Leitsatz
Maßnahmen zur Behebung einer während eines versicherten Weges auftretenden Störung am benutzten Fahrzeug stehen unter Versicherungsschutz, wenn sie der Fortsetzung des Weges dienen sollen und dies durch objektive Umstände (Länge des Weges, Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen) bestätigt wird.
Gesetze: SGB VII § 8 Abs 2 Nr 1
Instanzenzug: SG Detmold, S 14 U 113/03 vom LSG Essen, L 15 U 248/05 vom
Gründe
I
Umstritten ist die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.
Der 1964 geborene Kläger ist als Tischler in einem Betrieb beschäftigt, der etwa 1 km von seiner Wohnung entfernt liegt. Am hatte er gegen 7.30 Uhr seine Arbeit aufgenommen und ohne Mittagspause bis in den Nachmittag hinein gearbeitet. Gegen 16.00 Uhr fuhr er mit seinem PKW nach Hause und nahm ein verspätetes Mittagessen ein. Anschließend wollte er sich wieder zu dem Betrieb begeben, von wo aus er gegen 17.00 Uhr einen Kunden beliefern sollte. Als er gegen 16.30 Uhr zu Hause mit seinem privaten PKW, einem BMW Z3, zum Betrieb losfuhr, stellte er nach wenigen Metern ein Schleifgeräusch fest. Er hielt an, bockte, um nach der Ursache zu suchen, das sehr tief liegende Fahrzeug mit einem Wagenheber hoch und ging zur Inspektion mit dem Kopf unter das Auto, weil er glaubte, ein Ast habe sich unter dem Wagen verklemmt. Durch das Abrutschen des Wagenhebers senkte sich das Auto, der Kläger wurde eingeklemmt und erlitt eine Schädelbasisfraktur.
Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil die Instandhaltung des privaten Beförderungsmittels eigenwirtschaftlich und unversichert sei. Der Kläger könne sich auch nicht auf eine unvorhergesehene notwendige Reparatur berufen, weil er den Weg zum Betrieb zu Fuß habe zurücklegen können (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass die am erlittenen Kopfverletzungen des Klägers Folgen eines Arbeitsunfalls sind (Urteil vom ). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe bei der unfallbringenden Tätigkeit unter Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) gestanden. Der Weg zum Ort der Tätigkeit stehe, auch wenn er zB wegen der Nahrungsaufnahme mehrfach am Tag zurückgelegt werde, unter Versicherungsschutz. Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines Kraftfahrzeugs, das wie hier kein Arbeitsgerät iS des § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII sei, seien zwar als so genannte vorbereitende Tätigkeit unversichert. Bei Maßnahmen wegen einer unvorhergesehenen während einer versicherten Fahrt auftretenden Störung bestehe der Versicherungsschutz jedoch fort. Sei eine solche Maßnahme - objektiv betrachtet - nicht notwendig, um das Ziel zu erreichen, so scheide Versicherungsschutz aus. Dasselbe gelte, wenn der Versicherte von vornherein habe erkennen können, dass der Schaden nicht vor Ort behoben werden könne (ua Hinweis auf das Urteil des Senats vom - 2 RU 178/60 - BSGE 16, 245 = SozR Nr 36 zu § 543 RVO aF). Danach sei der Kläger versichert gewesen. Denn er habe angenommen und annehmen dürfen, dass sein PKW nicht mehr betriebssicher war und er den Schaden durch wenige Handgriffe, etwa das Entfernen eines eingeklemmten Gegenstandes, beheben könne. Der Versicherungsschutz entfalle zwar, wenn es dem Versicherten zuzumuten sei, den Weg ohne das betriebsfähige Beförderungsmittel etwa zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzusetzen. Es werde dann auf ein Missverhältnis zwischen der Art und dem Zeitaufwand für die Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit zur Dauer des Weges abgestellt. Ein solcher Sachverhalt liege nicht vor, nach seinen glaubhaften Angaben habe der Kläger angenommen, dass es ihm kurzfristig möglich gewesen wäre, den Schaden zu beheben. Eine derartige auf einige Minuten angelegte Aktion stehe in keinem Missverhältnis zu dem weiteren Weg, auch wenn er nur etwa 1000 m betragen habe, zumal der Kläger den Weg nach der Arbeit noch einmal hätte zurücklegen müssen. Dass er den Weg für die Hinfahrt zeitgerecht und für die Rückfahrt zumutbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln habe zurücklegen können, werde von der Beklagten nicht behauptet und sei angesichts der ländlichen Umgebung nicht anzunehmen.
Zur Begründung ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision bezieht die Beklagte sich ebenfalls auf die Entscheidung des Senats vom und macht geltend, der Reparaturversuch sei eine eigenwirtschaftliche, unversicherte Tätigkeit gewesen. Die Entfernung zwischen Wohnung und Betrieb sei gering und eher kürzer als die vom LSG angeführten 1000 m. Der Kläger hätte diesen Weg in ca 10 Minuten zurücklegen können. Die vom LSG angeführten Gründe, warum es ihm nicht zumutbar gewesen sei, seinen PKW stehen zu lassen, hielten einer Überprüfung nicht stand. Der Fußweg und der Zeitaufwand seien ihm zumutbar gewesen (Hinweis auf das Urteil des Hessischen Breithaupt 1985, 484 ff). Den Rückweg hätte er möglicherweise mit einem Firmenfahrzeug zurücklegen können. Wenn ein Fußweg von 1 bis 2 km die Nutzung eines PKW erforderlich mache, sei praktisch jeder Arbeitsweg unzumutbar lang. Hinsichtlich der zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittel habe das LSG keine Feststellungen getroffen, über die einschlägige im Ein-Stunden-Abstand verkehrende Linie könne man sich im Internet unter www.efa-de informieren. Auch die vom Kläger am Unfalltag geleistete Arbeitszeit mache den Fußweg nicht unzumutbar. Bei lebensnaher Betrachtung habe bei dem Kläger die Sorge um sein Auto im Vordergrund gestanden, diese Sorge sei ausschließlich eigenwirtschaftlicher Natur gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist als unbegründet zurückzuweisen. Das LSG hat zu Recht auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass die vom Kläger am erlittenen Kopfverletzungen Folgen eines Arbeitsunfalls sind.
Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente ( - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, jeweils RdNr 5; - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 5; - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 10).
Diese Voraussetzungen für die Annahme eines Arbeitsunfalls sind für den Unfall des Klägers am 5. Juli 2002 erfüllt. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) tatsächlichen Feststellungen des LSG bestehen an den Ursachenzusammenhängen von der zum Zeitpunkt des Unfalls ausgeübten Verrichtung "Schadenssuche mit dem Kopf unter dem PKW", dem Abrutschen des Wagenhebers bis zu den anschließenden Kopfverletzungen keine Zweifel. Aber auch der sachliche Zusammenhang zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit des Klägers als Tischler und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls "Schadenssuche am PKW" ist entgegen der Ansicht der Revision gegeben, weil der Kläger sich auf einem versicherten Weg befand und die Schadenssuche diesem Weg zuzurechnen ist.
Zu Unfällen auf Wegen hat der Senat in den Entscheidungen vom (- B 2 U 28/05 R -, vorgesehen für SozR, und - B 2 U 1/06 R -, vorgesehen für BSGE und SozR) ausgeführt, dass das Zurücklegen von Wegen in aller Regel nicht die Ausübung der versicherten Tätigkeit selbst darstellt, sondern eine der versicherten Tätigkeit vor- oder nachgelagerte Tätigkeit ist, die zu der eigentlichen Tätigkeit, weswegen das Beschäftigungsverhältnis eingegangen wurde, in einer mehr (zB bei Betriebswegen) oder weniger engen Beziehung (zB Weg zur Arbeit) steht, und dass die Beurteilung des Versicherungsschutzes auf Wegen spezielle Probleme aufwirft. Daher sind bei der Prüfung des sachlichen Zusammenhangs vorliegend zwei Prüfungsschritte zu unterscheiden: Zunächst die Zurechnung des Weges zu der (grundsätzlich) versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3, 6 SGB VII im Hinblick darauf, ob es sich um einen Betriebsweg gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII oder einen anderen unter Versicherungsschutz stehenden Weg nach § 8 Abs 2 SGB VII handelt (nachfolgend 1.), und, wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, die Zurechnung der Verrichtung zur Zeit des Unfalls zu diesem unter Versicherungsschutz stehenden Weg (nachfolgend 2.).
Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte, und zu deren Beurteilung ist neben den Angaben des Versicherten auf die objektiven Umstände abzustellen (stRspr vgl nur - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, jeweils RdNr 6 bis 8 mwN; zuletzt - SozR 4-2700 § 135 Nr 1 RdNr 18 mwN; - RdNr 14, vorgesehen für SozR).
1. Der Kläger war auf einem nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Weg, als er von seiner Wohnung in den Betrieb, in dem er beschäftigt war, fahren wollte, um von dort aus einen Kunden mit Material zu beliefern.
Dem steht nicht entgegen, dass er diesen Weg, nachdem er ihn morgens zum Arbeitsbeginn schon einmal zurückgelegt hatte, nun nach Einnahme seines verspäteten Mittagessens ein weiteres Mal zurücklegen wollte. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass der Weg von und zur Arbeit nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht nur einmal am Tag unter Versicherungsschutz steht, sondern ggf mehrmals, wenn dieses wiederholte Zurücklegen des Weges durch die versicherte Tätigkeit bedingt und ihr damit zuzurechnen ist (stRspr BSG SozR Nr 11 zu § 543 aF; BSG SozR 2200 § 550 Nr 25, 62, 66; zuletzt - RdNr 13; ebenso die überwiegende Literatur, vgl nur Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand März 2007, § 8 RdNr 214 mwN). Die gegenteilige Auffassung (Leube in Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, 1997, § 8 RdNr 151), die darauf gestützt wird, dass in § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII von "des" und nicht wie in § 550 RVO von "eines" Weges gesprochen wird, überzeugt nicht. Denn aus der Verwendung des bestimmten Artikels folgt nicht, dass damit zahlenmäßig nur ein Weg gemeint ist. Außerdem war nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 13/2204 S 77) keine Änderung der bisherigen Rechtslage beabsichtigt, sondern eine Übernahme des bisherigen Rechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Das wiederholte Zurücklegen des Weges, weil zu Hause eine Mahlzeit eingenommen wurde, ist der typische Fall, in dem auch der zweite Weg versichert ist (vgl nur BSG SozR 2200 § 550 Nr 62, 66). Denn Wege zur Nahrungsaufnahme im Laufe eines Arbeitstages sind im Normalfall der versicherten Tätigkeit zuzurechnen und damit versicherte Wege, weil sie der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit dienen und deswegen mit dieser Handlungstendenz von dem Beschäftigten unternommen werden (stRspr: - BSGE 4, 219, 223; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 15; zuletzt - USK 2003 -101; ebenso die Literatur: vgl nur Krasney, aaO, § 8 RdNr 215 mwN).
Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass damit nicht alle Wege des Versicherten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte versichert sind, sondern nur solche, die wegen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden und bei denen die Handlungstendenz des Beschäftigten auf die Ausübung der versicherten Tätigkeit gerichtet ist. Daher hat der Senat in der Entscheidung vom (- B 2 U 19/06 R -) einen Versicherungsschutz der Verletzten verneint, weil die Fahrt, während der sich der umstrittene Unfall ereignete, nicht durch die versicherte Tätigkeit bedingt und ihr zuzurechnen war, sondern ihrem privaten Lebensbereich. Denn die dortige Verletzte hatte die Fahrt unternommen, um während einer Unterbrechung ihrer grundsätzlich versicherten Arbeit ihren Sohn und ein weiteres Kind von der Schule abzuholen und nach Hause zu bringen (BSG, aaO, RdNr 14).
2. Die konkrete Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt "Schadenssuche mit dem Kopf unter dem PKW" ist diesem unter Versicherungsschutz stehenden Weg zuzurechnen.
Allgemeine Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines PKW, der wie hier kein Arbeitsgerät iS des § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII ist, sind als Vorbereitungshandlungen unversichert, also zB Tanken, Inspektionen, Reparaturen usw, auch wenn sie letztlich mit einer auf die grundsätzlich versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (stRspr: - BSGE 7, 255: Kauf der Wochenkarte; - BSGE 16, 77 = SozR Nr 35 zu § 543 RVO aF: Tanken des Kfz; - SozR 3-2200 § 550 Nr 19: Tanken; vgl zuletzt umfassend zu Vorbereitungshandlungen: - SozR 4-2700 § 8 Nr 5: Holen des Bootshausschlüssels; vgl zur Literatur nur Ricke, Kasseler Kommentar zu Sozialversicherung, Stand März 2007, SGB VII, § 8 RdNr 217 ff; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand, Februar 2007, § 8 RdNr 119 ff).
Bei Maßnahmen zur Behebung einer während eines versicherten Weges auftretenden Störung hat der Senat hingegen ein Fortbestehen des Versicherungsschutzes bejaht, wenn kein Zurücklegen des restlichen Weges ohne Behebung der Störung in angemessener Zeit auf andere Weise (zB zu Fuß) möglich ist, die Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit nach Art und Zeitaufwand nicht in einem Missverhältnis zur Dauer des Weges im Ganzen steht und der Versicherte sich auf Maßnahmen beschränkt, die zur Fortsetzung des Weges notwendig sind (so schon die von den Beteiligten angeführte Entscheidung des - BSGE 16, 245 = SozR Nr 36 zu § 543 RVO aF: Reinigen der Zündkerzen; vgl - USK 88112). Dem hat sich die Literatur grundsätzlich angeschlossen (Krasney, aaO, § 8 RdNr 212; Ricke, aaO, § 8 RdNr 218 ff; Leube, aaO, § 8 RdNr 157), wobei Ricke und Leube im Hinblick auf die freie Wahl des Verkehrsmittels meinen, es könne nicht verlangt werden, dass der Versicherte auf das Kfz zum Zurücklegen des Weges angewiesen sei.
