BGH Beschluss v. - VII ZB 6/05

Leitsatz

[1] Allein der in Bedingungen von Staatsanleihen ausgesprochene allgemeine Verzicht des Staates auf Immunität für gerichtliche Verfahren einschließlich des Zwangsvollstreckungsverfahrens bedeutet keinen Verzicht auf den besonderen Schutz der diplomatischen Immunität.

Gesetze: GG Art. 25

Instanzenzug: AG Berlin-Mitte 3 M 4848/03 vom KG Berlin 25 W 100/03 vom

Gründe

I.

Der Gläubiger ist Inhaber von Staatsanleihen der Schuldnerin. In § 12 Abs. 4 der Anleihebedingungen der Staatsanleihe heißt es:

"In dem Ausmaß, in dem die Republik derzeit oder zukünftig Immunität (aus hoheitlichen oder sonstigen Gründen) von der Gerichtsbarkeit irgendeines Gerichts oder von irgendeinem rechtlichen Verfahren (ob bei Zustellung, Benachrichtigung, Pfändung, Vollstreckung oder in einem sonstigen Zusammenhang) in Bezug auf sich selbst oder ihre Einkünfte, ihr Vermögen oder Eigentum besitzt oder erwerben sollte, verzichtet die Anleiheschuldnerin hiermit unwiderruflich auf eine solche Immunität in Bezug auf ihre Verpflichtungen aus den Teilschuldverschreibungen in dem Umfang, in dem sie dazu gemäß dem anwendbaren Recht berechtigt ist."

Das Landgericht F. verurteeilte die Schuldnerin zur Zahlung von 766.937,82 € und Zinsen an den Gläubiger Zug um Zug gegen Herausgabe der Inhaberschuldverschreibungen. Aus diesem Urteil betreibt der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in Konten, die die Schuldnerin bei der Drittschuldnerin unterhält.

Mit Schreiben vom erklärte der Botschafter der Schuldnerin in Deutschland, dass diese Konten "allein dazu dienen, die Ausgaben und Kosten für Einrichtung und Tätigkeit der diplomatischen Mission in Deutschland abzuwickeln. Die dort unterhaltenen Guthaben sind beispielsweise zur Zahlung der Löhne und Gehälter der Angestellten und Mitglieder der diplomatischen Mission, der Miete für die Botschaftsräume sowie andere mit deren Einrichtung und Tätigkeit verbundenen Ausgaben bestimmt ... Eine Pfändung dieser Konten würde den Botschaftsbetrieb schwerwiegend beeinträchtigen."

Auf Antrag des Gläubigers hat das Amtsgericht am die Pfändung von Konten, die die Schuldnerin bei der Drittschuldnerin führt, wegen einer Forderung in Höhe von insgesamt 843.188,78 € angeordnet und die Ansprüche aus den Konten an den Gläubiger überwiesen. Die Erinnerung der Schuldnerin gegen diesen Beschluss hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben und den Antrag des Gläubigers zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der Gläubiger die Wiederherstellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erreichen.

II.

Das Beschwerdegericht führt aus, die finanzielle Abwicklung der Ausgaben und Kosten der Botschaft der Schuldnerin über das streitgegenständliche Konto gehöre unmittelbar zur Aufrechterhaltung der diplomatischen Funktionen der Schuldnerin. Die Schuldnerin habe nachvollziehbar dargelegt und hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Pfändung den Botschaftsbetrieb schwerwiegend beeinträchtige. Dieser Feststellung stehe weder der Vortrag des Gläubigers, dass die Botschaft trotz der Pfändung über Monate unbeeinträchtigt weiter betrieben worden sei, noch die Höhe des Guthabens der Schuldnerin auf diesen Konten entgegen. Das Guthaben der Schuldnerin auf diesen Konten genieße kraft allgemeinen Völkerrechts den besonderen Immunitätsschutz zugunsten diplomatischer Vertretungen bei der Zwangsvollstreckung. Die Vollstreckung in dieses Vermögen setze einen ausdrücklichen Verzicht auf diesen besonderen Schutz voraus. Einen solchen habe die Schuldnerin mit dem pauschalen Immunitätsverzicht in Art.12 der Anleihebedingungen nicht erklärt, so dass die angegriffene Pfändungsmaßnahme die Grenzen überschreite, die das Völkerrecht der Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat setze.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Zwar hätte über die in zulässiger Weise gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - eingelegte sofortige Beschwerde nicht das Kammergericht, sondern das Landgericht zu entscheiden gehabt. § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG ist hier nicht anzuwenden (vgl. , MDR 2007, 487 = InVo 2007, 167). Dies unterliegt aber nicht der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Nach dem Regelungsgehalt der § 576 Abs. 2 ZPO, § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann nicht überprüft werden, ob das vorinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat (vgl. für die entsprechende Frage der Überprüfung der Zuständigkeit des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz , NJW 2005, 1660). Der Nachprüfung ist insoweit auch die funktionelle Zuständigkeit entzogen (vgl. BGH für den Fall der Anwendung der § 545 Abs. 2, § 513 Abs. 2 ZPO , NJW 2003, 2917).

2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Zwangsvollstreckung in die gepfändeten Konten ist unzulässig, weil die Schuldnerin insofern nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt.

a) Die Schuldnerin genießt hinsichtlich der Ansprüche aus den gepfändeten Bankkonten diplomatische Immunität, weil diese Konten der diplomatischen Vertretung der Schuldnerin zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktion dienen.

aa) Von Völkerrechts wegen darf bei Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat nicht auf die seiner diplomatischen Vertretung zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktion dienenden Gegenstände zugegriffen werden, sofern dadurch die Erfüllung der diplomatischen Tätigkeit beeinträchtigt werden könnte (, BVerfGE 46, 342, 394/395; , NJW-RR 2006, 425, 426 = Rpfleger 2006, 133; IXa ZB 19/03, NJW-RR 2003, 1218, 1219 = Rpfleger 2003, 518). Bei der Beurteilung dieser Gefährdung zieht das Völkerrecht den Schutzbereich zugunsten des anderen Staates sehr weit und stellt auf die typische, abstrakte Gefahr, nicht aber auf eine konkrete Beeinträchtigung der diplomatischen Tätigkeit ab (BVerfG, aaO, S. 395; BGH, aaO). Demgemäß sind generell die den diplomatischen und konsularischen Missionen dienenden Gegenstände unverletzlich (BVerfG, aaO; BGH, aaO).

bb) Die Feststellung des Beschwerdegerichts, dass die gepfändeten Ansprüche der diplomatischen Vertretung der Schuldnerin zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen dienen, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass von der Schuldnerin von Völkerrechts wegen lediglich verlangt werden kann, glaubhaft zu machen, der gepfändete Gegenstand diene der Aufrechterhaltung der Funktionen ihrer diplomatischen Vertretung. Es wäre eine völkerrechtswidrige Einmischung in die Angelegenheiten eines fremden Staates, wenn diesem angesonnen würde, die Verwendungszwecke eines ihm gehörenden Vermögensgegenstandes näher darzulegen (, BVerfGE 46, 342, 400; , NJW-RR 2006, 425, 426 = Rpfleger 2006, 133; IXa ZB 19/03, NJW-RR 2003, 1218, 1220 = Rpfleger 2003, 518 m.w.N.). Deshalb genügt es, wenn der fremde Staat durch die gehörige Versicherung eines zuständigen Organs glaubhaft macht, dass der Vermögensgegenstand unmittelbar der Aufrechterhaltung der Funktionen der diplomatischen Vertretung dient (BVerfG, aaO; BGH, aaO m.w.N.). Eine Überprüfung der Zwecke, zu denen der Entsendestaat ein Guthaben auf einem Konto bestimmt hat, ist nicht zulässig, denn eine solche Prüfung würde "die Gefahr des Eindringens in den internen Funktionsbereich der diplomatischen Vertretung des Entsendestaates heraufbeschwören; dies ist kraft völkerrechtlichen Gesandtschaftsrechts ohne Zustimmung des Entsendestaats schlechterdings verwehrt. Dem Entsendestaat ohne seine Zustimmung von Seiten der Vollstreckungsorgane des Empfangsstaats anzusinnen, das Bestehen oder die früheren, gegenwärtigen oder künftigen Verwendungszwecke von Guthaben auf einem solchen Konto näher darzulegen, würde ... eine völkerrechtswidrige Einmischung in die ausschließlichen Angelegenheiten des Entsendestaats darstellen" (BVerfG, aaO S. 400 f.).

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Erklärung des Botschafters der Schuldnerin vom als ausreichend angesehen hat. Rechtsfehler des Beschwerdegerichts bei der tatrichterlichen Würdigung dieser Erklärung hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Da eine konkrete Beeinträchtigung des Botschaftsbetriebes nicht erforderlich ist, sondern die abstrakte Gefahr genügt, dass die Erfüllung der diplomatischen Tätigkeit des Entsendestaates beeinträchtigt wird, ist der Vortrag des Gläubigers zur Höhe des Guthabens der Schuldnerin auf den gepfändeten Konten ebenso unerheblich wie auch der Umstand, dass die Botschaft der Schuldnerin trotz der Pfändung ihren Betrieb weiter aufrechterhalten konnte.

b) Die Schuldnerin hat hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Ansprüche nicht auf ihre Immunität verzichtet. Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass der Verzicht auf die besondere, diplomatische Immunität ausdrücklich erklärt werden muss (vgl. , WM 2007, 57, 59 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung, die sich mit den hier relevanten Anleihebedingungen der Schuldnerin befasst, festgestellt, es gebe keine allgemeine Regel des Völkerrechts, dass ein ausländischer Staat durch einen allgemeinen, in seinen Anleihebedingungen enthaltenen Immunitätsverzicht nicht nur auf den Schutz der allgemeinen Staatenimmunität verzichte, sondern seine Zustimmung auch zur Vollstreckung in solches Vermögen erkläre, das der Aufrechterhaltung des Betriebs seiner diplomatischen Mission diene (BVerfG, aaO). Zur Vollstreckung in die streitgegenständlichen Konten wäre ein ausdrücklicher Immunitätsverzicht der Schuldnerin erforderlich gewesen, der über die Erklärung in den Anleihebedingungen hinausgeht. An einem solchen Verzicht fehlt es, wie im angefochtenen Beschluss rechtsfehlerfrei im Einzelnen dargelegt ist.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1498 Nr. 21
RIW 2007 S. 697 Nr. 9
WM 2007 S. 1562 Nr. 33
TAAAC-52144

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja