BFH Urteil v. - VIII R 99/04 BStBl 2008 II S. 7

Keine Strafbefreiung nach dem StraBEG bei inhaltlichen und/oder formellen Erklärungsmängeln bzw. nach Eintritt der Sperrwirkung des § 7 StraBEG (hier: wegen Erscheinens eines Prüfers)

Leitsatz

1. Die strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG und die Selbstanzeige nach § 371 AO konnten wahlweise erfolgen; bei Rechtserheblichkeit der Wahl muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen der strafbefreienden Erklärung nach Form und Inhalt vollständig erfüllt sind.

2. Strafbefreiung nach dem StraBEG tritt nicht ein, wenn vor Eingang der strafbefreienden Erklärung ein Amtsträger der Finanzbehörde in erkennbarer, ernsthafter Absicht der angeordneten steuerlichen Prüfung erschienen ist; diese Sperrwirkung des § 7 StraBEG erfordert nicht auch den tatsächlichen Beginn von Ermittlungsmaßnahmen (entgegen BMF).

3. Die —auch formlos mögliche— Bestimmung des Prüfungsbeginns ist ein eigenständiger Verwaltungsakt; wird dieser nicht angefochten, kann die Sperrwirkung des § 7 StraBEG nicht wegen unangemessen kurzer Frist entfallen.

4. Die Rechtsfolgen einer Strafbefreiungsvorschrift treten nur ein, wenn deren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind; ein diesbezüglicher Tatbestandsirrtum ist unbeachtlich.

Gesetze: StraBEG §§ 1, 3, 6, 7, 8, 13AO §§ 370, 371, 378

Instanzenzug: (EFG 2005, 15) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer u.a. das Streitjahr (1998) betreffenden strafbefreienden Erklärung nach Art. 1 (Gesetz über die strafbefreiende Erklärung —StraBEG—) des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom (BGBl I 2003, 2928).

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte als Rechtsanwalt und Notar Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Mit schriftlicher Prüfungsanordnung vom ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gemäß § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) die Durchführung einer Betriebsprüfung beim Kläger hinsichtlich der Einkommen- und der Umsatzsteuer für die Jahre 2000 bis 2002 an unter gleichzeitiger Ankündigung des voraussichtlichen Prüfungsbeginns am .

Am ging beim FA ein formloses Schreiben des Klägers folgenden Inhalts ein:

„Nach Durchsicht meiner Konten auf Zahlungseingänge melde ich folgende Beträge zur Nachversteuerung an.

Jahr 2000 EUR 8 500

Jahr 2001 EUR 11 500

Jahr 2002 EUR 19 500

Die auf die Gesamtsumme entfallende Mehrwertsteuer in Höhe von EUR 5 379,31 habe ich überwiesen. Für die Einkommensteuer bitte ich um geänderte Bescheide.”

Ankündigungsgemäß begann am eine Betriebsprüferin des FA mit der Prüfung beim Kläger für die Jahre 2000 bis 2002.

Am folgenden Tag () leitete das FA aufgrund der Selbstanzeige ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger ein und erließ nach § 4 Abs. 3 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) eine ergänzende Prüfungsanordnung hinsichtlich Einkommen- und Umsatzsteuer für 1998 und 1999, da auch insoweit aufgrund der Selbstanzeige für die Jahre 2000 ff. mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen sei. Die Mitteilung über die Einleitung des Strafverfahrens wie auch die „Prüfungsanordnung-Ergänzung” händigte die Prüferin am Morgen des Donnerstags, den , dem Kläger persönlich in dessen Büro aus. Zugleich forderte sie vom Kläger die Ausgangsrechnungen für 1998 und 1999 an zur Vorlage am Montag, den .

Am (Sonntag) ging beim FA per Fax ein drei Seiten umfassender, ausgefüllter und vom Kläger am selben Tag unterschriebener Vordruck „Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz” für die Jahre 1993 bis 1999 ein, in dem unter der Rubrik „Lebenssachverhalt” für die Jahre 1998 und 1999 „Honorareinnahmen Ra + N” in Höhe von 16 000 € bzw. 17 000 € aufgeführt waren. Dem war ein Schreiben folgenden Inhalts beigefügt:

„Nach Durchsicht meiner Konten auf Zahlungseingänge melde ich hilfsweise folgende Beträge zur Nachversteuerung an:

Jahr 1999 € 17 000

Jahr 1998 € 16 000

Diese Erklärung erfolgt nur für den Fall, dass eine strafbefreiende Erklärung für die Jahre 99 und 98 nicht mehr möglich ist.”

Wegen der Jahre 1998 und 1999 leitete das FA am ein weiteres Strafverfahren ein. Den Prüfungsfeststellungen folgend erließ es sodann am u.a. einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid für das Streitjahr über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag, in dem es auch die vom Kläger nacherklärten Honorareinnahmen in Höhe von 16 000 € der Besteuerung zugrunde legte.

Die dagegen nach erfolglosem Einspruch eingelegte Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 15 veröffentlichten Urteil ab.

Mit der —vom FG zugelassenen— Revision rügt der Kläger die fehlerhafte Anwendung von § 8 i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a (Alternative 1) StraBEG. Seiner Erklärung vom komme strafbefreiende Wirkung zu; demzufolge habe sie auch abgeltende Wirkung i.S. von § 8 StraBEG. Die Voraussetzungen eines Ausschlusses der Strafbefreiung nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG seien nicht erfüllt. Die Prüferin habe vor Abgabe der strafbefreienden Erklärung noch keine Prüfungsabsicht besessen. Vielmehr beginne eine Außenprüfung nach Nr. 1 zu § 198 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Vornahme konkreter Ermittlungshandlungen, an denen es im Streitfall vor dem gefehlt habe. Die Prüferin habe für 1998 zunächst die Ausgangsrechnungen angefordert und im Übrigen angekündigt, am (Montag) mit den Prüfungshandlungen zu beginnen. Vorher stelle ihr Verhalten bezüglich des Streitjahres noch keine Ermittlungshandlung dar, die den gesetzlichen Anforderungen an das „Erscheinen des Prüfers” genüge.

Angesichts der Einigung mit der Prüferin auf den Prüfungsbeginn am und das Herbeischaffen der Unterlagen zu diesem Zeitpunkt habe es für den Kläger keinen Grund gegeben, an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung zu zweifeln. Dass sich nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist Streitigkeiten wegen der Festsetzung des Prüfungsbeginns ergeben würden, sei für ihn nicht absehbar gewesen. Die fehlende Fixierung des Prüfungsbeginns in der erweiterten Prüfungsanordnung könne nicht zu seinen Lasten gehen.

Ein Zusammenfallen von Prüfungsanordnung und Prüfungsbeginn verstoße schon gegen den Wortlaut des § 197 Abs. 1 AO. Dem Kläger sei auch für den erweiterten Prüfungszeitraum eine angemessene Zeit vor Prüfungsbeginn zuzubilligen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des den geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Eine Einigung zwischen der Prüferin und dem Kläger auf einen Prüfungsbeginn am sei die Einführung eines neuen Sachverhalts, den das FG weder festgestellt habe noch hätte feststellen können, da eine derartige Vereinbarung nicht getroffen worden sei. Die Prüferin habe am Unterlagen zur Prüfung des Zeitraums 1998 und 1999 angefordert und sich dann mit dem Kläger auf deren Vorlage am geeinigt.

Nach gefestigter Rechtsprechung zu § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO komme es für den Eintritt der Sperrwirkung entscheidend auf die ernsthafte Prüfungsabsicht des Prüfers an; nicht erforderlich sei der Prüfungsbeginn.

II.

Die Revision des Klägers ist nicht begründet (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Zu Recht hat das FA die Steuer für das Streitjahr nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) festgesetzt ohne Berücksichtigung des Verwertungsverbots nach § 13 StraBEG und der in §§ 1, 8 StraBEG geregelten Vergünstigung.

