BFH Urteil v. - I R 87/03 BStBl 2008 II S. 22

Beschränkt steuerpflichtige Künstler: Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen durch Erstattung; kein Wahlrecht auf Antragsveranlagung; keine Gewährung des Grundfreibetrags

Leitsatz

1. Ein beschränkt Steuerpflichtiger mit Einkünften gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG 1990 unterliegt im Veranlagungszeitraum 1996 dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 3 und 4 EStG 1996 mit seinen Bruttoeinnahmen. Hat der beschränkt Steuerpflichtige jedoch Ausgaben, welche unmittelbar mit der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, und werden diese Ausgaben dem Vergütungsschuldner mitgeteilt, so sind die Ausgaben regelmäßig bereits im Rahmen des Abzugsverfahrens zu berücksichtigen. Soweit § 50a Abs. 4 Satz 4 EStG 1990 dies ausschließt, verstößt die Vorschrift gegen Gemeinschaftsrecht (Anschluss an „Scorpio”, BFH/NV 2007, Beilage 1, 36).

2. Wenn und soweit unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhängende Aufwendungen im Abzugsverfahren nicht berücksichtigt worden sind, kann der beschränkt Steuerpflichtige deren Erstattung in unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG 1990 (i.d.F. des JStG 1997), ggf. auch des § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 1990 beantragen. Die wahlweise Beantragung eines Veranlagungsverfahrens scheidet aus. Ein solches Wahlrecht ist weder aus Gründen des Verfassungs- noch des Gemeinschaftsrechts geboten.

3. Der Mindeststeuersatz gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 1990 von 25 v.H. des Einkommens eines gebietsfremden beschränkt Steuerpflichtigen aus selbständiger Arbeit verstößt weder gegen Gemeinschafts- noch gegen Verfassungsrecht, sofern er nicht höher ist als der Steuersatz, der sich für den betroffenen Steuerpflichtigen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrages ergeben würde (Bestätigung des Senatsurteils vom I R 34/02, BFHE 204, 449, BStBl II 2004, 773; Anschluss an „Gerritse”, EuGHE I 2003, 5933, BStBl II 2003, 859).

Gesetze: EStG 1990 (i.d.F. des JStG 1997) § 1 Abs. 3EStG 1990 (i.d.F. des JStG 1997) § 10cEStG 1990 (i.d.F. des JStG 1997) § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1EStG 1990 (i.d.F. des JStG 1997) § 49 Abs. 1 Nr. 3EStG 1990 (i.d.F. des JStG 1997) § 50 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 4 Nr. 3EStG 1990 (i.d.F. des JStG 1997) § 50a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Satz 2 und 3EStG 1990 (i.d.F. des JStG 1997) § 50d Abs. 1 Satz 3EStG 1990 (i.d.F. des JStG 1997) § 52 Abs. 31 Satz 2DBA Niederlande Art. 9 Abs. 1 und 2 Satz 1DBA Niederlande Art. 15 Abs. 1EGV Art. 59EGV Art. 60 (= EG Art. 49EGV Art. 50GG Art. 3 Abs. 1

Instanzenzug: (EFG 2003, 1709) (Verfahrensverlauf), ,

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Gründe

I.

Es handelt sich um jenen Sachverhalt, über den der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) auf Vorabentscheidungsersuchen des , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2001, 978) durch Urteil vom Rs. C-234/01 „Gerritse” (EuGHE I 2003, 5933, BStBl II 2003, 859) entschieden hat:

Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein in den Niederlanden wohnhafter niederländischer Staatsangehöriger, ist Musiker. Er erzielte im Streitjahr 1996 in den Niederlanden sowie in Belgien Einkünfte in Höhe von (umgerechnet und nach deutschem Steuerrecht ermittelt) insgesamt 55 000 DM (netto). Daneben erhielt er für einen direkt („live”) im Rundfunk ausgestrahlten Solo-Auftritt als Schlagzeuger bei einem Radiosender im Inland ein Honorar von 6 007,55 DM. Er erklärte für diesen Auftritt Betriebsausgaben in Höhe von 968 DM. Auftraggeber für den Auftritt war eine GmbH, welcher der Kläger in einem „Mitwirkendenvertrag” auch die umfassenden Senderechte übertragen hatte. Das Honorar wurde als Gesamtbetrag geleistet; eine vertragliche Aufteilung erfolgte nicht.

Das Honorar von 6 007,55 DM wurde nach Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Abkommens vom zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete (DBA-Niederlande) vom (BGBl II 1960, 1782) und gemäß § 50a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG 1990) im Wege des Steuerabzugs durch die GmbH einem Steuersatz von 25 v.H. zuzüglich Solidaritätszuschlag sowie Umsatzsteuer unterworfen.

Im September 1998 reichte der Kläger beim Beklagten, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1990 eine Einkommensteuererklärung ein, um hiernach als unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt zu werden. Das FA lehnte dies ab.

Mit der dagegen gerichteten Klage berief der Kläger sich auf die gemeinschaftsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten. Ein unbeschränkt steuerpflichtiger Gebietsansässiger müsse in vergleichbarer Situation wegen des Grundfreibetrags in Höhe von 12 095 DM keine Steuer entrichten.

Über das im Hinblick auf dieses Vorbringen vom FG Berlin beschlossene Vorabentscheidungsersuchen (Beschluss in EFG 2001, 978) hat der EuGH durch Urteil in EuGHE I 2003, 5933, BStBl II 2003, 859 entschieden, die Art. 59 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft —EGV— (nach Änderung durch den Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte —EG—, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 1997 Nr. C 340/1, jetzt Art. 49 EG) und Art. 60 EGV (jetzt Art. 50 EG) stünden einer nationalen Regelung entgegen, nach der in der Regel bei Gebietsfremden die Bruttoeinkünfte, ohne Abzug der Betriebsausgaben, besteuert werden, während bei Gebietsansässigen die Nettoeinkünfte, nach Abzug der Betriebsausgaben, besteuert werden. Es widerspreche den Grundfreiheiten aber nicht, soweit in der Regel die Einkünfte Gebietsfremder einer definitiven Besteuerung zu einem einheitlichen Steuersatz von 25 v.H. durch Steuerabzug unterliegen, während die Einkünfte Gebietsansässiger nach einem progressiven Steuertarif mit einem Grundfreibetrag besteuert werden, sofern der Steuersatz von 25 v.H. nicht höher ist als der Steuersatz, der sich für den Betroffenen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrags ergeben würde.

Der Kläger war aufgrund dieser Entscheidung nach wie vor der Ansicht, eine Einkommensteuerveranlagung unter Berücksichtigung der geltend gemachten Betriebsausgaben beanspruchen zu können. Die Einkommensteuer sei auf 0 DM festzusetzen, da er aus Gründen der Gleichbehandlung eine sog. Antragsveranlagung unter Berücksichtigung des in die Einkommensteuer-Grundtabelle eingearbeiteten Grundfreibetrags in Höhe von 12 095 DM —wie sie § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG 1990 für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer mit Ansässigkeit und Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), die künstlerische Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland ausübten, vorsehe— durchzuführen sei. Die von ihm in Belgien sowie in den Niederlanden erzielten Einkünfte könnten nach den Grundsätzen des „Asscher” (EuGHE I 1996, 3089, 3124) in Deutschland nicht —auch nicht im Wege eines Progressionsvorbehalts— in die Einkommensbesteuerung miteinbezogen werden, da ihn begünstigende Grundfreiheiten nach dem EG-Vertrag durch einen zweifachen Progressionsvorbehalt (im Tätigkeits- und im Ansässigkeitsstaat) verletzt würden.

Die so fortgeführte Klage war teilweise erfolgreich. Das FG Berlin gab ihr durch Urteil vom 9 K 9312/99 im Hinblick auf das erstrebte Wahlrecht auf Durchführung einer Veranlagung sowie die Gewährung des Grundfreibetrags statt und wies sie nur hinsichtlich der Einbeziehung der im Ausland erwirtschafteten Einkünfte in den Progressionsvorbehalt ab; das Urteil ist in EFG 2003, 1709 veröffentlicht.

Ihre Revisionen stützen Kläger und FA auf Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuer 1996 auf 0 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage vollen Umfangs abzuweisen.

Beide Beteiligte wenden sich wechselseitig gegen die Revision des Anderen.

II.

Das durch Beschluss des Senats vom I R 87/03 gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzte Revisionsverfahren ist durch Senatsbeschluss vom fortgeführt worden. Der Aussetzungsgrund war entfallen, nachdem der „Scorpio” (BFH/NV 2007, Beilage 1, 36) über die ihm vom Senat durch den Beschluss vom I R 39/04 (BFHE 206, 120, BStBl II 2004, 878) nach Art. 234 Abs. 3 EG zur Vorabentscheidung vorgelegten Rechtsfragen entschieden hat.

III.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur gänzlichen Klageabweisung. Die Vorinstanz hat dem Kläger zu Unrecht eine Antragsveranlagung zugestanden. Die Revision des Klägers ist unbegründet.

1. Der in den Niederlanden wohnende Kläger war im Streitjahr in Deutschland (nur) mit seinen Einnahmen aus der selbständig ausgeübten Tätigkeit als Musiker beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990). Er ist mit den hieraus erzielten Einkünften im Inland dem Steuerabzug zu unterwerfen, sei es —wie das FA meint— gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG 1990 für Einkünfte aus der Ausübung oder Verwertung der künstlerischen Tätigkeit, sei es —wovon der Kläger ausgeht— gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 für Einkünfte aus der Überlassung von Urheberrechten gegenüber dem Rundfunksender. Der Steuerabzug beträgt gemäß § 50a Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG 1990 25 v.H. des vollen Betrags der Einnahmen. Abzüge, z.B. für Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben und Steuern, sind nach Satz 4 der Vorschrift nicht zulässig.

2. Damit könnte der Kläger schlechter gestellt sein als ein vergleichbarer unbeschränkt Steuerpflichtiger und auch als ein vergleichbarer beschränkt Steuerpflichtiger, der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Denn bei solchen Personen bestimmt sich der Steuersatz für die Einkommensteuer unter Abzug von Ausgabenpositionen sowie unter Berücksichtigung des progressiven Steuertarifs gemäß § 32a Abs. 1 EStG 1990 und damit auch unter Gewährung des sog. Grundfreibetrages gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 1990. Eine Mindestbesteuerung scheidet dort aus (vgl. für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG 1990).

3. Wie der EuGH auf Vorabentscheidungsersuchen des FG (Beschluss in EFG 2001, 978) in seinem Urteil in EuGHE I 2003, 5933, BStBl II 2003, 859 entschieden hat, verträgt sich eine daraus resultierende Ungleichbehandlung teilweise nicht mit der gemeinschaftsrechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit: Art. 59 EGV (nach Änderung jetzt Art. 49 EG) und Art. 60 EGV (jetzt Art. 50 EG) stehen einer nationalen Regelung entgegen, nach der in der Regel bei Gebietsfremden die Bruttoeinkünfte, ohne Abzug der Betriebsausgaben, besteuert werden, während bei Gebietsansässigen die Nettoeinkünfte, nach Abzug der Betriebsausgaben, besteuert werden.

Allerdings widerspricht es den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen nicht, wenn nach dem nationalen Recht die Einkünfte Gebietsfremder einer definitiven Besteuerung zu einem einheitlichen Steuersatz von 25 v.H. durch Steuerabzug unterliegen, während die Einkünfte Gebietsansässiger nach einem progressiven Steuertarif mit einem Grundfreibetrag besteuert werden. Voraussetzung ist insofern allein, dass der Steuersatz von 25 v.H. nicht höher ist als der Steuersatz, der sich für den Betroffenen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrags ergeben würde. Der Steuersatz, dem der beschränkt Steuerpflichtige unterworfen ist, ist hiermit zu vergleichen; seine inländischen Einkünfte dürfen nur dem niedrigeren der beiden Steuersätze unterworfen werden (vgl. auch , BFHE 204, 449, BStBl II 2004, 773; vom I R 73/02, BFHE 205, 174, BStBl II 2005, 550; BStBl I 2004, 860; vgl. auch Erkenntnis des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom Zl. 2006/14/0109, Beilage zur Österreichischen Steuer-Zeitung 2007, 117).

4. Eine sich hiernach errechnende Mindersteuer kann der Kläger allerdings nur im Wege eines Erstattungsverfahrens, nicht einer Antragsveranlagung beanspruchen.

a) Wie der EuGH in seinem Urteil in BFH/NV 2007, Beilage 1, 36 entschieden hat, bleibt das Steuerabzugsverfahren, dem beschränkt steuerpflichtige Künstler unterworfen sind, jedenfalls bis zur Geltung der Richtlinie 2002/94/EG der Kommission vom zur Festlegung ausführlicher Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 76/308/EWG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit bestimmten Abgaben, Zöllen, Steuern und sonstigen Maßnahmen —EG-Beitreibungsrichtlinie— (ABlEG Nr. L 337, 41) i.V.m. dem Gesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie (EG-Beitreibungsgesetz) i.d.F. vom (BGBl I 2003, 654) und damit auch für das Streitjahr aus Sicht des EG-Rechts unbeanstandet. Der EuGH hat das Abzugsverfahren —als „angemessene Weise (...), (um) die Effizienz dieser Erhebung zu gewährleisten” (Tz. 35 und 38 des Urteils)— ausdrücklich als „verhältnismäßiges Mittel zur Beitreibung steuerlicher Forderungen des Besteuerungsstaates” angesehen und als solches nicht in Frage gestellt (Tz. 37 des Urteils).

b) Der Steuerabzug bezieht sich zwar —prinzipiell und im Einklang mit der deutschen Regelungslage— auf die vereinnahmte Bruttovergütung. Hatte der beschränkt Steuerpflichtige jedoch Ausgaben, welche unmittelbar mit der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, so sind diese regelmäßig bereits im Rahmen dieses Abzugsverfahrens zu berücksichtigen, vorausgesetzt, sie wurden dem Vergütungsschuldner mitgeteilt. Eine nationale Regelung, die dem entgegensteht, verstößt ebenfalls gegen Art. 59 und Art. 60 EG. Weitere —nur mittelbar mit jener Tätigkeit zusammenhängende— Betriebsausgaben sind hingegen „gegebenenfalls in einem anschließenden Erstattungsverfahren” zu berücksichtigen (Tz. 52 des Urteils). Dasselbe muss im Hinblick auf unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhängende Aufwendungen gelten, wenn und soweit diese im Abzugsverfahren nicht berücksichtigt worden sind.

c) Im Streitfall sind die vom Kläger geltend gemachten Betriebsausgaben nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht bereits bei dem gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 oder 3 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990 durchgeführten Steuerabzug durch die GmbH berücksichtigt worden. Sie waren dem Steuerabzugsverpflichteten bei Vornahme des Abzugs womöglich nicht einmal bekannt; tatrichterliche Feststellungen dazu fehlen. Vorausgesetzt, er unterfällt im Ergebnis einem höheren Steuersatz als ein Gebietsansässiger, steht dem Kläger deswegen nach der —aufgrund des Vorrangs von Gemeinschaftsrecht verbindlichen— Auslegung von Art. 59 und Art. 60 EGV durch den EuGH in dessen Urteil in BFH/NV 2007, Beilage 1, 36 ein entsprechender Erstattungsanspruch zu, der sich auf diejenigen —von ihm nunmehr nachzuweisenden— Ausgaben erstreckt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Auftritt im Inland zusammenhängen und sich gegebenenfalls auch auf solche Ausgaben erstrecken kann, die mit jenem Auftritt nur mittelbar zusammenhängen (vgl. zu Letzterem allerdings das zwischenzeitlich ergangene „Centro Equestre da Lezíria”). Die Rechtsgrundlage für einen derartigen Erstattungsanspruch folgt für den Personenkreis u.a. der Künstler und Sportler, dem auch der Kläger angehört, entweder in unmittelbarer (vgl. dazu BStBl I 2003, 553) oder aber, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt sind, in entsprechender Anwendung des —rückwirkend auch im Streitjahr anzuwendenden, vgl. § 52 Abs. 31 Satz 2 EStG 1990 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997 (JStG 1997) vom (BGBl I 1996, 2049, BStBl I 1996, 1523)— § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG 1990 i.d.F. des JStG 1997. Die einschränkenden tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift, insbesondere das Erfordernis höherer Aufwendungen als die Hälfte der Einnahmen, sind in gemeinschaftsrechtlich konformer und normerhaltender Weise zu reduzieren. Unabhängig davon stand dem Kläger im Streitjahr ein auf § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 1990 gestützter Erstattungsanspruch für den Fall zu, dass Deutschland für die in Rede stehenden Honorare nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Niederlande ein Besteuerungsrecht ganz oder teilweise (vgl. BStBl I 1996, 89, unter Tz 5.4) nicht zustehen sollte.

d) Eine Steuerveranlagung kann daneben oder stattdessen vom Kläger nicht beansprucht werden. Eine solche Antragsveranlagung sieht das Einkommensteuergesetz bei beschränkt Steuerpflichtigen mit Einkünften aus der Ausübung oder Verwertung einer Tätigkeit als Künstler gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990 nicht vor. Sie ist auch weder aus gemeinschafts- noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten (s. auch z.B. Schnitger, Finanz-Rundschau 2003, 745, 755; Gosch in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 50d Rz 12; anders z.B. Reuter/Klein, Internationales Steuerrecht —IStR— 2003, 634, 636).

aa) Es genügen vielmehr in Einklang mit den Vorgaben in dem EuGH-Urteil in BFH/NV 2007, Beilage 1, 36 die aufgezeigten Möglichkeiten einer (nachträglichen) Erstattung. Soweit der Kläger dagegen Tz. 58 des „Schumacker” (EuGHE I 1995, 225) anführt, folgt daraus nichts anderes. Der EuGH verlangt darin zwar die auch verfahrensrechtliche Gleichbehandlung gebietsfremder und gebietsansässiger Arbeitnehmer im Hinblick auf die Durchführung eines Lohnsteuer-Jahresausgleichs- ebenso wie eines Einkommensteuerveranlagungsverfahrens, dies aber vor dem Hintergrund des seinerzeit gänzlichen Ausschlusses solcher beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer von den genannten Verfahren, die ihr überwiegendes Einkommen im Inland erzielen und die deswegen im Tätigkeitsstaat wie vergleichbare unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer zu behandeln sind.

So liegen die Dinge bei dem selbständig tätigen Kläger jedoch nicht. Er wohnte im Streitjahr in den Niederlanden und hatte außer dem in Rede stehenden Honorar für das Rundfunkkonzert im Inland keine weiteren Einnahmen erzielt. Ihm stehen deswegen keine weiteren personenbezogenen Steuervergünstigungen im Inland zu, welche im Rahmen einer Steuerveranlagung zu berücksichtigen wären. Insbesondere betrifft dies den vom Kläger begehrten vollständigen Abzug der Sonderausgabenpauschale gemäß § 10c EStG 1990 sowie die vom Kläger ebenfalls beanspruchte Gewährung des Grundfreibetrags gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 1990. Der Senat hat bereits durch Urteile in BFHE 204, 449, BStBl II 2004, 773 sowie vom I R 57, 58/02 (BFH/NV 2004, 766) entschieden, dass dieser Freibetrag einem beschränkt Steuerpflichtigen auch bei Durchführung einer Steuerveranlagung weder aus Gründen des Gemeinschaftsrechts noch aus verfassungsrechtlichen Gründen einer Gleichbehandlung (gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) mit Arbeitnehmern, die eine entsprechende künstlerische Tätigkeit ausüben, einzuräumen wäre. An beidem ist festzuhalten (s. auch Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 50a Rz 36).

bb) Im Übrigen trägt im deutschen Recht den durch das EuGH-Urteil in EuGHE I 1995, 225 verlangten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zwischenzeitlich § 1 Abs. 3 EStG 1990 und die hiernach gegebene Möglichkeit Rechnung, auf Antrag als fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt und als solcher im Wege der Veranlagung mit den Einkünften i.S. des § 49 Abs. 1 EStG 1990 besteuert werden zu können. Der Umstand, dass der Kläger die —gemeinschaftsrechtlich unbeanstandeten (vgl. „Gschwind”, EuGHE I 1999, 5491, BStBl II 1999, 841)— einschränkenden Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG 1990 im Streitjahr nicht erfüllte, rechtfertigt eine darüber hinausgehende Antragsveranlagung derzeit nicht (so eindeutig EuGH-Urteil in BFH/NV 2007, Beilage 1, 36, dort Tz. 50; s. zur Abgrenzung auch die Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom in jener Rechtssache, dort Tz. 64 ff.).

cc) Schließlich verträgt sich eine Antragsveranlagung nicht ohne weiteres mit den tatsächlichen Besonderheiten eines nur gelegentlich oder einmalig im Inland auftretenden Künstlers, wie dies der Kläger ist. Denn veranlagt wird die Einkommensteuer als Jahressteuer. Für einen Steuerpflichtigen, der nur kurzfristig und sporadisch im Inland tätig wird, wird es oftmals an entsprechenden Einkünften in jenem Kalenderjahr fehlen, in dem ihm für diese Tätigkeit Aufwendungen entstehen. In einem solchen Fall (vorweggenommenen oder nachträglichen) Aufwandes wird dessen Berücksichtigung im Wege der vorfallbezogenen Erstattung gegenüber einer Veranlagung erleichtert, was wiederum dem Grundsatz einer verhältnismäßigen und schonenden Beachtung der Liquidität des Steuerpflichtigen Rechnung trägt.

5. Die Rechtsfolge, eine Antragsveranlagung unter den Gegebenheiten des Streitfalls nicht beanspruchen zu können, richtet sich in erster Linie nach nationalem Recht. Sie ergibt sich überdies unmittelbar aus den EuGH-Urteilen in EuGHE I 2003, 5933, BStBl II 2003, 859 sowie in BFH/NV 2007, Beilage 1, 36. Sie ist damit auch aus Sicht des Gemeinschaftsrechts geklärt, so dass es einer abermaligen Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG nicht bedarf (vgl.  283/81 „C.I.L.F.I.T.”, EuGHE 1982, 3415).

6. Da die Vorinstanz eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, war ihr Urteil aufzuheben. Die Klage war insgesamt abzuweisen.

Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 22
BB 2007 S. 1153 Nr. 21
BB 2007 S. 1262 Nr. 23
BFH/NV 2007 S. 1241 Nr. 6
BStBl II 2008 S. 22 Nr. 1
DB 2007 S. 1172 Nr. 21
DStR 2007 S. 891 Nr. 21
DStRE 2007 S. 721 Nr. 11
EStB 2007 S. 207 Nr. 6
FR 2007 S. 839 Nr. 17
HFR 2007 S. 668 Nr. 7
INF 2007 S. 447 Nr. 12
IStR 2007 S. 405 Nr. 11
NJW 2007 S. 3150 Nr. 43
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2007 S. 1676
StB 2007 S. 241 Nr. 7
StBW 2007 S. 5 Nr. 11
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2007 S. 398
QAAAC-44434