BFH Urteil v. - IX R 12/06

Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. von § 4 Satz 1 EigZulG setzt nicht die Deckung des gesamten Wohnbedarfs voraus

Leitsatz

Eigenheimzulage kann auch für eine eine eigenständige Haushaltsführung ermöglichende Wohnung gewährt werden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seines Lebensführungskonzepts für Freizeitzwecke sowie als Hauswirtschaftsraum nutzt. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. des § 4 Satz 1 EigZulG setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige die begünstigte Wohnung ausschließlich bewohnt, oder dass es sich um die Hauptwohnung oder den Mittelpunkt der Lebensinteressen handelt.

Gesetze: EigZulG § 2, EigZulG § 4

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Oktober 2000 die 105 qm große 2,5-Zimmer-Wohnung im Obergeschoss eines Hauses für 137 000 DM. Im Juni 2001 heiratete sie den Eigentümer der Erdgeschosswohnung im selben Haus und zog zu diesem. Die Obergeschosswohnung wird seitdem —abgesehen von einem 18 qm großen Raum, der Büro des Ehemannes ist— für ein Bügel- und Wäschezimmer sowie als Abstellkammer genutzt; der größte Raum dient als Fernseh-, Hobby- und Fitnessraum. In der Obergeschosswohnung befindet sich keine Schlafgelegenheit. Im Bad sind Dusche und Waschbecken nicht installiert, lediglich eine Badewanne ist vorhanden. In dem Küchenraum sind die entsprechenden Anschlüsse vorhanden; allerdings sind die Küchenmöbel abgebaut.

Der Klägerin wurde ab 2000 Eigenheimzulage in Höhe von 5 000 DM jährlich gewährt. Aufgrund einer Nachschau im Oktober 2002 wurde die Festsetzung der Eigenheimzulage ab 2003 mit Bescheid vom aufgehoben. Mit Schreiben vom beantragte die Klägerin erneut Eigenheimzulage. Der Antrag wurde mit Bescheid vom abgelehnt, der hiergegen eingelegte Einspruch mit Einspruchsbescheid vom als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 872 veröffentlichtem Urteil vom 3 K 234/05 als unbegründet ab. Die Nutzung einer Wohnung nur in der Freizeit, z.B. für Fitnesstraining sowie zum Fernsehen mit Freunden, erfülle nicht die Voraussetzungen für eine förderungswürdige Nutzung zu Wohnzwecken i.S. von § 4 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 2, 4 EigZulG). Die streitbefangene Wohnung werde nach wie vor zu eigenen Wohnzwecken genutzt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und ab 2004 Eigenheimzulage in Höhe von jährlich 5 000 DM zu gewähren.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Bei der Wohnung der Klägerin handelt es sich um ein begünstigtes Objekt i.S. von § 2 Satz 1 EigZulG. Sie wird auch zu eigenen Wohnzwecken genutzt (§ 4 Satz 1 EigZulG).

a) Eine Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist die Zusammenfassung mehrerer Räume, die die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglicht. Dazu müssen die Räume nicht nur eine Küche oder zumindest eine Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und WC aufweisen, sondern in Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten baulich gegenüber anderen Räumen abgeschlossen sein und einen eigenen Zugang haben (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 187, 445, BStBl II 1999, 91, m.w.N.).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Wohnung der Klägerin. Insbesondere handelt es sich nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden finanzgerichtlichen Feststellungen um in sich abgeschlossene Räume. Dass in der Wohnung die Küchenmöbel abgebaut sind, ist für die Frage, ob es sich um ein geeignetes Förderungsobjekt handelt, unerheblich; es kommt lediglich auf das Vorhandensein eines Küchenraumes mit entsprechenden Anschlüssen an.

b) Zur Auslegung des Begriffs der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. von § 4 EigZulG ist die Rechtsprechung des BFH zum inhaltsgleichen Begriff der früheren Wohneigentumsförderung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) maßgebend. Danach dient eine Wohnung eigenen Wohnzwecken, wenn sie vom Steuerpflichtigen selbst oder ggf. den mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen als Wohnung genutzt wird (, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587, unter 2., m.w.N.). Nutzung zu Wohnzwecken ist der tatsächliche Gebrauch der Wohnung zum Wohnen. Der Begriff der Nutzung zu Wohnzwecken umschreibt einen durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gekennzeichnenden Lebenssachverhalt (, BFH/NV 1998, 160, m.w.N.). Ist diese Nutzung auf Dauer angelegt, so ist unerheblich, ob der Steuerpflichtige nur diese Wohnung hat (, BFHE 178, 140, BStBl II 1995, 720, zu § 10e EStG) und wie oft er sich in ihr aufhält (, BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, zu § 10e EStG); es reicht aus, dass ihm die Wohnung ständig zur Verfügung steht (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 160; , BFH/NV 2002, 1284, unter II. 2. a).

Dabei sind die Regelungen des § 2 EigZulG und § 4 EigZulG nicht in der Weise sachlich deckungsgleich, dass eine Wohnnutzung i.S. von § 4 EigZulG nur in Betracht käme, wenn sämtliche für die Annahme einer förderungsfähigen Wohnung i.S. von § 2 EigZulG erforderlichen Merkmale auch von der tatsächlichen Wohnnutzung i.S. von § 4 EigZulG umfasst wären. Weder der Wortlaut —"die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt"— noch der Zweck des Eigenheimzulagengesetzes erfordern eine derartige Auslegung. Schon die tatbestandsmäßige Differenzierung zwischen begünstigtem Objekt und Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in § 2 EigZulG und § 4 EigZulG spricht dafür, dass das begünstigte Objekt als solches zwar geeignet sein muss, eine eigenständige Haushaltsführung zu ermöglichen, andererseits aber die tatsächliche Wohnnutzung auch darin bestehen kann, dass das begünstigte Objekt lediglich einen Teil der Eigengestaltung der Haushaltsführung des Steuerpflichtigen darstellt. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige die begünstigte Wohnung ausschließlich bewohnt oder dass es sich um die Hauptwohnung oder den Mittelpunkt der Lebensinteressen handelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, zu § 10e EStG).

Ziel der Förderung auch durch das Eigenheimzulagengesetz ist es, die Voraussetzungen zu schaffen, dass möglichst viele Bürger Wohneigentum erwerben können, um die Vermögensbildung durch Wohneigentum zu fördern, vor allem im Hinblick auf die Altersversorgung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, zu § 10e EStG; Wacker, EigZulG, 3. Aufl, § 4 Rz 14). Diese Gründe treffen auch für eine Wohnung zu, die der Steuerpflichtige im Rahmen seines Lebensführungskonzepts für Freizeitzwecke sowie als Hauswirtschaftsraum nutzt.

2. Die Sache ist spruchreif. Da die Wohnung der Klägerin die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, ist das FA verpflichtet, ihr die beantragte Eigenheimzulage zu gewähren.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1833 Nr. 10
HFR 2007 S. 1085 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2007 S. 7
JAAAC-52023