BVerwG Beschluss v. - 9 VR 14.02

Leitsatz

1. Grundsätzlich hat diejenige Planung Rücksicht auf die konkurrierende Planung zu nehmen, die den zeitlichen Vorsprung hat (sog. Prioritätsgrundsatz). Voraussetzung ist dafür eine hinreichende Verfestigung der Planung, die einen Vorrang beansprucht.

Bezüglich eines Fachplanungsvorhabens markiert in der Regel erst die Auslegung der Planunterlagen den Zeitpunkt einer hinreichenden Verfestigung. Abweichendes gilt im Falle eines gestuften Planungsvorgangs mit verbindlichen Vorgaben, wie er bei der gesetzlichen Bedarfsfeststellung im Fernstraßenausbaugesetz vorliegt. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann hier schon vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens eine Verfestigung bestimmter fachplanerischer Ziele eintreten.

2. Auch unter Berufung auf ihre Planungshoheit kann eine Gemeinde eine umfassende objektiv-rechtliche Planprüfung nicht fordern.

Gesetze: GG Art. 28 Abs. 2 Satz 1; FStrAbG § 1 Abs. 2 Satz 2; FStrG § 17 Abs. 1 Satz 2

Gründe

I.

Die antragstellende Gemeinde wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom , der den Plan für den vierstreifigen Ausbau der B 96 in Brandenburg von der Anschlussstelle Rangsdorf des Berliner Autobahnrings (BAB 10) bis zur südlichen Landesgrenze Berlins im 1. Bauabschnitt (Bau-km 5+335,838 bis 8+026,231) u.a. einschließlich des Neubaus des Netzknotens B 96/B 96a - L 76 und der Überführung über den Berliner Außenring der Eisenbahn feststellt. Der Ortskern der Antragstellerin liegt westlich der B 96. Von dort aus erstrecken sich einige Baugebiete im Norden bis an die L 76 und im Osten bis an die B 96, an deren östlichen Seite sich ebenfalls ein Baugebiet befindet, das bis an die B 96a heranreicht. Im Anhörungsverfahren hat die Antragstellerin im Hinblick auf die Zerschneidung und Verlärmung ihrer vorhandenen oder in der Planung befindlichen Baugebiete in erster Linie eine ortsumgehende Ostvariante für die Trassierung der B 96 gefordert. Die Antragstellerin macht geltend, dass diese Planungsalternative im Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig verworfen worden sei und beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer im Verfahren BVerwG 9 A 39.02 gegen den Planfeststellungsbeschluss gerichteten Anfechtungsklage anzuordnen. Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen und beantragt, ihn abzulehnen.

II.

Der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 5 Abs. 1 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes (VerkPBG) sowie § 17 Abs. 6 a Sätze 1 und 2 FStrG statthafte Antrag hat keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses, das Grundlage des in § 17 Abs. 6 a Satz 1 FStrG und § 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG geregelten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage ist, überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Klage.

Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich, dass die Anfechtungsklage auf der Grundlage der von der Antragstellerin gegen die Planfeststellung erhobenen Rügen voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Unter diesen Umständen besteht kein hinreichender Anlass dafür, von der gesetzlich vorgesehenen Regel der sofortigen Vollziehbarkeit der Planfeststellung hier abzuweichen.

1. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist der Antragstellerin allerdings nicht bereits die Klage- und Antragsbefugnis abzusprechen. Die vom Antragsgegner in diesem Zusammenhang angeführten Fallgruppen, in denen die Rechtsprechung die Möglichkeit einer rechtserheblichen Beeinträchtigung der gemeindlichen Planungshoheit angenommen hat, kennzeichnen Bereiche, in denen die Fachplanung die Belange der Gemeinde zur Kenntnis zu nehmen und abzuwägen hat. Hier darf der Gemeinde nicht entgegengehalten werden, ihre Belange seien geringfügig und deswegen unbeachtlich. Die Frage, ob von einer Gemeinde geltend gemachte Belange unter dem genannten Aspekt abwägungsbeachtlich sind, betrifft im Streitfall in aller Regel - so auch im vorliegenden Fall - nicht die Zulässigkeit der von ihr eingelegten Rechtsbehelfe, sondern deren Begründetheit (vgl. zur Normenkontrolle BVerwG 4 CN 1.01 - BVerwGE 114, 301 <305 f.>). Die danach gebotene Sachprüfung wird aber nicht zugunsten der Antragstellerin ausfallen können.

2. Die Antragstellerin beruft sich aller Voraussicht nach zu Unrecht darauf, durch den Planfeststellungsbeschluss in ihrer Planungshoheit verletzt zu sein.

Unter dem Gesichtspunkt der Planungshoheit hat die Gemeinde dann eine wehrfähige, in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen, wenn eine eigene hinreichend bestimmte Planung nachhaltig gestört wird oder wenn das Vorhaben wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung der Gemeinde entzieht (stRspr, z.B. BVerwG 4 C 40.86 - BVerwGE 81, 95 <106>; BVerwG 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <100>). Im Anhörungsverfahren und im Prozess ist die Gemeinde hinsichtlich ihrer Planungsvorstellungen und deren Konkretisierungsstadium darlegungspflichtig. Ebenso ist es ihre Sache darzutun, worin die möglichen Konflikte liegen und warum trotz Abstimmung der Bauleitplanung auf die vorgegebene Situation bauleitplanerische Mittel nicht ausreichen, die Konflikte zu lösen (vgl. BVerwG 7 A 14.93 - Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 23).

Mit dem Hinweis auf den Vorhaben- und Erschließungsplan M 5 "Mahlow-Fuchsberg", den Bebauungsplan M 2 "Gewerbepark Mahlow", den Vorhaben- und Erschließungsplan "Roter Dudel", den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan M 1 "Gewerbegebiet Mahlow" sowie ihren im Entwurf befindlichen Flächennutzungsplan hat die Antragstellerin zwar ihre Planungsvorstellungen hinreichend konkret umschrieben. Nicht erkennbar ist aber, dass die Antragstellerin bei der Entwicklung dieser Planungsvorstellungen die gebotene Rücksicht auf die konkurrierende Fachplanung genommen hat, als sie sich mit den neuen Baugebieten an eine Bundesstraße annäherte, für deren weiteren Ausbau seit langem ein unabweisbarer Bedarf erkennbar war.

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine kommunale Bauleitplanung auf hinreichend konkretisierte und verfestigte Planungsabsichten der konkurrierenden Fachplanung Rücksicht nehmen muss (vgl. zuletzt BVerwG 9 B 57.01 - UPR 2002, 75 m.w.N.). Der vierstreifige Ausbau der B 96, der Gegenstand der streitigen Planfeststellung geworden ist, entspricht den Vorgaben des Bedarfsplans für die Bundesstraßen (Sonderkarte Berlin der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Fernstraßenausbaugesetzes in der Fassung vom - BGBl I S. 1878 -). Der Antragsgegner hat zudem - unwidersprochen - vorgetragen, die Straßenbauverwaltung habe in ihren Stellungnahmen zu der Bauleitplanung der Antragstellerin jeweils auf dieses Planungsziel hingewiesen (PFB S. 94). Unter diesen Gegebenheiten durfte die Antragstellerin ihrerseits nicht eine Bauleitplanung mit dem Ziel oder zumindest mit dem Ergebnis verfolgen, dass der vierstreifige Ausbau der B 96 in der alten Trassenlage nicht mehr abwägungsfehlerfrei verwirklicht werden konnte. Wenn die Antragstellerin im Prozess geltend macht, angesichts des zwischenzeitlich erreichten Standes ihrer Bauleitplanung sei es rechtswidrig, ihre Forderung nach einer ortsumgehenden Ostvariante der Trasse zu verwerfen, läuft dies gerade darauf hinaus, den Antragsgegner in Ausübung der kommunalen Planungshoheit zu zwingen, sein ursprüngliches Planungsziel aufzugeben. Das ist mit dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme nicht vereinbar. Ebenso wenig wie von der Gemeinde bereits konkret in Betracht gezogene Planungsmöglichkeiten durch die Fachplanung unnötigerweise "verbaut" werden dürfen (vgl. BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <394>), darf umgekehrt auch die Gemeinde nicht versuchen, der Fachplanung, die eine hinreichende Verfestigung erfahren hat, unüberwindliche Hindernisse in den Weg zu legen. Im Einzelnen ist hierzu Folgendes zu bemerken:

Im Falle konkurrierender Planungsvorstellungen ist der Prioritätsgrundsatz ein wichtiges Abwägungskriterium (vgl. z.B. BVerwG 4 C 63.80 -, BVerwGE 71, 150 <156>; BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <394>). Grundsätzlich hat diejenige Planung Rücksicht auf die andere zu nehmen, die den zeitlichen Vorsprung hat (vgl. BVerwG 4 C 33 - 35.83 - BVerwGE 77, 285 <292 f.>). So muss die Gemeinde planerische Erschwernisse und planerischen Anpassungsbedarf für ihre Bauleitplanung wie auch mögliche Reduzierungen der als Wohnbauland geeigneten Fläche hinnehmen, wenn sie mit ihrer Planung auf eine schon vorher konkretisierte und verfestigte Fachplanung trifft. Dabei markiert bezüglich eines Fachplanungsvorhabens in der Regel erst die Auslegung der Planunterlagen den Zeitpunkt einer hinreichenden Verfestigung. Abweichendes gilt aber im Falle eines gestuften Planungsvorgangs mit verbindlichen Vorgaben, wie er bei der gesetzlichen Bedarfsfeststellung im Fernstraßenausbaugesetz vorliegt. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann hier nämlich schon vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens eine Verfestigung bestimmter fachplanerischer Ziele eintreten.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG ist die gesetzliche Bedarfsfeststellung für die nachfolgende straßenrechtliche Planfeststellung verbindlich. Der Umfang dieser Bindung ist im Wege einer Auslegung des Bedarfsgesetzes zu ermitteln. Die zeichnerische Darstellung, die einem Bedarfsplan eines verkehrlichen Bedarfsgesetzes beigefügt ist, legt eine bestimmte Bedarfsstruktur fest, etwa hinsichtlich des Verkehrsbedarfs und hinsichtlich der Netzverknüpfungen. Die zeichnerisch dargestellte Trassenwahl selbst nimmt - auch wenn sie detailgetreu ermittelbar ist - an der Bindung des Bedarfsgesetzes jedoch nicht teil. Bei der Trassenwahl ist lediglich die erkennbare Bedarfsstruktur als gesetzgeberische Wertung in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG 4 C 29.94 - BVerwGE 102, 331 <343 f.>). Der Planungsträger ist nicht gehindert, etwa statt des Ausbaus einer Bestandsstrecke eine Neubaustrecke als Trassenalternative zu erwägen (vgl. BVerfG 2 BvR 2397/94 - NVwZ 1996, 261; deswegen überholt BVerwG 7 VR 3.94 - GewArch 1995, 87). Allerdings ist es auch nicht zu beanstanden, wenn der Planungsträger sich beim Ausbau eines bereits vorhandenen Straßenzuges - wie hier - aus nachvollziehbaren Gründen gegen eine Neutrassierung ausspricht und auf dieser Grundlage entsprechende Planungsalternativen verwirft (vgl. BVerwG 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123 <128>; BVerwG 9 A 5.02 - <n.v.>).

Hiervon ausgehend stand der vierstreifige Ausbau der B 96 nach den Vorgaben des Fernstraßenausbaugesetzes zwar unter dem Vorbehalt einer anderen Trassenwahl. Das bedeutet aber lediglich, dass der Antragstellerin, wenn diese im Anhörungsverfahren - wie geschehen - die Prüfung einer Trassenalternative verlangte, nicht die Bindungswirkung des Bedarfsplans entgegenhalten werden konnte. Dies ändert nichts daran, dass die vierstreifige Dimensionierung eines Ausbaus der B 96 seit 1993 ein bindendes Planungsziel der Straßenbauverwaltung des Bundes war. Insoweit ist von einer bereits verfestigten und konkretisierten Fachplanung auszugehen. Denn dieses Planungsstadium setzt nicht voraus, dass Trassenalternativen aus Rechtsgründen nicht mehr in Betracht zu ziehen sind.

Schon vor Einleitung des straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahrens war aus diesem Grunde seitens der Antragstellerin auf das auf der vorgelagerten Stufe der gesetzlichen Bedarfsplanung festgelegte Ziel eines vierstreifigen Ausbaus der B 96 Rücksicht zu nehmen. In Ausübung ihrer Planungshoheit stand es ihr nicht frei, dieses Planungsziel des konkurrierenden Planungsträgers zu ignorieren. Zum einen hat der Planungsträger die Antragstellerin aus gegebenem Anlass wiederholt auf sein Planungsziel hingewiesen und damit zugleich seine Erwartung erkennbar werden lassen, an dem Plan eines Ausbaus der alten Trasse festhalten zu können. Zum anderen war dieses Planungsziel angesichts der im fraglichen Streckenbereich vorgefundenen städtebaulichen Situation auch unbedenklich zu realisieren. Die B 96 durchläuft das Gemeindegebiet bislang als "freie Strecke", ist also - obwohl inzwischen bereits Baugebiete herangerückt sind - noch durch eine Lage außerhalb der geschlossenen Ortslage sowie durch die fehlende Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke und die fehlende Verknüpfung mit dem Ortsstraßennetz gekennzeichnet (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 FStrG).

Die Antragstellerin konnte unter diesen Umständen nicht davon ausgehen, dass die Straßenbauverwaltung des Bundes den Bau einer Umgehungsstraße als eine sich aufdrängende Alternative ansehen würde. Wie von vornherein zu erwarten war, hat eine im Planfeststellungsverfahren nachträglich vollzogene Analyse die schwerwiegenden Nachteile der von der Antragstellerin vorgeschlagenen Alternativtrassen verdeutlicht (Ordner "Bewertung der von den Gemeinden und privaten Einwendern vorgeschlagenen Trassierungsvarianten"). Insoweit war es Sache der Antragstellerin, ihre Bauleitplanung an den städtebaulichen Gegebenheiten auszurichten, zu denen der Umstand zählt, dass eine weitere Entwicklung der Baugebiete in Richtung Osten durch die B 96 nicht unerheblich erschwert wird. Bei einer an die B 96 heranrückenden Bauleitplanung, die der Antragstellerin vorbehaltlich des § 50 BImSchG im Grundsatz nicht versagt ist, gehörte dazu eine planerische Zurückhaltung, die Kollisionen mit dem gesetzlich festgeschriebenen Ziel eines vierstreifigen Ausbaus dieser Bundesstraße vermeidet. Dass die Antragstellerin in ihren Planungsvorstellungen den insoweit vorgefundenen Anpassungsbedarf berücksichtigt hat, wird nicht durchgängig erkennbar. Denn die geplanten Baugebiete rücken beiderseits des fraglichen Streckenabschnitts so unmittelbar an die B 96 heran, dass von dem Außenbereich, in dem die Trasse bisher verläuft, nichts mehr übrig bleibt. Damit würde die Bauleitplanung, falls sie Vorrang beanspruchen könnte, unvermeidlich Zwangspunkte für die Straßenplanung erzeugen. Es ändert sich nämlich zum Nachteil des konkurrierenden Planungsträgers grundlegend der Gebietscharakter, in dem er sein Vorhaben eines vierstreifigen Ausbaus der B 96 zu verwirklichen hat.

Ob die Antragstellerin diesen Effekt angestrebt oder ihn nur in Kauf genommen hat, mag dahinstehen. Jedenfalls macht sie sich ihn im Prozess zu nutze, wenn sie der Straßenbauverwaltung des Bundes die städtebaulichen Missstände anlastet, die bei einem unveränderten Festhalten an der Ausbauplanung eintreten würden. Dass die Antragstellerin auf diese Weise versucht, ihre Forderung nach einer Ortsumgehung als eine sich aufdrängende Planungsalternative hinzustellen, überzeugt nicht. Denn die Antragstellerin lässt damit die gebotene Rücksichtnahme auf die verfestigten und konkretisierten Planungsabsichten des konkurrierenden Planungsträgers vermissen. Die Bauleitplanung der Antragstellerin stellt somit keinen Belang dar, der die Fachplanung hinderte, ihrem kollidierenden Planungsziel im Wege der Abwägung grundsätzlich Vorrang einzuräumen.

3. Es ist auch nicht erkennbar, dass sich der Antragsgegner bei seiner Entscheidung, an dem Ziel eines vierstreifigen Ausbaus der B 96 festzuhalten, mit den schutzwürdigen Belangen der Antragstellerin nicht hinreichend auseinandergesetzt hat und die Antragstellerin aus diesem Grund mit Erfolg eine Verletzung des Abwägungsgebots (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG) rügen kann.

In dem Planfeststellungsbeschluss (S. 91 ff.) findet sich nicht nur eine eingehende Würdigung der vorgeschlagenen Alternativtrassen. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 78 ff.) verfolgt auch das Ziel, dass der Ausbau die - schon jetzt vorhandene - Trennung zwischen den östlich und westlich der B 96 gelegenen Ortsteilen nach Möglichkeit nicht zusätzlich verschärfen soll. Mit diesem Ziel ist zum einen der Neubau einer Erschließungsstraße vorgesehen, die in Höhe des Berliner Außenrings für alle Verkehrsteilnehmer eine neue Querungsmöglichkeit über die B 96 schafft und damit die Entwicklung der in diesem Bereich beiderseits der B 96 geplanten Gewerbegebiete fördert. Zum anderen sieht die Planung in Höhe der Herderstraße bzw. der Ibsenstraße eine neue Brücke für Fußgänger und Radfahrer vor. Da derzeit ein gefahrloses Überqueren der B 96 - nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners - nicht möglich ist, sind die genannten Baumaßnahmen geeignet, die Sicherheit im innerörtlichen Verkehr zu verbessern und die Trennwirkung der B 96 zu mildern. Dass die B 96 weiterhin ein schwerwiegendes Hindernis für die städtebauliche Entwicklung bleibt, hat der Planfeststellungsbeschluss nicht verkannt. Gleiches gilt für die Störung des Ortsbildes, die durch die geplante Errichtung von Lärmschutzwänden längs der B 96 eintreten wird, aus Gründen des Lärmschutzes aber den dortigen Anwohnern geschuldet ist (vgl. § 41 BImSchG).

Soweit die Antragstellerin den vorgesehenen Verkehrslärmschutz als unzulänglich kritisiert und in Hinblick auf die Planungen zum Ausbau des Flughafens Schönefeld und der sog. Dresdner Bahn eine durch die Summation verschiedener Immissionen drohende Gesundheitsgefahr rügt, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass sie nicht unter Berufung auf ihre Planungshoheit oder ihre sonstigen Belange eine umfassende objektiv-rechtliche Planprüfung fordern kann (vgl. BVerwG 4 A 47.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 148; BVerwG 4 A 12.99 - ZfBR 2001, 279; a.A. teilweise Kirchberg/Boll/Schütz, NVwZ 2002, 550 <554 f.>). Als Gemeinde kann die Antragstellerin nämlich zum einen nicht Belange der Allgemeinheit, die nicht speziell dem gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet sind, geltend machen. Insbesondere kann sie sich gegenüber einem anderen Planungsträger nicht zum gesamtverantwortlichen "Wächter des Umweltschutzes" machen (vgl. BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <395>). Zum anderen kommen einer Gemeinde nicht schon dann eigene "wehrfähige" Rechte zu, wenn nach ihrer Ansicht einzelnen Privatpersonen - die ihre Rechte selbst geltend zu machen haben - ein Schaden droht (vgl. BVerwG 4 C 36.86 - BVerwGE 84, 209 <213>; BVerwG 4 C 14.95 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 107).

4. Das im Hauptsacheverfahren mit einem Verpflichtungsantrag verfolgte Anliegen der Antragstellerin, die B 96 in Troglage abzusenken, ist im Planfeststellungsbeschluss (S. 86 ff.) ebenfalls als Alternative erwogen worden. Dass die Erwägungen, mit denen die Troglösung verworfen worden ist, einen Abwägungsfehler beinhalten, ist nicht erkennbar. Die Antragsschrift vermittelt insoweit keine weiterführenden Erkenntnisse. Gleiches gilt, soweit dort beiläufig eine Verletzung der Finanzhoheit gerügt wird. Angesprochen sind damit offenbar die Kosten von nicht näher spezifizierten "Folgemaßnahmen", die sich nach Auffassung der Antragstellerin im Bereich der Ortsdurchfahrt auf der Ernst-Thälmann-Straße ergeben sollen (Einwendungsschreiben vom , S. 6 f.). Diesem Einwand ist der Planfeststellungsbeschluss (S. 107 f.) mit dem Hinweis auf die vom Vorhabenträger beigebrachte Analyse des langsam fahrenden Verkehrs entgegengetreten. Auf das dortige Argument, gewisse Verlagerungen des Verkehrs durch die neue Netzkonzeption seien unvermeidlich und blieben in ihrem Ausmaß hinnehmbar, wird in der Antragsschrift nicht erwidert. Offenbar geht die Antragstellerin bezüglich der zuvor angesprochenen Fragen selbst davon aus, dass ihre Kritik an der Planfeststellung einen Baustopp nicht rechtfertigen kann.

5. Die übrigen Einwände, die von der Antragstellerin gegen die Planfeststellung erhoben werden, sind erst recht nicht geeignet, einen Erfolg der Anfechtungsklage überwiegend wahrscheinlich zu machen. Das gilt insbesondere für die Rüge angeblicher Verfahrensfehler. Es kann dahinstehen, ob diese Rüge - wie der Antragsgegner geltend macht - auf unzutreffenden Annahmen beruht. Wie die Antragstellerin selbst einräumt, vermitteln die Verfahrensvorschriften nach ständiger Rechtsprechung keine selbständig durchsetzbaren Rechtspositionen. Wenn demnach ein Verfahrensfehler nicht zugleich kausal für eine Verletzung materieller Rechtspositionen ist, bleibt er prozessual folgenlos. Das gilt auch dann, wenn das Verfahrensrecht - wie die UVP-Prüfung - auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruht (vgl. z.B. BVerwG 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <361 f.>). Dass diese Rechtsprechung im Hinblick auf die Änderung der UVP-Richtlinie 85/337/EWG durch die Richtlinie 97/11/EG vom (ABl. Nr. L 73/5) korrigiert werden muss, ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht ersichtlich.

Soweit die Antragstellerin einen Verfahrensfehler mit dem Argument begründen will, bei der Alternativenprüfung habe die Planungsbehörde übersehen, dass die gesamte Glasowbachniederung als potentielles FFH-Gebiet einzustufen sei, ergibt sich daraus ebenso wenig eine Rechtfertigung für den beantragten Baustopp. Die Glasowbachniederung liegt außerhalb des Planfeststellungsabschnitts. Sie wird erst im anschließenden Planfeststellungsabschnitt (2. Bauabschnitt) von der Trasse durchschnitten. Die Antragstellerin macht nicht geltend, dass hieraus ein unüberwindliches Hindernis für die angefochtene Planfeststellung herzuleiten wäre (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. BVerwG 11 C 14.00 - BVerwGE 114, 364 <368 f.>). Nur darauf kann es aber ankommen, wenn die Antragstellerin sich gegen das Ergebnis der im benachbarten Planfeststellungsabschnitt durchgeführten FFH-Verträglichkeitsprüfung wendet. Es reicht für einen Erfolg ihrer Anfechtungsklage somit nicht aus, wenn sie nur dafür eintritt, die Glasowbachniederung an einer anderen Stelle - nämlich in dem gemeldeten FFH-Gebiet - zu durchqueren.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG.

Fundstelle(n):
FAAAC-13597