BFH Beschluss v. - V B 24/05

Verzinsung von Steuerforderungen

Gesetze: AO § 233a

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Import und Export von Fischen ist. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) änderte im Anschluss an eine Außenprüfung die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1999, weil die Voraussetzungen für den Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer aus angeblichen oder tatsächlichen Lieferungen von zwei im Ausland ansässigen Firmen, die ebenso wie die Klägerin zur W-Gruppe gehörten, nicht vorlagen. Des Weiteren setzte das FA für die Jahre 1995 bis 1999 nach § 233a der Abgabenordnung (AO 1977) Nachzahlungszinsen fest. Über den gegen die Festsetzung der Nachzahlungszinsen erhobenen Einspruch hat das FA noch nicht entschieden.

Die Vorsteuervergütungsverfahren der beiden im Ausland ansässigen Firmen der W-Gruppe führten zu Erstattungsbeträgen, die nicht verzinst wurden. Diese Erstattungsbeträge wurden aufgrund entsprechender Abtretungsanzeigen auf die Umsatzsteuernachzahlungen der Klägerin umgebucht.

Unter Hinweis darauf, dass die Erstattungsansprüche aus den Vergütungsverfahren und die nach der Außenprüfung festgesetzten Umsatzsteuerforderungen sich ausglichen, beantragte die Klägerin erfolglos den Erlass der Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage zurück. Die Klägerin habe einen objektiven Liquiditätsvorteil in Höhe der ihr zu erstattenden Vorsteuerbeträge erlangt, denn diese Vorsteuerbeträge hätten ihr nicht zugestanden. Unerheblich sei, dass sich die gegen die Klägerin nachträglich festgesetzte Umsatzsteuer einerseits und der Vorsteuervergütungsanspruch der ausländischen W-Gesellschaften andererseits (nunmehr) per Saldo ausglichen. Für eine derartige wirtschaftliche Betrachtungsweise sei kein Raum. Selbst wenn der Vorsteuervergütungsanspruch der ausländischen W-Gesellschaft nicht verzinst werde, seien die Steuerschuldverhältnisse der Klägerin einerseits und diejenigen der anderen W-Firmen andererseits unabhängig voneinander zu beurteilen. Von einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung sei deshalb nicht auszugehen. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

2. Die Klägerin begehrt die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Eine Rechtsfrage ist jedoch nicht klärungsbedürftig i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn sie anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH beantwortet werden kann und keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rdnr. 28, m.w.N.). Das ist hier der Fall.

a) Die Klägerin trägt vor, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die Ungleichbehandlung von Steuerinländern und Steuerausländern sachlich gerechtfertigt sei, insbesondere ob dies mit den Regelungen des Gemeinschaftsrechts und dem Sinn und Zweck des gemeinsamen europäischen Binnenmarkts vereinbar sei.

Die Erstattungsansprüche der ausländischen W-Firmen seien im Gegensatz zu den Steuernachforderungen der Klägerin nicht verzinst worden. Es würden also einerseits die vermeintlichen Vorteile der Klägerin durch die Verzinsung abgeschöpft, die finanziellen Nachteile der ausländischen W-Gesellschaften jedoch nicht ausgeglichen. Es liege deshalb nicht lediglich eine sog. „Null-Situation” vor, bei der sich per Saldo festgesetzte Umsatzsteuer und abgezogene Vorsteuer ausglichen, sondern der Fiskus werde einseitig bevorzugt.

b) Durch die Rechtsprechung ist bereits geklärt,

  • dass die Zinsregelung des § 233a AO 1977 —im Falle der Steuernachforderung— darauf abzielt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden und die Festsetzung der Zinsen nach § 233a AO 1977 grundsätzlich rechtmäßig ist, wenn der Schuldner der Steuernachforderung deswegen Liquiditätsvorteile gehabt hat, weil er von der Zahlung der geschuldeten Steuer vorerst —wegen unzutreffender Steuerfestsetzung— „freigestellt” war (, BFH/NV 2003, 591; vom V R 72/00, BFH/NV 2002, 545),

  • dass grundsätzlich unbeachtlich ist, ob der Steuerpflichtige die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen hat (, BFH/NV 2006, 697; vom V R 2/02, BFHE 203, 410, BStBl II 2004, 39; vom IV R 69/97, BFHE 187, 198),

  • dass die Verzinsung der nachträglich festgesetzten Umsatzsteuer nicht deshalb sachlich unbillig ist, weil der Leistende von einer sog. Null-Situation (keine Umsatzversteuerung durch den Leistenden, kein Vorsteuerabzug des Empfängers) ausgegangen war (, BFH/NV 2002, 307), und

Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass die Frage, ob das Diskriminierungsverbot die Einbeziehung von Vorsteuer-Vergütungsansprüchen in den Anwendungsbereich des § 233a AO 1977 gebieten und der vergütungsberechtigte Leistungsempfänger deswegen Erstattungszinsen beanspruchen könnte, im Verfahren betreffend die Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer des Leistenden —wie im Streitfall— nicht entscheidungserheblich sein und deshalb auch nicht klärbar sein kann.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 208 Nr. 2
VAAAC-31834