Leitsatz
[1] Grundlage für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist der Wert des einem künftigen Insolvenzbeschlag unterliegenden Vermögens des Schuldners bei Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung; dazu gehört grundsätzlich auch der Wert der Firma des Schuldnerunternehmens.
Gesetze: InsVV § 1; InsVV § 10; InsVV § 11
Instanzenzug:
Gründe
I.
Durch wurde der Rechtsbeschwerdeführer zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt, mit Beschluß vom unter gleichzeitiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zum Insolvenzverwalter bestellt. Er hat für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter eine Vergütung in Höhe von 142.008,06 DM zuzüglich 1.000 DM Auslagen und Umsatzsteuer in Höhe von 22.881,29 DM, zusammen 165.889,35 DM beantragt. Als Berechnungsgrundlage hat er einen Wert des verwalteten freien Vermögens von 4.325.403 DM zugrundegelegt und zusätzlich zu der Normalvergütung von 25 % des Staffelsatzes in Höhe von 35.502,02 DM einen Zuschlag für die Betriebsfortführung in Höhe von 50 % (71.004,03 DM) und einen weiteren Zuschlag von 25 % (35.502,02 DM) für die Bearbeitung der Arbeitnehmerangelegenheiten, für Sanierungsbemühungen zugunsten der Schuldnerin unter erheblichem Zeitdruck und die Klärung konzernrechtlicher Fragen verlangt.
Das Amtsgericht hat die Vergütung auf insgesamt 64.990,47 DM festgesetzt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Insolvenzverwalter seinen Antrag weiter; er begehrt die Festsetzung weiterer 51.588,78 € als Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter.
II.
Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 64 Abs. 3 InsO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 4 InsO); es führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und Zurückverweisung an das Insolvenzgericht.
1. Das Landgericht hat den Firmenwert im Eröffnungsverfahren mit Null angesetzt, weil zu dieser Zeit die Firma nur einen ideellen Wert gehabt habe und besondere Aufwendungen mit der Sicherung der Firma nicht verbunden gewesen seien. Der vom Amtsgericht gewährte Zuschlag von 18 % (25 % von 75 %) sei unter Berücksichtigung der Größe des Unternehmens (mehr als 100 Mitarbeiter) und der kurzfristigen Betriebsfortführung angemessen. Weitere Zuschläge seien nicht gerechtfertigt. Die Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen hätten erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden und könnten auch erst in diesem Verfahrensabschnitt vergütet werden.
2. Die Frage, ob der Firmenwert bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu berücksichtigen ist, war bislang noch nicht Gegenstand der Erörterung in der Rechtsprechung. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu steht aus.
Der Firmenwert ist entgegen der Ansicht des Insolvenz- und des Beschwerdegerichts bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu berücksichtigen.
a) Grundlage für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 10, 11 i.V.m. § 1 InsVV) ist der Wert der "Insolvenzmasse" bei Beendigung seiner vorläufigen Insolvenzverwaltung (BGHZ 146, 165, 175; , ZInsO 2004, 672, 673). Zu berücksichtigen sind solche Vermögenswerte, die zu dem genannten Zeitpunkt zu dem gesicherten und verwalteten Vermögen gehört haben. Entscheidend ist die Zugehörigkeit zur "Istmasse", also zu dem vom Insolvenzverwalter in Besitz zu nehmenden oder sonst für die Masse zu reklamierenden Vermögen (BGHZ 146, 165, 174; aaO).
b) Die Firma und damit der Firmenwert gehören zu dem von dem vorläufigen Insolvenzverwalter zu sichernden und zu verwaltenden Vermögen. Die Firma ist nach § 23 HGB mit dem Handelsgeschäft übertragbar. Daher ist sie Massebestandteil in der Insolvenz (BGHZ 85, 221, 222; 109, 364, 366; MünchKomm-InsO/Lwowski, § 35 Rn. 484; HK-InsO/Eickmann, 3. Aufl. § 35 Rn. 27). Sie kann, weil die Schuldnerin eine GmbH ist und die Firma zudem keine Namensbestandteile enthält, in der Insolvenz ohne Zustimmung der Schuldnerin veräußert werden (BGHZ 85, 221, 224).
Die Firma gehörte bei Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung zur "Istmasse". Die Schuldnerin konnte nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht mehr über die Firma verfügen, weil gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet worden war. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte der Insolvenzverwalter auch die Firma in Besitz und Verwaltung zu nehmen, §§ 80, 148 Abs. 1 InsO.
c) Für die Bemessung des Wertes der Firma ist auf den Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung abzustellen. Die Firma ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für 1.495.000 DM verkauft worden. Entgegen der Auffassung des Insolvenzgerichts ist es unerheblich, daß der Kaufpreis der Masse erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeflossen ist. Mit ihrem Wert war die Firma bereits vorher vorhanden. Die Annahme des Beschwerdegerichts, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe der Wert Null betragen, ist unzutreffend. Bereits in seinem Gutachten vom hat der vorläufige Insolvenzverwalter ausgeführt, daß er aufgrund der geführten Gespräche hoffe, im eröffneten Verfahren als Firmenwert 1.495.000 DM zu erzielen. Dies ist später auch gelungen. Schon deshalb liegt es hier nahe, dem Firmenwert bei Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung einen entsprechenden Wert beizumessen.
Wird das Verfahren nach Bestätigung eines Insolvenzplans aufgehoben oder durch Einstellung vorzeitig beendet, ist die Vergütung nach dem Schätzwert der Masse zu berechnen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 InsVV). Dies gilt gemäß §§ 10, 11 InsVV entsprechend für die Feststellung des Wertes des vom vorläufigen Insolvenzverwalter zu sichernden und zu verwaltenden Vermögens. Gegebenenfalls ist der Wert der einzelnen Gegenstände nach den Grundsätzen des § 287 ZPO (i.V.m. § 4 InsO) zu schätzen (MünchKomm-InsO/Nowak, aaO § 1 InsVV Rn. 4; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 3. Aufl. § 1 Rn. 47).
Zugrunde zu legen ist der Verkehrswert (MünchKomm-InsO/Nowak, aaO § 11 InsVV Rn. 6; Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 11 Rn. 62; OLG Zweibrücken ZIP 2000, 1306, 1308; OLG Jena ZIP 2000, 1839, 1840; LG Traunstein ZInsO 2000, 510). Sind Fortführungswert und Zerschlagungswert unterschiedlich hoch, ist entscheidend, welche Werte sich voraussichtlich verwirklichen lassen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 11 InsVV Rn. 63; MünchKomm-InsO/Nowak, aaO § 11 InsVV Rn. 6; OLG Zweibrücken aaO; LG Traunstein aaO).
Da der vorläufige Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin fortgeführt hat und in seinem Gutachten vom "zuversichtlich" war, daß im eröffneten Verfahren eine Veräußerung der Firma der Schuldnerin kurzfristig möglich sei, kann nicht von Zerschlagungswerten ausgegangen werden. Dies hat auch die weitere Entwicklung bestätigt.
Die Erwägung des Beschwerdegerichts, daß besondere Aufwendungen mit der Sicherung der Firma nicht verbunden gewesen seien, spielt anders als bei Aus- und Absonderungsrechten (vgl. hierzu BGHZ 146, 165, 176 f) für den der Vergütungsberechnung zugrunde zu legenden Wert keine Rolle, weil die insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung insofern keine Einschränkungen enthält.
3. Ein Vergütungssatz von 25 % der Staffelvergütung gemäß § 2 InsVV ist beim vorläufigen Insolvenzverwalter als Ausgangssatz angemessen (, WM 2003, 1869, 1870; v. - IX ZB 10/03, ZIP 2003, 1612). Hat das Insolvenzgericht angeordnet, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, rechtfertigt dies bei der gesonderten Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Verwalters keinen generellen Zuschlag auf den Ausgangssatz von 25 % der Vergütung des endgültigen Verwalters ( aaO). Das haben die Ausgangsgerichte zutreffend gesehen.
4. Die Instanzgerichte haben indes übereinstimmend verkannt, daß die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters grundsätzlich in der Weise zu berechnen ist, daß besondere Umstände, welche die Tätigkeit erleichtern oder erschweren, unmittelbar gemäß § 3 InsVV den für den vorläufigen Insolvenzverwalter maßgeblichen Bruchteil verringern oder erhöhen (BGH, Beschl.v. - IX ZB 50/03, WM 2004, 585). Zwar ist die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 11 Abs. 1 InsVV als Bruchteil einer fiktiven Insolvenzverwaltervergütung zu bemessen. Die Schwierigkeit und die Bedeutung der vorläufigen Insolvenzverwaltung sind jedoch aus sich heraus zu bewerten. Dies hat dadurch zu geschehen, daß der für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters maßgebliche Prozentsatz entsprechend den Verhältnissen des konkreten Einzelfalles verändert wird. Nur hierdurch wird eine angemessene Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters gewährleistet. Würden Erschwernisse und Erleichterungen in die fiktive Vergütung des endgültigen Insolvenzverwalters einfließen, von welcher der vorläufige Insolvenzverwalter einen Prozentsatz (von 25 %) erhält, könnte der vorläufige Insolvenzverwalter unangemessen benachteiligt oder bevorzugt werden (BGH, Beschl.v. aaO S. 586).
Die Berechnungsweise des Insolvenz- wie des Beschwerdegerichts stimmen hiermit nicht überein. Sie haben vielmehr zunächst einen angemessenen Zuschlag von 75 % für den Insolvenzverwalter festgelegt und sodann hiervon 25 % zuerkannt, abgerundet 18 %. Sie hätten statt dessen prüfen müssen, welcher Zuschlag beim vorläufigen Insolvenzverwalter unmittelbar angemessen ist unter Berücksichtigung der für ihn maßgebenden Umstände. Entspricht die zuschlagspflichtige Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters in vollem Umfang einer entsprechenden Tätigkeit des endgültigen Insolvenzverwalters, insbesondere in Aufgaben, Befugnissen, Umfang und Dauer der Tätigkeit sowie im Haftungsrisiko, ist der Zuschlag wie beim endgültigen Insolvenzverwalter zu bemessen. Andernfalls sind entsprechend niedrigere oder höhere Prozentzuschläge anzusetzen (vgl. MünchKomm-InsO/Nowak, aaO § 11 InsVV Rn. 16). In der Regel wird allerdings der Umfang der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters, die einen Zuschlag nach § 3 InsVV auslöst, schon in zeitlicher Hinsicht (weit) geringer sein als diejenige des endgültigen Insolvenzverwalters. Deshalb wird in der Literatur vertreten, daß regelmäßig ein Viertel der für den Verwalter nach § 3 InsVV empfohlenen Zu- und Abschläge in Anrechnung zu bringen ist (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 11 Rn. 74). Maßgebend sind jedoch stets die Umstände des Einzelfalles. Die damit vorzunehmende Anknüpfung an die konkrete Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters begegnet auch der Gefahr, daß das Schuldnervermögen aufgrund pauschaler Vergütungen nicht tätigkeitsbezogener Merkmale schon vor der Verfahrenseröffnung durch zu hohe Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters erschöpft wird (BGHZ aaO S. 176; aaO S. 1870).
Soweit bereits die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen betraf, ist sie bereits bei dessen Vergütung zu berücksichtigen. Daß die übertragende Sanierung selbst naturgemäß erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat, steht dem nicht entgegen. Diese Tätigkeit scheidet dann aber als Grundlage der Vergütung des (endgültigen) Insolvenzverwalters aus; sie kann nur einmal berücksichtigt werden.
5. Welcher Bruchteil der Insolvenzverwaltervergütung unter Berücksichtigung insbesondere von Art, Dauer und Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters festzusetzen ist, ist vorwiegend eine Frage der tatrichterlichen Würdigung des Leistungsbildes im Einzelfall (, ZIP 2002, 1459, 1460). Die Beschwerdeentscheidung ist deshalb aufzuheben und die Sache insbesondere zur Schätzung des Wertes der "Insolvenzmasse" bei Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung und der Festlegung der Quote der Staffelvergütung nach §§ 2, 3 InsVV zurückzuverweisen.
Die Zurückverweisung kann an das Ausgangsgericht erfolgen, weil schon dieses den entsprechenden Fragen hätte nachgehen müssen ( aaO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStZ 2006 S. 423 Nr. 12
FAAAC-00027
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein