Leitsatz
[1] Lautet ein Titel auf die einzelnen Wohnungseigentümer einer Gemeinschaft, sind nur diese berechtigt, aus dem Titel zu vollstrecken. Die Notwendigkeit der für die Tätigkeit ihres Rechtsanwalts im Vollstreckungsverfahren entstehenden Mehrvertretungsgebühr kann daher nicht mit der Begründung verneint werden, die Gebühr wäre nicht angefallen, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähiger Verband den Vollstreckungsauftrag erteilt hätte.
Gesetze: ZPO § 788 Abs. 1 Satz 1; RVG VV Nr. 1008
Instanzenzug: AG Ludwigshafen am Rhein 3 K 248/05 vom LG Frankenthal 1 T 124/06 vom
Gründe
I.
Die Gläubiger, die zusammen mit dem Schuldner eine Wohnungseigentümergemeinschaft bilden, erwirkten gegen diesen im April 2005 einen Vollstreckungsbescheid wegen rückständiger Wohngelder und betrieben daraus die Zwangsvollstreckung. Im September 2005 beantragte der Rechtsanwalt der Gläubiger die Anordnung der Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums des Schuldners. Die Anordnung sollte sich auf die Anwaltskosten für die Beantragung der Zwangsversteigerung und für eine vorangegangene Mobiliarvollstreckung einschließlich der jeweiligen Erhöhungsgebühr für mehrere Auftraggeber gemäß RVG-VV Nr. 1008 erstrecken.
Mit Beschluss vom ordnete das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung der Wohnung an; es nahm jedoch die Erhöhungsgebühren, die es für nicht erstattungsfähig hielt, von der Anordnung aus. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubiger ist erfolglos geblieben.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde haben die Gläubiger ihren Antrag, die Zwangsversteigerung auch wegen der Erhöhungsgebühren anzuordnen, zunächst weiterverfolgt. Nachdem eine andere Zwangsvollstreckungsmaßnahme erfolgreich war, ist der Zwangsversteigerungsantrag von ihnen zurückgenommen worden. Im Rechtsbeschwerdeverfahren haben die Gläubiger die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens entsprechend § 91a ZPO dem Schuldner aufzuerlegen. Der Schuldner hat sich hierzu nicht geäußert.
II.
1. Aufgrund der unwidersprochen gebliebenen Erledigungserklärung der Gläubiger ist über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Die Vorschrift ist anwendbar, da über die Kosten besonderer Rechtsbehelfe im Zwangsversteigerungsverfahren nach den §§ 91 ff. ZPO zu befinden ist, wenn die Beteiligten - wie Gläubiger und Schuldner hier - in einem kon-tradiktorischen Verhältnis zueinander stehen (vgl. Senat, Beschl. v. , V ZB 125/05, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Die Rücknahme des Zwangsversteigerungsantrags steht der Anwendung von § 91a ZPO nicht entgegen (Senat, aaO).
2. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind dem Schuldner aufzuerlegen, da die Rechtsbeschwerde erfolgreich gewesen wäre, wenn sich die Hauptsache nicht erledigt hätte. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht angenommen, dass es sich bei den von den Gläubigern geltend gemachten Erhöhungsgebühren gemäß RVG-VV Nr. 1008 um nicht notwendige und daher nach § 788 Abs. 1 ZPO nicht erstattungsfähige Kosten der Zwangsvollstreckung handelte.
a) Richtig ist zwar, dass einem Rechtsanwalt, der von der Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Durchsetzung von Beitragsforderungen gegen einzelne Wohnungseigentümer beauftragt wird, seit der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft durch die Entscheidung des Senats vom (BGHZ 163, 154) keine Mehrvertretungsgebühr zusteht (zutreffend KG JurBüro 2006, 474; vgl. für die GbR: , NJW-RR 2004, 489).
Ist der Rechtsanwalt allerdings - wie hier - vor der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragt worden, handelt es sich bei der Mehrvertretungsgebühr grundsätzlich um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung. Solange die Wohnungseigentümergemeinschaft als nicht rechtsfähig und damit auch als nicht parteifähig angesehen wurde, waren die Wohnungseigentümer Gläubiger der Beitragsforderungen und daher gehalten, diese selbst gerichtlich geltend zu machen. Die hierdurch ausgelöste Mehrvertretungsgebühr (so zutreffend OLG Köln NJW 2006, 706; OLG Zweibrücken JurBüro 2006, 536; OLG Dresden ZMR 2005, 970; OLG Brandenburg JurBüro 2006, 475; a.A. OLG Koblenz JurBüro 2006, 315; vgl. für die GbR: , NJW 2002, 2958; Beschl. v. , VIII ZB 35/04, NZM 2005, 941) war auch in Ansehung der Möglichkeit, einen Wohnungseigentümer das Verfahren als Prozessstandschafter führen zu lassen (vgl. Senat, Urt. v. , V ZR 350/03, NJW 2005, 3146 m.w.N.), zur Rechtsverfolgung notwendig, denn es kann einem Gläubiger nur ausnahmsweise zugemutet werden, aus Kostengründen einen Prozess nicht selbst zu führen (vgl. , aaO).
b) Haben die Wohnungseigentümer vor der Bekanntgabe der Entscheidung des einen vollstreckbaren Titel erwirkt, kann ihnen bei der Prüfung, ob Kosten einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme notwendig waren (§ 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO), entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch nicht vorgehalten werden, dass keine Mehrvertretungsgebühr angefallen wäre, wenn statt ihrer der Verband vollstreckt hätte. Dem Verband wäre es nämlich nicht ohne weiteres möglich, aus einem auf die einzelnen Wohnungseigentümer lautenden Titel zu vollstrecken.
aa) Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind (§ 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Handelt es sich bei dem die Vollstreckung betreibenden Gläubiger und dem Titelgläubiger um unterschiedliche Rechtssubjekte, darf das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung daher nicht anordnen. Das gilt - da das Vollstreckungsgericht zu einer materiellen Überprüfung des Titels nicht berechtigt ist (vgl. Senat, Beschl. v. , V ZB 76/06, WM 2006, 2266, 2267) - auch dann, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der titulierte Anspruch nach der materiellen Rechtslage dem vollstreckenden Gläubiger zusteht (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 750 Rdn. 3; MünchKomm-ZPO/Heßler, 2. Aufl., § 750 Rdn. 29).
Aus diesem Grund hätte ein Antrag des Verbandes, die Zwangsvollstreckung aus dem auf den Namen der einzelnen Wohnungseigentümer lautenden Titel durchzuführen, mangels Identität zwischen Vollstreckungs- und Titelgläubiger zurückgewiesen werden müssen. Bei den im Vollstreckungsbescheid einzeln aufgeführten Wohnungseigentümern und der Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähigem Verband handelt es sich nämlich um unterschiedliche Rechtssubjekte. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts hat die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümer nicht dazu geführt, dass die Wohnungseigentümer mit der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft (Verband) rechtlich identisch sind. Da das Sonder- und das Gemeinschaftseigentum nicht Teil des Vermögens des rechtsfähigen Verbandes ist, sondern in den Händen der Miteigentümer bleibt (Senat, BGHZ 163, 154, 177), existieren mit dem - rechtsfähigen - Verband und der - nicht rechtsfähigen - Miteigentümergemeinschaft vielmehr zwei unterschiedliche Zuordnungsobjekte von Rechten und Verbindlichkeiten (vgl. Senat, BGHZ 163, 154, 177; Beschl. v. , V ZB 17/06, NJW 2006, 2187, 2188; Wenzel, ZWE 2006, 2, 6).
bb) Die erforderliche Identität zwischen Titel- und Vollstreckungsgläubiger lässt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts auch nicht damit begründen, dass Rechtsprechung und Literatur es mit Rücksicht auf die geänderte Rechtsprechung zur Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft teilweise für zulässig erachten, ein Rubrum gemäß § 319 Abs. 1 ZPO dahin zu berichtigen, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband an die Stelle der einzelnen Wohnungseigentümer tritt (vgl. OLG München NJW-RR 2005, 1326; OLG Düsseldorf NZM 2006, 182; Wenzel, ZWE 2006, 2, 10 f.; Briesemeister, ZWE 2006, 15, 19; siehe aber auch Demharter, NZM 2006, 81, 82 f.; Elzer, ZMR 2005, 730 f.; Abramenko, ZMR 2006, 409, 413 f.). Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Rubrumsberichtigung möglich ist (vgl. für die WEG , NJW 2007, 518; für die GbR , NJW 2003, 1043), bedarf hier keiner Entscheidung. Solange dem Vollstreckungsgericht keine berichtigte Fassung des Titels vorgelegt wird, muss es - wenn Titelgläubiger und Vollstreckungsgläubiger nicht identisch sind - die Anordnung der Zwangsversteigerung ablehnen. Eine eigene Entscheidung, ob der Titel berichtigt werden kann, ist dem Vollstreckungsgericht versagt, da das Verfahren nach § 319 ZPO in die Zuständigkeit des Prozessgerichts bzw. - hier - des nach § 43 WEG zuständigen Gerichts fällt.
c) Das Beschwerdegericht konnte die Erstattungsfähigkeit der Mehrvertretungsgebühren auch nicht mit der Begründung verneinen, die Gläubiger hätten sich zur Vermeidung dieser Kosten um eine Berichtigung des Vollstreckungsbescheids durch das Prozessgericht bemühen müssen. Hierzu waren die Gläubiger schon wegen der zeitlichen Verzögerung nicht verpflichtet, die mit der Beantragung der Berichtigung und der erforderlichen erneuten Zustellung des (berichtigten) Titels (vgl. dazu Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 750 Rdn. 32; Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 319 Rdn. 16) verbunden gewesen wäre. Der Grundsatz, dass eine Partei die Kosten niedrig zu halten hat, die sie von der Gegenseite erstattet verlangen will (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rdn. 12), darf nicht dazu führen, dass sie in ihren berechtigten Belangen, wie ihrem Interesse an einer schnellen Vollstreckung, beeinträchtigt wird.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 955 Nr. 14
WM 2007 S. 1126 Nr. 24
XAAAC-44021
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja