BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 874/05

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 19 Abs. 4; GG Art. 12 Abs. 1; GG Art. 14 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1; BVerfGG § 93 a Abs. 2; StGB § 284

Instanzenzug: OVG Sachsen-Anhalt 1 M 88/05 vom

Gründe

1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Sie wirft keine verfassungsrechtlichen Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 f.>).

Dies gilt neben der Frage, welche Anforderungen die Verfassung an die Gewährung effektiven verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes stellt, auch soweit mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung der Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin gerügt wird. Das - (vgl. NJW 2006, S. 1261 ff.) grundsätzlich geklärt, welche Anforderungen das Grundrecht der Berufsfreiheit an die Errichtung eines staatlichen Sportwettmonopols stellt und inwieweit die damit einhergehenden Beschränkungen gerechtfertigt sein können.

Die verfassungsrechtlichen Aussagen zur Unvereinbarkeit der derzeitigen Ausgestaltung des staatlichen Sportwettmonopols mit Art. 12 Abs. 1 GG treffen dabei grundsätzlich auch auf die Rechtslage in Sachsen-Anhalt zu. Denn weder enthielt das im Ausgangsverfahren noch maßgebliche Lotto-Toto-Gesetz, noch enthält das Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (Glücksspielgesetz - GlüG LSA) vom (GVBl LSA S. 846) gesetzliche Regelungen, die eine konsequente und aktive Ausrichtung des in Sachsen-Anhalt zulässigen Sportwettangebots am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht materiell und strukturell gewährleisten (vgl. -, NJW 2006, S. 1264 ff.). Ebenso wenig wird dieses Regelungsdefizit durch den auch vom Land Sachsen-Anhalt ratifizierten Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland (vgl. GVBl LSA 2004 S. 328) ausgeglichen, von dessen unmittelbarer Geltung aufgrund des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zum Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen vom (GVBl LSA S. 326) sowie nunmehr des Glücksspielgesetzes auszugehen ist. Daher ist grundsätzlich auch das Land Sachsen-Anhalt verfassungsrechtlich gehalten, den Bereich der Sportwetten nach Maßgabe der Gründe des Urteils vom neu zu regeln und einen verfassungsmäßigen Zustand entweder durch eine konsequente Ausgestaltung des Sportwettmonopols oder eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Sportwettangebote durch private Wettunternehmen herzustellen.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

a) Zwar verkennt insbesondere die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die das Grundrecht der Berufsfreiheit an einen verfassungsrechtlich gerechtfertigten Ausschluss der Veranstaltung und Vermittlung gewerblicher Sportwetten durch ein staatliches Sportwettmonopol stellt (vgl. -, NJW 2006, S. 1264 ff.). Die Beschwerdeführerin hat aber bisher trotz der von ihr zur Befolgung der Verfügung ergriffenen Maßnahmen wegen der sofort vollziehbaren Untersagung keinen schweren Nachteil erlitten, zumal im Hinblick auf Fragen der technischen Umsetzbarkeit der Untersagungsverfügung sowie der Unzumutbarkeit des vollständigen Abschaltens des Internetauftritts der Beschwerdeführerin die aufschiebende Wirkung des Hauptsacherechtsbehelfs gegen die erfolgte Zwangsgeldfestsetzung angeordnet wurde.

Soweit die Behörde unter Berufung auf das das Verbot gewerblicher Sportwettangebote und die sofortige Vollziehung der gegenüber der Beschwerdeführerin ergangenen Untersagungsverfügung aufrecht erhält, steht der Beschwerdeführerin zur Kontrolle der Einhaltung der dies rechtfertigenden verfassungsgerichtlichen Vorgaben zunächst das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nach § 80 Abs. 7 VwGO offen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 138/05 -, juris).

b) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grund- und grundrechtsgleichen Rechte unter dem Gesichtspunkt einer Verkennung der Legalisierungswirkung der bei ihr vorliegenden Erlaubnis nach dem DDR-Gewerbegesetz rügt, ist die Verfassungsbeschwerde subsidiär und hat daher keine Aussicht auf Erfolg. Der Beschwerdeführerin ist es zumutbar, eine fachgerichtliche Klärung der sowohl hinsichtlich der räumlichen Reichweite im Gebiet der neuen Bundesländer als auch der gegenständlichen Erstreckung der Erlaubnis auf das Internetwettgeschäft nicht abschließend geklärten rechtlichen Wirkungen ihrer gewerberechtlichen Erlaubnis zum "Abschluss von Sportwetten" nach DDR-Gewerbegesetz im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Die insoweit aufgeworfenen Fragen sind, auch hinsichtlich etwaiger Grundrechtsverletzungen, die aus der Versagung der Anerkennung einer Legalisierungswirkung der nach dem DDR-Gewerbegesetz erteilten Erlaubnis für das Land Sachsen-Anhalt herrühren könnten, vorrangig im Rahmen der von der Beschwerdeführerin erhobenen Anfechtungsklage zu entscheiden.

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

III.

Da die Kammer die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annimmt, wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (vgl. § 40 Abs. 3 GOBVerfG).

Die Anordnung der Auslagenerstattung erfolgt aufgrund § 34 a Abs. 3 BVerfGG. Sie entspricht vorliegend der Billigkeit, da die angegriffenen Entscheidungen bei ihrem Erlass, wie unter II. 2. a) ausgeführt, mit dem Grundgesetz unvereinbar waren.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
UVR 2007 S. 118 Nr. 4
WM 2007 S. 473 Nr. 10
PAAAC-34480