BFH Beschluss v. - VII B 248/05

Vernichtung beschlagnahmter, nicht verkehrsfähiger Zigaretten durch die Zollverwaltung ist keine Beweisvereitelung

Gesetze: TabStG § 21; ZK Art. 40; FGO § 115

Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 4 K 3144/00

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein belgischer Staatsangehöriger, führte 1998 als Fahrer eines LKW von Polen über das Zollamt Forst-Autobahn eine Ladung Decken und Kissen nach Deutschland ein. Bei der Kontrolle der Fahrzeugladung wurden 1 600 000 Stück unverzollter und unversteuerter Zigaretten mit polnischen Steuerzeichen festgestellt. Bei der sich anschließenden Vernehmung gab der Kläger an, dass er von den Zigaretten nichts gewusst habe. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) setzte daraufhin mit Bescheid vom Einfuhrabgaben fest und nahm den Kläger sowie den Beifahrer gesamtschuldnerisch auch als Schuldner der Tabaksteuer nach § 21 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) i.V.m. Art. 202 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) in Höhe von 232 000 DM in Anspruch. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass aufgrund des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom Rs. C-238/02 und C-246/02 (EuGHE 2004, I-2141) den Fahrer eines LKW die sich aus Art. 40 ZK ergebende Gestellungspflicht auch dann treffe, wenn die eingeführte Ware ohne Wissen des Fahrers in dem Fahrzeug versteckt worden sei. Durch die Nichterfüllung der Gestellungspflicht und das vorschriftswidrige Verbringen der Zigaretten in das Zollgebiet der Gemeinschaft sei die Zollschuld nach Art. 202 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a ZK in der Person des Klägers als dem Verbringer nach Art. 202 Abs. 3 ZK entstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei diese Rechtsfolge unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden (Senatsurteil vom VII R 45/01, BFH/NV 2005, 260). Härtefällen könnte durch einen Erlass bzw. eine Erstattung der Tabaksteuer Rechnung getragen werden. Die Ablehnung einer vom Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragten Beweiserhebung begründete das FG damit, dass der Beweisantrag nicht substantiiert gestellt worden sei. Denn es seien für die behauptete Beweistatsache, dass sich in den Zigarettenschachteln keine Zigaretten befunden haben sollen, keine Beweismittel benannt worden. Das FG sei aufgrund des als geführt anzusehenden Beweises des ersten Anscheins überzeugt davon, dass in den beschlagnahmten Packungen Zigaretten gewesen seien. Diesen Erfahrungssatz habe das Gericht in zahlreichen gleichgelagerten Verfahren gewinnen können. Dies gelte umso mehr, wenn dem Steuerpflichtigen —wie im Streitfall— eine von einem Zollbediensteten unterzeichnete Beschlagnahmemitteilung sowie eine Einlieferungsquittung übergeben worden seien.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) und wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob einen Fahrer eines LKW trotz Unkenntnis von darin versteckten Zigaretten eine Gestellungspflicht treffen könne und ob eine solche Pflicht mit Art. 12 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar sei. Als belgischer Staatsbürger und als Unionsbürger genieße er, der Kläger, einen mit Art. 12 Abs. 1 GG vergleichbaren, zumindest aber aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten verfassungsrechtlichen Schutz. Eine Gestellungspflicht für die gutgläubige Beförderungsperson und eine besondere Verantwortlichkeit in der Art einer Garantiestellung für untergeschobene Waren stelle einen höchstrichterlich noch nicht geklärten Eingriff in das Schutzgut der genannten Grundrechte dar. Mit dem Gesichtspunkt der Berufsausübungsfreiheit habe sich der BFH noch nicht beschäftigt. Entgegen der Auffassung des BFH werde durch die angenommene Gestellungspflicht die zollamtliche Überwachung nicht erleichtert. Ein Verstoß gegen die Gestellungspflicht sei nur vermeidbar, wenn man von vornherein darauf verzichte, Transportmittel in das Gemeinschaftsgebiet zu führen, deren Ladung man nicht kenne und auch nicht überprüfen könne. Daher sei Art. 40 ZK dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass eine Gestellungspflicht für versteckte Waren nur für denjenigen bestehe, der ihr auch nachkommen könne. Deshalb werde angeregt, die aufgeworfene Rechtsfrage gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen.

Mit dem Hinweis auf einen Billigkeitserweis überspanne die Rechtsprechung die Möglichkeiten des § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) weshalb die angestellten Billigkeitserwägungen rechtsfehlerhaft seien. Auch hinsichtlich der Tabaksteuer müsse Art. 233 Buchst. d ZK Anwendung finden; insoweit sei die dem entgegenstehende Regelung in § 21 TabStG nicht verfassungskonform.

Schließlich habe das FG verfahrensfehlerhaft nicht aufgeklärt, ob tatsächlich Zigaretten in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeführt worden seien. Da das HZA selbst die beschlagnahmten Zigarettenschachteln der Vernichtung zugeführt habe, könne sich das FG nach dem (Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1998, 79) nicht auf einen Anscheinsbeweis berufen. Denn ihm, dem Kläger, sei die Möglichkeit genommen worden, den Anscheinsbeweis zu widerlegen. Beweismittel hätten folglich auch nicht benannt werden können. Es sei lebensnah, davon auszugehen, dass geschmuggelte Zigarettenschachteln hin und wieder auch Papierschnitzel enthielten.

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es ist der Ansicht, dass die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt sei und dass ihr keine grundsätzliche Bedeutung zukomme. Eine schuldhafte Beweisvereitelung sei dem HZA nicht vorzuwerfen. Im Übrigen hätte der Kläger den Anscheinsbeweis auch ohne das Beweismittel durch Darlegung von Umständen entkräften können, die die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Sachverhalts nahegelegt hätten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die grundsätzliche Bedeutung der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage sowie der behauptete Verfahrensmangel liegen nicht vor.

1. Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist (vgl. BFH-Entscheidungen vom IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760, und vom I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254, m.w.N.). An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, und vom X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461). Darüber hinaus ist eine Rechtsfrage auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH bzw. des EuGH hinreichend geklärt ist und keine neuen gewichtigen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587).

Der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage, ob auch der Fahrer eines LKW in Bezug auf solche in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeführte Waren gestellungspflichtig ist, die ohne sein Wissen im Fahrzeug versteckt worden sind, kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil der EuGH sie auf ein Vorabentscheidungsersuchen des beschließenden Senats vom VII R 39/01 (BFHE 198, 255) bereits beantwortet hat. In seinem Urteil in EuGHE 2004, I-2141 hat der EuGH ausgeführt, dass die in Art. 38 ZK vorgesehene Gestellungspflicht nach Art. 40 ZK für den Fahrer und den Beifahrer eines Lastzuges gilt, die diese Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht haben, wenn die Waren ohne ihr Wissen in dem Fahrzeug versteckt oder verheimlicht wurden. Der Senat hat sich in mehreren Entscheidungen dieser Rechtsauffassung angeschlossen (BFH-Entscheidungen vom VII R 23/04, BFHE 212, 321, und VII R 24/04, BFH/NV 2006, 1604; vom VII S 7/05 (PKH), BFH/NV 2006, 148, und in BFH/NV 2005, 260). Neue und gewichtige Gründe, die eine erneute Vorlage an den EuGH oder eine erneute Befassung des BFH geboten erscheinen lassen, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Er trägt lediglich vor, dass das FG rechtsirrig von einer Gestellungspflicht ausgegangen sei.

2. Soweit sich der Kläger auf die vermeintliche Verfassungswidrigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Regelung beruft, genügt sein Vortrag nicht den Anforderungen, die an eine solche Darlegung nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO zu stellen sind. Denn die bloße Behauptung, eine Norm sei verfassungswidrig, kann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen, sofern diese nicht offenkundig ist (, BFH/NV 2002, 1035, m.w.N.). Vielmehr muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung (BFH-Beschlüsse vom VII B 270/01, BFH/NV 2003, 480, und vom VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138).

a) Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie erkennt zwar, dass der Kläger aufgrund seiner belgischen Staatsbürgerschaft nicht unmittelbar in den Schutzbereich des Art. 12 GG einbezogen ist (Scholz in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 12 Rdnr. 103), doch lässt sie eine eingehende Auseinandersetzung mit der damit verbundenen verfassungsrechtlichen Problematik vermissen. Das bloße Vorbringen, ein Unionsstaatsbürger genieße einen mit Art. 12 GG vergleichbaren, zumindest aber aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Schutz, wird den Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Der Kläger lässt nämlich außer Acht, dass durch eine Berufung auf die allgemeine Handlungsfreiheit regelmäßig nur ein geringerer Schutz als durch das speziellere Grundrecht vermittelt wird (Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., Art. 12 Rn. 3). Dies legt eine präzise Festlegung des Umfangs des möglicherweise tangierten Schutzbereichs der angesprochenen Grundgesetzbestimmungen nahe. Ohne diesen nach der Rechtsprechung des BVerfG näher zu konkretisieren bzw. abzugrenzen, erschöpft sich die Beschwerde in der bloßen Behauptung, dass „eine Gestellungspflicht für die gutgläubige Beförderungsperson” in das Schutzgut eingreife.

b) Abgabenrechtliche Vorschriften, zu denen auch die Bestimmungen des ZK gehören, können jedoch nach der Rechtsprechung des BVerfG den Schutzbereich von Art. 12 GG nur dann tangieren, wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen (BVerfG-Entscheidungen vom 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238, und vom 1 BvL 27/72, BVerfGE 37, 1) bzw. wenn die Regelungen in ihrer tatsächlichen Auswirkung geeignet sind, die Berufsausübungsfreiheit zu beeinträchtigen. Dass der in Art. 40 ZK angeordneten Gestellungspflicht eine berufsregelnde Tendenz innewohnt, vermag die Beschwerde nicht schlüssig zu belegen. Auch wird nicht näher dargelegt, dass die vom EuGH angenommene Gestellungspflicht hinsichtlich versteckter Waren geeignet ist, in ihrer tatsächlichen Auswirkung die Freiheit der Berufsausübung oder die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers in verfassungswidriger Weise zu beeinträchtigen. Der Gefahr einer eigenen abgabenrechtlichen Inanspruchnahme könnte der Fahrer eines LKW z.B. dadurch begegnen, dass er auf die Übernahme ihm nur unzulänglich bekannter Ladungen verzichtet oder dass er sich über die Zusammensetzung der kompletten Ladung vergewissert. So hat es der Senat als zumutbar angesehen, dass sich Fahrer von Reisebussen vor Fahrtantritt vergewissern, wessen Reisegepäck sie im Gepäckraum ihres Busses befördern, und für eine Zuordnung des Reisegepäcks zu dem jeweiligen Reisenden Sorge tragen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 148).

Auch ist zu berücksichtigen, dass die Gestellungspflicht nach Art. 40 ZK nur für Waren besteht, die aus Drittländern in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeführt werden. Von ihr unberührt bleibt die Güterbeförderung innerhalb der Gemeinschaft. In Anbetracht dieses Umstandes hätte sich die Beschwerde mit dem Berufsbild des Berufskraftfahrers näher auseinandersetzen und darlegen müssen, dass der Gütertransport im Straßengüterfernverkehr (vgl. zu diesem Berufsbild , 1 BvR 307/71, 61/73, 255/73 und 195/75, BVerfGE 40, 196) durch die Beförderungen von Gütern aus Drittländern in die Gemeinschaft in einer Weise geprägt ist, dass sich eine Gestellungspflicht an den Zollgrenzen der Gemeinschaft als Eingriff in die Ausübung dieses Berufes durch einen im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Berufskraftfahrer darstellen kann. Darüber hinaus geht der Kläger auch nicht ansatzweise auf die rechtliche Problematik ein, ob eine unmittelbar anzuwendende Vorschrift des sekundären Gemeinschaftsrechts überhaupt einer Überprüfung durch das BVerfG und einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist, die offensichtlich der in einem Urteil geäußerten Rechtsauffassung des EuGH widerspricht. Insgesamt betrachtet genügt die Beschwerde den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO somit nicht.

3. Soweit der Kläger § 21 TabStG insoweit für verfassungswidrig hält, als er die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften für das Erlöschen der Steuer nur in anderen Fällen als durch Einziehung anordnet, kommt auch der damit aufgeworfenen Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zu. Denn diese Frage hat der Senat bereits dahingehend beantwortet, dass § 21 TabStG weder zu einer unzulässigen Doppelbestrafung führt noch eine Vermögensstrafe darstellt und auch nicht sonst gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, verstößt (Senatsurteil in BFH/NV 2006, 1604).

4. Anders als der Kläger meint, hat das FG nicht etwa dadurch gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 96 FGO) verstoßen, das es die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins missachtet und Beweisanträge übergangen hätte. Nach der BFH-Rechtsprechung muss einem als geführt zu erachtenden Prima-facie-Beweis ein Erfahrungssatz zugrunde liegen, der geeignet ist, die volle Überzeugung des Gerichts vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache zu begründen; es muss sichergestellt sein, dass dem Erfahrungssatz ein gleichmäßiger, sich stets wiederholender Hergang zugrunde liegt (typischer Geschehensablauf), dass der Maßstab dem neuesten Erfahrungsstand entspricht und sich eindeutig, in jeder Zeit überprüfbarer Weise formulieren lässt (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz 17, m.w.N.). Erschüttert werden kann der Anscheinsbeweis durch ein substantiiertes Vorbringen, aus dem sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt (BFH-Entscheidung vom X B 156/98, BFH/NV 1999, 1204).

a) Das FG hat in der Urteilsbegründung nachvollziehbar dargelegt, warum es den Beweisantrag des Klägers abgelehnt hat. Hierzu hat es ausgeführt, dass es in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten den allgemeinen Erfahrungssatz hat bilden können, dass in beim Grenzübertritt versteckten Zigarettenschachteln auch tatsächlich Zigaretten enthalten seien. Im Streitfall trete hinzu, dass dem Steuerpflichtigen eine von einem Zollbediensteten unterzeichnete Beschlagnahmemitteilung sowie eine Einlieferungsquittung der Kasse über 1 600 000 Stück Zigaretten übergeben worden seien. Mit diesen Ausführungen hat das FG im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung eine aus einer Vielzahl an Verfahren gewonnene Erfahrung zum Ausdruck gebracht, nach der in den Fällen, in denen vorschriftswidrig Zigaretten in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, regelmäßig von einem typischen Geschehensablauf ausgegangen werden kann, zu dem auch die Befüllung der Zigarettenschachteln mit Zigaretten gehört. In der Beschwerdebegründung räumt der Kläger selbst ein, dass es vielleicht regelmäßig der Fall sein mag, dass sich in geschmuggelten Zigarettenpackungen immer Zigaretten befinden. Er vermag indes nicht darzulegen, dass er im erstinstanzlichen Verfahren besondere Umstände vorgetragen hat, aus denen das FG auf eine nicht nur entfernt liegende Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs hätte schließen können. Die nunmehr aufgestellte Behauptung, es sei lebensnah, davon auszugehen, dass geschmuggelte Zigarettenschachteln hin und wieder Papierschnitzel enthielten, kann ein solches Vorbringen nicht ersetzen. Jedenfalls wird damit die Feststellung des FG nicht widerlegt, dass es dem Kläger nicht gelungen sei, seine Beweisbehauptung mit einem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt zu unterlegen.

b) Soweit sich der Kläger auf das Urteil des BGH in NJW 1998, 79 beruft, übersieht er, dass im Streitfall von einer schuldhaften Beweisvereitelung des HZA nicht ausgegangen werden kann. Bei einem Transportunfall, bei dem die andere Vertragspartei aufgrund vertraglicher Vereinbarung zur Mitwirkung an der sofortigen Beweissicherung verpflichtet war, hat der BGH die Berufung auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises dann verwehrt, wenn die Gegenseite schuldhaft in der Möglichkeit beschnitten wurde, den Anscheinsbeweis zu erschüttern oder zu widerlegen. Im Streitfall bestand indes keine Veranlassung, die beschlagnahmten Zigarettenschachteln aus Beweissicherungsgründen sofort zu öffnen, um sich von deren Inhalt zu überzeugen. Denn nach den Feststellungen des FG, die vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden sind, hat der Steuerpflichtige die Einlieferungsquittung über 1 600 000 Stück Zigaretten in Empfang genommen, ohne Zweifel am Inhalt der beschlagnahmten Zigarettenschachteln zu äußern. Allen am Aufgriff Beteiligten war klar, dass sich in den beschlagnahmten Zigarettenschachteln auch Zigaretten befinden mussten. Auch trägt die Beschwerde nicht vor, dass der Kläger den Steuerbescheid, in dem das HZA ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Zigaretten wegen der fehlenden Kennzeichnung auf den Verpackungen nicht verkehrsfähig und daher sofort zu vernichten seien, zum Anlass genommen habe, der Vernichtung sofort zu widersprechen. Wer in Kenntnis der angekündigten Vernichtung des Beweismittels keine Einwände erhebt und untätig bleibt, kann sich später nicht darauf berufen, die Gegenseite habe schuldhaft die Möglichkeit vereitelt, einen Anscheinsbeweis zu erschüttern. Im Übrigen stellt die Vernichtung von beschlagnahmten und im Steuergebiet aufgrund der fehlenden Kennzeichnung nicht verkehrsfähigen Zigaretten keine schuldhafte Pflichtverletzung der Zollverwaltung dar, die nach der Rechtsprechung des BGH einer Beweisvereitelung gleichkäme.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 524 Nr. 3
GAAAC-35147