BGH Urteil v. - 5 StR 347/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 266; AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; AO § 175 Abs. 2 Satz 1; EStG § 2 Abs. 2 Nr. 2; EStG § 8 Abs. 1; EStG § 9; EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; EStG § 21; EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; EStG § 23 Abs. 1 Satz 1; EStG § 24 Nr. 1 Buchstabe a; EStG § 24 Abs. 1 Buchstabe a

Instanzenzug:

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 220 € verurteilt. Die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte war Mitglied des Vorstands der L. - Girozentrale - (im Folgenden: L ). In dieser Funktion war er mitverantwortlich für die im Jahr 2000 erfolgte Rückabwicklung eines notleidend gewordenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Es handelte sich dabei um einen im Dezember 1993 von der L. unter der Bezeichnung "G. Fonds " plazierten geschlossenen Immobilienfonds. Die L. haftete den Fondszeichnern (Neugesellschaftern), zu denen auch der Angeklagte selbst und der gesondert Verfolgte B. gehörten, sowohl wegen positiver Vertragsverletzung als auch aus Prospekthaftung, da die Fondszeichner im Dezember 1993 mangelhaft beraten worden waren. Dem Angeklagten war aus einem Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. bekannt, dass die Schadensersatzansprüche der Höhe nach auf das negative Interesse gerichtet waren, die Fondszeichner also verlangen konnten, so gestellt zu werden, als hätten sie sich nicht an diesem Fonds beteiligt. Die Geschädigten waren für erlittene Nachteile zu entschädigen, sollten aber aus dem schädigenden Ereignis keinen Gewinn erzielen. Steuervorteile der Anleger waren bei der Schadensbemessung zu berücksichtigen. Gleichwohl schlug der Angeklagte im November 2000 im Rahmen der von ihm selbst mitentwickelten Gesamtrückabwicklungslösung vor, allen Fondszeichnern als Gegenleistung für die Rückübertragung ihrer Gesellschaftsanteile einen Betrag in Höhe von 75 % des Nominalwertes der Anteile zu zahlen. Dabei verschleierte er gegenüber den zur Entscheidung über die Fondsabwicklung berufenen übrigen Vorstandsmitgliedern den für die Bemessung des Kaufpreises wichtigen Umstand der unterlassenen Gegenrechnung der Steuervorteile der Fondszeichner und erweckte zusätzlich bewusst den falschen Eindruck, die Fondszeichner müssten mit der Aberkennung der Steuervorteile rechnen oder trügen ein dementsprechendes erhebliches Risiko. In der Folgezeit erhielt der hierin eingeweihte gesondert Verfolgte B. , ein leitender Mitarbeiter der L. , für seinen Gesellschaftsanteil im Nominalwert von 130.000 DM einen Betrag von 97.500 DM (75 % des Nominalwertes), obwohl er allein für das Jahr 1993 aus den Verlustzuweisungen seiner Beteiligung einen Vorteil in Höhe von über 154.000 DM erzielt hatte (UA S. 39, 182).

2. Das Landgericht hat die Nachteilszufügung im Sinne des § 266 StGB darin gesehen, dass der Angeklagte bewirkt hat, dass bei der Festlegung der Bedingungen für den Rückkauf der Fondsanteile die von B. erlangten Steuervorteile nicht berücksichtigt wurden. Dabei hat die Strafkammer bei ihrer Schadensberechnung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen zugrunde gelegt, nach der bei der Bemessung des Schadensersatzes bei einer steuerbegünstigten Vermögensanlage unter Beachtung der Grundsätze zur Vorteilsausgleichung für die Anrechnung möglicher Steuervorteile, die ein Fondszeichner bzw. Anleger durch den Kauf von Fonds- bzw. Kommanditanteilen erlangt hat, im Hinblick auf den häufig unverhältnismäßigen Aufwand einer exakten Errechnung der Steuervorteile (vgl. BGH NJW 2006, 499; NJW 1984, 2524; jeweils m.w.N.) regelmäßig kein Raum ist (vgl. BGHZ 74, 103, 113 ff.). Das Landgericht hat aber die Voraussetzungen des allgemein anerkannten Ausnahmefalls bejaht, dass der Kapitalanleger durch seine Beteiligung ihm endgültig verbleibende so außergewöhnliche Steuervorteile erlangt hat, so dass ihm diese abweichend von der Regel billigerweise angerechnet werden müssen (vgl. BGH NJW-RR 1990, 229, 230; 1986, 1102, 1104; NJW 1984, 2524). Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts einzuwenden.

a) Nach den getroffenen Feststellungen hat der gesondert Verfolgte B. für seinen Fondsanteil in Höhe von 130.000 DM allein für das Jahr 1993 aus den Verlustzuweisungen seiner Beteiligung einen Vorteil in Höhe von über 154.000 DM erzielt und bereits damit einen außergewöhnlich hohen Steuervorteil im Sinne der genannten Rechtsprechung erlangt.

b) Der Anrechnung der Steuervorteile steht auch kein Nachzahlungsanspruch der Finanzbehörden gegenüber, so dass die Steuervorteile dem gesondert Verfolgten B. endgültig verbleiben.

aa) Die Rückabwicklung des Fonds stellte kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hatte (vgl. Rüsken in Klein, AO 9. Aufl. § 175 Rdn. 54). Denn die Möglichkeit des Werbungskostenabzugs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 9 EStG im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) steht nicht unter dem materiellrechtlichen Vorbehalt (vgl. hierzu BFH/NV 2004, 154), dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut behält. Die Voraussetzungen des § 175 Abs. 2 Satz 1 AO lagen ebenfalls nicht vor.

bb) Die Rückabwicklung des Fonds führte auch nicht dazu, dass die Fondsbeteiligung nachträglich als gewerblicher Grundstückshandel umzuqualifizieren war. Bei einer Beteiligungsquote von - wie hier - unter 10 % sieht die Finanzverwaltung die Veräußerung der Anteile an einer BGB-Gesellschaft nicht als gewerblichen Grundstückshandel an (UA S. 30 f., 182; , BStBl I 2004, 434 Rdn. 14, 18). Demgemäß haben die Finanzämter auch keinem der von der Strafkammer gehörten Fondszeichner nachträglich die Steuervorteile wieder aberkannt (UA S. 40). Vielmehr sind die betreffenden Steuerbescheide bestandskräftig geblieben (UA S. 183).

cc) Auch eine Steuerbarkeit der an die Fondszeichner geleisteten Zahlungen als der Einkommensteuer unterliegende Einkünfte besteht nicht. Eine solche ergibt sich hier auch nicht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG oder § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG (vgl. BGH NJW 2006, 2042, 2043 f.; NJW 2006, 499; BFH BStBl II 2002, 796, 797 f. = BFHE 198, 425, 429 f.; BStBl II 1986, 747, 748 = BFHE 147, 176, 178; Drenseck in Schmidt, EStG 26. Aufl. § 9 Rdn. 24 ff., 65, 67; § 21 Rdn. 65 "Schadensersatz"; Loritz/Wagner, ZfIR 2003, 753, 760 f.; jeweils m.w.N.; vgl. auch BFH BStBl II 1993, 96, 97; 1993, 748, 749). Insbesondere handelte es sich bei den zugewendeten Beträgen nicht um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Denn die Zahlungen dienten nicht der Erstattung von Werbungskosten (vgl. BGH NJW 2006, 499, 500). Vielmehr handelte es sich bei den Beträgen um das Entgelt für den Rückerwerb der Fondsanteile zur Abwendung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und damit im Ergebnis um die Rückzahlung der Anschaffungskosten für den Anteilserwerb der Fondszeichner (vgl. BFH BStBl II 2002, 796, 797 m.w.N.). Die Zahlungen sind auch nicht als Entschädigungen im Sinne von § 24 Abs. 1 Buchstabe a EStG im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu qualifizieren. Denn nach den Urteilsfeststellungen dienten sie nicht als Ausgleich für einen durch ein schadenstiftendes Ereignis eingetretenen Verlust von Einnahmen, welche die Fondszeichner ohne das Ereignis bezogen hätten (vgl. BFH BStBl II 1987, 386, 387; Stuhrmann in Blümich, EStG 75. Ergänzungslieferung Juli 2002, § 24 Rdn. 12; Seeger in Schmidt aaO § 24 Rdn. 4 m.w.N.), sondern waren Gegenleistung für die Rückübertragung der Einnahmequelle Fondsanteil auf den ursprünglichen Veräußerer (vgl. BGH NJW 2006, 499, 500 f.).

dd) Die Freistellung der Fondszeichner von der anteiligen quotalen Haftung führte bei diesen, die für die vor ihrem Eintritt in die Gesellschaft entstandenen Verbindlichkeiten ohnehin nicht hafteten (vgl. BGH NJW 2003, 1803, 1805), nicht zu steuerpflichtigen Einkünften im Sinne von § 8 Abs. 1, § 21 EStG. Es fehlte am Zufluss von Gütern als steuerbegründendem Erfordernis des Einnehmens (vgl. Kichhof in Kirchhof, EStG 5. Aufl. § 8 Rdn. 22) im Rahmen der Überschusseinkunftsart (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG).

c) Schließlich ist auch kein Fall gegeben, bei dem nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Anrechnung der Steuervorteile dann ausscheidet, wenn der Geschädigte sich an einem anderen steuerbegünstigten Projekt beteiligt hätte, falls er ordnungsgemäß unterrichtet worden wäre (vgl. BGH NJW 2006, 2042; , zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Allein die generelle Annahme, im Regelfall hätte der Geschädigte eine andere steuerbegünstigte Anlage getätigt, kann die Nichtanrechnung der Vorteile nicht rechtfertigen. Vielmehr kommt es auf die Prüfung im Einzelfall an, wie sich die Vermögenslage des Geschädigten bei Abstandnahme von der Vermögensanlage entwickelt hätte. Hier hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass keiner der Fondszeichner behauptet hat, ihm hätte eine andere konkrete Alternativanlage zur Verfügung gestanden (UA S. 183). Auch sonst bestehen nach den Urteilsfeststellungen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass B. in eine vergleichbare Geldanlage investiert hätte. Im Jahre 1993 bestanden erhebliche Schwierigkeiten, den Fonds zu plazieren. Er musste im Zeitraum vom 21. bis zum vertrieben werden und wurde deshalb bekannten Persönlichkeiten aus dem Bankenbereich angeboten, die sich auf einer relativ schmalen Informationsbasis kurzfristig zu einer solchen Anlage entschließen konnten (UA S. 57).

Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2008 S. 257 Nr. 3
HAAAC-53052

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