BGH Urteil v. - V ZR 225/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 133; BGB § 157; BGB § 323 a.F.; BGB § 323 Abs. 1 a.F.; BGB § 323 Abs. 1, Halbs. 2 a.F.; BGB § 323 Abs. 3 a.F.; BGB § 434 a.F.; BGB § 439 Abs. 1 a.F.; BGB § 440 Abs. 1; BGB § 472 a.F.; BauGB § 61 Abs. 1; BauGB § 63 Abs. 1 Satz 1

Instanzenzug: LG Duisburg vom

Tatbestand

Die Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 erwarben mit von dem Streithelfer der Beklagten beurkundeten notariellen Verträgen vom 27. bzw. je eine Eigentumswohnung in einer noch zu errichtenden Wohnanlage in M. Verkäuferin war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der die Beklagten angehören. In den Kaufverträgen und in der Teilungserklärung sind die Flurstücke, an denen die Kläger Miteigentum erwerben sollten, mit insgesamt 2.786 qm angegeben.

Zur Zeit der Vertragsschlüsse lief in dem Baugebiet ein Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch. Dies führte dazu, daß sich nach rechtskräftigem Abschluß des Umlegungsverfahrens die Flächengröße des Grundstücks durch Abtrennung von Parkplätzen um 251 qm verringerte. Im Grundbuch wurde dies 1998 vermerkt.

Die Kläger nehmen die Beklagten auf eine anteilige Rückzahlung des auf den Grund und Boden entfallenden Kaufpreises in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat ihr in dem geltend gemachten Umfang, 2.578,66 € nebst Zinsen zugunsten der Kläger zu 1 und 2.396,25 € nebst Zinsen zugunsten der Klägerin zu 2, stattgegeben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten und deren Streithelfer die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagten, als Gesellschafter der Verkäuferin, hätten ihre Verpflichtung, entsprechende Miteigentumsanteile an einem 2.786 qm großen Grundstück zu übertragen, teilweise, nämlich wegen der Mindergröße von 251 qm, nicht erfüllen können. Darin liege ein Rechtsmangel. Dieser beruhe auf einem von keiner der Kaufvertragsparteien zu vertretenden Umstand, so daß sich der Kaufpreisanspruch der Verkäuferin mindere (§§ 440 Abs. 1, 323 Abs. 1 BGB a.F.) und die Kläger eine Überzahlung nach § 323 Abs. 3 BGB a.F. zurückfordern könnten. Der Anspruch sei nicht nach § 439 Abs. 1 BGB a.F. ausgeschlossen. Die Kläger hätten von der Reduzierung der Grundstücksfläche keine Kenntnis gehabt. Sie seien insbesondere nicht von dem Streithelfer der Beklagten darüber aufgeklärt worden. Auch wenn man den Vortrag der Beklagten dazu zugrunde lege, so sei nur von einem - nicht ausreichenden - Hinweis darauf auszugehen, daß Grundstücksflächen aufgrund des Umlegungsbeschlusses an die Stadt fielen. Über den konkreten Umfang der Reduzierung, die bei Vertragsschluß schon festgestanden habe, besage dieser Hinweis aber nichts. Gemessen an dem Anteil des Kaufpreises, der auf Grund und Boden entfalle (15 %), wirke sich eine Reduzierung der Fläche um 251 qm in dem zuerkannten Umfang aus.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der sowohl von den Beklagten als auch von dem Streithelfer verfolgten Revision nicht stand.

1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß der geltend gemachte Anspruch nach § 323 Abs. 3 BGB a.F. begründet sein kann, wenn die Größe des Kaufgrundstücks, an dem die Verkäuferin Miteigentumsanteile hat verschaffen sollen, hinter dem vereinbarten zurückbleibt, weil ein Teil im Eigentum eines Dritten steht, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dabei ist unerheblich, ob das Erfüllungshindernis einen Rechtsmangel im Sinne des § 434 BGB a.F. darstellt (so z.B. die ältere Lehrbuchliteratur, vgl. Larenz, Schuldrecht II/1, 13. Aufl., § 40 II b; Esser/Weyers, Schuldrecht II, 6. Aufl., § 4 III/4; siehe auch MünchKomm-BGB/Westermann, 3. Aufl., § 434 Rdn. 13) oder ob es sich dabei - was näher liegt - um einen Fall der Nichterfüllung, hier der Teilnichterfüllung, handelt (vgl. Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 434 Rdn. 32, Knöpfle, NJW 1991, 889; siehe auch Senat, Urt. v. , V ZR 277/95, NJW 1997, 938). Denn in jedem Fall ergibt sich die Rechtsfolge aus §§ 440 Abs. 1, 323 BGB a.F.

2. Keinen Erfolg hat die Revision auch mit dem Vorbringen der Beklagten, Gegenstand der Kaufverträge sei kraft Gesetzes das im Zuge der Umlegung gebildete Grundstück mit der entsprechend verringerten Flächengröße. Zwar ist es richtig, daß nach § 63 Abs. 1 Satz 1 BauGB die im Wege der Umlegung zugeteilten Grundstücke nicht nur hinsichtlich der dinglichen Rechte an die Stelle der alten Grundstücke treten, sondern auch hinsichtlich der diese Grundstücke betreffenden Rechtsverhältnisse. Das bedeutet aber nicht, daß sich der Inhalt der in dem Kaufvertrag übernommenen Verpflichtungen geändert hätte. Eine solche Änderung hätte im Umlegungsverfahren nach § 61 Abs. 1 BauGB erfolgen können. Soweit Rechte oder Rechtsverhältnisse hingegen unverändert übergehen und infolge der im Umlegungsplan getroffenen Regelungen nicht mehr ausübbar oder gegenstandslos werden, sind hierdurch entstehende Ansprüche eines Berechtigten zwischen ihm und dem (bisher) Verpflichteten privatrechtlich außerhalb des Umlegungsverfahrens zu regeln (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Otte, BauGB, Losebl., Stand Mai 2001, § 63 Rdn. 3; vgl. auch Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl., § 63 Rdn. 4). Dem entspricht die hier vorliegende Konstellation.

3. Berechtigt ist demgegenüber die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Vertragsinhalt fehlerhaft ermittelt. Zwar ist die Auslegung eines individuellen Vertrages in erster Linie Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann sie jedoch darauf überprüfen, ob materielles (z.B. §§ 133, 157 BGB) oder formelles (z.B. § 286 ZPO) Recht verletzt worden ist (st.Rspr. des BGH, vgl. Urt. v. , II ZR 26/95, NJW-RR 1996, 932; Urt. v. , I ZR 71/95, NJW 1998, 1144, 1145, jew.m.w.N.).

Vorliegend macht die Revision zu Recht geltend, daß das Berufungsgericht den Auslegungsstoff nicht vollständig berücksichtigt und damit gegen die Grundsätze der §§ 133, 157 BGB verstoßen hat. Es hat nämlich den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten, der Streithelfer habe die Kläger bei der Beurkundung auf die Bedeutung des Umlegungsverfahrens und die damit verbundene Reduzierung der Grundstücksflächen aufmerksam gemacht, nur unter dem Gesichtspunkt des § 439 Abs. 1 BGB a.F., nämlich dahin berücksichtigt, ob daraus auf eine positive Kenntnis der Kläger von dem (angenommenen) Rechtsmangel geschlossen werden kann. Zu prüfen wäre aber gewesen, ob ein solcher Hinweis nicht Einfluß auf den Inhalt der vertraglichen Einigung gehabt hat. Wenn die Parteien, von dem Notar entsprechend unterrichtet, wissen, daß das Umlegungsverfahren zu einer Flächenreduzierung des Kaufgrundstücks führt, dann liegt es nicht fern, daß sie diesem Umstand den Kaufvertrag anpassen und die Übereignungsverpflichtung auf die Fläche beschränken, die das Grundstück nach Abschluß des Umlegungsverfahrens haben wird. Schon aus diesem Grund kann das Urteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Der Fehler hat die Aufhebung und Zurückverweisung zur Folge, damit das Berufungsgericht dem - streitigen - Vortrag der Beklagten zur Tragweite der notariellen Hinweise nachgehen und ihre Bedeutung für den Inhalt des Kaufvertrages würdigen kann.

4. Eine Aufhebung und Zurückverweisung ist aber auch bei Zugrundelegung der Auslegung des Berufungsgerichts geboten. Dieses hält den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten für unerheblich, daß der Wert der Grundstücke nach der alten Parzellierung geringer gewesen sei als der Wert der Grundstücke nach der Umlegung, und zwar trotz der reduzierten Fläche. Das verletzt, wie die Revision zu Recht hervorhebt, § 472 BGB a.F.

Der Anspruch aus § 323 Abs. 3 BGB a.F. geht auf die Herausgabe dessen, was die Kläger im Hinblick auf die teilweise Unmöglichkeit der Gegenlei-stung (nach a.A.: im Hinblick auf den Rechtsmangel) zuviel gezahlt haben. Dieser Betrag bemißt sich nach § 323 Abs. 1, Halbs. 2 BGB a.F. nach den Grundsätzen des § 472 BGB a.F. Das bedeutet, daß der Kaufpreis nicht, wie von dem Berufungsgericht vorgenommen, der Minderfläche entsprechend gekürzt werden kann. Vielmehr mindert sich der Kaufpreis in dem Verhältnis, in dem der Wert der vollständigen Leistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zum Wert der möglich gebliebenen Teilleistung gestanden hätte (Staudinger/Otto, BGB [2000], § 323 Rdn. 43; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 323 Rdn. 9). Ist folglich, wie hier von den Beklagten behauptet und unter Beweis gestellt, der Wert der Teilleistung höher als es der Wert der vereinbarten Leistung gewesen wäre, so ist für eine Minderung der Gegenleistung kein Raum. Dem kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entgegengehalten werden, die Kläger hätten eine etwaige Werterhöhung durch das Umlegungsverfahren als "Chance" mitgekauft. Denn die Chance der Werterhöhung konnten sie nur um den Preis der sonstigen Folgen des Umlegungsverfahrens mitkaufen. Eine Werterhöhung war ohne Abtrennung der Parkplätze und Reduzierung der Gesamtfläche nicht möglich. Diese Flächenbereinigung war Bestandteil des Umlegungsverfahrens. Wollte man den Klägern das Recht zur Minderung des Kaufpreises unabhängig von der mit der Teilleistung verbundenen (behaupteten) Werterhöhung zugestehen, stünden sie sich besser als bei vollständiger Erfüllung, also bei einer Verschaffung von Miteigentumsanteilen an der Fläche von

(insgesamt) 2.786 qm, und damit ohne die - negativen wie positiven - Einwirkungen des Umlegungsverfahrens. Eine solche Lösung ist im Vertrag nicht angelegt. Darin läge eine Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zu Lasten der Beklagten, für die § 323 Abs. 1 BGB a.F. keine Handhabe bietet.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
MAAAC-02119

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein