BGH Beschluss v. - IX ZB 14/07

Leitsatz

[1] Für die Entscheidung, ob die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens widerrufen werden kann, weil die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, ist auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung über die Stundung abzustellen.

Gesetze: InsO § 4c Nr. 2

Instanzenzug: AG Dortmund 260 IK 67/05 vom LG Dortmund 9 T 339/06 vom

Gründe

I.

Am stellte der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie einen Antrag auf Gewährung der Restschuldbefreiung. Ferner begehrte er die Stundung der Verfahrenskosten. Im Vermögensverzeichnis gab er an, dass eine fondsgebundene Lebensversicherung bei der N. AG mit einem bestimmten Rückkaufswert bestehe. Zu der Frage nach Steuererstattungsansprüchen machte er keine Angaben. Er hatte zu diesem Zeitpunkt die Steuererklärung für das vorangegangene Jahr beim Finanzamt eingereicht. Nach Antragstellung kündigte die N. AG den Versicherungsvertrag und zahlte noch im Juni 2005 einen Betrag in Höhe von etwa 400 € an den Schuldner aus. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt eine - später an den Schuldner ausgezahlte - Steuerrückerstattung in Höhe von 1.090 € fest.

Mit Beschluss vom stundete das Insolvenzgericht dem Schuldner die Verfahrenskosten "für das Eröffnungsverfahren und Hauptverfahren". Nachdem es von der Steuerrückerstattung und der Auszahlung des Versicherungsguthabens Kenntnis erlangt hatte, hat es die bewilligte Stundung wieder aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich dieser mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. §§ 7, 6 Abs. 1, § 4d Abs. 1 InsO) Rechtsbeschwerde ist zulässig. Mit Blick auf die nach Eingang des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ergangene Entscheidung des Senats vom (IX ZB 24/06, WM 2006, 2310) ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; vgl. , ZIP 2006, 920).

Das Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, die Stundung sei gemäß § 4c Nr. 2 InsO aufzuheben. Unter Hinzurechnung des Versicherungsguthabens und der Steuererstattung hätte das Vermögen des Schuldners zur Deckung der Verfahrenskosten ausgereicht. Der Umstand, dass die vom Schuldner vereinnahmten Beträge tatsächlich nicht mehr vorhanden seien, stehe der Aufhebung der Stundung nicht entgegen. Dieser hätte Rücklagen für die Kosten des Insolvenzverfahrens ansparen müssen; er sei daher so zu behandeln, als wenn diese Vermögensbestandteile noch vorhanden wären.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Beschwerdegericht hat sich zur Begründung seiner Rechtsauffassung auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Duisburg vom (NZI 2002, 217) berufen. Der Senat hat jedoch in seinem bereits zitierten Beschluss vom (aaO) entschieden, dass dem Schuldner die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens nicht unter Rückgriff auf die von der Rechtsprechung zur Prozesskostenhilfe entwickelten Grundsätze zur herbeigeführten Vermögenslosigkeit versagt werden kann. Der Schuldner ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet, Rücklagen für die zu erwartenden Kosten eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen zu bilden. Diese Entscheidung ist in der Literatur auf einhellige Zustimmung gestoßen (Kohte VuR 2007, 36; Pape ZinsO 2006, 1194; Siegmann, WuB VI A § 4a InsO 1.07; Thöne, WuB VI A § 4a InsO 2.07; HmbKomm-InsO/Nies, 2. Aufl. § 4a Rn. 14). Die vom Senat zu § 4a Abs. 1 Satz 1 InsO aufgestellten Grundsätze gelten auch für den vom Landgericht herangezogenen Aufhebungsgrund des § 4c Nr. 2 InsO, da insoweit lediglich rückschauend auf die gleichen Voraussetzungen abgestellt wird, von denen § 4a Abs. 1 Satz 1 InsO die Stundung der Verfahrenskosten abhängig macht.

III.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO). Die Frage, ob die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Stundung im Sinne des § 4c Nr. 2 InsO nicht vorgelegen haben, ist für den Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung über die Stundung zu beantworten (Wenzel in Kübler/Prütting, InsO § 4c Rn. 24; HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 4c Rn. 13). Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Beschwerdegerichts, dass der Schuldner den von der Lebensversicherung erhaltenen Geldbetrag bereits vor der Stundungsbewilligung am ausgegebenen hatte. Der Steuererstattungsanspruch war in diesem Zeitpunkt hingegen noch nicht fällig, da der Bescheid des Finanzamts vom selben Tag datierte (vgl. § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 124 Abs. 1 Satz 1, § 218 Abs. 1 AO; s. ferner BFHE 128, 146; BFH ZIP 2007, 1514; Urt. v. - VII R 27/06); die Frage seiner kurzfristigen Realisierbarkeit stellte sich daher im Zeitpunkt der Stundungsbewilligung nicht. Im Übrigen erreichte der Betrag der Steuerrückerstattung nicht die von den Tatsacheninstanzen veranschlagten Verfahrenskosten in Höhe von ca. 1.200 €.

IV.

Die angefochtenen Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher, wie von der Rechtsbeschwerde in Ziff. 1 der Begründungsschrift beantragt, aufzuheben; sie fallen ersatzlos weg.

Hinsichtlich des weiteren Antrags der Rechtsbeschwerde in Ziff. 2 sowie des hierauf bezogenen Hilfsantrags geht der Senat von einem Fassungsversehen aus. Dem Schuldner sind die Kosten für das Eröffnungs- und das Hauptverfahren (das eröffnete Verfahren) bereits mit dem nicht angefochtenen Beschluss des Insolvenzgerichts vom gestundet worden. Insoweit weist der Senat lediglich darauf hin, dass eine auf einen Teil der Verfahrenskosten beschränkte Bewilligung der Stundung generell ausscheidet (, ZVI 2006, 285, 286). Die Kosten des Verfahrens über die Restschuldbefreiung sind hingegen dem Schuldner bisher nicht gestundet worden. Hierauf bezieht sich daher die angefochtene Aufhebungsentscheidung nicht; ein solcher Verfahrensgegenstand ist somit nicht in der Rechtsbeschwerdeinstanz angefallen.

Fundstelle(n):
WM 2008 S. 34 Nr. 1
DAAAC-64720

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja