und Klägerin des Ausgangsverfahrens stellt Sanitärartikel her und liefert diese europaweit an Bau- und Heimwerkermärkte. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens ist ein im Großhandel mit Baumarktartikeln tätiges Unternehmen, welches Einrichtungshäuser und Baumärkte beliefert. Die Parteien standen in einer mehrjährigen Geschäftsbeziehung über die Lieferung von WC-Sitzen.
Die Beschwerdeführerin machte im Ausgangsverfahren im Wege der Feststellungsklage den Fortbestand der Lieferbeziehung und eine daraus erwachsene Schadensersatzpflicht für entstandene und zukünftige Schäden geltend. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Beklagte habe sich nicht pflichtwidrig verhalten. Zudem sei die behauptete Kausalität für die Entstehung eines Schadens der Beschwerdeführerin nicht dargetan.
Mit dem angegriffenen Beschluss wies das Oberlandesgericht nach entsprechendem Hinweis (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO) die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO einstimmig zurück. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO lägen vor, insbesondere habe die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf den begehrten Schadensersatz statt der Leistung aus § 281 BGB seien nicht dargelegt. Auch wenn man dies außer Betracht lasse, fehle es für eine aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB, § 242 BGB hergeleitete Schadensersatzpflicht zum einen an der Verletzung einer Treuepflicht, zum anderen sei deren Kausalität für den Schaden nicht dargetan.
Eine gegen den Zurückweisungsbeschluss gerichtete Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin blieb ohne Erfolg.
Die Beschwerdeführerin macht mit der Verfassungsbeschwerde in erster Linie die Verfassungswidrigkeit von § 522 Abs. 3 ZPO geltend. Es verletze den Anspruch auf gleichen Rechtsschutz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, wenn nach der Zurückweisung einer Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss ein Rechtsmittel gemäß § 522 Abs. 3 ZPO nicht zulässig sei, ein Urteil über die Zurückweisung der Berufung hingegen mit der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden könne. Die darin liegende Ungleichbehandlung von Beschlüssen und Urteilen desselben Inhalts sei nicht gerechtfertigt (unter Berufung auf Krüger, NJW 2008, S. 945). Es verstoße ferner gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Waffengleichheit im Zivilprozess, dass eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO, welche eine übereinstimmende Entscheidung der ersten und zweiten Instanz voraussetze, nur zu Lasten des Berufungsklägers ergehen könne. Hingegen müsse eine Entscheidung zu Lasten des Berufungsbeklagten durch Urteile getroffen werden und unterliege somit immer der Überprüfung im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde. Dies führe zu einer strukturellen Benachteiligung des Berufungsklägers und sei sachlich nicht zu rechtfertigen (unter Berufung auf Lindner, ZIP 2003, S. 192 <194>).
Ferner habe das Oberlandesgericht § 522 Abs. 2 und 3 ZPO willkürlich angewendet und die Beschwerdeführerin damit in ihrem Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu noch ist ihre Annahme gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
Soweit mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar § 522 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 2 ZPO angegriffen wird, genügt sie nicht dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG und dem allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität.
Soweit die Beschwerdeführerin dem Oberlandesgericht eine willkürliche Anwendung von § 522 Abs. 2 ZPO vorwirft und eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie nicht in einer § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügenden Weise begründet wurde.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde auch ohne Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt worden ist.
a) Es verstößt nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgende Gebot der Rechtsschutzgleichheit, dass auf § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO gestützte Beschlüsse über die Zurückweisung einer Berufung einerseits gemäß § 522 Abs. 3 ZPO unanfechtbar sind, während Urteile mit entsprechendem Inhalt andererseits entweder mit der Revision angefochten oder - unter Berücksichtigung der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO - mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden können.
Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu bereits Stellung genommen und entgegen einzelner Stimmen in der Literatur verfassungsrechtliche Bedenken nicht geteilt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1336/08 -, JURIS; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1525/08 -, JURIS). Die Unanfechtbarkeit des Zurückweisungsbeschlusses gemäß § 522 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO wird nach den zugrundeliegenden gesetzgeberischen Erwägungen durch das Erfordernis der Einstimmigkeit des Spruchkörpers über die Voraussetzung der mangelnden Erfolgsaussicht des Rechtsmittels (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) sowie des Fehlens eines Bedürfnisses für revisionsgerichtliche Klärung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO) legitimiert (vgl. BTDrucks 14/4722, S. 97). Die Einstimmigkeit des Spruchkörpers ist eine verfahrensrechtliche Sicherung, welche die in § 522 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorgenommene Differenzierung zwischen der Zurückweisung einer Berufung durch Beschluss und durch Urteil rechtfertigt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1377/04 -, NJW-RR 2007, S. 1194 <1195>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1336/08 -, JURIS; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1525/08 -, JURIS). Dies gilt auch im Vergleich zu den Fällen, in denen eine Berufung durch einstimmig gefasstes Urteil zurückgewiesen wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1336/08 -, JURIS; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1525/08 -, JURIS).
b) Es verletzt auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, dass der Berufungskläger eine zu seinem Nachteil nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergangene Entscheidung gemäß § 522 Abs. 3 ZPO nicht anfechten kann, während der Berufungsbeklagte, zu dessen Nachteil ohne Zulassung der Revision durch Urteil entschieden wird, nach Maßgabe der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO erheben kann.
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Da nach dieser Vorschrift in erster Linie eine ungerechtfertigte verschiedene Behandlung von Personen verhindert werden soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengeren Bindung. Diese ist nicht auf unmittelbar personenbezogene Differenzierungen beschränkt. Sie gilt vielmehr auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (vgl. BVerfGE 92, 53 <68 f.>). Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Außerhalb des so umschriebenen Bereichs lässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber jedoch weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte je nach dem Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln. Die Grenze bildet insoweit allein das Willkürverbot (vgl. BVerfGE 92, 53 <68 f.>; 97, 271 <290 f.>).
Im Zusammenhang mit der Gestaltung des Instanzenzuges und damit auch hinsichtlich des § 522 Abs. 2 ZPO und § 522 Abs. 3 ZPO ist der Gesetzgeber grundsätzlich in den Grenzen des Willkürverbots zu ihm sachgerecht erscheinenden Differenzierungen befugt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 173/04 -, NJW 2005, S. 659; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1377/04 -, NJW-RR 2007, S. 1194 <1195>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1336/08 -, JURIS; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1525/08 -, JURIS). Denn in diesen Fällen geht es in erster Linie um eine Unterscheidung nach Sach- und nicht nach Personengruppen. Da die Ausgestaltung des Instanzenzuges in § 522 Abs. 3 ZPO jedoch mittelbar auch die Rolle der Parteien als Berufungskläger oder Berufungsbeklagte betrifft, könnte dies für eine strengere Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz sprechen. Dies kann letztlich dahingestellt bleiben, da auch bei Anwendung eines strengeren Prüfungsmaßstabes § 522 Abs. 3 ZPO vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand hat.
Durch § 522 Abs. 3 ZPO hat der Gesetzgeber dem Berufungskläger gegen eine nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu seinem Nachteil ergangene Entscheidung kein Rechtsmittel zur Verfügung gestellt, während der Berufungsbeklagte, zu dessen Lasten ohne Zulassung der Revision durch Urteil entschieden wird, die Möglichkeit hat, nach Maßgabe der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO zu erheben.
Maßgebliches Differenzierungskriterium ist insoweit, dass die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur in Betracht kommt, wenn das Berufungsgericht in seiner Besetzung mit drei Richtern das angefochtene Urteil in Übereinstimmung mit der ersten Instanz im Ergebnis für richtig erachtet. Hingegen ist dem Berufungsbeklagten die Nichtzulassungsbeschwerde nur eröffnet, wenn der Berufungskläger ein zumindest teilweise von der erstinstanzlichen Entscheidung zu seinen Gunsten abweichendes Urteil erstritten hat. Anders als im Fall des § 522 Abs. 2 ZPO wird der Berufungsbeklagte mithin im Umfang des Erfolgs des Berufungsklägers durch die Entscheidung des Berufungsgerichts erstmals oder in neuem Umfang beschwert.
Die mit § 522 Abs. 2 und 3 ZPO vorgenommene Differenzierung dient nach der Begründung der Bundesregierung der Verfahrensbeschleunigung im Interesse der in erster Instanz erfolgreichen, berufungsbeklagten Partei und der effektiven und kostensparenden Nutzung der Ressourcen in der Justiz (vgl. BTDrucks 14/4722, S. 64). Der Gesetzgeber wollte insoweit eine vereinfachte Erledigungsmöglichkeit für substanzlose Rechtsmittel schaffen (vgl. BTDrucks 14/4722, S. 61).
Dieser vom Gesetzgeber verfolgte Zweck ist verfassungsrechtlich unbedenklich und wird in § 522 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 2 ZPO im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums verhältnismäßig umgesetzt. Dem Interesse des Berufungsklägers an einer zutreffenden Entscheidung des Rechtsstreits hat der Gesetzgeber durch hinreichende verfahrensrechtliche Sicherungen Rechnung getragen (vgl. BTDrucks 14/4722, S. 97; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1336/08 -, JURIS; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1525/08 -, JURIS). Neben dem Erfordernis der übereinstimmenden Entscheidung in zwei Instanzen und der Einstimmigkeit des Berufungsgerichts in seiner Besetzung mit drei Richtern werden die Interessen des Berufungsklägers bereits im Berufungsverfahren angemessen gewahrt, indem er vor der Zurückweisung auf die Aussichtslosigkeit seines Rechtsmittels hinzuweisen ist und Gelegenheit zur Stellungnahme erhält (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Dabei darf nicht im Beschlussweg entschieden werden, wenn die Berufung nicht von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg ist (vgl. BTDrucks 14/4722, S. 97; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1336/08 -, JURIS).
Diese Ausgestaltung der mit § 522 Abs. 2 und 3 ZPO geschaffenen vereinfachten Erledigungsmöglichkeit rechtfertigt nicht nur die Differenzierung zwischen einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss oder Urteil, sondern trägt auch die Unterscheidung zwischen Berufungsklägern und Berufungsbeklagten im Hinblick auf § 522 Abs. 3 ZPO und § 544 ZPO.
Wegen der Verschiedenheit der von § 522 Abs. 2 ZPO erfassten Sachverhalte und der Situation der durch ein Berufungsurteil beschwerten Berufungsbeklagten ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung auch nicht zu beanstanden, soweit im Bereich des gerichtsförmigen Rechtsschutzes der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass für jedermann die "gleiche Anrufungschance" bestehen muss (vgl. BVerfGE 52, 131 <144>; Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 GG, Rn. 46). Dem steht insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte mit drittbelastender Doppelwirkung (vgl. BVerfGE 35, 263 <279>; 69, 315 <370>) nicht entgegen. Sie knüpft an strukturelle Besonderheiten dieser Verwaltungsakte an, welche bei einer Entscheidung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO oder durch Berufungsurteil nicht zum Tragen kommen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
VAAAC-95073