Die angeführten Kriterien, Unvorhergesehenheit sowie Relation des noch zurückzulegenden Weges zu den ergriffenen Maßnahmen, sind auch heute noch geeignet, der Entscheidung über die Handlungstendenz des Versicherten zugrunde gelegt zu werden, zumal die aus Erklärungen des Versicherten abgeleitete Handlungstendenz durch derartige objektive Umstände bestätigt bzw widerlegt werden kann. Auch aus der Länge des restlichen Weges und der Möglichkeit, ihn auf andere Weise zurückzulegen, sind Rückschlüsse auf die Handlungstendenz des Verletzten möglich. Es würde aber die Entscheidung des Senats vom überspannen, aus den in ihr angeführten Kriterien, wie der Länge des Weges, zwingende Folgerungen für die grundsätzlich zur Beurteilung des sachlichen Zusammenhangs maßgebliche Handlungstendenz des Versicherten ableiten zu wollen. Denn es entspricht ebenfalls der gefestigten Rechtsprechung des Senats, dass der Versicherte in der Wahl der Fortbewegungsart und des Fortbewegungsmittels frei ist (stRspr: - BSGE 10, 226; - BSGE 54, 46 = SozR 2200 § 550 Nr 51; ebenso die Literatur: vgl nur Krasney, aaO, § 8 RdNr 211).
Daher kann, wenn der Versicherte sich für ein bestimmtes Fortbewegungsmittel, wie vorliegend seinen PKW, entschieden hat und ein bestimmte Störung auftritt, die er meint, umgehend beheben zu können, nicht gefolgert werden, er habe seine auf die versicherte Tätigkeit gerichtete Handlungstendenz aufgegeben (Keller, aaO, § 8 RdNr 121). Auch bei einem Versicherten, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, käme niemand auf den Gedanken, er müsse den weiteren Weg zu Fuß zurücklegen, nur weil er zB einen Anschlussbus verpasst hat und er zu Fuß schneller an der Arbeitsstelle wäre, als wenn er auf den nächsten Bus wartet.
Aus der von der Beklagten angeführten Entscheidung des Hessischen (Breithaupt 1985, 484 ff) ist nichts Gegenteiliges herleitbar, weil in dieser Entscheidung zunächst eine unvorhergesehene Störung während eines versicherten Weges verneint und davon ausgegangen wird, dass der Sachverhalt sich wesentlich von dem Sachverhalt in der Entscheidung des Senats vom unterscheide (aaO S 487, 14. Zeile von unten). Erst nachfolgend hat das Hessische LSG ergänzend allgemeine Überlegungen zu alternativen Möglichkeiten angestellt, wie die Klägerin ihren Weg zurücklegen könne (5 km in 35 bis 40 Minuten zu Fuß).
Ausgehend von den Kriterien Unvorhergesehenheit und Relation des Weges zu den ergriffenen Maßnahmen hat das LSG in dem hier zu entscheidenden Verfahren aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen zu Recht die Schadenssuche am PKW noch dem Zurücklegen des versicherten Weges zugerechnet. Denn die Störung war unvorhergesehen aufgetreten und die ergriffenen Maßnahmen im Verhältnis zum Weg bestätigen die dem Vortrag des Klägers zu entnehmende Handlungstendenz Zurücklegen des Weges zur Arbeit bei der Schadenssuche an seinem PKW. Der Kläger hatte - nach den Feststellungen des LSG - angenommen, ein Ast habe sich unter dem Wagen verklemmt und sei mit wenigen Handgriffen zu entfernen. Selbst wenn der Weg nur etwa 1000 m lang war, begründete dies kein Missverhältnis zwischen Weg und Maßnahme, auch war es keine über das Notwendige hinausgehende Maßnahme.
Soweit die Beklagte ausführt, der Weg sei kürzer als die vom LSG angenommenen 1000 m gewesen und der Kläger habe ihn in ca 10 Minuten zurücklegen können, steht dies dem nicht entgegen. Denn nach § 163 SGG ist das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden, außer wenn gegen sie zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht wurden. Revisionsrügen gegen die tatsächlichen Feststellungen des LSG hat die Beklagte jedoch nicht erhoben. Sie hat nur ihre Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse an die Stelle der vom LSG festgestellten tatsächlichen Verhältnisse gesetzt. Auch bei ihrem Vorbringen zu dem öffentlichen Personennahverkehr in der Region um den Wohn- und den Beschäftigungsort des Klägers sowie die Möglichkeit, ein Firmenfahrzeug zu nutzen, handelt es sich nicht um vom LSG festgestellte Tatsachen, sondern teilweise spekulative Überlegungen ihrerseits. An einer entsprechenden Aufklärungsrüge der Beklagten fehlt es. Von den Feststellungen des LSG abweichender Sachvortrag eines Beteiligten ist im Revisionsverfahren unbeachtlich (vgl nur BSGE 89, 250, 252 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStR 2008 S. 2377 Nr. 49
SAAAC-66912