1. § 13 StraBEG findet im Streitfall keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift darf der Inhalt einer strafbefreienden Erklärung nur zur Durchführung des Verfahrens nach dem StraBEG oder für Besteuerungszeiträume nach dem Jahr 2002 verwandt werden. Für frühere Jahre unterliegt die strafbefreiende Erklärung einem umfassenden Verwertungsverbot (vgl. auch Merkblatt des Bundesministeriums der Finanzen —BMF— zur Anwendung des StraBEG vom , BStBl I 2004, 225, 237 Rz 14.7). Im Streitfall war die Nachmeldung von Einnahmen der Jahre 2000 ff. (in der ersten Erklärung vom ) aber weder nach Form und Inhalt noch hinsichtlich der gebotenen Selbsterrechnung der Einkommensteuer eine strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG, sondern vielmehr eine Selbstanzeige nach § 371 AO. Davon ist auch das FG ausgegangen, was in der wegen § 13 StraBEG vereinzelt vorgetragenen Urteilskritik (vgl. Adamek, EFG 2005, 18, 19) offenbar verkannt wird.

Auch während des zeitlichen Anwendungsbereichs des StraBEG bestand alternativ weiterhin die Möglichkeit einer Selbstanzeige nach § 371 AO (s. BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225, 237 Rz 15; Joecks/Randt, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2004, 337, 340; Lausterer/Haisch, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2004, 215, 228; Adamek, EFG 2005, 18, 20). Die Wahl zwischen den beiden Alternativen lag beim Betroffenen (vgl. BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225, 237 Rz 15.2). Ob sich der Kläger im Zeitpunkt der Selbstanzeige über die alternative Möglichkeit einer Erklärung nach dem StraBEG im Klaren war, bleibt unerheblich, weil eine Umdeutung in eine solche Erklärung wegen der gesetzlichen Anforderungen in § 3 StraBEG an deren Form und Inhalt nicht möglich ist. Dass umgekehrt die notleidende Erklärung nach dem StraBEG u.U. in eine Selbstanzeige umgedeutet werden kann (s. BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225, 237 Rz 14.4; Lausterer/Haisch, DStZ 2004, 215, 228), ändert hieran nichts.

2. Nach § 1 Abs. 1 StraBEG wird u.a. derjenige, der gegenüber den Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch —im Streitfall einschlägig— Einkommensteuer verkürzt hat, nicht nach §§ 370, 370a AO oder § 26c des Umsatzsteuergesetzes bestraft, soweit

1. er nach dem und vor dem die auf Grund seiner unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen gegenüber der Finanzbehörde erklärt und

2. innerhalb von zehn Tagen nach Abgabe der Erklärung 25 v.H. der Summe der erklärten Beträge entrichtet werden.

Entsprechend gilt dies nach § 6 StraBEG bei einer Steuerordnungswidrigkeit u.a. nach § 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung).

Nach § 8 StraBEG hat die strafbefreiende Erklärung bei fristgerechter Entrichtung des gemäß § 1 StraBEG zu zahlenden Betrags steuerliche Abgeltungswirkung.

a) Unstreitig hat der Kläger unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht, indem er Teile seiner im Streitjahr erzielten Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit nicht in seine Einkommensteuererklärung aufgenommen hatte. Diese Einnahmen hat er am nachträglich erklärt. Die Erklärung konnte aber nicht strafbefreiend wirken und in der Folge auch keine Abgeltungswirkung nach § 8 StraBEG entfalten, weil die Strafbefreiung gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ausgeschlossen war. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Auffassung im BMF-Merkblatt (in BStBl I 2004, 225, 231 Rz 5.2) zu folgen wäre, wonach die Erklärungsabgabe per Fax schon durch ihre Form die Strafbefreiung und die Abgeltungswirkung der Steuerzahlung ausschließen würde (ggf. mit einer ebenfalls nicht gesetzlich geregelten Heilungsmöglichkeit nach Rz 12.5 des BMF-Merkblatts in BStBl I 2004, 225, 235).

In der im Streitfall einschlägigen ersten Alternative des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG tritt die Straf- oder Bußgeldfreiheit nicht ein, soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung bei dem Erklärenden ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist. Diese Regelung entspricht derjenigen in § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO zum Befreiungsausschluss bei Selbstanzeige (, EFG 2006, 1401; s. auch BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225, 233 Rz 9.1; Jesse/Geuenich, Finanz-Rundschau —FR— 2004, 497, 504, m.w.N.), weshalb Rechtsprechungserkenntnisse und Literaturmeinungen zu jener Vorschrift bei der Auslegung des § 7 Satz 1 Nr. 1 StraBEG herangezogen werden können (s. Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz 123 ff.; Seipl/Wiese, Praxis Steuerstrafrecht —PStR— 2005, 34; Jesse/Geuenich, FR 2004, 497, 504).

b) Zutreffend hat das FG erkannt, dass ein Erscheinen des Prüfers „zur steuerlichen Prüfung” eine entsprechende Prüfungsanordnung voraussetzt. Nur soweit die Prüfungsanordnung reicht, kann das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde die Strafbefreiung ausschließen. In Bezug auf die ergänzende Prüfungsanordnung, die ein selbständiger, neben die ursprüngliche Prüfungsanordnung tretender Verwaltungsakt ist (s. Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 196 AO Rz 30, m.w.N.; Seipl/Wiese, PStR 2005, 34, 36), muss sich das Erscheinen des Prüfers deshalb gerade (auch) auf die steuerliche Prüfung des Prüfungsgegenstands der ergänzenden Anordnung richten, um die Sperrwirkung auslösen zu können.

aa) Zu Recht hat das FG das Erscheinen der Prüferin „zur steuerlichen Prüfung” des Streitjahres bereits am —und damit vor Abgabe der Erklärung des Klägers— angenommen, als sie den Kläger in dessen Kanzleiräumen antraf und ihm persönlich die ergänzende Prüfungsanordnung wegen 1998 und 1999 übergab. Die finale Ausrichtung des Erscheinens verlangt, dass der Amtsträger seine ernsthafte Prüfungsabsicht (vgl. Vogelberg in Wannemacher, Steuerstrafrecht, 5. Aufl., Rz 2173; Stahlschmidt, Steuerstrafrecht, S. 123) bei seinem Erscheinen durch eine entsprechende Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten erkennbar zum Ausdruck bringt (s. Kohlmann, a.a.O., § 371 AO Rz 131, 133, m.w.N.). Dies ist im Streitfall geschehen.

Während die Übergabe der Prüfungsanordnung oder die Mitteilung des Prüfungstermins alleine noch kein Erscheinen „zur steuerlichen Prüfung” in diesem Sinne bewirken (Kohlmann, a.a.O., § 371 AO Rz 131), hat die Prüferin im Streitfall ein Übriges getan, nämlich den Kläger aufgefordert, bestimmte Unterlagen u.a. für das Streitjahr vorzulegen. Sie hat damit ihre ernsthafte Prüfungsabsicht kundgetan und darüber hinaus bereits in eine konkrete Aufforderung zur Mitwirkung umgesetzt und nicht nur eine spätere Prüfung angekündigt. Der Prüfer, der den Steuerpflichtigen zur Vorlage von Unterlagen für einen bestimmten Prüfungszeitraum auffordert (z.B. von Bankbelegen oder wie hier: von Ausgangsrechnungen), ist insoweit auch zur steuerlichen Prüfung erschienen (s. Beschluss des Bayerischen Obersten Landgerichts —BayObLG— vom RReg 4 St 155/86, Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht —wistra— 1987, 77, 78; Vogelberg in Wannemacher, a.a.O., Rz 2174).

bb) Das Erscheinen der Prüferin in diesem Sinne genügt, um die Sperrwirkung nach § 7 StraBEG herbeizuführen. Hierfür ist es entgegen der offenbar vom BMF (s. Merkblatt in BStBl I 2004, 225, 233 Rz 9.2) vertretenen und vom Kläger geteilten Auffassung nicht erforderlich, dass der Prüfungsbeamte bereits erkennbar mit ersten Ermittlungsmaßnahmen begonnen hat. Das Gesetz stellt aus Gründen der Beweisklarheit bewusst nicht auf den Prüfungsbeginn ab, sondern als entscheidendes Kriterium auf das leichter feststellbare physische Erscheinen des Prüfers (s. Rottpeter/Webel in Schwarz, AO, Anhang zu § 371 —§ 7 StraBEG— Rz 4; Dumke in Schwarz, a.a.O., § 371 Rz 70; Hoyer in Beermann/Gosch, AO, § 371 Rz 31; Klein/Gast-de Haan, AO, 9. Aufl., § 371 Rz 26 und 27; Kohlmann, a.a.O., § 371 AO Rz 132; Seipl/Wiese, PStR 2005, 34). Das in diesem Punkt abweichende BMF-Merkblatt ist eine Verwaltungsrichtlinie, die das Gericht nicht binden kann, wenn und soweit sie das Gesetz fehlerhaft auslegt.

cc) Unbeachtlich ist der Vortrag des Klägers in der Revisionsbegründung, er habe sich mit der Prüferin auf einen Prüfungsbeginn für die Jahre 1998 und 1999 erst auf den geeinigt. Aus den zuvor dargestellten Gründen kommt es bei Anwendung des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG nicht maßgeblich auf den Prüfungsbeginn an. Im Übrigen hat das FG keine Tatsachenfeststellung zu einem Prüfungsbeginn erst am getroffen; es hat vielmehr in seinem Urteil ausgeführt, dass der Prüfungsbeginn mündlich „am ” festgelegt wurde. Es genügt, wenn eine solche tatsächliche Feststellung, an die der Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich gebunden ist, —wie hier— aus den Entscheidungsgründen hervorgeht (s. etwa , BFHE 136, 252, 260, BStBl II 1982, 700, 704; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 37, m.w.N.). Die Feststellung des FG fügt sich widerspruchsfrei in den im Übrigen festgestellten Sachverhalt des Erscheinens der Prüferin am und der an diesem Tag erfolgten Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen ein. Es gibt deshalb auch keinen vernünftigen Grund, diese Feststellung dahin zu interpretieren, dass am zwar die Festsetzung des Prüfungsbeginns erfolgte, dies aber für einen späteren Zeitpunkt geschehen wäre. Zu den Tatsachenfeststellungen sind keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht worden. In Anbetracht der Ausführungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom unter Nr. 1 muss zudem davon ausgegangen werden, dass er keine Tatsachenbehauptung einer Einigung auf einen Prüfungsbeginn erst am (mehr) aufstellt, sondern insofern nur seine aus sonstigen Tatsachen abgeleitete Rechtsansicht über den Zeitpunkt des Prüfungsbeginns wiedergibt.

Die Rüge hätte aber selbst dann keinen Erfolg haben können, wenn es entsprechend den —insoweit unzutreffenden— Ausführungen im BMF-Merkblatt (in BStBl I 2004, 225, 233 Rz 9.2) auf den Prüfungsbeginn ankäme. Bei genauer Betrachtung ist die Prüferin am Tag der Übergabe der ergänzenden Prüfungsanordnung über die erkennbare Äußerung ernsthafter Prüfungsabsicht hinausgegangen und hat mit der Prüfung begonnen, indem sie den Kläger zur Vorlage von den Erweiterungszeitraum betreffenden Unterlagen aufforderte. Sie konnte dies parallel zur Fortsetzung der zuvor begonnenen Prüfung wegen der Jahre 2000 ff. tun. Die Durchführung der Prüfung wegen des Erweiterungszeitraums setzt verfahrensrechtlich nicht etwa den vorherigen Abschluss der Prüfung wegen des von der ersten Prüfungsanordnung betroffenen Prüfungszeitraums voraus. Die Aufforderung selbst ist —im Unterschied zu einer Einzelprüfungsmaßnahme im Rahmen eines Steuerfestsetzungsverfahrens— eine Aufforderung auf der Grundlage und in Vollzug der Prüfungsanordnung im Rahmen der in § 200 AO konkretisierten Pflichten des Steuerpflichtigen zur Mitwirkung. Als ein solcher (Teil-)Vollzugsakt kündigt sie die Prüfung nicht erst an und ist auch nicht bloße Vorbereitungshandlung (a.A. Müller, Die steuerliche Betriebsprüfung —StBp— 2005, 75, 78), sondern die erste, dem Prüfungszweck dienende Prüfungsmaßnahme in Gestalt eines Verfahrens-Verwaltungsakts (s. , BFHE 140, 505, BStBl II 1984, 512, m.w.N., und Tipke in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 200 AO Rz 6) und damit tatsächlicher Prüfungsbeginn.

dd) Im Streitfall wird der Befreiungsausschluss des § 7 StraBEG nicht seinerseits durch ein rechtswidriges Behördenhandeln ausgeschlossen. Gründe für eine verfahrens- oder materiell-rechtliche Rechtswidrigkeit der erweiternden Prüfungsanordnung selbst sind nach den zutreffenden Ausführungen des FG nicht ersichtlich und werden auch vom Kläger ausdrücklich verneint.

Hingegen rügt er die Unangemessenheit der Zeit zwischen Bekanntgabe der erweiternden Anordnung und dem Prüfungsbeginn, sollte dieser vor dem anzunehmen sein.

Diese Rüge greift im Streitfall aus zwei Gründen nicht durch. Zum einen kommt es bei Anwendung des § 7 Satz 1 Nr. 1 StraBEG nicht maßgeblich auf den Prüfungsbeginn an (s.o. unter II. 2. b bb der Gründe). Zum anderen ist der Kläger verfahrensrechtlich am Einwand der Unangemessenheit des sofortigen Prüfungsbeginns gehindert, weil er keinen Einspruch gegen dessen Bestimmung eingelegt hat. Insoweit kommt unangefochtenen Prüfungs-Verwaltungsakten Bindungswirkung zu (vgl. , BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76). Dementsprechend gibt es im Steuerrecht nach der ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nur ein verfahrensrechtliches Verwertungsverbot, auf das sich nur derjenige berufen kann, der die Prüfungsanordnung —oder einzelne Prüfungsmaßnahmen mit Verwaltungsaktcharakter— erfolgreich angefochten hat bzw. der nach Abschluss der Prüfung oder Erledigung des betreffenden Prüfungs-Verwaltungsakts dessen Rechtswidrigkeit nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO hat feststellen lassen (s. , BStBl II 2007, 227, 233, unter II. 4. b der Gründe; vom VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461; in BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76).

In diesem Zusammenhang steht auch die Bestimmung des Prüfungsbeginns. Prüfungsanordnung und Bestimmung des Prüfungsbeginns sind getrennte Regelungen; die Festlegung des Prüfungsbeginns ist ein eigenständiger Verwaltungsakt (s. , BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408; vom III R 36/88, BFHE 156, 54, BStBl II 1989, 445; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 197 AO Rz 3). Im Unterschied zur Prüfungsanordnung ist für die Bestimmung des Prüfungsbeginns keine Schriftform angeordnet, weshalb sie auch mündlich (BFH-Urteil in BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76; a.A. möglicherweise Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 197 AO Rz 3) oder durch schlüssiges Handeln erfolgen kann. Im Streitfall ist nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen mit der Anforderung der Unterlagen für 1998 und 1999 von einer Festlegung des Prüfungsbeginns auf den auszugehen, so, wie ihn die Prüferin auch in ihren Akten festgehalten hat. Diese Festlegung ist mangels Anfechtung bestandskräftig geworden und bestimmt deshalb mit ihrem Regelungsgehalt verbindlich das Rechtsverhältnis zwischen FA und Kläger, der in Bezug auf die Regelung in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG nicht verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob es diesen Verwaltungsakt (Festlegung des Prüfungsbeginns) nicht gegeben hätte bzw. als ob er aufgehoben worden oder die Prüferin nicht zur angeordneten steuerlichen Prüfung erschienen wäre.

3. Aus den vorstehenden Gründen nicht entscheidungserheblich ist die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Bestimmung des Prüfungsbeginns. Käme es hierauf an, wäre sie im Streitfall allerdings zu bejahen. Unter der „angemessenen Zeit” i.S. von § 197 Abs. 1 AO ist der Zeitraum zu verstehen, der im Allgemeinen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des zu prüfenden Steuerpflichtigen für die Vorbereitungsmaßnahmen des Steuerpflichtigen erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408). Als derartige Vorbereitungsmaßnahmen kommen insbesondere die Freimachung von Räumen und das Freihalten von Terminen in Betracht (s. BFH-Urteil in BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408). Da sich der Kläger ohnehin in geeigneter Weise schon für die Prüfung der Jahre 2000 ff. vorbereiten musste, hat das FG zutreffend erkannt, dass es keiner zusätzlichen Vorbereitungsmaßnahmen des Klägers bedurfte, die einen Aufschub des Prüfungsbeginns wegen des Erweiterungszeitraums geboten hätten; der Senat folgt nicht der Auffassung von Seipl/Wiese (in PStR 2005, 34, 37), die im Streitfall in der Anforderung von Unterlagen für die Folgewoche die Dokumentation der Anerkennung einer notwendigen Vorbereitungszeit sehen wollen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Bekanntgabe der Prüfungsanordnung und Prüfungsbeginn zusammenfallen können (, BFHE 152, 217, BStBl II 1988, 413; , DStR 1989, 533), insbesondere bei erweiternden und ergänzenden Prüfungsanordnungen (s. BFH-Beschluss in BFHE 152, 217, BStBl II 1988, 413). Die angemessene Zeit i.S. von § 197 Abs. 1 AO hat nicht den Zweck, dem Steuerpflichtigen eine Überlegungsfrist einzuräumen, ob er eine Selbstanzeige erstatten bzw. eine strafbefreiende Erklärung abgeben will (ebenso Adamek, EFG 2005, 18, 19).

4. Der Kläger kann nicht deshalb in den Genuss der Abgeltungswirkung des § 8 StraBEG kommen, weil er nach seinem Vortrag von einer anderen Sach- oder Rechtslage ausgegangen ist, nämlich zunächst reinen Vorbereitungshandlungen der Prüferin und einem Erscheinen zur steuerlichen Prüfung erst am . In einer solchen Annahme läge nur ein Irrtum über die tatbestandlichen Voraussetzungen der Strafbefreiungsvorschrift im konkreten Einzelfall. Ein solcher Irrtum führt indes nicht zur Strafbefreiung; er bleibt irrelevant, weil Unrechtstatbestand und Schuld (hier: bezüglich Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung) hiervon nicht berührt werden (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl., S. 553 f.). Bei Strafausschließungs- oder -aufhebungsgründen kommt es vielmehr auf das objektive Vorhandensein der jeweiligen Voraussetzungen an (s. Jescheck/Weigend, a.a.O., S. 554, m.w.N.).

5. Der Senat ist an einer Sachentscheidung nicht gehindert durch die nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) erfolgte Vorlage des FG Köln an das Bundesverfassungsgericht —BVerfG— (Beschluss vom 10 K 1880/05, EFG 2005, 1878) zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Kapitaleinkünften nach §§ 20 Abs. 1, 32a EStG im Vergleich zur niedrigeren steuerlichen Belastung nach dem StraBEG. Eine unmittelbare Auswirkung der Entscheidung des BVerfG auf den vorliegenden Streitfall ist ausgeschlossen, weil der für Einkünfte aus selbständiger Arbeit hier einschlägige § 18 EStG nicht Gegenstand jenes Verfahrens ist. Sollte Ergebnis der verfassungsgerichtlichen Prüfung —gegen die überwiegende Meinung (s. etwa Weber-Grellet, Der Betrieb 2004, 1574, und die weiteren Nachweise im Beschluss des FG Köln in EFG 2005, 1878)— die Verfassungswidrigkeit sein wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz (so etwa Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., vor StraBEG Rz 3 und weitere Nachweise im Beschluss des FG Köln in EFG 2005, 1878) und damit die Nichtigkeit oder Unvereinbarkeit des StraBEG mit dem Grundgesetz, könnte dies keine Besserstellung des Klägers gegenüber der für das Streitjahr bereits nach den Vorschriften des EStG erfolgten Steuerfestsetzung bewirken.

Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 7
AO-StB 2008 S. 33 Nr. 2
BFH/NV 2008 S. 129 Nr. 1
BStBl II 2008 S. 7 Nr. 1
DStR 2007 S. 2158 Nr. 48
DStRE 2008 S. 57 Nr. 1
DStZ 2008 S. 218 Nr. 7
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KÖSDI 2008 S. 15860 Nr. 1
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NWB-Eilnachricht Nr. 39/2008 S. 3680
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StB 2008 S. 6 Nr. 1
StBW 2007 S. 6 Nr. 25
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StuB-Bilanzreport Nr. 7/2008 S. 280
wistra 2008 S. 68 Nr. 2
FAAAC-63876