BFH Beschluss v. - IV B 98/06

Prozessführungsbefugnis Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage

Gesetze: FGO § 63 Abs. 1 Nr. 1, FGO § 63 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 65, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.

Nach § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde angefochten werden, mit der geltend zu machen ist, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO vorliegen. Nach dieser Vorschrift ist die Revision nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder (3.) ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist dabei nur zulässig, wenn einer dieser Revisionszulassungsgründe bezeichnet und die Erfüllung seiner Voraussetzungen schlüssig dargelegt wird (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

An einer solchen Darlegung fehlt es im Streitfall. Weder bezeichnet die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) einen der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO noch lässt sich in ihren Ausführungen die schlüssige Darlegung eines Zulassungsgrundes erkennen. Insbesondere hat die Klägerin den (sinngemäß gerügten) Verfahrensmangel, das Finanzgericht (FG) habe zu Unrecht durch Prozessurteil entschieden, nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt. Ein solcher Verfahrensfehler liegt auch nicht vor.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH stellt es einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, wenn über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wird. In einem solchen Fall wird zugleich der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt (BFH-Beschlüsse vom XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417, und vom VII B 98/04, BFH/NV 2007, 1345, jeweils m.w.N.).

Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage u.a. den Beklagten bezeichnen. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist die Klage gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat. Ist vor Erlass der Entscheidung über den Einspruch eine andere als die ursprünglich zuständige Behörde für den Steuerfall örtlich zuständig geworden, so ist die Klage gegen die Behörde zu richten, die die Einspruchsentscheidung erlassen hat (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Diese Bestimmungen regeln die Prozessführungsbefugnis auf Seiten des Beklagten. Die Prozessführungsbefugnis ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage. Ihr Fehlen muss daher zur Abweisung der Klage durch Prozessurteil führen (, BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331; , BFH/NV 2002, 934; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 63 Rz 1, m.w.N.).

2. Im Streitfall wurden die ursprünglichen Verwaltungsakte durch das Finanzamt (FA) X-M erlassen. Nach Lage der dem Senat vorliegenden Akten wurden die Verwaltungsvorgänge während des Einspruchsverfahrens zuständigkeitshalber vom FA X-A zur weiteren Bearbeitung übernommen. Das FA X-A erließ auch die Einspruchsentscheidung.

Soweit die örtliche Zuständigkeit erst nach Einlegung der Einsprüche auf das FA X-A übergegangen sein sollte, wovon das FG ersichtlich ausgegangen ist, war die Klage gemäß § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO gegen diese Behörde zu richten. Sollte die örtliche Zuständigkeit des FA X-A jedoch schon vor Erlass der angefochtenen Bescheide bestanden haben, wäre ebenfalls dieses FA in entsprechender Anwendung von § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO der allein prozessführungsbefugte (richtige) Beklagte (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 934, unter II.1.a der Gründe).

3. Die —sachkundig vertretene— Klägerin hat in der Klageschrift und in dem noch innerhalb der Klagefrist (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO) beim FG eingegangenen Schreiben, mit dem die Prozessvollmacht übersandt wurde, indessen ausdrücklich das FA X-N als Beklagten bezeichnet. Da das FA X-N —wie dargelegt— nicht prozessführungsbefugt war, war die Klage unzulässig.

Zwar ist auch eine Klageschrift als prozessuale Willenserklärung grundsätzlich in gleicher Weise wie Willenserklärungen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) analog § 133 BGB —ohne Bindung an die Vorinstanz— auszulegen (vgl. , BFHE 169, 507, BStBl II 1993, 306). Dies gilt auch für Erklärungen rechtskundiger Personen. Allerdings kommt bei einer Klageschrift, in der ein Beklagter ausdrücklich und unmissverständlich benannt worden ist, eine berichtigende Auslegung nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331; , BFH/NV 1999, 1226). Denn an der Auslegungsbedürftigkeit einer Erklärung fehlt es, wenn sie nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat (vgl. , BFH/NV 2002, 613, m.w.N., und vom IV R 35/04, BFH/NV 2007, 1509, unter II.B.1. der Gründe). So verhält es sich im Streitfall.

Die Klageschrift und das weitere innerhalb der Klagefrist beim FG eingegangene Schreiben enthielten keinen Anhaltspunkt, der anstelle des ausdrücklich als Beklagten bezeichneten FA X-N auf das FA X-A als den (tatsächlich) Beklagten hinwies. Die angefochtenen Bescheide und die Einspruchsentscheidung waren der Klageschrift auch nicht beigefügt. Zwar ist es denkbar, dass sich aus der in der Klageschrift angegebenen Steuernummer ein Hinweis auf die betroffene Behörde ergibt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine allgemein bekannte Finanzamtsnummer Teil der Steuernummer ist (vgl. , BFH/NV 1997, 588, m.w.N.). Im Streitfall enthielt die in der Klageschrift angegebene Steuernummer indessen nicht die Finanzamtsnummer des FA X-A, sondern die des FA X-N. Damit konnte ein objektiver Leser der Klageschrift nur das FA X-N als die beklagte Behörde ansehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2322 Nr. 12
PAAAC-62169