BFH Beschluss v. - V B 27/06, V S 6/06 (PKH)

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Alleingesellschafter des Bauunternehmens D-GmbH und deren alleiniger Geschäftsführer. Nach einer Steuerfahndungsprüfung bei der D-GmbH versagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—), der D-GmbH im Umsatzsteuerbescheid für 1999 vom den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der I-Bau-GmbH, weil es sich hierbei um Scheinrechnungen handele, und erließ einen Lohnsteuerhaftungsbescheid gegen die D-GmbH, weil diese und nicht die I-Bau-GmbH die Arbeitnehmer beschäftigt habe.

Mit Bescheid vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom nahm das FA den Kläger wegen Lohnsteuer 1999, Umsatzsteuer 1999, Zinsen zur Umsatzsteuer sowie Säumniszuschläge zur Lohnsteuer und zur Umsatzsteuer in Haftung.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat im Wesentlichen die Auffassung, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger als alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der D-GmbH für deren Umsatzsteuer- und Lohnsteuerrückstände nach § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) sowie nach § 69 AO 1977 i.V.m. § 34 AO 1977 hafte. Denn nicht die I-Bau-GmbH, sondern die D-GmbH habe selbst unmittelbar die Leistungen an ihre Auftraggeber erbracht. Die Umsätze seien deshalb nicht der I-Bau-GmbH, sondern der D-GmbH zuzurechnen. Das FA habe deshalb auch zu Recht den geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der I-Bau-GmbH nicht zugelassen. Die Arbeitnehmer, um deren Lohnsteuer es gehe, seien nur formal bei der I-Bau-GmbH beschäftigt gewesen.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde (V B 27/06). Der Kläger hat beantragt, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren (V S 6/06 PKH).

II. 1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 FGO).

a) Der Kläger rügt, das Gericht sei fehlerhaft besetzt gewesen. Es hätten zwei mündliche Verhandlungen stattgefunden, nämlich am und am . Ausweislich der beigefügten Niederschrift des FG hätten an der Verhandlung am die ehrenamtlichen Richterinnen R. und Dr. P. teilgenommen, während an der Verhandlung vom die ehrenamtlichen Richter L. und M. teilgenommen hätten. Diese hätten sich deshalb kein persönliches Bild insbesondere über den Hauptzeugen N. machen können.

aa) Nach § 119 Nr. 1 FGO ist ein wesentlicher Mangel die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts. Gemäß § 103 FGO kann das Urteil nur von den Richtern und ehrenamtlichen Richtern gefällt werden, die an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. , BFH/NV 2001, 197; , BFHE 143, 117, BStBl II 1985, 305, 306, jeweils m.w.Nachw.) bezieht sich das Tatbestandsmerkmal „dem Urteil zugrunde liegende Verhandlung”, das nach § 103 FGO den gesetzlichen Richter bestimmt, nur auf die letzte mündliche Verhandlung, in der das Urteil ergangen ist. Daraus folgt, dass bei einer Verhandlung an mehreren Sitzungstagen ein Richterwechsel nach Vertagung einer mündlichen Verhandlung unschädlich ist und zwar auch dann, wenn in dem früheren Verhandlungstermin eine Beweisaufnahme stattgefunden hat (, BFH/NV 1997, 31, m.w.Nachw.). Etwas anderes gilt in der Regel bei einer bloßen Unterbrechung der mündlichen Verhandlung, wenn sich ein und dieselbe mündliche Verhandlung über mehrere Verhandlungstage (Sitzungstage) hinzieht (vgl. hierzu BFH-Urteile in BFH/NV 1997, 31; vom VII R 122/73, BFHE 121, 392, BStBl II 1977, 431, 432; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 27 Rz. 5).

bb) Wird als wesentlicher Mangel des Verfahrens i.S. von § 119 Nr. 1 FGO gerügt, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil an den Terminen zur mündlichen Verhandlung jeweils unterschiedliche ehrenamtliche Richter teilgenommen haben, gehört deshalb zur schlüssigen Darlegung dieser Verfahrensrüge auch die Darlegung konkreter Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass im zweiten Termin lediglich die nach dem ersten Termin unterbrochene mündliche Verhandlung fortgesetzt wurde (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 31; , BFH/NV 1994, 880). Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Vielmehr ergibt sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am , dass das FG die Sache vertagt hat.

b) Auch der Vortrag, die ehrenamtlichen Richter hätten sich keinen unmittelbaren Eindruck vom den Zeugen machen können, die am angehört worden seien, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

aa) Wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das FG geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der ZivilprozessordnungZPO—), setzt deren schlüssige Rüge den Vortrag des Beschwerdeführers voraus, dass er den Verstoß in der Vorinstanz gerügt hat bzw. aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen ist.

bb) Zu diesen Mängeln gehören auch die Vorschriften über die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (z.B. BFH-Beschlüsse vom I B 40/05, BFH/NV 2006, 101; vom II B 169/91, BFH/NV 1993, 258). Insoweit hätte der Kläger vortragen müssen, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am das Unterlassen der Vernehmung der benannten Zeugen gerügt hat; das ist nicht geschehen und ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung, in der ausweislich des Protokolls die Zeugenaussagen vom verlesen worden sind. Es ist auch nicht ersichtlich, warum dem fachkundig vertretenen Kläger eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein soll.

c) Der Kläger macht weiter geltend, die Entscheidungsgründe des FG widersprächen unter Berücksichtigung der Beweisaufnahme den Denkgesetzen und seien nicht von den festgestellten Tatsachen getragen; er legt im Einzelnen dar, weshalb seiner Auffassung nach das FG bei Berücksichtigung der Zeugenaussagen nicht zu dem Ergebnis hätte kommen dürfen, die D-GmbH habe die streitigen Leistungen erbracht und die Arbeitnehmer seien tatsächlich bei der D-GmbH angestellt gewesen.

Mit diesem Vortrag wird kein Zulassungsgrund i.S. von § 115 FGO, insbesondere kein Verfahrensmangel dargelegt. Das gilt auch dann, wenn geltend gemacht wird, die Beweiswürdigung verstoße gegen Denkgesetze und allgemeine Verfahrenssätze. Denn ein Verstoß gegen Denkgesetze („Grundsätze logischer und geordneter Denkweise”), auch wenn er sich auf die Würdigung von Tatsachen erstreckt, ist —wie Fehler in der Tatsachen- und Beweiswürdigung— kein Verfahrensfehler, sondern ein materiell-rechtlicher Fehler, der nicht zur Zulassung der Revision führen kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331; vom XI B 56/05, juris; z.B. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 248, m.w.Nachw.).

2. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hat, wie sich aus den unter 1. wiedergegebenen Gründen ergibt, keine Aussicht auf Erfolg.

Fundstelle(n):
DAAAC-18566