BGH Beschluss v. - IX ZB 124/05

Leitsatz

[1] Fällt nach Stellung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde die Grundsatzbedeutung der Rechtssache weg, erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, dass eine der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechende Beschwerdeentscheidung nicht rechtskräftig wird.

Gesetze: ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug: AG Mönchengladbach 10 K 146/04 vom LG Mönchengladbach 5 T 35/05 vom

Gründe

I.

In dem am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin haben bis zum Schlusstermin keine Insolvenzgläubiger Forderungen angemeldet. Durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom ist der Schuldnerin die Restschuldbefreiung angekündigt worden. Die Laufzeit der Abtretungserklärung ("Wohlverhaltensphase") ist auf sechs Jahre, beginnend mit der Verfahrenseröffnung, festgesetzt worden.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde hat die Schuldnerin die Erteilung der Restschuldbefreiung mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens begehrt. Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 7 InsO) und zulässig. Zwar hatte die Schuldnerin mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung selbst eine Abtretungserklärung für die Zeit von sechs Jahren nach Insolvenzeröffnung vorgelegt. Gleichwohl wurde sie durch den Beschluss des Insolvenzgerichts beschwert. Denn dem Antrag lag ersichtlich die - dem Regelfall entsprechende - Erwartung zugrunde, dass nach Insolvenzeröffnung Gläubiger Forderungen anmelden. Demgemäß ist der Antrag im Sinne des Begehrens auszulegen, mit dem die Schuldnerin ihre sofortige Beschwerde verfolgt hat und nunmehr ihre Rechtsbeschwerde verfolgt. Da es sich um eine Verfahrenserklärung handelt, ist der Senat zu einer derartigen Auslegung befugt (vgl. , NZI 2005, 399, 400 m. Anm. Ahrens aaO S. 401; G. Pape ZInsO 2005, 599).

Zwar hat der Senat die Frage, derentwegen die Sache grundsätzliche Bedeutung hatte, inzwischen entschieden (vgl. aaO). Fällt nach Einlegung der Rechtsbeschwerde die Grundsatzbedeutung der Rechtssache weg, ist die Rechtsbeschwerde gleichwohl zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erfordert, dass die der Rechtsprechung des Senats widersprechende Beschwerdeentscheidung nicht rechtskräftig wird (vgl. hierzu , ZVI 2005, 99, 100). Unschädlich ist des Weiteren, dass die Schuldnerin die Rechtsbeschwerde erst nach Ergehen des Senatsbeschlusses vom eingelegt hat. Denn es darf ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass sie an der fristgerechten Einlegung durch ihre Mittellosigkeit gehindert war. Im Übrigen ist nunmehr die Zulassung wegen der Divergenz zum Senatsbeschluss vom geboten (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).

III.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Wie der Senat in dem Beschluss vom (aaO) ausgeführt hat, kann dem Schuldner bei fehlenden Gläubigeranmeldungen die Restschuldbefreiung unter Umständen bereits im Schlusstermin erteilt werden. Diese Möglichkeit scheidet nicht etwa deshalb aus, um Insolvenzgläubigern, die nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen, die Möglichkeit zu erhalten, Versagungsanträge nach §§ 296, 297 InsO zu stellen. Der angefochtene Beschluss kann deshalb nicht bestehen bleiben.

2. Die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung kann nur versagt werden, wenn noch Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) oder sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) offen sind ( aaO). Dazu fehlen Feststellungen. Deshalb ist die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 400 Nr. 6
ZIP 2006 S. 920 Nr. 19
UAAAB-99602

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja