BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2228/06

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug: OLG Düsseldorf II-4 UF 19/06 vom OLG Düsseldorf II-4 UF 19/06 vom

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Beschwerdeführerin rügt insbesondere, dass die von ihr in einem Unterhaltsprozess abgelehnten Richter selbst über die Befangenheitsanträge der Beschwerdeführerin entschieden haben.

1. Im Ausgangsverfahren macht die Beschwerdeführerin aus abgetretenem Recht einen Rückforderungsanspruch aus überzahltem Unterhalt geltend. In dem dem Rückforderungsprozess vorausgegangenen Unterhaltsverfahren wurde der Zedent der Rückforderungsansprüche zunächst mit einstweiliger Anordnung vom durch das Amtsgericht Ratingen verpflichtet, an seine getrennt lebende Ehefrau, die jetzige Beklagte des Ausgangsverfahrens, einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 730 € zu bezahlen. Durch Urteil vom reduzierte das Amtsgericht Ratingen die monatliche Unterhaltsverpflichtung auf einen Betrag von 625,33 €. Auf die Berufung des Ehemanns hob das Oberlandesgericht Düsseldorf die erstinstanzliche Entscheidung auf und wies mit Urteil vom den Antrag auf Zahlung von Getrenntlebensunterhalt insgesamt zurück. Da der Ehemann aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidungen regelmäßig Unterhalt bezahlt hatte, ergab sich eine Überzahlung in Höhe von 19.834,70 €. Den vermeintlichen Rückforderungsanspruch gegen die Beklagte des Ausgangsverfahrens trat der Ehemann an die Beschwerdeführerin ab.

2. Mit Urteil vom verurteilte das Amtsgericht Ratingen die Beklagte des Ausgangsverfahrens, an die Beschwerdeführerin einen Betrag in Höhe von 4.572,95 € nebst Zinsen zu bezahlen. Die weitergehende Klage, mit der insgesamt 19.834,70 € geltend gemacht worden waren, wurde abgewiesen. Der überzahlte Unterhalt könne von der Beklagten des Ausgangsverfahrens nur teilweise zurückverlangt werden, weil diese sich im Übrigen auf Entreicherung berufen könne.

3. Auf die Berufung der Beschwerdeführerin wies das darauf hin, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Berufung habe weder grundsätzliche Bedeutung noch Aussicht auf Erfolg. Die Vorstellungen der Beschwerdeführerin zur Darlegungs- und Beweislastverteilung bei einer Klage aus § 826 BGB halte der Senat nicht für erörterungsbedürftig. Der erstmals im zweiten Rechtszug zur Begründung dieses Anspruchs herangezogene Vorwurf wahrheits- und damit pflichtwidriger Angaben der Beklagten im Vorprozess sei schon deshalb irrelevant, weil dies für die bereits am erlassene einstweilige Anordnung nicht ursächlich gewesen sein könne. Die positive Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit der Zahlungen habe die Beklagte erst durch die Entscheidung des Senats vom erhalten, weil die Bemessungsgrundlagen der Unterhaltsforderung nach den Gründen jener Entscheidung von einer Vielzahl im Einzelnen streitiger tatsächlicher und rechtlicher Bewertungsfragen abhänge und von der Beklagten keine weitergehenden Erkenntnisse erwartet werden könnten als vom Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin, dem inzwischen geschiedenen Ehemann, welcher bei gleichem Wissensstand von der Erhebung einer Bereicherungswiderklage abgesehen habe. Sonstige Gründe, die dem Entreicherungseinwand der Beklagten entgegenstehen könnten, vermöge der Senat auch dem überbreiten Vortrag der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen. Ihre allgemeinen Rechtsbelehrungen hätten mit dem Streitfall nichts zu tun und entzögen sich jeder näheren Auseinandersetzung. Ob Vorbringen dieser Art - "mit den unangebrachten Worten ihres Prozessbevollmächtigten" - als "rudimentär und teilweise ignorant" zu bezeichnen wäre, habe der Senat nicht zu entscheiden. Hintergrund für die letztgenannte Formulierung des Senats war, dass der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin in einem Schriftsatz an das ausgeführt hatte, "das rudimentäre und teilweise ignorante Vorbringen der Beklagten" müsse verblüffen.

4. Mit Schriftsatz vom lehnte die Beschwerdeführerin die drei erkennenden Richter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie bezog sich dabei auf Inhalt und Wortlaut des Hinweisbeschlusses vom .

5. Mit Beschluss vom verwarf das Oberlandesgericht Düsseldorf durch die drei abgelehnten Richter den Befangenheitsantrag der Beschwerdeführerin als unzulässig. Gleichzeitig wies das Oberlandesgericht die Berufung der Beschwerdeführerin zurück. Das Ablehnungsgesuch sei rechtsmissbräuchlich. Rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuche könne das Gericht in alter Besetzung als unzulässig verwerfen. Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antrag ausgeführt, der Senat habe sich mehrfach unsachlich in Bezug auf den Prozessvortrag der Beschwerdeführerin geäußert und die abgelehnten Richter hätten die notwendige Neutralität vermissen lassen, indem sie nur einseitig den Vortrag der Beschwerdeführerin bewertet und vor allem auch gerügt hätten. Die Beschwerdeführerin habe darauf hingewiesen, dass sich aus ihren Ausführungen im Befangenheitsantrag ergebe, dass die Voraussetzungen für einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sein könnten. Damit wolle die Beschwerdeführerin über vorgeschobene Ablehnungsgründe das im Gesetz vorgeschriebene Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO verhindern. Derartige taktische Manipulationen dienten der Prozessverschleppung und seien unzulässig. Der Senat habe den Vortrag der Beschwerdeführerin in der Tat als "überbreit" empfunden. Ein beiläufiger Hinweis auf überbreite Ausführungen könne bei einer vernünftigen Partei keine berechtigten Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters aufkommen lassen. In sachlicher Hinsicht halte der Senat daran fest, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe.

6. Mit Schriftsatz vom lehnte die Beschwerdeführerin den Senat erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Gleichzeitig erhob sie Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO mit der Begründung, die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch durch den Senat, bestehend aus den abgelehnten Richtern, sowie die gleichzeitige Zurückweisung der Berufung, seien für die Beschwerdeführerin überraschend erfolgt. Der Umstand, dass die als befangen abgelehnten Richter selbst über den Befangenheitsantrag entschieden, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen hätten, begründe seinerseits die Besorgnis der Befangenheit der Richter. Selbst wenn man keine Gehörsverletzung annehmen würde, so rechtfertige sich zudem die Aufhebung des Beschlusses vom wegen Verstoßes gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Insoweit sei der Schriftsatz hilfsweise als Gegenvorstellung zu verstehen.

7. Mit Beschluss vom verwarf das Oberlandesgericht Düsseldorf wiederum durch die seitens der Beschwerdeführerin abgelehnten Richter das neuerliche Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin als unzulässig. Die Gehörsrüge der Beschwerdeführerin wurde zurückgewiesen. Auch das erneute Ablehnungsgesuch sei unzulässig. Eine Richterablehnung sei unzulässig und damit rechtsmissbräuchlich, wenn das Verfahren in der Hauptsache durch eine unanfechtbare Entscheidung abschließend erledigt sei und das Ablehnungsgesuch sein eigentliches Ziel, den abgelehnten Richter an einer Sachentscheidung zu hindern, nicht mehr erreichen könne. So liege der Fall hier, weil der Senat die Berufung der Beschwerdeführerin durch Beschluss zurückgewiesen habe. Diese Entscheidung sei unanfechtbar. Daran ändere auch die Einlegung der Gehörsrüge nichts, da diese ausschließlich die Sachbehandlung des Senats im früheren Ablehnungsverfahren betreffe. Selbst wenn diese Ablehnung begründet wäre, hätte die instanzerledigende Zurückweisung der Berufung Bestand. Die Gehörsrüge sei offensichtlich unbegründet, da der Senat das rechtliche Gehör nicht verletzt habe und ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nach dem Wortlaut des § 321a ZPO nicht rügefähig sei. Die Gehörsrüge beanstande vielmehr allein die Auffassung des Senats, wonach das frühere Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Für derartige Angriffe gegen eine die Sachentscheidung tragende Rechtsauffassung sei im Verfahren nach § 321a ZPO kein Raum.

8. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

9. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die Beklagte des Ausgangsverfahrens und als weitere Beteiligte des Ausgangsverfahrens die früheren Bevollmächtigten des Ehemanns der Beklagten des Ausgangsverfahrens, welche als Nebenintervenienten dem Ausgangsrechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten waren, hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Nebenintervenienten und die Beklagte des Ausgangsverfahrens verteidigen die angegriffenen Entscheidungen. Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin beantragten die Festsetzung des Gegenstandswerts.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin geboten ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, auch soweit sie den angreift.

Zwar gehört im Gegensatz zur Anhörungsrüge der formlose Rechtsbehelf der Gegenvorstellung grundsätzlich nicht zum Rechtsweg nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG und ist daher nicht geeignet, den Lauf der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erneut in Gang zu setzen. Die Beschwerdeführerin hat indes gegen den gleichzeitig mit der Gegenvorstellung fristgemäß eine zulässige Anhörungsrüge erhoben. Für den Beginn des Laufs der Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss vom ist daher - für alle Grundrechtsrügen einheitlich - auf die Zustellung der Entscheidung über die Anhörungsrüge abzustellen.

2. Die angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Ziel der Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 48, 246 <254>; 82, 286 <296>; 95, 322 <327>). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. BVerfGE 95, 322 <327>).

Deshalb verpflichtet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstraktgenerelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Jede sachwidrige Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen soll dadurch verhindert werden. Die Gerichte sind bei der ihnen obliegenden Anwendung der vom Gesetzgeber geschaffenen Zuständigkeitsordnung verpflichtet, dem Gewährleistungsgehalt und der Schutzwirkung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung zu tragen.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darüber hinaus auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfGE 10, 200 <213 f.>; 21, 139 <145 f.>; 30, 149 <153>; 40, 268 <271>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>).

Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes auszuschließen (BVerfGK 5, 269 <279 f.>).

Die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern dienen dem durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Ziel, auch im Einzelfall die Neutralität und Distanz der zur Entscheidung berufenen Richter zu sichern. Für den Zivilprozeß enthalten die §§ 44 ff. ZPO Regelungen über das Verfahren zur Behandlung des Ablehnungsgesuchs und bestimmen, dass das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung zur Entscheidung auf der Grundlage einer dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters berufen ist. Durch die Zuständigkeitsregelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es nach der Natur der Sache an der völligen inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen wird, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden müsste. In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass abweichend von diesem Grundsatz und vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise in alter Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheidet. Hierzu zählen die Ablehnung eines ganzen Gerichts als solchen, das offenbar grundlose, nur der Verschleppung dienende und damit rechtsmissbräuchliche Gesuch und die Ablehnung als taktisches Mittel für verfahrensfremde Zwecke (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 45 Rn. 4).

Ähnlich wie der Gesetzgeber im Strafprozessrecht, in welchem § 26a StPO ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren für unzulässige Ablehnungsgesuche unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zur Verfügung stellt, während das Regelverfahren des § 27 StPO die Entscheidung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters garantiert, trägt die zivilgerichtliche Rechtsprechung mit der differenzierenden Zuständigkeitsregelung in den Fällen der Richterablehnung einerseits dem Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung: Ein Richter, dessen Unparteilichkeit mit jedenfalls nicht von vorneherein untauglicher Begründung in Zweifel gezogen worden ist, kann und soll nicht an der Entscheidung gegen das gegen ihn selbst gerichtete Ablehnungsgesuch mitwirken, das sein eigenes richterliches Verhalten und die - ohnehin nicht einfach zu beantwortende - Frage zum Gegenstand hat, ob das beanstandete Verhalten für eine verständige Partei Anlass sein kann, an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Andererseits soll aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens der abgelehnte Richter in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert sein und ein aufwendiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren verhindert werden (vgl. BVerfGK 5, 269 <280 f.>).

Für das Strafprozessrecht hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass bei strenger Beachtung der Voraussetzungen des gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs eine Selbstentscheidung mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt gerate, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetze und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache sei (vgl. BVerfGK 5, 269 <281 f.>). Es hat indes klargestellt, dass ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern solle, was eine enge Auslegung der Voraussetzungen gebiete (BVerfGK 5, 269 <282>). Völlige Ungeeignetheit sei anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich sei. Sei hingegen ein - wenn auch nur geringfügiges - Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheide eine Ablehnung als unzulässig aus. Eine gleichwohl erfolgende Ablehnung sei dann willkürlich. Über eine bloß formale Prüfung hinaus dürfe sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen. Überschreite das Gericht bei der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs die ihm gezogenen Grenzen, könne dies seinerseits die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. BVerfGK 5, 269 <283>).

Für den Zivilprozess sind diese Grundsätze entsprechend heranzuziehen. Da die Voraussetzungen für eine Selbstentscheidung des abgelehnten Richters über den ihn betreffenden Befangenheitsantrag verfassungsrechtlich durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vorgegeben sind, ist für eine abweichende Beurteilung im Zivilprozessrecht kein Raum.

Eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß angesehen werden (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts (vgl. BVerfGE 29, 45 <49>; 82, 159 <197>; 87, 282 <286>) beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (BVerfGK 5, 269 <280>).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Oberlandesgericht in beiden angefochtenen Beschlüssen die ihm von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen überschritten.

aa) Im Beschluss vom hat das Gericht aus dem bloßen Umstand, dass die Beschwerdeführerin in den Tatsachen, auf die sie ihren Befangenheitsantrag gestützt hat, zugleich auch Gründe gesehen hat, die aus ihrer Sicht einer Entscheidung über die Berufung im Beschlusswege entgegenstanden, den Schluss gezogen, die Befangenheitsgründe seien vorgeschoben und der Antrag diene der Prozessverschleppung mit dem Ziel der Verhinderung des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO. Dieser Schluss mag - auch bei erheblichen Bedenken an der Richtigkeit dieser Einschätzung - noch nachvollziehbar sein, soweit der Befangenheitsantrag auf eine aus Sicht der Beschwerdeführerin unvollständige Würdigung ihres Sachvortrags und einseitige rechtliche Wertungen im Hinweisbeschluss vom gestützt ist. Jedenfalls aber soweit die Besorgnis der Befangenheit auf die Unsachlichkeit der Äußerungen gestützt wurde (Vorwurf des überbreiten Vortrags, Überlegungen zu "rudimentären und ignoranten" Ausführungen), ist sachlich kein Anknüpfungspunkt für den vom Gericht erhobenen Vorwurf der manipulativen Verhinderung des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO gegeben. Dies wird auch gerade dadurch deutlich, dass sich das Gericht in der Entscheidung über den Befangenheitsantrag veranlasst sah, den Hintergrund für den Vorwurf des überbreiten Sachvortrags näher zu erläutern und diese Erläuterung mit der Wertung abzuschließen, bei einer vernünftigen Partei könne der Hinweis auf überbreite Ausführungen keinen berechtigten Zweifel an der Unparteilichkeit des Gerichts aufkommen lassen. Eine solche Wertung einer Äußerung im Hinblick auf ihre Eignung, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, soll nach dem Leitbild des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerade nicht von demjenigen Richter vorgenommen werden, der die Äußerung selbst getan hat. Gleiches gilt für die Zuständigkeit für die Beantwortung der Frage, ob die Ausführungen des Gerichts zu möglicherweise rudimentärem und ignorantem Vorbringen des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin, zu denen sich das Gericht im Beschluss vom nicht mehr geäußert hat, geeignet waren, Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richter zu begründen. Hinzu kommt, dass auch der im Befangenheitsantrag erhobene Vorwurf des willkürlichen Umgangs mit ihrem Sach- und Rechtsvortrag, den die Beschwerdeführerin ausführlich begründet hatte, nicht ohne Eingehen auf weitere, außerhalb des Gesuchs selbst liegende Verfahrensumstände beurteilt werden konnte. Das Gericht hat hierzu auch dezidiert Stellung genommen, wobei dies nur deshalb formell außerhalb der Entscheidung über den Befangenheitsantrag geschehen konnte, weil das Gericht in einem Beschluss sowohl über den Befangenheitsantrag als auch über die Zurückweisung der Berufung entschieden hat.

bb) Auch der Beschluss vom verstößt gegen das Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

Bei der Prüfung, ob ein Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen werden kann, ist das Gericht in besonderem Maße verpflichtet, das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen, da das Gericht andernfalls leicht dem Vorwurf ausgesetzt sein kann, tatsächlich im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten, und sich zu Unrecht zum Richter in eigener Sache zu machen. Überschreitet das Gericht bei dieser Prüfung die ihm gezogenen Grenzen, so kann dies seinerseits die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. BVerfGK 5, 269 <283>).

Obwohl der Vorwurf der Selbstentscheidung durch Beschluss vom Gegenstand des zweiten Befangenheitsantrags war, hat das Gericht auch im Beschluss vom wiederum in eigener Sache entschieden, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten. Der Hinweis auf die Unanfechtbarkeit der Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO taugt nicht als Begründung für den Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit des Ablehnungsgesuchs. Die gleichzeitig mit dem Gesuch erhobene Anhörungsrüge nach § 321a ZPO und die Gegenvorstellung mit der Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG konnten im Falle ihrer Begründetheit zu einer Fortführung des Berufungsverfahrens führen, was sich für die Anhörungsrüge ausdrücklich aus der Regelung des § 321a Abs. 5 ZPO ergibt und für die Gegenvorstellung als außerordentlichem Rechtsbehelf zur Behebung wesentlicher Verfahrensverstöße ebenfalls gilt. Zudem hat das Gericht übersehen, dass unanfechtbare Entscheidungen, die unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zustandegekommen sind, nach verbreiteter Auffassung (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 799/92 -; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 46 Rn. 18 b) mit der Nichtigkeitsklage analog § 579 Nr. 3 ZPO angefochten werden können.

Für eine grundsätzliche Verkennung des Rechts auf den gesetzlichen Richter spricht im Übrigen der Umstand, dass das Gericht, wenn es auf die Unanfechtbarkeit der Zurückweisung der Berufung abstellt, der Beschwerdeführerin zur Begründung des Vorwurfs des Rechtsmissbrauchs eine prozessuale Situation vorwirft, die es selbst erst durch seine gleichzeitige Entscheidung über Befangenheitsantrag und Berufung herbeigeführt hat.

3. Die Zurückweisung der Gehörsrüge durch Beschluss vom , von der auch ausdrücklich die Rüge des Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter erfasst ist, stellt sich als willkürlich dar und verstößt daher gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot.

a) Willkürlich ist ein Richterspruch nur dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 4, 1 <7>; 80, 48 <51>). Fehlerhafte Auslegung eines Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird (vgl. BVerfGE 62, 189 <192>; 83, 82 <85 ff.>; 86, 59 <62 ff.>). Von willkürlicher Missachtung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 87, 273 <278 f.>).

b) Das Gericht stellt darauf ab, die Gehörsrüge beanstande allein die Auffassung, das frühere Ablehnungsgesuch sei rechtsmissbräuchlich, und mit dem Rechtsbehelf der Gehörsrüge könne die Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht gerügt werden. Damit geht das Gericht auf den Gesichtspunkt der Überraschungsentscheidung, auf den die Gehörsrüge gestützt ist, nicht ein. Dies wäre indes erforderlich gewesen, da auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen eine gewissenhafte und kundige Prozesspartei nicht damit rechnen muss, dass ein Senat am Oberlandesgericht über einen Befangenheitsantrag in einem Berufungsverfahren unter Verkennung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG selbst entscheidet und gleichzeitig eine unanfechtbare Endentscheidung in der Sache trifft. Zudem setzt sich das Gericht ohne sachlichen Grund darüber hinweg, dass die Beschwerdeführerin ihren Rechtsbehelf, soweit er auf Beseitigung des Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter gerichtet war, ausdrücklich als Gegenvorstellung verstanden wissen wollte. Durch die Argumentation des Gerichts wird der Kern des Vorbringens in der Rüge der Beschwerdeführerin krass missdeutet und ihr Anliegen ohne sachlichen Grund im Ergebnis nicht beschieden. Die Berufung auf die Unanfechtbarkeit der Sachentscheidung erweckt darüber hinaus den Eindruck, dass die Kombination von Selbstentscheidung über die Befangenheit und gleichzeitiger Entscheidung über die Berufung der Rechtsschutzverkürzung dienen sollte.

4. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den festgestellten Verfassungsverstößen. Die Beschlüsse vom und vom werden aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG). Die Schutzwirkung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gebietet es dabei, den Beschluss vom nicht nur hinsichtlich der Verwerfung des Befangenheitsantrags, sondern auch hinsichtlich der getroffenen Sachentscheidungen über die Zurückweisung der Berufung und über die Kosten aufzuheben. Zu dem Zeitpunkt, als die Berufung zurückgewiesen wurde, war das Gericht nicht gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, da es nicht befugt war, den Befangenheitsantrag zu verwerfen, welcher von anderen Richtern vor Erlass einer Sachentscheidung hätte beschieden werden müssen. Daher stellt die Entscheidung in der Sache durch die abgelehnten Richter ihrerseits einen eigenständigen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters dar, was eine Aufhebung der Sachentscheidung rechtfertigt. Andernfalls hätte es ein die Grenzen der Verwerfung eines Befangenheitsgesuchs verkennendes Gericht in der Hand, durch eine gleichzeitig mit der Verwerfung eines Befangenheitsgesuchs getroffene nicht anfechtbare Sachentscheidung vollendete Tatsachen zu schaffen.

5. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für die Verfassungsbeschwerde folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Fundstelle(n):
EAAAC-52992