BGH Beschluss v. - VI ZB 74/06

Leitsatz

[1] Zum Eingang einer Berufungsbegründung um 24:00 Uhr des letzten Tages der Berufungsbegründungsfrist.

Gesetze: ZPO § 520 Abs. 2 n.F.

Instanzenzug: LG Darmstadt 4 O 199/03 vom OLG Frankfurt 22 U 132/06 vom

Gründe

I.

Das Landgericht Darmstadt hat mit Urteil vom die Klage abgewiesen. Die Frist zur Einlegung der Berufungsbegründung lief am ab. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat vorgetragen, er habe aufgrund starker Arbeitsbelastung am während seiner Bürozeiten die Berufungsschrift nicht fertig stellen können. Nach Abschluss der Berufungsschrift um ca. 23:30 Uhr habe er den Schriftsatz per Fax versenden wollen, aber feststellen müssen, dass das Faxgerät den Schriftsatz nicht angenommen habe. Nachdem er Kabel und Leitungen geprüft habe, habe er auf dem Display des Faxgerätes einen Vermerk gesehen, dass die Toner-Kartusche gewechselt werden müsse. Obwohl er zunächst die Erschöpfung der Toner-Kartusche als Fehlerursache ausgeschlossen habe, da Toner nur für Ausdrucke gebraucht werde, habe er die Kartusche ausgetauscht. Daraufhin habe das Faxgerät wieder funktioniert. Das Wechseln der Kartusche, das üblicherweise von der Fachangestellten ausgeführt werde, habe etwa 15 Minuten gedauert. Der Schriftsatz habe daher erst nach Mitternacht versandt werden können. Auf den vom Empfangsgerät des Gerichts ausgedruckten drei Seiten der Berufungsbegründung sowie der beigefügten Anlage befindet sich unten auf der jeweiligen Seite die von einem Faxgerät stammende Zeitangabe "14/07 '06 FR 00:00 ...".

Den Antrag des Klägers vom , ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

1. Der angefochtene Beschluss begegnet zwar Bedenken, weil er keine Darstellung der Anträge der Parteien enthält. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; anderenfalls sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen (vgl. Senat, Beschluss vom - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78; vom - IX ZB 63/03 - BGH-Report 2005, 1000). Das Fehlen der Anträge, das die Rechtsbeschwerde nicht beanstandet, kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die Anträge mit den prozessualen Vorgängen, auf die es hier allein ankommt, mit noch hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben.

2. Die Rechtsbeschwerde ist aber unzulässig, denn es ist keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO angeführten Zulässigkeitsgründe ersichtlich.

a) Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist (§ 520 Abs. 2 ZPO) bis zum Ablauf des eingegangen sei und dem Kläger Wiedereinsetzung gegen die Fristversäumung nicht gewährt werden könne, weil er sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz an der Fristversäumung zurechnen lassen müsse (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO). Das hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

aa) Es entspricht dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung, dass eine nach Monaten bemessene Frist, wie die Frist zur Begründung der Berufung (§ 520 Abs. 1 Satz 2 ZPO), mit dem Ablauf des Tages endet, der dem Tag entspricht, in den das Ereignis der Zustellung des Urteils fällt (§ 222 Abs. 1 ZPO; §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die Frist endet mit Ablauf dieses Tages, also um 24:00 Uhr. Im vorliegenden Fall lief die Frist - nach den nicht angegriffenen Feststellungen des angefochtenen Beschlusses - deshalb am um 24:00 Uhr ab.

bb) Die Rechtsbeschwerde beanstandet, laut Aufdruck auf dem Fax sei die Berufungsbegründung rechtzeitig um 24:00 Uhr am eingegangen. Das Berufungsgericht habe hierzu von Amts wegen aufklären müssen, ob das Empfangsgerät - wie häufig - lediglich das Ende der Übertragung als Zeitangabe ausdrucke. Offenbar springe der Zeitanzeiger bei diesem Gerät von der Zeitangabe 13/07 23:59 Uhr sofort auf 14/07 00:00 Uhr. Der Kläger vermöge sich hierzu nicht zu äußern. Ohne entsprechende tatrichterliche Feststellungen sei daher zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass die Anzeige 00:00 im Faxgerät der gerichtlichen Eingangsstelle die Zeitangabe 24:00 bedeute. Damit will die Rechtsbeschwerde geltend machen, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordere, weil das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt habe, ohne die vorrangige Frage, ob der Begründungsschriftsatz verspätet eingegangen sei, näher zu prüfen. Damit versage es dem rechtsuchenden Bürger eine rechtliche Prüfung seiner Sache aufgrund von Anforderungen, die weder vom Gesetz noch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verlangt werden und mit denen er nicht rechnen musste (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).

(1) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung war das Berufungsgericht einer näheren Abklärung nicht schon deshalb enthoben, weil der Kläger selbst vorgetragen hatte, dass die Berufungsbegründung verspätet eingegangen sei, und dies unstreitig war. Die Fristen zur Begründung von Rechtsmitteln unterliegen ebenso wie Rechtsmittelfristen nicht der Disposition der Parteien. Übereinstimmender Vortrag der Parteien hierzu mag zwar verständlich machen, warum eine nähere Prüfung nicht erfolgt, kann diese jedoch nicht entbehrlich machen (vgl. § 522 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 7 Rn. 7; MünchKommZPO-Aktualisierungsband/Rimmelspacher, aaO, § 522 Rn. 5; MünchKommZPO/Prütting, aaO, § 295 Rn. 11; Musielak/Huber, ZPO, 5. Aufl., § 295 Rn. 3; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 295 Rn. 3).

(2) Die Rechtsbeschwerde geht davon aus, dass ein Eingang der Berufungsbegründung am 00:00 Uhr rechtzeitig sei, weil dies gleichbedeutend sei mit " 24:00 Uhr". Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Allerdings ist im naturwissenschaftlichen Sinne der Zeitpunkt 24:00 Uhr identisch mit dem Zeitpunkt 00:00 Uhr (vgl. schon Jauernig JZ 1989, 615, 616 zu Ziff. 4). Darum geht es jedoch nicht, wenn zu beurteilen ist, ob eine Rechtsmittel-(begründungs-)frist gewahrt ist oder nicht.

Entscheidend zur Wahrung einer solchen Frist ist, ob der fristwahrende Schriftsatz bis zum Ablauf des letzten Tages der Begründungsfrist, hier also am bis 24.00 Uhr eingegangen ist (vgl. - NJW 2000, 1328; Beschluss vom - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203, 207; 102, 254, 295). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es maßgeblich nicht auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem die Rechtsmittelbegründungsschrift im Telefaxgerät des Gerichts ausgedruckt worden ist, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die gesendeten Signale vom Empfangsgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) wurden (vgl. BGH, BGHZ 167, 214, 219 ff.). Die Frist ist gewahrt, wenn dies bei Ablauf des letzten Tages der Frist, also am 24.00 Uhr der Fall war (vgl. - NJW 2000, 1328; Beschluss vom - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203, 207, 209). Der Schriftsatz muss vor Beginn des Folgetages 00:00 Uhr eingegangen sein (so ausdrücklich - aaO "vor Beginn" des Folgetages; vgl. BVerfG, BVerfGE 41, 323, 328) und damit - weil zwischen 24:00 Uhr und 00:00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde exisitiert - vor Ablauf von 23:59 Uhr. Das aber bedeutet, dass das Empfangsgerät des Gerichts als Empfangszeit 23:59 Uhr hätte angeben müssen. Einen solchen hiernach allein genügenden Eingang vor 24:00 Uhr aber macht auch die Rechtsbeschwerde nicht geltend.

Wie es zu dem Eingangsvermerk 00:00 Uhr gekommen sein kann, wenn zugleich nach dem (mutmaßlichen) Aufdruck des Faxgeräts des Klägervertreters die Übermittlung erst am um 00:13 bis 00:14 Uhr erfolgt sein soll, bedarf nach allem keiner Klärung. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob das Empfangsgerät des Berufungsgerichts nach Ablauf des 23:59 Uhr sofort auf 00:00 Uhr umgeschaltet hat.

3. Die Begründung des den Wiedereinsetzungsantrag abweisenden Beschlusses beanstandet die Rechtsbeschwerde nicht.

Nach allem ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 2045 Nr. 28
WAAAC-46775

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja