Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
Instanzenzug: OLG Schleswig vom
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Beklagten mit Urteil vom , diesem zugestellt am , zur Zahlung von Trennungsunterhalt verurteilt. Mit einem am (Montag) beim Oberlandesgericht eingegangenen Telefax-Schreiben hat der Beklagte hiergegen Berufung eingelegt. Die dem Oberlandesgericht zugegangenen 15 Seiten dieses Schreibens umfaßten die erste Seite der zweiseitigen Berufungsschrift, eine beglaubigte und eine einfache Abschrift der vollständigen Berufungsschrift sowie das 10-seitige Urteil des Amtsgerichts. Mit einem am eingegangenen Telefax-Schreiben hat der Beklagte erneut Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Auf den am eingegangenen Antrag des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Berufungsbegründungsfrist bis zum verlängert. Mit Beschluß vom hat das Berufungsgericht den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen eine Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Beklagten hat der Senat mit Beschluß vom , dem Beklagten zugestellt am , zurückgewiesen, weil die Berufungsbegründung des Beklagten nicht innerhalb der - verlängerten - Begründungsfrist, sondern erst am eingegangen war. Dagegen hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Mit Schriftsatz vom , eingegangen am gleichen Tag, wiederholte der Beklagte seine Berufungsanträge und den weiteren Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren. Gleichzeitig beantragte er, ihm gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Oberlandesgericht hat auch diesen Antrag zurückgewiesen, weil das Berufungsverfahren durch die rechtskräftige Verwerfung der Berufung mit Beschluß vom "nicht mehr anhängig" sei. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt der Sache allerdings keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (BGHZ 151, 221, 223). Das ist hier hinsichtlich der Auswirkungen der erhobenen Verfassungsbeschwerde auf den Fortgang des zivilgerichtlichen Verfahrens nicht der Fall.
Nach gefestigter Rechtsprechung handelt es sich bei der Verfassungsbeschwerde nicht um ein Rechtsmittel, das den Eintritt der Rechtskraft einer mit ihr angefochtenen Entscheidung hindert. Die Verfassungsbeschwerde ermöglicht es lediglich, über den Rahmen des Instanzenzuges hinaus aus Verfassungsgründen die Rechtskraft einer angefochtenen Entscheidung wieder aufzuheben (BVerfG NJW 1996, 512).
2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist allerdings zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil das Berufungsgericht die vom Beklagten für eine Wiedereinsetzung in die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vorgetragenen Gründe mit unzutreffenden Erwägungen übergangen und damit dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat.
Nach gefestigter Rechtsprechung dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung.
Zwar hat der Senat die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und gegen die Verwerfung der Berufung mit Beschluß vom zurückgewiesen, weil die Berufung nicht innerhalb der verlängerten Frist begründet war. Die rechtskräftige Verwerfung der Berufung steht der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Begründungsfrist aber nicht entgegen, weil bei Bewilligung der Wiedereinsetzung dem die Berufung verwerfenden Beschluß die Grundlage entzogen und er damit gegenstandslos würde (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 144/96 - FamRZ 1998, 285, 286, vom - XII ZB 134/99 - NJW-RR 2000, 879 und vom - XII ZB 193/00 - NJW-RR 2001, 1146, 1147). Die Wiedereinsetzung beseitigt die der Partei durch Versäumung einer Frist entstandenen Rechtsnachteile. Durch sie wird fingiert, dass eine verspätete bzw. versäumte und nachgeholte Prozeßhandlung rechtzeitig vorgenommen wurde. Wird also die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt, so entfällt nachträglich die Rechtfertigung für den Verwerfungsbeschluß. Es liefe sonst auch auf einen Zirkelschluß hinaus, Wiedereinsetzung in die Versäumung der Berufungsfrist wegen nicht rechtzeitig eingegangener Berufungsbegründung zu versagen und sodann auch die beantragte Wiedereinsetzung in die Versäumung der Begründungsfrist mit der Erwägung abzulehnen, die Berufung sei bereits verworfen.
Ist mit dem Bundesgerichtshof (vgl. Beschluß vom - II ZB 10/93 - NJW 1993, 3141) davon auszugehen, daß die Berufung des Beklagten rechtzeitig eingegangen ist, so wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob hinreichende Gründe für eine unverschuldete Versäumung der bis zum verlängerten Begründungsfrist vorgetragen sind. Dabei wird das Berufungsgericht insbesondere prüfen müssen, ob eine der Notarfachangestellten erteilte konkrete Einzelanweisung zum Absenden des Berufungsbegründungsschriftsatzes vom den Anforderungen an eine anwaltliche Fristenkontrolle genügt (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 86/02 - FamRZ 2003, 1269 und vom - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360), oder ob es zusätzlich noch auf eine ordnungsgemäße Büroorganisation durch allgemeine Anweisungen zur Führung eines Fristenkalenders ankommt (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 243/03 - FamRZ 2004, 1183 und vom - XII ZB 75/03 - BRAK-Mitt 2003, 224).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
XAAAC-06142
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein