BGH Beschluss v. - I ZB 22/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GvKostG § 2 Abs. 1; GvKostG § 5 Abs. 2; GvKostG § 5 Abs. 2 Satz 1; GvKostG § 5 Abs. 2 Satz 2; GvKostG § 7 Abs. 1; GvKostG § 7 Abs. 2 Satz 2; GKG § 21; GKG § 66; GKG § 66 Abs. 2; GKG § 66 Abs. 3; GKG § 66 Abs. 3 Satz 3; GKG § 66 Abs. 4; GKG § 66 Abs. 5; GKG § 66 Abs. 6; GKG § 66 Abs. 7; GKG § 66 Abs. 8; ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 574 Abs. 2; ZPO § 574 Abs. 3 Satz 1; ZPO § 574 Abs. 3 Satz 2; ZPO § 764 Abs. 1; ZPO § 766; ZPO § 766 Abs. 2; ZPO § 793; RVG § 33; JVEG § 4; KostO § 14

Instanzenzug: AG Berlin-Köpenick, 33 M 8007/02 vom LG Berlin, 82 T 564/06 vom

Gründe

I. Das Landgericht Berlin hatte die Schuldner verurteilt, eine in einer Kleingartenanlage gelegene Parzelle zu räumen und herauszugeben. Der Gläubiger beauftragte den Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung. Dieser stellte dem Gläubiger nach der Räumung Vollstreckungskosten von 44.014,54 € in Rechnung und teilte mit, gemäß § 2 Abs. 1 GvKostG seien davon 38.818,11 € zu überweisen. Der Gläubiger zahlte den angeforderten Betrag.

Auf Antrag des Bezirksrevisors setzte das Amtsgericht die von den Schuldnern beizutreibenden Kosten der Zwangsvollstreckung auf 44.028,18 € (44.014,54 € gemäß der Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers zuzüglich 13,64 € Rechtsanwaltskosten für den Zwangsvollstreckungsauftrag) fest. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldner setzte das Landgericht die von den Schuldnern zu erstattenden Zwangsvollstreckungskosten auf 3.204,09 € herab. Die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Gläubigers blieb ohne Erfolg ( IXa ZB 328/03, NJW-RR 2005, 212).

Der Gläubiger forderte den Gerichtsvollzieher ohne Erfolg auf, ihm die nicht notwendigen Vollstreckungskosten in Höhe von 35.627,66 € wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 7 Abs. 1 GvKostG zu erstatten. Auf die Erinnerung des Gläubigers stellte das Amtsgericht durch Beschluss fest, dass die vom Gerichtsvollzieher in seiner Kostenrechnung geltend gemachten Gebühren und Kosten zu Unrecht erhoben und dem Gläubiger zu erstatten sind, soweit sie einen Betrag von 3.190,45 € übersteigen.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Bezirksrevisor weiterhin die Zurückweisung der Erinnerung. Der Gläubiger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II. Hinsichtlich der Entscheidung des Gerichtsvollziehers über die Nichterhebung von Gerichtsvollzieherkosten wegen unrichtiger Sachbehandlung ist nach § 7 Abs. 2 Satz 2 GvKostG die für die Erinnerung und die Beschwerde des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers geltende Bestimmung des § 5 Abs. 2 GvKostG entsprechend anwendbar. Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts über den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers ist nicht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (dazu unter 1), sondern allein die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht (hierzu unter 2) statthaft. Dementsprechend ist auch gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts über die Nichterhebung von Gerichtsvollzieherkosten nicht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof, sondern allein die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht eröffnet. Die Rechtsbeschwerde ist daher in eine weitere Beschwerde umzudeuten und die Sache ist zur Entscheidung über die weitere Beschwerde an das Oberlandesgericht (hier: Kammergericht) abzugeben (dazu unter 3).

1. Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts über den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nicht statthaft.

a) Für die Erinnerung und die Beschwerde gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG die Regelung in § 66 Abs. 2 bis 8 GKG entsprechend. Nach § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG findet eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt. Damit ist auch eine Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof ausgeschlossen (, NJW 2003, 70; vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 139 zu Art. 32 Nr. 1a).

b) Dieser Ausschluss gilt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch hinsichtlich des Ansatzes von Gerichtsvollzieherkosten, die - wie hier - Vollstreckungskosten sind. Aus dem in § 5 Abs. 2 Satz 1 GvKostG geregelten Vorrang des § 766 Abs. 2 ZPO folgt nicht, dass sich die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Ansatz von Zwangsvollstreckungskosten durch den Gerichtsvollzieher allein nach dieser Vorschrift richtet und damit der gegen die Entscheidung über die Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO vorgesehene Rechtsmittelweg eröffnet ist. Soweit § 5 Abs. 2 Satz 1 GvKostG auf § 766 Abs. 2 ZPO verweist, ist damit allein die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Erinnerung geregelt. Der Rechtsmittelweg gegen Entscheidungen über die Erinnerung richtet sich dagegen nach den gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG entsprechend anzuwendenden Regelungen in § 66 Abs. 2 bis 8 GKG.

aa) Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GvKostG entscheidet über die Erinnerung des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Gerichtsvollzieher seinen Amtssitz hat, soweit nicht nach § 766 Abs. 2 ZPO das Vollstreckungsgericht zuständig ist. Gemäß § 766 Abs. 2 ZPO ist das Vollstreckungsgericht unter anderem für die Entscheidung über Erinnerungen wegen der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten zuständig. Damit sind, wie sich aus der Stellung dieser Regelung in § 766 ZPO ("Erinnerung gegen Art und Weise der Zwangsvollstreckung") und im 8. Buch der Zivilprozessordnung ("Zwangsvollstreckung") ergibt, die Kosten der Zwangsvollstreckung gemeint. Zur Entscheidung über Erinnerungen gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers ist demnach das Vollstreckungsgericht - also regelmäßig das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat (§ 764 Abs. 2 ZPO) - zuständig, wenn es sich um Kosten der Zwangsvollstreckung handelt. Geht es nicht um Kosten der Zwangsvollstreckung, sondern beispielsweise um Gerichtsvollzieherkosten für Zustellungen oder Versteigerungen außerhalb der Zwangsvollstreckung, entscheidet das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Gerichtsvollzieher seinen Amtssitz hat.

Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 Satz 1 GvKostG regelt demnach allein, welches Gericht für die Entscheidung über Erinnerungen gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers zuständig ist. Sie weist die Entscheidung über Erinnerungen gegen den Ansatz von Kosten der Zwangsvollstreckung in Übereinstimmung mit § 766 Abs. 2 ZPO - aus Gründen des Sachzusammenhangs - dem nach § 764 Abs. 1 ZPO für die Anordnung von und für die Mitwirkung bei Vollstreckungshandlungen zuständigen Vollstreckungsgericht zu und belässt es ansonsten - mit Rücksicht auf die Ortsnähe - bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Gerichtsvollzieher seinen Amtssitz hat.

bb) Im Übrigen sind auf die Erinnerung und die Beschwerde nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG unter anderem die Regelungen in § 66 Abs. 2 bis 8 GKG entsprechend anzuwenden. Danach findet gegen die Entscheidung über die Erinnerung nach Maßgabe des § 66 Abs. 2 GKG die (unbefristete) Beschwerde statt. Ferner ist gegen die Entscheidung über die Beschwerde unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zulässig, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die Erinnerung oder die Beschwerde gegen den Ansatz von Vollstreckungskosten oder gegen den Ansatz von anderen Kosten richtet.

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts über eine Erinnerung gegen den Ansatz von Zwangsvollstreckungskosten durch den Gerichtsvollzieher ist daher weder nach § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 793 ZPO die sofortige Beschwerde zum Landgericht (§ 72 GVG) statthaft, noch kann das Landgericht gegen seine Beschwerdeentscheidung nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (§ 133 GVG) zulassen (a.A. Schröder-Kay/Gerlach, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, § 5 GvKostG Rdn. 18 ff.; Meyer, GvKostG, § 5 Rdn. 12 und Vor § 5 Rdn. 15; Gerlach, DGVZ 2003, 74 f.; vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 5 GvKostG Rdn. 5: Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO, aber Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG; vgl. weiter LG Gießen DGVZ 1989, 184). Soweit dem Beschluss des Senats vom (I ZB 45/05, DGVZ 2005, 23) etwas anderes entnommen werden kann (vgl. Schröder-Kay/Gerlach aaO § 5 GvKostG Rdn. 20), wird daran nicht festgehalten.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hat, den Rechtsweg bei Erinnerungen und Beschwerden gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers unterschiedlich zu gestalten, je nachdem, ob es um den Ansatz von Vollstreckungskosten oder um den Ansatz von anderen Kosten geht. Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber zur Vereinheitlichung der Beschwerdeverfahren in den Kostengesetzen und der Kostenrechtsrechtsprechung mit den § 66 GKG, § 33 RVG, § 4 JVEG und § 14 KostO Regelungen getroffen hat, die - unter Ausschluss der Rechtsbeschwerde - übereinstimmend die unbefristete Beschwerde und die weitere Beschwerde als Rechtsmittel vorsehen (vgl. Begründung zum Entwurf eines Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-Drucks. 15/1971, S. 156 f. zu § 66 GKG), und dass die Regelung des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens im Gerichtskostengesetz nach den Erwägungen des Gesetzgebers - ohne Modifikationen - in das Gerichtsvollzieherkostenrecht übernommen werden sollte (vgl. Begründung zum Entwurf eines Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-Drucks. 15/1971, S. 237 zu Absatz 30 Nummer 1).

Soweit der Gesetzgeber die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht, gerade auch zur Entscheidung von rechtlichen Grundsatzfragen im Kostenrecht geschaffen hat (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 116 zu § 574), soll die Vereinheitlichung der Rechtsprechung ersichtlich auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Kostenfestsetzungsverfahren erfolgen (BGH NJW 2003, 70). Zur Klärung von Grundsatzfragen im Kostenansatzverfahren hat der Gesetzgeber dagegen die weitere Beschwerde eingeführt und die Rechtsbeschwerde ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. Begründung zum Entwurf eines Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-Drucks. 15/1971, S. 156 f. zu § 66 GKG).

c) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht bindet den Bundesgerichtshof nicht. Die Bindungswirkung des § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO tritt nur hinsichtlich des Vorliegens eines Zulassungsgrundes nach § 574 Abs. 2 ZPO ein, eröffnet aber nicht ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel (BGHZ 154, 102 m.w.N.).

2. Gegen die Entscheidung, die das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht über die Erinnerung gegen den Ansatz von Gerichtsvollzieherkosten der Zwangsvollstreckung getroffen hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GvKostG i.V. mit § 766 Abs. 2 ZPO), war demnach gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG i.V. mit § 66 Abs. 2 GKG die (unbefristete) Beschwerde zum Landgericht (§ 72 GVG) statthaft. Das Vollstreckungsgericht hat die Beschwerde in seinem Beschluss zwar nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen; der Wert des Beschwerdegegenstands überstieg jedoch 200 €. Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ist nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG i.V. mit § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht (hier: zum Kammergericht) zulässig, da das Landgericht sie in seinem Beschluss wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat.

3. Die Rechtsbeschwerde ist mit Rücksicht darauf, dass gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nicht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof, sondern nur die weitere Beschwerde zum Kammergericht statthaft ist, nicht als unzulässig zurückzuweisen, sondern in eine weitere Beschwerde umzudeuten. Bei Rechtsmittelerklärungen ist eine Umdeutung unter der Voraussetzung zulässig, dass es sich um vergleichbare Prozesserklärungen handelt, die sich in ihrer Intention und rechtlichen Wirkung entsprechen (, VersR 1986, 785, 786). So verhält es sich hier. Die weitere Beschwerde zielt ebenso wie die Rechtsbeschwerde auf die Änderung einer Beschwerdeentscheidung des Landgerichts durch ein übergeordnetes Gericht; die weitere Beschwerde setzt zudem wie die Rechtsbeschwerde voraus, dass das Landgericht die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Die Sache ist danach zur Entscheidung über die weitere Beschwerde an das Kammergericht abzugeben. Wegen der im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
TAAAC-93792

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein